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30.12.2012 Aufrufe

40 Heinz-Lother Barth Die Kanonfrage Jenes ursprüngliche Magisterium entschied auch, welche Bücher als inspiriert gelten und zur göttlichen Offenbarung gehören sollten und welche nicht, wenn sich auch der eine oder andere Text, z.B. die Apokalypse, an manchen Stellen noch nicht von vornherein endgültig durchsetzte. Michael Fiedrowicz hat in seinem Buch »Theologie der Kirchenväter – Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion« 34 die Festlegung des neutestamentlichen Kanons für die ersten Jahrhunderte zuverlässig so beschrieben, wie sie sich nach der Lage unserer Quellen rekonstruieren läßt: »Wesentliche Teile des endgültigen Kanons lagen schon Ende des 2. Jh. vor, im späten 4. und beginnenden 5. Jh. war diese Klärung weitgehend abgeschlossen. Waren es im 2. und 3. Jh. einzelne Bischöfe und Theologen, die die Auseinandersetzung um die konkrete Gestalt des Kanons führten, so wurden seit dem 4. Jh. Kanonfragen auch auf Synoden geklärt. Hinzu kamen in dieser späteren Phase richtungsweisende Schreiben bedeutender kirchlicher Amtsträger. All dies zeigt, dass von einer Selbstdurchsetzung des Kanons nicht gesprochen werden kann, vielmehr verbindliche Entscheidungen erforderlich waren und faktisch auch von verschiedenen Instanzen der Kirche getroffen wurden. Für Entscheidungen in der Kanonfrage bildete die Überlieferung der Kirche stets einen wichtigen Orientierungspunkt.« Keine Chance, als inspiriert anerkannt zu werden, hatten übrigens Texte mit häretischem Inhalt und außerdem, abweichend von der heutigen Tendenz in der Exegese, solche, die einen anderen Autor vortäuschten als den, von dem sie wirklich stammten (sog. Pseudepigraphen). »Es läßt sich festhalten, daß die alte Kirche eine Schrift niemals zum Kanon rechnete, wenn sie diese als pseudepigraphisch und häretisch wertete,« so schreibt der Wiener Exeget Karl Jaroš in seinem neuen Buch »Das Neue Testament und seine Autoren – Ein Einführung« (Köln – Weimar – Wien [UTB] 2008, 210). 35 Und in der zugehörigen Nichtobjektivierbarkeit nennen könnte. Diesen Tatbestand hat die kirchliche Praxis und ihr folgend die mittelalterliche Theologie in der Überordnung der fides über die scriptura, d. h. des Glaubensbekenntnisses als Glaubensregel über die Einzelheiten des Geschriebenen ausgedrückt. Das Glaubenbekenntnis erscheint als der hermeneutische Schlüssel zur Schrift, die ohne Hermeneutik letztlich stumm bleiben muß.« Allerdings darf man natürlich auch das »Pneuma«, den »Geist«, nicht völlig vom »Gramma«, dem Buchstaben lösen, ebenso wenig wie das Glaubensbekenntnis substantiell über das in der Kirche stets Geglaubte hinausgehen darf. Lediglich eine bruchlose Entwicklung im Sinne eines immer tieferen Eindringens in das prinzipiell von Anfang an Offenbarte und im apostolischen Glaubensgut Aufbewahrte ist möglich. Wir kommen auf diese Frage noch zurück. 34 Freiburg/B. 2007, 61 35 Jaroš stützt sich für sein Urteil auf einen Aufsatz des schon erwähnten protestantischen Neutestamentlers Armin Daniel Baum aus dem Jahre 1997. Es sollte noch dessen Monographie hinzugenommen werden: Pseudepigraphie und literarische Fälschung im frühen Christentum. Mit ausgewählten Quellentexten samt deutscher Übersetzung, WUNT 2,138, Tübingen 2001.

