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30.12.2012 Aufrufe

32 Heinz-Lother Barth Besonders platt, wie es oft die Art seiner Argumentation ist, propagierte noch jüngst Wolfgang Beinert die neue Sichtweise zum Verhältnis von Schrift und mündlicher apostolischer Tradition. Er ging dabei vom Schema »De fontibus revelationis« des II. Vatikanums 10 aus, das dann schließlich durch die Dogmatische Konstitution »Dei Verbum« ersetzt wurde: »Wie der Titel ›Die (zwei) Quellen der Offenbarung‹ bereits avisiert, wird eine typische neuscholastische These vertreten: Gott hat sich gleicherweise in der Bibel und in der so genannten mündlichen Tradition mitgeteilt. Das war aber weder die Meinung des Konzils von Trient gewesen, auf welches sich die Vorlage berief, noch entsprach die These den Resultaten der theologischen Forschung.« 11 Im folgenden werden wir sehen, daß beide Behauptungen Beinerts falsch sind. Mag die Neuausrichtung auch manchmal in subtilerer Form begegnen, so hat sie sich jedenfalls doch im Prinzip fast überall durchgesetzt. Katholische Theologen formulieren durch die Bank weg Aussagen, die vor dem II. Vatikanum so nie vorgetragen worden wären, weil man wußte, daß sie jedenfalls angreifbar sind. So schreibt der Bonner Dogmatiker Achim Buckenmaier: »Die Tradition schaut zurück in die Geschichte, ist Messbuchreform keineswegs überall gelungen zu sein.« (a. O. 576) Anhand einer Einschätzung von Kardinal Walter Kasper (!), der diese allgemein formuliert hatte, spricht Hoping mit Blick auf den weitverbreiteten Zustand liturgischer Unbildung von einem »schwindsüchtigen Glauben« und einem »religiösen Analphabetismus.« (a. O. 581) Hoping ist auch einer der wenigen Lehrstuhlinhaber der katholischen Theologie in Deutschland, die die Absicht Papst Benedikts XVI. unterstützen, mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu einer Einigung zu gelangen (siehe z. B. seinen Beitrag »Das Konzil und die Tradition der Kirche« in dem Sammelband »Vatikan und Pius-Brüder – Anatomie einer Krise«, hg. von Wolfgang Beinert, Freiburg/B. 2009, 175-187. Der Sammelband ist mehrheitlich in einem papstkritischen, teilweise sogar polemischen Stil gehalten, was schon der Titel zeigt und was sich angesichts der Person des Herausgebers auch nicht anders erwarten läßt). Auch zum Jesusbuch des Heiligen Vaters verfaßte Hoping eine sehr positive Stellungnahme. Ja er wies sogar darauf hin, daß sich Jesus vor dem Sanhedrin auf Nachfrage selbst als Messias bezeichnet hat (Mk 14, 62), was Papst Benedikt bei seiner Behauptung, Jesus habe nie selbst den Messiastitel auf sich angewandt (S. 369), offenbar nicht bedacht hatte (Die Anfänge der Christologie im Leben Jesu, in: Helmut Hoping/Michael Schulz [Hg.], Jesus und der Papst – Systematische Reflexionen zum Jesus- Buch des Papstes, Freiburg/B. 2007, 113-124, hier 116). Hinzunehmen könnte man noch Mt 16,16-18, wo Petrus Jesus als den Christus/Messias und Gottessohn bekennt und dieser ihn deshalb selig preist, und Joh 4,26, wo Jesus sich vor der Frau am Jakobsbrunnen ausdrücklich als den Messias bezeichnet. Freilich war der Herr, und insofern hat der Papst nicht ganz unrecht, zurückhaltend im Umgang mit diesem Titel, weil er Vorstellungen eines rein innerweltlichen Reiches, vor allem im Widerstand gegen die Römer, evozieren konnte. 10 Wir kommen auf diesen Text noch zu sprechen. 11 Wolfgang Beinert, in: ds. (Hg.), Der Stellenwert des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Positionsbestimmung von heute, in: Vatikan und Pius-Brüder – Anatomie einer Krise Freiburg/B. 2009, 59. Die Neuscholastik ist bei Beinert, wie bei den meisten modernen Theologen, seit langem eine Konstante seines Feindbildes.

