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60 Heinz-Lother Barth Konzilsverhandlungen ein Klärungsprozeß ergeben 80 , zuvor waren diese Unterschiede durchaus nicht von allen Konzilsteilnehmern sauber beachtet worden. 81 Im einzelnen aufgezählt wurden jene verbindlichen apostolischen Traditionen mündlicher Provenienz allerdings nicht, obgleich diese Maßnahme von einzelnen Konzilsvätern vorgeschlagen worden war. 82 Man mag das bedauern, weil manches damit klarer geworden wäre. Immerhin begegnen, wie wir noch sehen werden, in weiteren Texten des Konzils an anderer Stelle solche Beispiele, was oft übersehen wird. Den Konzilsvätern ging es offenbar nur darum, den protestantischen Irrtum so weit zurückzuweisen, wie dies zur Sicherung der katholischen Wahrheit unbedingt nötig war: ein Konzilstext ist keine Dogmatik! Und da reichte es eben, die Bedeutung der mündlichen apostolischen Traditionen schließlich nahezu einstimmig gegen deren Gegner gesichert zu haben. Kommt der Schrift und den apostolischen Traditionen die gleiche Würde zu? Gerungen wurde allerdings um die Frage, ob es angemessen sei, zu erklären, daß die Kirche die Heilige Schrift und die mündlichen Traditionen aus apostolischer Zeit »pari pietatis affectu ac reverentia suscipit et veneratur« – »mit dem gleichen Gefühl der Ergebenheit und (mit der gleichen) Hochachtung annimmt und verehrt.« Müßte man nicht doch vielleicht der Bibel einen höheren Rang einräumen? Wäre nicht wenigstens jenes »pari« (»gleich«) durch »simili« (»ähnlich«) zu ersetzen? In der Tat votierten im Singular von dem der »(apostolischen) ungeschriebenen Traditionen« im Plural, von denen Trient sprach, geschieden. Wichtig sind auch die Bemerkungen von Gherardini, Concilio Ecumenico Vaticano II, 109-113. 80 Der erste Hinweis auf die mündlichen Traditionen aus apostolischer Zeit findet sich in einem Brief der Kardinallegaten an den Kardinal Farnese vom 7./8. Februar 1546 (CT 10 Nr. 294, S. 373, 14-23), nur wenige Tage später, am 11. Februar, wurde dementsprechend vorgeschlagen: »Item proponendum, quod ultra scripturas novi testamenti habemus traditiones apostolorum, de quibus est facienda aliqua mentio in concilio.« (CT V Nr. 2, S. 4, 6-8) Welche dogmatische Bedeutung diesen apostolischen Traditionen zukam, klärte dann der Jesuit Claude Le Jay, der als Prokurator des Bischofs von Augsburg, des Kardinals Truchseß, am Konzil teilnahm: »A traditionibus (sc. incipiendum est, H-L B); sed cum illae sint diversae auctoritatis in ecclesia, diverso modo recipiendae sunt. Nam illae, quae ad fidem pertinent, eadem sunt recipiendae auctoritate qua recipitur evangelium, aliae autem non ita, cum earum plurimae immutatae fuerint, ut de bigamis, de esu sanguinis et similia.« (CT V, Nr. 7, S. 13, 33-36) Es geht also um die prinzipielle Unveränderlichkeit bestimmter mündlicher Überlieferungen aus apostolischer Zeit. Le Jays Äußerung fand weiten Beifall. Zu diesen Stellungnahmen siehe Henri Holstein, RSR 47/1959, 369 f.; 377 f; Beumer, Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 76 f. 81 Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, II v. a. 47-50. 82 Henri Holstein, RSR 47/1959, 379 f.; Beumer, Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 87 f.
Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung einige Konzilsväter in diesem Sinne. Bischof Nacchianti von Chioggia qualifizierte am 5. April 1546 gar einen Text mit dem Attribut »pari« als »impium«. 83 Dem Servitengeneral Bonuccio – aber ihm als einzigen! – ging in den Partikularkongregationen vom 6. April 1546 selbst eine Formulierung, die stattdessen »simili« verwandte, noch zu weit! 84 Damit ist aber auch bei ihm offenbar keine Ablehnung eigenständiger apostolischer Traditionen mündlicher Provenienz mehr verbunden. Denn in seiner in mancher Hinsicht kühnen Predigt zur Sessio IV des Konzils am 8. April 1546 betonte er gegen die Reformatoren: »Die Heilige Schrift, auf die sich die Gegner berufen, und die apostolischen Traditionen stehen auf ihrer Seite, auf der des Konzils.« 85 Schließlich blieb aber das Attribut »pari« stehen. Außer dem Koadjutor von Bergamo und dem Bischof Nacchianti von Chioggia (letzterer votierte statt mit »placet« mit »obediam« – »ich werde gehorchen«), stimmten alle eindeutig für den entsprechenden Text. 86 Das gilt auch für den Servitengeneral Bonuccio, der lediglich auf seiner Kritik an dem Ausdruck »pari pietatis affectu ac reverentia (suscipit et veneratur)« bestand, im übrigen aber dem endgültigen Text zustimmte – möglicherweise aus der Bereitschaft, sich der drückenden Mehrheit zu fügen, wofür wir aber keine Quelle haben. 87 Hier liegt ein weiterer Beweis vor für den Rang, den das Tridentinum der mündlichen apostolischen Tradition einräumen wollte! Eine bisher übersehene stilistische Beobachtung zur Änderung des »partim – partim« in »et« Eine Änderung aus stilistischen Gründen will Geiselmann kategorisch ausschließen, obgleich er zugibt, daß solche Fälle für das Tridentinum prinzipiell nachweisbar sind. 88 Dabei hatte er aber etwas übersehen, das der Philologe sofort wahrnimmt; allerdings bin ich erstaunlicherweise dieser Beobachtung bei Abfassung meiner Untersuchung in der – freilich theologisch geprägten – wissenschaftlichen Literatur noch nicht begegnet. Denn die ursprüngliche Formulierung weist eine stilistische Unschönheit auf, die gerade dem Kardinallegaten Cervini, dessen »Klasse« sich mit den Texten zu Schrift und 83 CT V Nr. 30, S. 71, 16 84 CT V Nr. 32, S. 77, 49. Zu Nacchiantis und Bonuccios Protest siehe Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, II 71 f. 85 So Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, II 75. Wörtlich hatte der Prediger gesagt: »Ius, aequitas, scripturae ipsae apostolicaeque traditiones vobis in primis favent.« (CT V Nr. 35, S. 99, 32) 86 Siehe Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, 77; Alois Spindeler, v. a. 77-80. 87 Beumer, Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 83 Anm. 64. 88 Geiselmann, Die heilige Schrift und die Tradition, 55 61
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Bonuccio – aber ihm als einzigen! – ging in den Partikularkongregationen vom<br />
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auch für den Servitengeneral Bonuccio, der lediglich auf seiner Kritik an dem Ausdruck<br />
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Mehrheit zu fügen, wofür wir aber keine Quelle haben. 87 Hier liegt ein weiterer Beweis<br />
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Eine Änderung aus stilistischen Gründen will Geiselmann kategorisch ausschließen,<br />
obgleich er zugibt, daß solche Fälle für das Tridentinum prinzipiell nachweisbar sind. 88<br />
Dabei hatte er aber etwas übersehen, das der Philologe sofort wahrnimmt; allerdings<br />
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der – freilich theologisch geprägten – wissenschaftlichen Literatur noch nicht begegnet.<br />
Denn die ursprüngliche Formulierung weist eine stilistische Unschönheit auf, die gerade<br />
dem Kardinallegaten Cervini, dessen »Klasse« sich mit den Texten zu Schrift und<br />
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84 CT V Nr. 32, S. 77, 49. Zu Nacchiantis und Bonuccios Protest siehe Jedin, Geschichte des<br />
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85 So Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, II 75. Wörtlich hatte der Prediger gesagt: »Ius,<br />
aequitas, scripturae ipsae apostolicaeque traditiones vobis in primis favent.« (CT V Nr. 35,<br />
S. 99, 32)<br />
86 Siehe Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, 77; Alois Spindeler, v. a. 77-80.<br />
87 Beumer, Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 83 Anm. 64.<br />
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