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung Anmerkung 18 ordnet der Gelehrte diesen Befund in das Gesamtbild der antiken Literatur ein, die noch bis vor kurzem oft in dieser Hinsicht falsch bewertet worden war: »Im Unterscheid zum Alten Orient kannte die hellenische und die hellenistisch-römische Welt sehr wohl das, was heute als ›geistiges Eigentum‹ und ›Urheberrecht‹ bezeichnet wird, auch wenn es damals gegen Missbrauch keine gesetzlichen Sanktionen gegeben hat.« Jaroš’s Einschätzung wurde kürzlich von der Monographie eines jungen Klassischen Philologen glänzend bestätigt, die als Doktordissertation in Münster bei Christian Gnilka angefertigt worden war: Markus Mülke, Der Autor und sein Text, Berlin – New York 2008. Die Frage der Sakramente Kommen wir auf die materiale Insuffizienz, d. h. eine gewisse inhaltliche Unvollständigkeit des Neuen Testamentes, und die Notwendigkeit einer mündlichen Tradition der Apostel zurück. Es lassen sich nämlich nicht alle sieben Sakramente und deren Einsetzung durch Jesus Christus selbst 36 sicher »ex sola scriptura«, allein aus der Heiligen Schrift, belegen (man denke nur an die Firmung! 37 ), die Theologie geht hier sehr wohl im besagten Sinn »in der Überlieferung über die Schrift hinaus« (gegen Buckenmaier), indem sie eben auch von Anfang an eine mündliche Tradition berücksichtigt. Damit soll nicht bestritten werden, daß sich für alle sieben Sakramente zumindest entfernte Anhaltspunk- Zentrale wissenschaftliche Studien zum Kanon sind bei Jaroš zusammengestellt (a. O. 206 Anm. 4). Ergänzen könnte man diese Liste noch durch die wichtige katholisch-dogmatische Arbeit von Anton Ziegenaus, Kanon – Von der Väterzeit bis zur Gegenwart, Handbuch der Dogmengeschichte, hg. von M. Schmaus, A. Grillmeier, L. Scheffczyk und M. Seybold, Bd. I, Fasz. 3 a (2), Freibg./B. 1990. Weitere Literatur bei Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter, 61 Anm. 30. Interessante, wenn auch nicht immer vom modernen Geist freie Überlegungen zur Kanonfrage bietet auch folgender neue Beitrag: Thomas Söding, Der Schatz in irdenen Gefäßen – Der Kanon als Urkunde des Glaubens, IkaZ 39/2010, 233-263. Als den Prozeß der Kanonbildung in besonderem Maße bestimmend hält Söding zu Recht folgende Aspekte fest: »Eine wichtige Rolle hat die Echtheitsfrage gespielt. Die Kirchenväter bezweifeln, dass wirklich einer der Apostel eines der apokryphen Evangelien selbst geschrieben hat.« (243) – »Will man die Prozesse sytematisieren, kann man drei Kriterien herausfiltern. Nach Eusebios müssen die kanonischen Schriften – er bezieht isch auf das Neue Testament – ›wahr, echt und allgemein anerkannt sein‹ (h. e. III 25,1-7). ›Wahr‹ heißt: orthodox; ›echt‹ heißt: apostolisch; ›allgemein anerkannt‹ heißt: katholisch. (245) 36 Diese entspricht der Lehre der Kirche, siehe noch KKK 1114 (ausdrücklicher Verweis auf Trient, DH 1600-1601); 1210. 37 Die in Frage kommenden Bibelstellen, auf die sich die katholische Dogmatik für die Firmung stützt, sind in jüngerer Zeit noch einmal ausführlich von Manfred Hauke behandelt worden (Die Firmung – Geschichtliche Entfaltung und theologischer Sinn, Paderborn 1999, 10-51). 41

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />

Anmerkung 18 ordnet der Gelehrte diesen Befund in das Gesamtbild der antiken Literatur<br />

ein, die noch bis vor kurzem oft in dieser Hinsicht falsch bewertet worden war: »Im<br />

