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52 Heinz-Lother Barth pervenerunt«, muß sich diese Aussage inhaltlich auf beide Aspekte beziehen; eine einseitige Zuweisung nur an die vom Heiligen Geist verkündeten Offenbarungen der apostolischen Zeit ist ganz unwahrscheinlich, da ja auch die Worte Christi, soweit sie nur mündlich von den Aposteln empfangen worden war, von diesen und ihren Nachfolgern bis auf unsere Zeiten tradiert worden sind. Dann wäre es aber vom Satzbau her geboten, die Worte »aut ab ipsis Apostolis Spiritu sancto dictante«, obgleich sie nachgestellt sind, mit dem Partizip »acceptae« zusammenzunehmen; denn sonst würden sie syntaktisch gleichsam in der Luft hängen. Die von Wohlmuth herausgegebene deutsche Version macht immerhin deutlich, daß sich der Ausdruck »bis zu uns gelangt sind« auf beide Aspekte beziehen muß. Aber die »Überlieferung/Weitergabe gleichsam von Hand zu Hand« schließt sich hier einseitig nur an die Lehre an, die die Apostel durch die Eingebung des Heiligen Geistes empfangen haben, nicht an die Worte Christi. Das ist inhaltlich im doppelten Sinne unbefriedigend. Zum einen wurde ja eben die von Christus selbst stammende mündliche Tradition genauso weitergegeben. Zum andern bezöge sich bei diesem problematischen Verständnis der präpositionale Ausdruck »ab ipsis Apostolis« auf »quasi per manus traditae«. Die Apostel sind aber nur der Ausgangspunkt jener Überlieferungskette, während man den Text, wie er in DH 1501 und bei Wohlmuth abgedruckt ist, so verstehen könnte, als ob sie selbst auch die Traditionsträger, also für die spätere Weitergabe direkt verantwortlich wären. Logisch einwandfrei müßte ein lateinischer Text in dem Sinne, wie man die Vorlage meist syntaktisch analysiert und inhaltlich gedeutet hat, in Wahrheit etwa so lauten: »quae … ab ipsis Apostolis Spiritu Sancto dictante nuntiatae ac deinde quasi per manus traditae ad nos usque pervenerunt.« Unsere These wird in gewisser Weise durch die Fortsetzung des Textes bestätigt, weil ja dort ein ganz ähnlicher Gedanke noch einmal begegnet: …nec non 67 traditiones ipsas,…, tamquam vel oretenus a Christo, vel a Spiritu sancto dictatas et continua successione in Ecclesia catholica conservatas …« Hierbei entspricht das Kolon »et continua successione Cervini vom 18. Februar 1546 an, dessen Gedanken in modifizierter Form in das offizielle Dekret der IV. Sitzung des Trienter Konzils zu den heiligen Büchern und den Überlieferungen der Apostel eingegangen sind. Die Rede ist in zwei Fassungen überliefert, und zwar einer kürzeren nach den Akten des Konzils in CT V 11, 15-27 und einer längeren nach dem Tagebuch Massarellis in CT I 484, 39–485,30. 67 »An einer zweiten Stelle desselben Textes werden Schrift und Tradition aufgezählt: ›omnes libros tam Veteris quam Novi Testamenti … nec non traditiones ipsas«. Dazu ist von der Grammatik her zu sagen, daß ›nec non‹ mit seiner doppelten Verneinung ein verstärktes ›et‹ ist, was besagen will, das folgende Glied der Aufzählung dürfe nicht übersehen werden, habe auf keinen Fall eine geringere Bedeutung. Sinngemäß könnte man es mit ›und auch‹ oder ›und nicht minder‹ oder dergleichen wiedergeben. Dann steht bei ›traditiones‹ noch ›ipsas‹. Das Pronomen ›ipse‹ hebt, ganz allgemein gesprochen, etwas mit Nachdruck hervor, ja, wenn ein Begriff von zwei Dingen ausgesagt wird, unterstreicht ›ipse‹ erst recht das Wort, zu dem es gesetzt ist.« (Hens 85 f.)

