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136 Walter Hoeres grund seiner inneren Bedeutung, seines Ranges in der Ordnung der Dinge und mithin wieder seiner Vollkommenheit zu fesseln vermag. Deshalb sind nicht zufällig Philosophie und Theologie immer die Hauptfächer im Bildungsplan des Abendlandes gewesen. 15 Diesem Bild des Menschen und seiner Erfüllung steht jedoch der Pragmatismus entgegen, der, von William James (1842-1910) begründet, heute zu einer der einflußreichsten Philosophien, ja darüber hinaus ganz allgemein Weltanschauungen des Westens geworden ist. 16 Deshalb ist es kein Zufall, daß so viele unserer Theologen in ihrem Eifer, sich der Welt von heute zu öffnen, gerade seiner Sogwirkung verfallen sind, die in der technisch-industriellen Welt von heute, in der Arbeitsamkeit als höchste Tugend gilt, besonders stark ist. Denn der Pragmatismus kehrt nun entschlossen das Verhältnis von Erkenntnis und Praxis um. Nun gilt nicht mehr der Grundsatz »primum vivere, deinde philosophari«, und die Praxis hat nicht mehr den Sinn, die Voraussetzungen für die Kontemplation zu schaffen. Jetzt kann es nicht mehr sein, daß Erkenntnis und Betrachtung um ihretwillen gesucht werden. Vielmehr ist die Erkenntnis jetzt nichts anderes mehr als nützliches Instrument für die Praxis: gewissermaßen eine Lampe, die mir voranleuchtet, damit ich für die Bewältigung des Alltags und der Arbeit den richtigen Ansatz finde. Wahrheit ist so nicht mehr die Übereinstimmung der Erkenntnis mit der Wirklichkeit, sondern dann gegeben, wenn jene Erfolg verspricht. Natürlich steht hinter dieser Verwandlung des Menschen vom »animal metaphysicum« oder auch »homo ludens« zum »homo faber« jene Auffassung der Welt, wie sie für unser Zeitalter typisch ist! Sie wird nun nicht mehr als »Kosmos«, als innere Rangordnung der Dinge von natürlicher Ausgewogenheit und Schönheit, sondern als Rohstoff gesehen, den es immer weiter zu bearbeiten gilt. Was uns hier interessiert, ist die totale Abwertung der Kontemplation, die damit verbunden ist. Denn, so fragt uns James, was hat es für einen Sinn, die Welt, die doch schon da ist, in unserem Kopf nochmals zu verdoppeln? Erkenntnis wird so als eine Art fotografischer Vorgang angesehen: als eine dauernde Produktion von Abbildern der Dinge, die den Vergleich mit dem Original ohnehin nicht aushalten können. Daß sie in Wahrheit Te i l n a h m e an dem ist, was aufgrund seiner Bedeutung, Schönheit und Güte dazu einlädt: dafür fehlt dem Pragmatismus jedes Verständnis. Nur auf den ersten Blick ist es auffallend, daß James ein durchaus positives Verhältnis zur Religion hatte. Denn gerade sie dient der Lebensbewältigung, verhilft uns zu immer neuer Tatkraft, zu Optimismus und Mut. Deshalb ist hier genau der Punkt, wo sich der Pragmatismus mit der progressiven Theologie unserer Tage und ihrer Öffnung für den Zeitgeist trifft. Wir brauchen nur an die vielen Genitiv-Theologien der Arbeit, der 15 Vgl. dazu vom Verf.: Das Antlitz des Menschen und die neue Theologie. In: UVK Jan./Febr. 1977 und: Zwischen Aufklärung und Übernatur .Zur Heimatlosigkeit des Menschen in der modernen Theologie. In: UVK vom März/ April 1991 16 William James: Der Pragmatismus (Phil. Bibl. 297) 2. Aufl. Hamburg 1994.
Ewigkeit und Aggiornamento – Beschreibung eines Konfliktes 137 Zukunft, der Befreiung, kurzum der Gesellschaft zu denken, um diese Umkehr aller Verhältnisse, die Indienststellung der göttlichen Offenbarung für die immer weitere Bearbeitung der Rohstoffe »Welt« und »Gesellschaft« zu realisieren! Die unheilige Allianz zwischen Pragmatismus, Zeitgeist und Industriegesellschaft setzt sich in der progressiven Theologie in den tiefen Affekt gegen das angeblich »hellenische«, wenn nicht gar platonische Erbe im Christentum um, der uns hier schon begegnet ist und den wir bereits an anderer Stelle analysiert haben. 17 Ist es doch Platon gewesen, der zum ersten Mal in der abendländischen Geistesgeschichte die Kontemplation, die Anschauung des ewigen Seins der Ideen und letztlich Gottes als eigentliches Ziel des Menschen herausgestellt hat 5. Die wahre Gestalt der Communio Wie in einer Spiegelschrift folgt aus dieser Ortsbestimmung der »verheutigten« Theologie die wahre Aufgabe der Seelsorge, die zu allen Zeiten die gleiche bleibt, uns nämlich vor die Gegenwart des ewigen Gottes zu bringen und für seine Anbetung zu öffnen. Das ist keine Flucht vor der Welt: sollen wir doch lernen, auch sie sub specie aeternitatis und damit im Lichte Gottes als Darstellung seiner unendlichen Wirklichkeitsfülle in wenn auch endlicher und begrenzter Gestalt zu betrachten. Will man das Verhältnis Gott- Geschöpf konsequent zu Ende denken und so nach dem letzten Sinn der Schöpfung fragen, dann kann er nur darin liegen, daß Gott Mitliebende seiner eigenen Majestät und Herrlichkeit will, die das eigentliche, letzte und absolute Gut ist. Kein Geringerer als der Franziskaner Johannes Duns Scotus (1265-1308), einer der größten Philosophen und Theologen, welche die Kirche hervorbrachte, hat den Sinn des Daseins so umschrieben. 