2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV
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36 Heinz-Lother Barth<br />
Jahren nach Christi Tod bis zur Aufzeichnung der ersten neutestamentlichen Schriften ja<br />
überhaupt keine verbindliche christliche Lehre gegeben! 21 Man erinnere sich an die Worte<br />
des hl. Irenäus von Lyon: »Non enim per alios dispositionem salutis nostrae cognovimus<br />
quam per eos per quos evangelium pervenit ad nos: quod quidem tunc praeconaverunt,<br />
postea vero per Dei voluntatem in scripturis nobis tradiderunt, fundamentum et columnam<br />
fidei nostrae futurum« – »Wir haben nämlich durch niemand anderen die Ordnung<br />
unseres Heils erkannt als durch diejenigen, durch die das Evangelium zu uns kam: Was sie<br />
damals mündlich verkündigten, uns später aber nach Gottes Willen in schriftlicher Form<br />
in die Hand gaben, sollte künftig Fundament und Säule (vgl. 1 Tim 3,15) unseres Glaubens<br />
sein.« 22 So bezeichnete der Martyrer Justin zu Recht die Evangelien als »Apomneumoneumata<br />
ton apostolon«, als »Erinnerungen (Memoiren) der Apostel«. 23 Und so muß<br />
man auch bei der Klärung der synoptischen Frage der mündlichen Tradition eine viel<br />
größere Bedeutung beimessen, als dies oft in der Exegese geschehen ist. 24<br />
21 Genau dieser Aspekt entzieht Luthers Position die Grundlage: »Luther geht hingegen von<br />
der Überzeugung aus, dass die Schrift absoluten Vorrang gegenüber jeder anderen Autorität<br />
hat, und er kommt schnell zu der Idee, dass diese Autorität ausschließlich ist. In seiner<br />
Schrift Assertio von 1520 betonte er bereits ausdrücklich, dass er keinen anderen Beweis<br />
als die hl. Schrift akzeptieren wird.… Sie [d. h. die katholischen Teilnehmer an dem<br />
Streit] konnten ihm noch kein Argument entgegensetzen, das sich auf die Arbeiten der historischen<br />
Kritik des 19. Jahrhunderts gründet: Die Evangelien selbst waren vor ihrer Niederschrift<br />
Gegenstand einer mündlichen Tradition. Wenn man demnach der Offenbarung<br />
des Erlösungswerkes Christi, wie es in den Schriften enthalten ist, anhängt, erkennt man an,<br />
dass der Hl. Geist schon in den ersten christlichen Gemeinden am Werke war und dass die<br />
Glaubenswahrheit unter seinem Einfluss durch die Sprache und die Worte der Menschen<br />
offenbart wurde.« (Monique Samuel-Scheyder, Johannes Cochlaeus aus Wendelstein – Ein<br />
Humanistenleben in der Herausforderung seiner Zeit, Heimbach/Eifel 2009, 158) Bei guter<br />
Kenntnis der Kirchenväter hätte man freilich auch ohne die historisch-kritische Bibelexegese<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts bereits zu diesem Ergebnis gelangen können; wir führen<br />
sogleich einige solche Stimmen aus der frühesten christlichen Literatur an.<br />
22 Irenaeus, Adversus haereses III 1,1; deutsche Übersetzung nach Fontes Christiani 8,3/1995,<br />
23 (Übersetzt und eingeleitet von Norbert Brox).<br />
23 Just. Apol. 67, 3, vgl. 66,3. Zur gattungsgeschichtlichen Einordnung des Begriffs siehe Marius<br />
Reiser, Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments, Paderborn 2001, 101 f.<br />
24 Armin Daniel Baum, Der mündliche Faktor und seine Bedeutung für die synoptische Frage<br />
– Analogien aus der antiken Literatur, der Experimentalpsychologie, der Oral Poetry-Forschung<br />
und dem rabbinischen Traditionswesen, TANZ 49, Tübingen 2008. Soeben ist eine<br />
weitere wichtige Untersuchung zu den synoptischen Evangelien erschienen, die die Zweiquellen<br />
– Hypothese massiv in Frage stellt: Karl Jaroš – Ulrich Victor, Die synoptische Tradition<br />
– Die literarischen Beziehungen der drei ersten Evangelien und ihre Quellen, Köln<br />
– Weimar – Wien 2010. Methodisch entscheidend ist dort für unsere Frage die folgende<br />
Feststellung: »In diesem Zusammenhang wurde daher schon mehrfach darauf hingewiesen,<br />
daß für einen hellenistischen und jüdisch-hellenistischen Schriftsteller die Befragung von<br />
Augenzeugen absolute Priorität vor schriftlichen Quellen hatte, wenn er über zeitgenössi-