2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV
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Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />
Das kirchliche Lehramt: Assistenz des Heiligen Geistes – nicht Offenbarung<br />
107<br />
Selbst bei unfehlbaren Lehrver kündigungen von – in der Heiligen Schrift und in der<br />
Überlieferung, zumindest implizit, angelegten – Dogmen spricht man keineswegs von<br />
»Offenbarung« und nicht einmal von »Inspiration« im eigentlichen Sinn. Denn die<br />
Substanz des apostolischen Offenbarungsgutes kann durch die Entwicklung, besser<br />
durch die »Entfaltung« der Dogmen 205 , nicht vermehrt oder verändert werden. 206 Viel-<br />
205 »Denn eines ist die Entwicklung der Offenbarung selbst und ein anderes die Entfaltung des<br />
Sinngehaltes der von ihr gemachten religiösen Aussagen im Ablauf der späteren Jahrhunderte.«<br />
(Handbuch der Dogmengeschichte, hg. von Michael Schmaus, Alois Grillmeier und Leo<br />
Scheffczyk, Bd. I, Faszikel 5: Dogma und Dogmenentwicklung, von Georg Söll, Freibg./B.<br />
1971, 61). Söll zeigt im folgenden auf, daß auch in der heute häufig zitierten Aussage Jesu<br />
Christi zum Wirken des Heiligen Geistes in Joh 16,12-15 (vg. auch 14,26 und 15,26), im Zusammenhang<br />
mit anderen Bibelstellen betrachtet und nach der Vorlage der Kirchenväter gelesen,<br />
nicht an eine nachapostolische göttliche Offenbarung gedacht ist. So sagt auch das II.<br />
Vatikanum: »Denn der Herr Jesus ist bei seinen Aposteln geblieben, wie er verheißen hatte<br />
(vgl. Mt 28,20), und er hat ihnen als Beistand den Geist gesandt, der sie (also die Apostel!<br />
H-L B) in die Fülle der Wahrheit einführen sollte (vgl. Joh 16,13).« (DV 20,2) Vgl. Irenäus von<br />
Lyon: »Denn nachdem unser Herr von den Toten auferstanden war und sie (sc. die Apostel)<br />
durch das Kommen des Heiligen Geistes mit Kraft von oben ausgerüstet wurden, da wurden<br />
sie mit Gewißheit über alles erfüllt und erhielten vollkommene Erkenntnis (de omnibus<br />
adimpleti sunt et habuerunt perfectam agnitionem).« (Adversus haereses III 1,1, Übersetzung<br />
nach: Willy Rordorf/André Schneider, Die Entwicklung des Traditionsbegriffs in der Alten Kirche,<br />
Traditio Christiana 5, Bern 1983, Nr. 33, S. 33, Fettdruck durch Verf. Die Bearbeiter des<br />
Bandes weisen in der Fußnote zu unserer Stelle zu Recht auf den ersten Klemensbrief Kap.<br />
42,3 – Textsammlung Nr. 15 – hin, wo man vergleichbaren Worten begegnet.)<br />
Wenn also der Heilige Geist in der Liturgie um Erleuchtung, um seinen Beistand zur Erkenntnis<br />
der Wahrheit mit Worten, die an Joh 16,13 und vergleichbare Stellen anklingen, angefleht<br />
wird, dann liegt eine Bitte um »die Entfaltung des Sinngehaltes« des Glaubensgutes<br />
vor (so z. B. auch in DV 8, 3 u. 4), nicht um eine »Entwicklung der Offenbarung«. Auch eine<br />
Erinnerung an gewisse Elemente des Glaubens kann impliziert sein, die in der kirchlichen<br />
Praxis verlorengegangen oder verunklart worden sind (heute z. B. die Sakralität und Gottzentriertheit<br />
der Liturgie). Für den persönlichen Bereich des einzelnen Gläubigen wird um<br />
das immer tiefere Eindringen in die bereits der Kirche bekannte Lehre gebetet. All dies geschieht<br />
z.B. im Tagesgebet der traditionellen hl. Messe vom Pfingstdienstag: »Mentes nostras,<br />
quaesumus, Domine, Paraclitus, qui a te procedit, illuminet: et inducat in omnem, sicut tuus<br />
promisit Filius, veritatem.» Eine echte Entwicklung der Offenbarung ist innerhalb des Alten<br />
Testaments (DV 14) und vom Alten zum Neuen Testament hin anzunehmen, und zwar eben<br />
bis zum Tod des letzten Apostels bzw. unmittelbaren Apostelschülers und Evangelisten (wie<br />
es bei Markus und Lukas der Fall ist, siehe DV 18,2: »ipsi – sc. Apostoli – et apostolici viri«),<br />
für die Zeit danach aber nicht mehr. Vgl. M. Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter, 55.<br />
206 »Ausgeschlossen bleibt eine Dogmenentwicklung, die eine substantielle Vermehrung oder<br />
Verminderung des Offenbarungsgutes mit sich brächte.« So Franz Diekamp in: Katholische<br />
Dogmatik nach den Grundsätzen des heiligen Thomas, 1. Bd., 1<strong>2.</strong> und 13., neubearbeitete<br />
Auflage, hg. von Klaudius Jüssen, Münster 1958, 17. Solche Dogmatiken, deren