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung in ecclesia catholica conservatas« dem Kolon »quasi per manus traditae ad nos usque pervenerunt«, »tamquam vel oretenus a Christo« greift hingegen »ab ipsius Christi ore (ab Apostolis acceptae)« auf und »a Spiritu sancto dictatas« wiederholt den Gedanken von oben »(… acceptae… ab ipsis Apostolis) Spiritu sancto dictante«. Hier würde nun umgekehrt das erste Kolon »tamquam vel oretenus a Christo« syntaktisch im freien Raum schweben, es sei denn, man wollte es adnominal auf den vorangegangenen Ausdruck »traditiones ipsas« beziehen, was stilistisch unschön und durch die dann vorliegende Sperrstellung (Hyperbaton) im Verständnis noch erschwert wäre, da ja dazwischen steht: »tum ad fidem, tum ad mores pertinentes«. Einfacher ist es, »vel oretenus a Christo« syntaktisch an das spätere Partizip »dictatas« anzuschließen. Dies schlägt auch die Übersetzung in DH 1501 vor: »entweder wörtlich von Christus oder vom Heiligen Geist diktiert.« Freilich sollte man »wörtlich« durch »mündlich« ersetzen, denn sonst müßte es »ad verbum« o. ä. und nicht »oretenus« heißen. Letzteren Aspekt hat die von Wohlmuth herausgegebene deutsche Fassung berücksichtigt, ihrerseits aber »oretenus a Christo« möglicherweise nicht mit »dictatas« zusammengebracht; denn die Übertragung lautet hier: »als aus dem Mund Christi hervorgegangen oder vom Heiligen Geist diktiert.« Dabei ist zuzugeben, daß »dictatas« leicht zeugmatisch gebraucht wird, d. h. das Vorgehen Christi ist nicht ganz dasselbe wie das des Heiligen Geistes; daher ist ja zu »a Christo« auch noch das Adverb »oretenus« hinzugefügt. Vielleicht hatte Wohlmuths Übertragung nur diesem Phänomen durch die Wahl zweier deutscher Verben gerecht werden wollen. Wie ich lange, nachdem ich mir dieses Textverständnis zu eigen gemacht hatte, feststellen konnte, scheint auch Kardinal M. Browne O.P. die Syntax der umstrittenen Sätze ähnlich aufgefaßt zu haben. Auf dem II. Vatikanum setzte er sich mit einer (allerdings beachtlichen) Minderheit der Konzilsväter dafür ein, daß die Bedeutung der mündlichen apostolischen Tradition für die christliche Offenbarung stärker betont würde, als dies von progressiver Seite geplant war. Und in diesem Zusammenhang griff er, wie es bei einem traditionell ausgerichteten Konzilsvater sowieso nicht anders zu erwarten war, auf den Text des Tridentinums zurück. Seine Worte lassen eindeutig die sprachliche Abhängigkeit vom Konzil zu Trient spüren, partiell handelt es sich um dieselben oder sehr ähnliche Formulierungen: »Christus Evangelium suum, fontem omnis veritatis salutaris et morum disciplinae primum promulgavit. Deinde iussit Apostolos ut illud omni creaturae praedicarent: quod et fecerunt, sive per scripta Spiritu Sancto inspirante exarata, sive per doctrinam a Christi ore aut a Spiritu Sancto acceptam, et oretenus tradendam, quae et fidei depositum constituunt et fiunt fontes cognitionis Revelationis Christianae, pari pietatis affectu et reverentia ab Ecclesia suscipiendi.« 68 Die in unserem philologischen Zusammenhang wichtigen Worte habe ich unterstrichen, sie scheinen 68 Zitat nach: Heribert Schauf, in: Glaube im Prozeß – Christsein nach dem II. Vatikanum – Für Karl Rahner. 70 f. Der Text ist bei Schauf im Anmerkungsteil auch übersetzt. 53

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />

in ecclesia catholica conservatas« dem Kolon »quasi per manus traditae ad nos usque<br />

pervenerunt«, »tamquam vel oretenus a Christo« greift hingegen »ab ipsius Christi ore<br />