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung bewahrend und zugleich conquérante, erobernd. Sie hütet den Anfang, wie er in der Schrift bezeugt ist, und vermittelt ihn in die Gegenwart. Die Theologie geht in der Überlieferung nicht über die Schrift hinaus, sie weiß aber auch, dass sie den Herrn nicht in einem literarischen Portrait, vermittelt durch die Evangelien, sondern nur in der Gegenwart seines fortwährenden Leibes, der einmütigen Versammlung der Kirche als dem Ort des gläubigen Handelns, zu finden vermag.« 12 Buckenmaiers Gedanken sind partiell durchaus wertvoll und erinnern uns daran, daß die lebendige Begegnung mit dem Herrn im Glaubensleben seines Mystischen Leibes stattfindet und daß der Christ dazu aufgerufen ist, ihn dort, in der einmütigen Versammlung der Kirche, so oft wie möglich zu suchen und zu finden. Dort lernt und vertieft er die Liebe zu ihm und zum Nächsten, dort feiert er sein heiliges Opfer von Golgotha als das Opfer der Kirche, durch welches er in einzigartiger Weise die Wahrheit der Verheißung Jesu Christi nicht historisch-erinnernd, sondern sakramental-real erfahren darf: »Und seht, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.« (Mt 28, 20) In einer Hinsicht ist aber Buckenmaiers Aussage eben nicht unproblematisch. Der Satz »Die Theologie geht in der Überlieferung nicht über die Schrift hinaus« ist so zumindest höchst mißverständlich. Wenn dies nur heißen soll, daß schon die Prinzipien der richtigen Schriftauslegung, zu denen z. B. wesentlich die apostolische Tradition der authentisch und ggf. autoritativ lehrenden Amtsträger und die mündliche Überlieferung gehören, in der Schrift teils ganz deutlich, teils zumindest andeutungsweise offenbart sind, kann man dem Satz zustimmen. Ja man darf sogar sagen, daß alle Lehren der Kirche irgendwo in der Bibel erwähnt sind, und sei dies auch nur äußerst mittelbar. Sollte jedoch eine vollständige formale Offenbarung für all das gemeint sein, was von einem katholischen Christen verbindlich zu glauben ist, muß die Aussage Buckenmaiers zurückgewiesen werden. 13 Beispiele für materiale Insuffizienz des Neuen Testaments Ein solcher Nachweis ist z.B. für die Verpflichtung zur Säuglingstaufe nicht zu erbringen. Hier hatte der Protestant Kurt Aland gegen den Protestanten Joachim Jeremias 12 Achim Buckenmaier, Der gerettete Anfang – Schrift und Tradition in Israel und der Kirche, Bad Tölz 2002, 72 13 Zu den verbindlichen Lehren der Kirche, die sich »sola scriptura« nicht zwingend beweisen lassen, siehe z.B. Heinrich Lennerz, Historisch-dogmatische Interpretation der IV. Sitzung des Trienter Konzils über Schrift und Tradition, in: Schrift und Tradition. Herausgegeben von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Mariologie, Essen 1962, 51. In seinen weiteren Ausführungen mahnt der Autor, kein Bedauern zu äußern, daß sich irgendetwas nicht allein aus der Schrift dokumentieren lasse. Vielmehr empfiehlt er zu Recht katholisches Selbstbewußtsein: »Wenn man sagt, dies oder jenes läßt sich nicht aus der Hl. Schrift beweisen, so sollte dies geschehen wie eine Selbstverständlichkeit, aus der festen Überzeugung, daß ja nicht alles in der Hl. Schrift steht und darum aus ihr auch nicht bewiesen werden kann.« 33

32 Heinz-Lother Barth<br />

Besonders platt, wie es oft die Art seiner Argumentation ist, propagierte noch jüngst<br />

Wolfgang Beinert die neue Sichtweise zum Verhältnis von Schrift und mündlicher apostolischer<br />

Tradition. Er ging dabei vom Schema »De fontibus revelationis« des II. Vatikanums<br />

