2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV

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30.12.2012 Aufrufe

62 Heinz-Lother Barth Tradition zu beschäftigen hatte, als Humanisten 89 aufgefallen sein könnte. In dem zweigeteilten Ausdruck »hanc veritatem partim contineri in libris scriptis, partim sine scripto traditionibus« würde man eher zu »traditionibus« noch einmal das »in« wiederholen, das auch vor »libris scriptis« steht. An sich könnte die Präposition bei »traditionibus« zur Not mitgehört werden. Aber in gutem Latein würde man sie bei der anaphorischen Widerholung von »partim« doch noch einmal nach der zweiten Setzung des Adverbs aufgreifen. 90 Eine solche Wiederholung des »in« läßt sich nun aber auch ihrerseits nicht glatt vornehmen. Dann würden nämlich zwei Präpositionen aufeinander folgen, was als stilistisch äußerst bedenklich gilt 91 : »partim in sine scripto traditionibus«. 92 Auch eine Umstellung wäre kaum in Frage gekommen, so daß das zweite Kolon dann entweder lauten würde »partim in traditionibus sine scripto« oder »partim sine scripto in traditionibus.« Bei der letzteren Wortstellung wäre der Bezug zwischen »schriftlos« und »Überlieferungen« nicht eng genug; denn es soll ja heißen »in schriftlosen Überlieferungen«, nicht »ohne Schrift in Überlieferungen«. Die erstere Version wäre etwas besser und inhaltlich eher vertretbar, aber wiederum stilistisch alles andere als elegant, da nun »sine scripto« nachklappert und sein unmittelbarer Zusammenhang mit »in traditionibus« auch nicht so deutlich herauskommt wie bei einer geschlossenen Wortstellung. Der Verzicht auf die Adverbien »partim – partim« und der Ersatz durch die einfache Konjunktion »et« beseitigt hingegen die kleine stilistische Unschönheit des ursprünglichen Entwurfes. Denn nun kann die Präposition »et« ohne jede Mühe auch bei »traditionibus« mitgehört werden, und die geschlossene Wortstellung von »sine scripto traditionibus« ist gewahrt: »hanc veritatem et disciplinam contineri in libris scriptis et sine scripto traditionibus.« Ich gebe gerne zu, daß ich mangels Quellen in den Konzilsakten diese These nicht bis zur absoluten Evidenz beweisen kann. 93 Aber Geiselmann kann ja eben 89 Siehe Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, II 56. 90 Siehe Hermann Menge, Lehrbuch der lateinischen Syntax und Semantik. Völlig neu bearbeitet von Thorsten Burkard und Markus Schauer, Darmstadt 2000, § 199, S. 250. Die späteren Auflagen des Standardwerks (4. Aufl. 2009) waren mir nicht greifbar. 91 »Im Lateinischen folgen zwei Präpositionen nie unmittelbar aufeinander.« (H. Menge, § 198, 5, S. 250) 92 Lennerz verwendet diesen Ausdruck in seinen lateinischen Ausführungen (In: Schrift und Tradition, 55 f.). Aber der Inhalt seiner Darlegungen überzeugt mehr als der Stil seiner lateinischen Formulierungen. Wobei es auf der anderen Seite natürlich an sich für einen Theologen höchst löblich ist, wenn er sich darum bemüht, seine Beiträge in der Muttersprache der römisch-katholischen Kirche vorzulegen! 93 Erst als mein Aufsatz nahezu fertiggestellt war, konnte ich feststellen, daß P. Umberto Betti O.F.M. in nuce auch schon meine These der stilistischen Änderung vertreten hat (La tradizione è una fonte di revelazione? Antonianum 38/1963, 34 Anm. 1). Allerdings ging er, der dieses entscheidende Argument nur in einer Fußnote nebenbei erwähnte, auf mögliche Einwände nicht ein und sicherte seine These nicht durch Parallelen ab, auf die wir weiter unten noch eingehen werden. Immerhin fühlte ich mich durch diese nachträgliche Beob-

