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72 Heinz-Lother Barth nachweisen ließe, eine gewisse inhaltliche Komponente bei der Änderung eine Rolle gespielt haben. Sie hätte aber, wie wir sahen, im Unterschied zu Geiselmanns These, nicht die dogmatische Substanz der Formulierung wirklich geändert. Auch Yves Congar konzediert in seinem berühmten Standardwerk »La tradition et les traditions« 121 , daß die Konzilsväter möglicherweise gar keine dogmatische Änderung des Inhaltes mit dem kleinen Eingriff in den ursprünglich geplanten Texte hatten bewirken wollen: »Il est possible que partim… partim traduisît réellement la pensée des Pères du concile, car il s’agissait pour eux de réaffirmer qu’il existe des vérités non formulées dans l’Écriture. Depuis qu’un courant bibliciste exclusif ménaçait l’intégrité des principes dont l’Église avait toujours vécu, nombre d’apologistes catholiques présentaient l’Écriture et la tradition comme deux principes complémentaires.» In der zugehörigen Anmerkung 122 werden hier Theologen wie Thomas Morus, Driedo, Pighi und Gropper genannt. Congar fährt dann mit einer erstaunlichen Feststellung fort: »Il est de plus bien certain que les controversistes qui écrivirent sur cette question après le concil, le firent généralement dans le sens du partim... partim (hier werden in der Anmerkung Theologen wie Perez de Ayala, Petrus Canisius und Robert Bellarmin genannt). Il en fut ainsi jusqu’en plein XIX e siècle, sinon même jusqu’à nos jours: les textes du magistère que nous citerons au chapitre suivant (p. 257 s.) traitent l’Écriture et la tradition come deux sources de la divine Révélation.» 123 rungsströme zu unterscheiden (partim-partim) oder gar den Inhalt des Traditionsstromes durch Aufzählung einzelner Traditionen zu bestimmen, hatte man zurückgewiesen und sie mit der Aufeinanderfolge der Amtsträger (continua successione) verbunden, ihre Autorität aber – nach langem Hin und Her – der Schriftautorität gleichgestellt. Alles andere war der theologischen Spekulation überlassen.« (76) Daß aber auch Jedin keinesfalls Geiselmanns Hypothese vollständig unterstützt, zeigt die folgende Bemerkung: »Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Mehrzahl der in Trient anwesenden Theologen wenn nicht den Ausdruck partim-partim, so doch die Sache billigten, nämlich daß die dogmatische Tradition einen die Schrift ergänzenden Offenbarungsstrom beinhalte.« (61) Vgl. auch Heribert Schauf, Zur Dogmatischen Konstitution »Dei Verbum« über die göttliche Offenbarung Nr. 9, Annuarium Historiae Conciliorum 16/1984, 481: »Gestern bei dem Empfang im Hotel Quirinale u. a. mit Schlink, Schmidt, dem Leiter der Michaelsbruderschaft, und Jedin gesprochen. Mit Letzterem über Schrift und Tradition. Er sagte, er sei überzeugt, daß die Väter von Trient persönlich auf dem sachlichen Standpunkt des partim – partim gestanden hätten.« (Text nach der Tagebuchaufzeichnung vom 7. 12. 1965) 121 I (Essay historique), Paris 1960, 215. Das Buch existiert auch in deutscher Übersetzung »Die Tradition und die Traditionen – Bd. I« (Mainz 1965). Dort findet sich der Text auf S. 203 f. 122 227 Anm. 39 123 Weiter hinten wird dann tatsächlich eine Reihe von entsprechenden Stellen aus lehramtlichen Dokumenten zitiert (257-259). Also scheint, anders als Geiselmann behauptete, der späteren Theologie doch nicht so ohne weiteres vorgeworfen werden zu können, sie habe