10 aus, das dann schließlich durch die Dogmatische Konstitution »Dei Verbum«<br />

ersetzt wurde: »Wie der Titel ›Die (zwei) Quellen der Offenbarung‹ bereits avisiert,<br />

wird eine typische neuscholastische These vertreten: Gott hat sich gleicherweise in der<br />

Bibel und in der so genannten mündlichen Tradition mitgeteilt. Das war aber weder<br />

die Meinung des Konzils von Trient gewesen, auf welches sich die Vorlage berief, noch<br />

entsprach die These den Resultaten der theologischen Forschung.« 11 Im folgenden werden<br />

wir sehen, daß beide Behauptungen Beinerts falsch sind.<br />

Mag die Neuausrichtung auch manchmal in subtilerer Form begegnen, so hat sie sich<br />

jedenfalls doch im Prinzip fast überall durchgesetzt. Katholische Theologen formulieren<br />

durch die Bank weg Aussagen, die vor dem II. Vatikanum so nie vorgetragen worden<br />

wären, weil man wußte, daß sie jedenfalls angreifbar sind. So schreibt der Bonner<br />

Dogmatiker Achim Buckenmaier: »Die Tradition schaut zurück in die Geschichte, ist<br />

Messbuchreform keineswegs überall gelungen zu sein.« (a. O. 576) Anhand einer Einschätzung<br />

von Kardinal Walter Kasper (!), der diese allgemein formuliert hatte, spricht Hoping mit<br />

Blick auf den weitverbreiteten Zustand liturgischer Unbildung von einem »schwindsüchtigen<br />

Glauben« und einem »religiösen Analphabetismus.« (a. O. 581) Hoping ist auch einer der wenigen<br />

Lehrstuhlinhaber der katholischen Theologie in <strong>Deutschland</strong>, die die Absicht Papst Benedikts<br />

XVI. unterstützen, mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu einer Einigung zu gelangen<br />

(siehe z. B. seinen Beitrag »Das Konzil und die Tradition der Kirche« in dem Sammelband<br />

»Vatikan und Pius-Brüder – Anatomie einer Krise«, hg. von Wolfgang Beinert, Freiburg/B.<br />

2009, 175-187. Der Sammelband ist mehrheitlich in einem papstkritischen, teilweise sogar polemischen<br />

Stil gehalten, was schon der Titel zeigt und was sich angesichts der Person des Herausgebers<br />

auch nicht anders erwarten läßt). Auch zum Jesusbuch des Heiligen Vaters verfaßte<br />

Hoping eine sehr positive Stellungnahme. Ja er wies sogar darauf hin, daß sich Jesus vor<br />

dem Sanhedrin auf Nachfrage selbst als Messias bezeichnet hat (Mk 14, 62), was Papst Benedikt<br />

bei seiner Behauptung, Jesus habe nie selbst den Messiastitel auf sich angewandt (S.<br />

369), offenbar nicht bedacht hatte (Die Anfänge der Christologie im Leben Jesu, in: Helmut<br />

Hoping/Michael Schulz [Hg.], Jesus und der Papst – Systematische Reflexionen zum Jesus-<br />

Buch des Papstes, Freiburg/B. 2007, 113-124, hier 116). Hinzunehmen könnte man noch Mt<br />

16,16-18, wo Petrus Jesus als den Christus/Messias und Gottessohn bekennt und dieser ihn<br />

deshalb selig preist, und Joh 4,26, wo Jesus sich vor der Frau am Jakobsbrunnen ausdrücklich<br />

als den Messias bezeichnet. Freilich war der Herr, und insofern hat der Papst nicht ganz<br />

unrecht, zurückhaltend im Umgang mit diesem Titel, weil er Vorstellungen eines rein innerweltlichen<br />

Reiches, vor allem im Widerstand gegen die Römer, evozieren konnte.<br />

10 Wir kommen auf diesen Text noch zu sprechen.<br />

11 Wolfgang Beinert, in: ds. (Hg.), Der Stellenwert des Zweiten Vatikanischen Konzils in<br />

der Positionsbestimmung von heute, in: Vatikan und Pius-Brüder – Anatomie einer Krise<br />

Freiburg/B. 2009, 59. Die Neuscholastik ist bei Beinert, wie bei den meisten modernen<br />

Theologen, seit langem eine Konstante seines Feindbildes.

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