2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV
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132 Walter Hoeres<br />
Paul II. mit seiner Enzyklika »Fides et Ratio« und der jetzige Papst mit seiner ständigen<br />
Warnung vor dem Relativismus gewissermaßen in letzter Stunde und bisher offenbar<br />
ohne großen Erfolg zu steuern suchten. Denn nun wird uns nicht mehr durch die<br />
großen Systematiker Thomas von Aquin, Johannes Duns Scotus und Franciscus Suárez<br />
in immer neuen Variationen und in einsichtiger Weise deutlich gemacht, wie groß die<br />
Spannweite der menschlichen Erkenntnis tatsächlich ist.<br />
3. Die Analogie des Seins: Spiegel von Gottes Ewigkeit<br />
Zwar bleibt das Sein und Wesen Gottes in diesem Leben für uns in undurchdringliches<br />
Dunkel gehüllt. Immerhin aber können wir sagen, daß er in überragender Weise jenen<br />
Reichtum und jene Vollkommenheiten besitzt, die wir in der Welt vorfinden. Denn<br />
wie hätte er sie sonst mitteilen können, wenn er sie nicht selbst in wenn auch ganz<br />
anderer Form sein eigen nennen würde! Das geht schon aus der Voraussetzung unseres<br />
Glaubens, ja unserer ganzen Weltanschauung hervor, daß er die Welt aus dem Nichts<br />
erschaffen hat und somit in einem ganz absoluten und letzten Sinne ihre Ursache ist. S<br />
i e aber kann der Wirkung nur das mitteilen, was sie selbst im gleichen oder in höherem<br />
Maße besitzt. Immer wieder führen unsere großen Denker das Beispiel des Lehrers<br />
an, der dem Schüler nur das an Weisheit und Wissen schenken kann, was er selbst im<br />
gleichen oder in höherem Maße besitzt.<br />
Nun müssen wir allerdings unterscheiden, und es ist gerade die durchdringende Kraft<br />
der Unterscheidungen, welche die Philosophen der Kirche, der Scholastik, groß gemacht<br />
hat, und die in unserer hektischen Zeit mit ihren ständigen Pauschalierungen, die schon<br />
die späteren Schlagwörter in sich bergen, doppelt am Platz sind. So ist das »distinguo«<br />
(ich unterscheide) immer ein Schlachtruf in den alten Priesterseminaren gewesen und die<br />
ständige Aufforderung, die Geister zu jener »Anstrengung des Begriffs« zu ermuntern,<br />
in der nach Hegel das Wesen der Philosophie besteht. Der Begriff der »Vollkommenheit«<br />
verlangt eine solche Unterscheidung. Ein prachtvoller Baum mit weit ausladender,<br />
schattenspendender Krone, ein edles Pferd oder gar der Mensch als Krone der sichtbaren<br />
Schöpfung sind gewiß in ihrer Art vollkommen. Aber sie sind in ihrer Körperlichkeit<br />
zugleich aus vielen Teilen zusammengesetzt, in die sie auch wieder zerfallen, und so<br />
vom Stigma der Hinfälligkeit gezeichnet. Vollkommenheit und Unvollkommenheit oder<br />
»Nichtigkeit« sind so in ihnen in untrennbarer Weise verbunden. Deshalb können wir<br />
nicht sagen, Gott sei ein Baum oder ein Mensch, auch wenn er in Christus die menschliche<br />
Natur angenommen hat, ohne sich in sie zu verwandeln. Doch es gibt, wie Erfahrung<br />
und Sprache zeigen, auch andere Vollkommenheiten, die nicht in dieser Weise gebrochen<br />
und hinfällig sind, sondern für den, der sie besitzt, pure Bereicherung bedeuten. Das<br />
sind Eigenschaften und Fähigkeiten wie Weisheit, Gerechtigkeit, Verstand oder Wille:<br />
jedenfalls dann, wenn wir ihn nicht als biologischen Trieb oder reines »Habenwollen«,