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung Jene Sätze sind deshalb so erstaunlich, weil Congar dann im folgenden trotz dieser klaren Einsicht doch halbwegs auf die Geiselmann-Linie einschwenkt: Die Änderung von »partim – partim« zu »et« habe tatsächlich eine inhaltliche Änderung gebracht und die Zweiquellen-Theorie nicht mehr ausgedrückt. Schon kurz zuvor hatte der französische Theologe den Wechsel in der Ausdrucksweise inhaltlich so erklärt: »Il (le décret) ne dit pas, de cet Évangile, qu’il est contenu pour partie dans les Écritures, et pour partie dans les tradition (apostoliques) orales, mais qu’il est contenu à la fois dans les livres écrits et dans des traditions (apostoliques) transmises de main en main.« In diesem Text ist ein Wort überflüssig, ja direkt falsch: »à la fois« (deutsche Fassung: zugleich). 124 Denn genau dieser adverbiale Ausdruck steht nicht im endgültigen Text des Dekretes, sondern er geht lediglich auf die persönliche Deutung Congars zurück, und die ist nach allem, was wir erarbeitet haben und noch erarbeiten werden, eindeutig irrig. Aber jener postulierte Wandel, so lesen wir im folgenden mit Staunen, sei vielleicht von den Vätern gar nicht bewußt an den Text herangetragen, sondern vom Heiligen Geist gewirkt worden: »Pourquoi pas uns sens prophétique, dépassant ce que les Peres eux-mêmes ont pu avoir dans l’esprit?« 125 Aber was wäre, wenn die Väter eine solche Absicht der Relativierung nicht nur nicht im Sinn gehabt, sondern genau das Gegenteil verfolgt hätten? Lehnten sie sich also gegen den sanft hauchenden, ihnen und der Kirche allgemein bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts verborgen bleibenden Hl. Geist auf? Kennen wir das nicht schon von den Diskussionen um ein anderes Konzil: Geist des Konzils contra Buchstaben (bzw. Intention der Väter) des Konzils? die Intention der Konzilsväter von Trient mißverstanden. Siehe hierzu auch J. Beumer, Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 88-125. Zu dem bedeutenden Theologen Bellarmin siehe Thomas Dietrich, Die Theologie der Kirche bei Robert Bellarmin (1542-1621) – Systematische Voraussetzungen des Kontroverstheologen, Paderborn 1999, 159-190, v. a. 182-186. Dietrich muß zwar zugeben, daß Bellarmin die »partim – partim«-Formel verwandt hat und damit angeblich hinter das Schriftdekret von Trient zurückgefallen sei. Aber er habe sie nicht im Sinne »der neuscholastischen Lehre von den zwei Offenbarungsquellen« verstanden (186). Das mag ja in einzelnen Fällen zutreffen. Aber sogar Geiselmann, den Dietrich in der Fußnote 108 selbst zitiert, hatte gegen Beumer, auf den Dietrich sich ebenfalls dort beruft, Bellarmins Position anhand einer seiner Schriften so erklärt: »Hier hat das partim-partim nicht den weiteren Sinn von ›sowohl als auch‹, sondern den engeren von ›entweder – oder‹. Das zeigen die Beispiele, die er anführt: die immerwährende Jungfräulichkeit Marias, die Zahl der Schriften des biblischen Kanons, von denen er ja nachweist, daß allein die Tradition uns darüber Auskunft geben kann. Und wenn unmittelbar anschließend das aut scripto aut verbo folgt, so ist das Verhältnis von Schrift und Überlieferung so, daß beide ihrem Inhalt nach voneinander verschieden sind.« (Die Heilige Schrift und die Tradition, 194 f.) 124 Französische Ausgabe 214, deutsche Übersetzung 202 f. 125 Französische Ausgabe 217, deutsche Übersetzung 207. 73

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />

Jene Sätze sind deshalb so erstaunlich, weil Congar dann im folgenden trotz dieser klaren<br />

Einsicht doch halbwegs auf die Geiselmann-Linie einschwenkt: Die Änderung von<br />

»partim – partim« zu »et« habe tatsächlich eine inhaltliche Änderung gebracht und die<br />

