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2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV

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38 Heinz-Lother Barth<br />

der noch lebenden Zeitgenossen Jesu bzw. deren unmittelbarer Schüler sogar eindeutig<br />

schriftlichen Berichten vorgezogen. 29 Noch Jahrhunderte später schreibt Johannes Chrysostomus<br />

in seinen berühmten Homilien zum Matthäus-Evangelium: »Eigentlich sollten<br />

wir ja gar nicht der Hilfe aus Schriften bedürfen, sondern unser Leben so rein gestalten,<br />

dass unseren Seelen die Gnade des Geistes anstelle von Büchern zuteil würde, damit wie<br />

diese mit Tinte, so unsere Herzen mit dem Geist beschrieben wären. Da wir aber nun diese<br />

Gnade verwirkt haben, ach so lasst uns doch gern wenigstens diesen zweiten Weg einschlagen!<br />

Denn dass an sich jener erste besser gewesen wäre, das hat Gott durch Worte wie<br />

durch Taten gezeigt.« 30 Und im folgenden verweist Johannes Chrysostomus, nachdem er<br />

mit Noe, Abraham, Hiob und Moses Beispiele für mündliche Belehrung durch Gott aus<br />

dem Alten Bund angeführt hat, auf Christi eigenes Vorbild: »Auch den Aposteln gab Gott<br />

nichts Schriftliches, sondern anstelle von Schriften versprach er die Gnade des Geistes zu<br />

geben: ›Jener wird euch nämlich‹, so sagte er (Joh 14,26), an alles erinnern.«<br />

Diese Aussagen aus der frühesten Kirchengeschichte mögen uns noch einmal vor Augen<br />

führen, welche Funktion der Heiligen Schrift in der katholischen Religion zukommt,<br />

die – im Unterschied zum Protestantismus oder gar zum Islam 31 – eben keine<br />

29 Körtner, Einleitung zu den Papiasfragmenten 47 – 49. Der Autor erwähnt, daß auch Klemens<br />

von Alexandrien eine ähnlich kritische Einstellung zur Verschriftlichung vertrat. Zu<br />

Papias siehe ferner Hans Joachim Schulz, Die apostolische Herkunft der Evangelien, Zum<br />

Ursprung der Evangelienform in der urgemeindlichen Paschafeier, Quaestiones disputatae<br />

145, 3. Aufl. Freiburg/B. 1997, 24-44, v. a. 29 u. 34. Zum Papiaszeugnis vgl. Michael<br />

Schmaus, Divinitas 8/1964, 133. Zu den Aussagen des Papias und des Irenäus sowei weiteren<br />

Zeugnissen für die Bedeutung der mündlichen Tradition siehe auch Michael Fiedrowicz,<br />

Theologie der Kirchenväter, Freiburg/B. 2007, 63-65.<br />

30 Johannes Chrysostomus, In Math. 1,1. Übersetzung nach dem deutschen Text in: Wilfried<br />

Stroh, Die Macht der Rede – Eine kleine Geschichte der Rhetorik im alten Griechenland<br />

und Rom, Berlin 2009, 501. Der Münchner Klassische Philologe interpretiert auch diesen<br />

Abschnitt im Rahmen seiner Thematik in angemessener Weise.<br />

31 Allerdings gibt es auch im Islam, vor allem in seiner sunnitischen Form, verbindliche, zumindest<br />

ursprünglich mündliche Traditionen, die u. a. von den »Haditen« vorgegeben sind<br />

(Tilman Nagel, Geschichte der islamischen Theologie – Von Mohammed bis zur Gegenwart,<br />

München 1994, v. a. 78 – 86). Aber aufgrund des Glaubens an die Identität des Korantextes<br />

mit dem bei Allah aufbewahrten, oft genug ungeschaffen geglaubten Buches (Siehe<br />

z.B. Christoph Heger, Christus und Mohammed – Rez. des Buches von Heinz-Lothar<br />

Barth: Christus und Mohammed. Eine Auseinandersetzung mit dem Islam aus christlicher<br />

Sicht, Stuttgart 1995, in: Theologisches 26,9/1996, 378 mit Anm. 5. Freilich halten nicht alle<br />

Muslime den Koran für unerschaffen, siehe Christine Schirrmacher, Der Islam, Neuhausen-<br />

Stuttgart 1994, 1, 291) kommt diesem doch noch eine wesenhaft andere Bedeutung zu als<br />

der Heiligen Schrift im Katholizismus. Dabei darf man freilich nicht die Hochachtung vieler<br />

Muslime gegenüber der Mündlichkeit unterschätzen, die gerade erst die unverfälschte<br />

Überlieferung des Koran selbst gewährleisten soll: »Bei einem Gespräch 2007 in Qom (Iran)<br />

wurde die Frage gestellt, was es denn bringen würde, Handschriften auszuwerten, da dort

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