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung auch die seine nicht belegen, im Gegenteil, die dem Konzil unterstellte Absicht läßt sich widerlegen, wie wir schon gesehen haben und noch weiter aufzeigen werden! Zeugen des 16. Jahrhunderts für die philologische Interpretation Ja, für unsere Deutung gibt es sogar eine gewisse indirekte Bestätigung aus Theologenäußerungen zur Zeit des Tridentinums, die zwar schon seit einigen Jahrzehnten bekannt sind, bisher aber noch nicht mit unserem sprachlichen Lösungsansatz zusammengebracht wurden. So wollte ein Konzilsvater, der selbst an der vierten Sitzung teilgenommen hatte und daher über die Verhältnisse Bescheid wußte, Bischof Giovanni Antonio Delfino, einige Jahre später, nämlich 1561, die materiale Unvollständigkeit der Bibel mit Berufung auf eben jene vierte Sitzung des Tridentinums argumentativ stützen. 94 Dabei ging er – nicht zu Unrecht – so weit zu behaupten, daß die Kirche sogar Dinge, die dem Wortlaut der Bibel nach als gültig oder gar verbindlich erscheinen, u. U. abschaffen kann. Als Beispiele führte er u. a. an die Ersetzung des Sabbats aus dem Alten Testament durch den Sonntag und die Nichtbeachtung des Apostelkonzils (Apg 15, 29), das Blutiges und Ersticktes zu essen untersagt hatte. 95 In diesem Zusammenhang formulierte Bischof Delfino in seiner Schrift, die den Titel trägt »De tractandis in concilio oecumenico, et qualiter, et in quem finem Patres ea disserere conveniat« (cap. XXV, p. 608 96 ) folgende Stellungnahme, die Bezug nahm auf den Konzilstext, und zwar eben einige Jahre nach dessen endgültiger Abfassung: »Magnus quoque Basilius in libro De Spiritu Sancto plane ostendit habere nos dogmata, quae in Ecclesia servantur, ac praedicantur, partim ex conscripta doctrina, partim vero ex Apostolorum traditione ad nos delata in mysterio.« 97 – »Auch Basilius achtung in meiner These gut bestätigt, die sich mir sogleich aufgedrängt hatte, als mich katholische Theologiestudenten vor einigen Jahren mit dem Problem der Textänderung auf dem Tridentinum und der Geiselmannschen Hypothese konfrontierten! Übrigens hatte sich ein Jahr vor Betti schon Johannes Beumer S.J. ähnlich geäußert, allerdings nur in sehr allgemeiner Form: »Der Grund muß indes nicht unbedingt in dem Einspruch des Servitengenerals oder in der Rücksicht auf die Mißverständlichkeit des Ausdrucks gelegen haben, sondern könnte eher in dem Bestreben zu suchen sein, den sonst etwas schwerfälligen Text stilistisch zu glätten.« (Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 84). 94 Siehe P. G. Rambaldi S. I., In Libris scriptis et sine scripto traditionibus. La interpretazione del teologo conciliare G. A. Delfino O.F.M.Conv., Antonianum 35/1960, 88-94. 95 Zur Frage, wie es zur Nichtbeachtung dieser Vorschrift jedenfalls in der Westkirche kam, habe ich mich an anderer Stelle geäußert: Bekannte sich Luther zur katholischen Konzilsidee? Ein Beitrag zur aktuellen Frage, ob die Protestanten »Kirche« sind, UVK 37/2007, 278 f. 96 Die Schrift selbst war mir nicht greifbar, ich zitiere nach Rambaldi, Antonianum 35/1960, 93 mit Anm. 3. 97 Delfino bezieht sich auf Basilius’ Schrift De Spiritu Sancto, cap. 27; PG 32,187 = Fontes christiani 12, 272/74. 63