(ab Apostolis acceptae)« auf und »a Spiritu sancto dictatas« wiederholt den Gedanken<br />

von oben »(… acceptae… ab ipsis Apostolis) Spiritu sancto dictante«. Hier würde nun<br />

umgekehrt das erste Kolon »tamquam vel oretenus a Christo« syntaktisch im freien Raum<br />

schweben, es sei denn, man wollte es adnominal auf den vorangegangenen Ausdruck »traditiones<br />

ipsas« beziehen, was stilistisch unschön und durch die dann vorliegende Sperrstellung<br />

(Hyperbaton) im Verständnis noch erschwert wäre, da ja dazwischen steht: »tum<br />

ad fidem, tum ad mores pertinentes«. Einfacher ist es, »vel oretenus a Christo« syntaktisch<br />

an das spätere Partizip »dictatas« anzuschließen. Dies schlägt auch die Übersetzung in<br />

DH 1501 vor: »entweder wörtlich von Christus oder vom Heiligen Geist diktiert.« Freilich<br />

sollte man »wörtlich« durch »mündlich« ersetzen, denn sonst müßte es »ad verbum«<br />

o. ä. und nicht »oretenus« heißen. Letzteren Aspekt hat die von Wohlmuth herausgegebene<br />

deutsche Fassung berücksichtigt, ihrerseits aber »oretenus a Christo« möglicherweise<br />

nicht mit »dictatas« zusammengebracht; denn die Übertragung lautet hier: »als aus dem<br />

Mund Christi hervorgegangen oder vom Heiligen Geist diktiert.« Dabei ist zuzugeben,<br />

daß »dictatas« leicht zeugmatisch gebraucht wird, d. h. das Vorgehen Christi ist nicht ganz<br />

dasselbe wie das des Heiligen Geistes; daher ist ja zu »a Christo« auch noch das Adverb<br />

»oretenus« hinzugefügt. Vielleicht hatte Wohlmuths Übertragung nur diesem Phänomen<br />

durch die Wahl zweier deutscher Verben gerecht werden wollen.<br />

Wie ich lange, nachdem ich mir dieses Textverständnis zu eigen gemacht hatte, feststellen<br />

konnte, scheint auch Kardinal M. Browne O.P. die Syntax der umstrittenen Sätze<br />

ähnlich aufgefaßt zu haben. Auf dem II. Vatikanum setzte er sich mit einer (allerdings<br />

beachtlichen) Minderheit der Konzilsväter dafür ein, daß die Bedeutung der mündlichen<br />

apostolischen Tradition für die christliche Offenbarung stärker betont würde, als<br />

dies von progressiver Seite geplant war. Und in diesem Zusammenhang griff er, wie es<br />

bei einem traditionell ausgerichteten Konzilsvater sowieso nicht anders zu erwarten<br />

war, auf den Text des Tridentinums zurück. Seine Worte lassen eindeutig die sprachliche<br />

Abhängigkeit vom Konzil zu Trient spüren, partiell handelt es sich um dieselben<br />

oder sehr ähnliche Formulierungen: »Christus Evangelium suum, fontem omnis veritatis<br />

salutaris et morum disciplinae primum promulgavit. Deinde iussit Apostolos ut illud<br />

omni creaturae praedicarent: quod et fecerunt, sive per scripta Spiritu Sancto inspirante<br />

exarata, sive per doctrinam a Christi ore aut a Spiritu Sancto acceptam, et oretenus<br />

tradendam, quae et fidei depositum constituunt et fiunt fontes cognitionis Revelationis<br />

Christianae, pari pietatis affectu et reverentia ab Ecclesia suscipiendi.« 68 Die in unserem<br />

philologischen Zusammenhang wichtigen Worte habe ich unterstrichen, sie scheinen<br />

68 Zitat nach: Heribert Schauf, in: Glaube im Prozeß – Christsein nach dem II. Vatikanum –<br />

Für Karl Rahner. 70 f. Der Text ist bei Schauf im Anmerkungsteil auch übersetzt.<br />

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