Unterscheid zum Alten Orient kannte die hellenische und die hellenistisch-römische Welt<br />

sehr wohl das, was heute als ›geistiges Eigentum‹ und ›Urheberrecht‹ bezeichnet wird, auch<br />

wenn es damals gegen Missbrauch keine gesetzlichen Sanktionen gegeben hat.« Jaroš’s<br />

Einschätzung wurde kürzlich von der Monographie eines jungen Klassischen Philologen<br />

glänzend bestätigt, die als Doktordissertation in Münster bei Christian Gnilka angefertigt<br />

worden war: Markus Mülke, Der Autor und sein Text, Berlin – New York 2008.<br />

Die Frage der Sakramente<br />

Kommen wir auf die materiale Insuffizienz, d. h. eine gewisse inhaltliche Unvollständigkeit<br />

des Neuen Testamentes, und die Notwendigkeit einer mündlichen Tradition der<br />

Apostel zurück. Es lassen sich nämlich nicht alle sieben Sakramente und deren Einsetzung<br />

durch Jesus Christus selbst 36 sicher »ex sola scriptura«, allein aus der Heiligen Schrift,<br />

belegen (man denke nur an die Firmung! 37 ), die Theologie geht hier sehr wohl im besagten<br />

Sinn »in der Überlieferung über die Schrift hinaus« (gegen Buckenmaier), indem<br />

sie eben auch von Anfang an eine mündliche Tradition berücksichtigt. Damit soll nicht<br />

bestritten werden, daß sich für alle sieben Sakramente zumindest entfernte Anhaltspunk-<br />

Zentrale wissenschaftliche Studien zum Kanon sind bei Jaroš zusammengestellt (a. O. 206<br />

Anm. 4). Ergänzen könnte man diese Liste noch durch die wichtige katholisch-dogmatische<br />

Arbeit von Anton Ziegenaus, Kanon – Von der Väterzeit bis zur Gegenwart, Handbuch<br />

der Dogmengeschichte, hg. von M. Schmaus, A. Grillmeier, L. Scheffczyk<br />

und M. Seybold, Bd. I, Fasz. 3 a (2), Freibg./B. 1990. Weitere Literatur bei Fiedrowicz,<br />

Theologie der Kirchenväter, 61 Anm. 30.<br />

Interessante, wenn auch nicht immer vom modernen Geist freie Überlegungen zur Kanonfrage<br />

bietet auch folgender neue Beitrag: Thomas Söding, Der Schatz in irdenen Gefäßen<br />

– Der Kanon als Urkunde des Glaubens, IkaZ 39/2010, 233-263. Als den Prozeß der Kanonbildung<br />

in besonderem Maße bestimmend hält Söding zu Recht folgende Aspekte fest:<br />

»Eine wichtige Rolle hat die Echtheitsfrage gespielt. Die Kirchenväter bezweifeln, dass wirklich<br />

einer der Apostel eines der apokryphen Evangelien selbst geschrieben hat.« (243) –<br />

»Will man die Prozesse sytematisieren, kann man drei Kriterien herausfiltern. Nach Eusebios<br />

müssen die kanonischen Schriften – er bezieht isch auf das Neue Testament – ›wahr, echt<br />

und allgemein anerkannt sein‹ (h. e. III 25,1-7). ›Wahr‹ heißt: orthodox; ›echt‹ heißt: apostolisch;<br />

›allgemein anerkannt‹ heißt: katholisch. (245)<br />

36 Diese entspricht der Lehre der Kirche, siehe noch KKK 1114 (ausdrücklicher Verweis auf<br />

Trient, DH 1600-1601); 1210.<br />

37 Die in Frage kommenden Bibelstellen, auf die sich die katholische Dogmatik für die Firmung<br />

stützt, sind in jüngerer Zeit noch einmal ausführlich von Manfred Hauke behandelt worden<br />

(Die Firmung – Geschichtliche Entfaltung und theologischer Sinn, Paderborn 1999, 10-51).<br />

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