Zweiquellen-Theorie nicht mehr ausgedrückt. Schon kurz zuvor hatte der französische<br />

Theologe den Wechsel in der Ausdrucksweise inhaltlich so erklärt: »Il (le décret) ne dit<br />

pas, de cet Évangile, qu’il est contenu pour partie dans les Écritures, et pour partie dans<br />

les tradition (apostoliques) orales, mais qu’il est contenu à la fois dans les livres écrits et<br />

dans des traditions (apostoliques) transmises de main en main.« In diesem Text ist ein<br />

Wort überflüssig, ja direkt falsch: »à la fois« (deutsche Fassung: zugleich). 124 Denn genau<br />

dieser adverbiale Ausdruck steht nicht im endgültigen Text des Dekretes, sondern<br />

er geht lediglich auf die persönliche Deutung Congars zurück, und die ist nach allem,<br />

was wir erarbeitet haben und noch erarbeiten werden, eindeutig irrig. Aber jener postulierte<br />

Wandel, so lesen wir im folgenden mit Staunen, sei vielleicht von den Vätern gar<br />

nicht bewußt an den Text herangetragen, sondern vom Heiligen Geist gewirkt worden:<br />

»Pourquoi pas uns sens prophétique, dépassant ce que les Peres eux-mêmes ont pu avoir dans<br />

l’esprit?« 125 Aber was wäre, wenn die Väter eine solche Absicht der Relativierung nicht<br />

nur nicht im Sinn gehabt, sondern genau das Gegenteil verfolgt hätten? Lehnten sie<br />

sich also gegen den sanft hauchenden, ihnen und der Kirche allgemein bis in die Mitte<br />

des 20. Jahrhunderts verborgen bleibenden Hl. Geist auf? Kennen wir das nicht schon<br />

von den Diskussionen um ein anderes Konzil: Geist des Konzils contra Buchstaben<br />

(bzw. Intention der Väter) des Konzils?<br />

die Intention der Konzilsväter von Trient mißverstanden. Siehe hierzu auch J. Beumer, Die<br />

mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 88-125.<br />

Zu dem bedeutenden Theologen Bellarmin siehe Thomas Dietrich, Die Theologie der Kirche<br />

bei Robert Bellarmin (1542-1621) – Systematische Voraussetzungen des Kontroverstheologen,<br />

Paderborn 1999, 159-190, v. a. 182-186. Dietrich muß zwar zugeben, daß Bellarmin<br />

die »partim – partim«-Formel verwandt hat und damit angeblich hinter das Schriftdekret<br />

von Trient zurückgefallen sei. Aber er habe sie nicht im Sinne »der neuscholastischen Lehre<br />

von den zwei Offenbarungsquellen« verstanden (186). Das mag ja in einzelnen Fällen zutreffen.<br />

Aber sogar Geiselmann, den Dietrich in der Fußnote 108 selbst zitiert, hatte gegen<br />

Beumer, auf den Dietrich sich ebenfalls dort beruft, Bellarmins Position anhand einer seiner<br />

Schriften so erklärt: »Hier hat das partim-partim nicht den weiteren Sinn von ›sowohl als<br />

auch‹, sondern den engeren von ›entweder – oder‹. Das zeigen die Beispiele, die er anführt:<br />

die immerwährende Jungfräulichkeit Marias, die Zahl der Schriften des biblischen Kanons,<br />

von denen er ja nachweist, daß allein die Tradition uns darüber Auskunft geben kann. Und<br />

wenn unmittelbar anschließend das aut scripto aut verbo folgt, so ist das Verhältnis von<br />

Schrift und Überlieferung so, daß beide ihrem Inhalt nach voneinander verschieden sind.«<br />

(Die Heilige Schrift und die Tradition, 194 f.)<br />

124 Französische Ausgabe 214, deutsche Übersetzung 202 f.<br />

125 Französische Ausgabe 217, deutsche Übersetzung 207.<br />

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