18 Und wir können ergänzen: Welcher der Kirchenväter, Kirchenlehrer oder der großen Heiligen würde ihm ausgerechnet in diesem Punkte widersprechen! Es versteht sich, daß dieses Grundverhältnis zum göttlichen Ursprung und die sich aus ihm ergebenden Konsequenzen für alle Zeiten gleich bleiben, auf der anderen Seite aber zu jeder Zeit schockierend und Ärgernis erregend sind, weil die Menschen nun einmal in heilloser Weise ins Diesseits und seine Geschäfte verstrickt sind. Wie aber sollte man eine solche Botschaft »verheutigen« können, ohne sie um ihre aufrüttelnde Kraft zu bringen? Etwa indem man die Leute dort abholt, wo sie sich gerade befinden? 17 Walter Hoeres: Der Aufstand gegen die Ewigkeit. Kirche zwischen Tradition und Selbstzerstörung. .2. Aufl. Stein am Rhein 1987 18 Treffend beschreibt Agathon Kandler OFMConv (Die Heilsdynamik im Christusbild des Johannes Duns Scotus. In: Wissenschaft und Weisheit 27. Jg. 1964/3 S. 186) diese Intention der scotistischen Philosophie: »Der eigentliche Grund, warum Gott überhaupt andere Wesen schafft, ist: Er will Mit-liebende haben. Er will andere Wesen an seiner allseligmachenden Liebe zu sich selbst beteiligen.« Vgl. dazu auch Herbert Schneider OFM: Johannes Duns Scotus zur Frage: Kann ich Gott über alles lieben ? Text des Johannes Duns Scotus in vier Sprachen. Mönchengladbach 2003
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Zukunft, der Befreiung, kurzum der Gesellschaft zu denken, um diese Umkehr aller<br />
Verhältnisse, die Indienststellung der göttlichen Offenbarung für die immer weitere Bearbeitung<br />
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Theologie in den tiefen Affekt gegen das angeblich »hellenische«, wenn nicht gar platonische<br />
Erbe im Christentum um, der uns hier schon begegnet ist und den wir bereits an<br />
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der Ideen und letztlich Gottes als eigentliches Ziel des Menschen herausgestellt hat<br />
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Wie in einer Spiegelschrift folgt aus dieser Ortsbestimmung der »verheutigten« Theologie<br />
die wahre Aufgabe der Seelsorge, die zu allen Zeiten die gleiche bleibt, uns nämlich<br />
vor die Gegenwart des ewigen Gottes zu bringen und für seine Anbetung zu öffnen. Das<br />
ist keine Flucht vor der Welt: sollen wir doch lernen, auch sie sub specie aeternitatis und<br />
damit im Lichte Gottes als Darstellung seiner unendlichen Wirklichkeitsfülle in wenn<br />
auch endlicher und begrenzter Gestalt zu betrachten. Will man das Verhältnis Gott-<br />
Geschöpf konsequent zu Ende denken und so nach dem letzten Sinn der Schöpfung<br />
fragen, dann kann er nur darin liegen, daß Gott Mitliebende seiner eigenen Majestät<br />
und Herrlichkeit will, die das eigentliche, letzte und absolute Gut ist. Kein Geringerer<br />
als der Franziskaner Johannes Duns Scotus (1265-1308), einer der größten Philosophen<br />
und Theologen, welche die Kirche hervorbrachte, hat den Sinn des Daseins so umschrieben.<br />
18 Und wir können ergänzen: Welcher der Kirchenväter, Kirchenlehrer oder der großen<br />
Heiligen würde ihm ausgerechnet in diesem Punkte widersprechen! Es versteht sich,<br />
daß dieses Grundverhältnis zum göttlichen Ursprung und die sich aus ihm ergebenden<br />
Konsequenzen für alle Zeiten gleich bleiben, auf der anderen Seite aber zu jeder Zeit<br />
schockierend und Ärgernis erregend sind, weil die Menschen nun einmal in heilloser<br />
Weise ins Diesseits und seine Geschäfte verstrickt sind. Wie aber sollte man eine solche<br />
Botschaft »verheutigen« können, ohne sie um ihre aufrüttelnde Kraft zu bringen? Etwa<br />
indem man die Leute dort abholt, wo sie sich gerade befinden?<br />
17 Walter Hoeres: Der Aufstand gegen die Ewigkeit. Kirche zwischen Tradition und Selbstzerstörung.<br />
.<strong>2.</strong> Aufl. Stein am Rhein 1987<br />
18 Treffend beschreibt Agathon Kandler OFMConv (Die Heilsdynamik im Christusbild des Johannes<br />
Duns Scotus. In: Wissenschaft und Weisheit 27. Jg. 1964/3 S. 186) diese Intention<br />
der scotistischen Philosophie: »Der eigentliche Grund, warum Gott überhaupt andere Wesen<br />
schafft, ist: Er will Mit-liebende haben. Er will andere Wesen an seiner allseligmachenden<br />
Liebe zu sich selbst beteiligen.« Vgl. dazu auch Herbert Schneider OFM: Johannes Duns<br />
Scotus zur Frage: Kann ich Gott über alles lieben ? Text des Johannes Duns Scotus in vier<br />
Sprachen. Mönchengladbach 2003