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />

auch die seine nicht belegen, im Gegenteil, die dem Konzil unterstellte Absicht läßt sich<br />

widerlegen, wie wir schon gesehen haben und noch weiter aufzeigen werden!<br />

Zeugen des 16. Jahrhunderts für die philologische Interpretation<br />

Ja, für unsere Deutung gibt es sogar eine gewisse indirekte Bestätigung aus Theologenäußerungen<br />

zur Zeit des Tridentinums, die zwar schon seit einigen Jahrzehnten bekannt<br />

sind, bisher aber noch nicht mit unserem sprachlichen Lösungsansatz zusammengebracht<br />

wurden. So wollte ein Konzilsvater, der selbst an der vierten Sitzung teilgenommen hatte<br />

und daher über die Verhältnisse Bescheid wußte, Bischof Giovanni Antonio Delfino, einige<br />

Jahre später, nämlich 1561, die materiale Unvollständigkeit der Bibel mit Berufung auf<br />

eben jene vierte Sitzung des Tridentinums argumentativ stützen. 94 Dabei ging er – nicht<br />

zu Unrecht – so weit zu behaupten, daß die Kirche sogar Dinge, die dem Wortlaut der<br />

Bibel nach als gültig oder gar verbindlich erscheinen, u. U. abschaffen kann. Als Beispiele<br />

führte er u. a. an die Ersetzung des Sabbats aus dem Alten Testament durch den Sonntag<br />

und die Nichtbeachtung des Apostelkonzils (Apg 15, 29), das Blutiges und Ersticktes zu<br />

essen untersagt hatte. 95 In diesem Zusammenhang formulierte Bischof Delfino in seiner<br />

Schrift, die den Titel trägt »De tractandis in concilio oecumenico, et qualiter, et in quem<br />

finem Patres ea disserere conveniat« (cap. XXV, p. 608 96 ) folgende Stellungnahme, die<br />

Bezug nahm auf den Konzilstext, und zwar eben einige Jahre nach dessen endgültiger<br />

Abfassung: »Magnus quoque Basilius in libro De Spiritu Sancto plane ostendit habere<br />

nos dogmata, quae in Ecclesia servantur, ac praedicantur, partim ex conscripta doctrina,<br />

partim vero ex Apostolorum traditione ad nos delata in mysterio.« 97 – »Auch Basilius<br />

achtung in meiner These gut bestätigt, die sich mir sogleich aufgedrängt hatte, als mich katholische<br />

Theologiestudenten vor einigen Jahren mit dem Problem der Textänderung auf<br />

dem Tridentinum und der Geiselmannschen Hypothese konfrontierten! Übrigens hatte sich<br />

ein Jahr vor Betti schon Johannes Beumer S.J. ähnlich geäußert, allerdings nur in sehr allgemeiner<br />

Form: »Der Grund muß indes nicht unbedingt in dem Einspruch des Servitengenerals<br />

oder in der Rücksicht auf die Mißverständlichkeit des Ausdrucks gelegen haben, sondern<br />

könnte eher in dem Bestreben zu suchen sein, den sonst etwas schwerfälligen Text<br />

stilistisch zu glätten.« (Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 84).<br />

94 Siehe P. G. Rambaldi S. I., In Libris scriptis et sine scripto traditionibus. La interpretazione<br />

del teologo conciliare G. A. Delfino O.F.M.Conv., Antonianum 35/1960, 88-94.<br />

95 Zur Frage, wie es zur Nichtbeachtung dieser Vorschrift jedenfalls in der Westkirche kam, habe<br />

ich mich an anderer Stelle geäußert: Bekannte sich Luther zur katholischen Konzilsidee? Ein<br />

Beitrag zur aktuellen Frage, ob die Protestanten »Kirche« sind, UVK 37/2007, 278 f.<br />

96 Die Schrift selbst war mir nicht greifbar, ich zitiere nach Rambaldi, Antonianum 35/1960, 93<br />

mit Anm. 3.<br />

97 Delfino bezieht sich auf Basilius’ Schrift De Spiritu Sancto, cap. 27; PG 32,187 = Fontes christiani<br />

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