2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV
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92 Heinz-Lother Barth<br />
Nicht alles steht in der Bibel: Scheebens Lehre<br />
Wir haben also anhand verschiedener Überlegungen gesehen, daß man nach katholischer<br />
Doktrin nicht umhin kommt, über die ex plika tive Tradi tion hinaus sogar eine<br />
konstitu tive anzuneh men; d.h. das Lehr amt, das von Petrus und den Aposteln an den<br />
Papst und in Einheit mit ihm an die Bischöfe weitergegeben wurde 166 , legt nicht nur<br />
die schrift liche Offenba rung verbind lich aus, son dern es ist eben außerdem eine ge wisse<br />
mate ria le Insuf fi zienz des schriftlich abgefaßten Neuen Testa ments zuzuge ben, wie man<br />
diesem ja sogar selbst entnehmen kann (z. B. Joh 20, 30 f.; 21,25; 1 Kor 11,2; 11,23;<br />
2 Thess 2,15; 2 Tim 1,13; 2,2 167 – an der letzteren Stelle haben wir schon einen klaren<br />
biblischen Ansatz für eine Kette mündlicher Tradition vor Augen). Das anerkannte<br />
auch Matthias Joseph Scheeben in einem vorzüglichen Abschnitt seiner großen Dogmatik<br />
und nannte als historisch gesicherte Beispiele offenbarte Wahrheiten, für die in<br />
der Heiligen Schrift gar kein oder doch kein hinreichender Anhalt vorhanden ist. Mit<br />
Recht fügte er allerdings im folgenden an, daß »nur verhältnismäßig wenig übrig (ist),<br />
worin die Tradition im strengen Sinne das in der Schrift Fehlende ergänzt.« Ja man<br />
kann sogar mit Scheeben festhalten, was wir oben schon angedeutet hatten, daß »in<br />
der Schrift alle Gebiete der offenbarten Wahrheiten wenigstens berührt und weitaus die<br />
meisten einzelnen Wahrheiten virtuell ausgesprochen oder doch angedeutet (sind), so<br />
daß es keine offenbarte Wahrheit gibt, die nicht analytisch oder synthetisch als nähere<br />
Bestimmung oder Entwicklung der in der Schrift enthaltenen Wahrheiten sich darstellte<br />
und in dieser einen Anknüpfungspunkt finden könnte.« 168 Karl Wittkemper faßte<br />
166 »Die Bischöfe sind die Nachfolger der Apostel. Das wird durch alle Riten ausdrücklich bestätigt.<br />
Die Gabe des Heiligen Geistes ist zur Leitung der Kirche und zur Fortsetzung des<br />
Werkes der Apostel unerläßlich und ist durch die Handauflegung von Geschlecht zu Geschlecht<br />
weitergegeben worden. Die Bischöfe sind die Vermittler der göttlichen Gaben, wie<br />
es im ostsyrischen Ritus heißt. Sie sind die wahren Hohenpriester des Neuen Bundes und<br />
zugleich die Nachfolger der Apostel.« (B. Botte, Das Weihesakrament nach den Gebeten<br />
des Weiheritus, in: Das apostolische Amt, hg. von Jean Guyot, Mainz 1961, 28 f. )<br />
167 Am 23. Februar 1546 wurden auf dem Konzil von Trient vor dem Kardinallegaten 14 Zitate<br />
aus der Bibel vorgelesen, welche die mündlichen apostolischen Traditionen belegen, die<br />
auf Christus oder den Heiligen Geist unmittelbar zurückgehen und nicht schriftlich vorliegen.<br />
Außerdem wurden zehn Kirchenväter mit je mehreren Aussagen genannt, in denen<br />
die Zweiheit der Offenbarungsquellen ausdrücklich vertreten wird (CT V Nr. 8, S. 14, 29 – S.<br />
18, 3) – abermals eine klare Bestätigung für die These daß das Tridentinum zur Zurückweisung<br />
protestantischer Heterodoxie die eminente Bedeutung einer auf die Apostel zurückgehenden<br />
oralen Tradition neben der Heiligen Schrift betonen wollte (vgl. Henri Holstein,<br />
La tradition d’après le concile de Trente, RSR 47/1959, 373 f; Alois Spindeler, Pari pietatis<br />
affectu – Das Tridentinum über die Heilige Schrift und apostolische Überlieferungen, in:<br />
Schrift und Tradition, 74).<br />
168 Matthias Joseph Scheeben, Handbuch der katholischen Dogmatik, 1. Buch, 3Freiburg/B. 1959, 148 f. Dies entspricht auch der Lehre des hl. Thomas, siehe z. B. S. th. II-II q. 1 a. 9