2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV
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90 Heinz-Lother Barth<br />
Schriftwort also philosophischen Ansichten, der Weisheit dieser Welt, persönlichen<br />
Präferenzen entgegensetzten, zeigten sie, dass die Schrift in diesen Fällen ein Äquivalent<br />
für die Offenbarung war, die den einzigen Weg darstellte, sicher Kenntnis von Gott zu<br />
erlangen. Insofern das von der Schrift bezeugte Gotteswort rein menschlichem Denken<br />
gegenübergestellt wurde, konnte die Bibel tatsächlich als wörtliche und sogar einzige<br />
Grundlage der christlichen Wahrheit betrachtet werden.« (93)<br />
Und einen weiteren Gesichtspunkt darf man nicht übersehen, wenn man heute immer<br />
wieder die Lehre von der materialen Vollständigkeit der Schrift bei den Patres betont:<br />
»Die heilsnotwendige Glaubenswahrheit war für die Väter nicht zuletzt insofern klar in<br />
der Schrift enthalten, als diese die apostolische Lehrautorität der Kirche deutlich und<br />
ausdrücklich bezeugte.« (95) Nur unter besagten Prämissen trat man in der Antike für<br />
die Vollständigkeit der Offenbarung durch die Bibel ein! Es liegt also ein ausgesprochen<br />
weiter Begriff von Suffizienz vor, was oft genug übersehen wird. 162<br />
Daß man auch bei den Kirchenvätern für wichtige materiale Fragen auf die mündliche<br />
Tradition, und zwar gerade die apostolischen Ursprungs, nicht verzichten konnte 163 , zeigt<br />
Haltung geht letztlich auf Kol 2,8 zurück: »Seht zu, daß euch niemand einfängt mit der<br />
Philosophie und leerem Trug nach Art menschlicher Überlieferung, nach Art der Weltelemente,<br />
und nicht im Sinne Christi.« Entscheidend ist allerdings in diesen inspirierten Worten<br />
der Hinweis auf die rein menschliche Herkunft und Tradition jener Philosophie, man<br />
darf ihn auf keinen Fall übersehen (zu dieser und vergleichbaren Bibelstellen siehe Honnefelder,<br />
Woher kommen wir? 19-23). Zur gesamten Thematik siehe jetzt die kirchengeschichtliche<br />
Habilitationsschrift von Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und<br />
die antike pagane Bildung, Tübingen 2007. So gab es Autoren wie Tatian und Commodian<br />
(siehe aber auch z.B. Tertullian, De praescriptione haereticorum, cap. 7), die der aus dem<br />
Heidentum kommenden Philosophie ganz ablehnend gegenüberstanden. Erfreulicherweise<br />
hat sich aber im wesentlichen das Prinzip der »Chresis«, des rechten Gebrauchs, durchgesetzt,<br />
über das der Münsteraner Klassische Philologe Christian Gnilka eine vorzügliche<br />
Reihe von Büchern gleichen Titels teils selbst geschrieben, teils von seinen Schülern hat<br />
erarbeiten lassen.<br />
162 Richtig erkannt hatte dies schon Carles Boyer in seinem Aufsatz »Traditions apostoliques<br />
non écrites« (Doctor communis 15/1962, 14 f.), der sich seinerseits wiederum auf Franzelin<br />
berufen konnte (Tractatus de divina traditione et scriptura, ed. tertia, Romae 1882, 227-240,<br />
Thesis XIX. »Sufficientia Scripturarum a ss. Patribus praedicatur non excludendo sed supponendo<br />
Traditionem ac ministerium ad custodiam depositi«). Der große Römische Theologe<br />
Franzelin hatte dann zahlreiche Kirchenväter angeführt; einige Stellen aus ihren Werken<br />
erwähnt auch Boyer. Übrigens wendet sich Boyer in einem Anhang zu seinem Aufsatz<br />
(18-21) zu Recht auch gegen eine Interpretation von Bruno Decker (Universität Mainz), der<br />
das »Sola Scriptura« – Prinzip sogar an einigen Stellen beim hl. Thomas von Aquin hatte entdeckt<br />
haben wollen.<br />
163 Weitere Beispiele sind angeführt bei Lennerz, Gregorianum 45/1959, 40 f. Im folgenden<br />
zitierte der Autor auch Stellen aus Werken mittelalterlicher Theologen (41 f.). Methodisch