2. Una Voce - Una Voce Deutschland eV
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Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />
103<br />
Freilich muß man sich beim Bekenntnis zur besagten katholischen Auffassung vor modernen<br />
Verfälschungen hüten. 198 Ganz richtig hat – vielleicht zum Erstaunen mancher<br />
Leser – Edward Schillebeeckx an der oben schon genannten Stelle die entscheidende Differenzierung<br />
vorgenommen: »In der Überlieferung des Glaubens gibt es eine konstitutive<br />
Phase, welche die ganze Offenbarungswirklichkeit umfaßt und mit der urapostolischen<br />
Kirche oder, wie man gewöhnlich sagt, beim Tod des letzten Apostels (als dem letzten<br />
authentischen Zeugen des Christusmysteriums) abgeschlossen wurde, und eine erklärende<br />
Phase, die seit dem Abschluß der Offenbarung, ohne dem Glaubensinhalt etwas Neues<br />
hinzuzufügen, deren latente Reichtümer zu schärferem Bewußtsein kommen läßt.«<br />
Lehramtliche Aussagen zur prinzipiellen Unveränderlichkeit der offenbarten Wahrheit<br />
Aus dem dogma ti schen Fundament der katholischen Doktrin, daß unser Glaube der der<br />
Apostel ist, geht mit Notwendigkeit hervor, daß dieser im wesentlichen unveränderlich<br />
sein muß – was aber eben nicht bedeutet, daß die Kirche nicht in bestimmte Glaubenswahrheiten<br />
im Laufe der Zeit immer tiefer eindringen kann und sie noch klarer auszudrücken<br />
vermag, die sie jedoch, zumindest implizit, immer schon bekannt hat. So definierte<br />
das I. Vatikanum: »Wer sagt, es könne gesche hen, daß den von der Kirche vorgelegten<br />
Sätzen einmal entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft ein anderer Sinn zuzuschreiben<br />
sei als der, den die Kirche gemeint hat und meint: der sei mit dem Anat hem belegt«<br />
(DH 3043). Mit diesem Kanon zusammennehmen muß man den vorangehenden<br />
dogmatischen Text von »Dei filius«, der in den mit Anathem bewehrten Satz einmündet:<br />
»Die Lehre des Glaubens, die Gott geoffenbart hat, wurde nämlich nicht wie eine philosophische<br />
Erfindung den menschlichen Geistern (›humanis ingeniis‹, hier ist nach deutschem<br />
Sprachgebrauch besser die singularische Übersetzung bei Wohlmuth, Dekrete der<br />
ökumenischen Konzilien 3, 809: ›dem menschlichen Geist‹) zur Vervollkommnung vorgelegt,<br />
sondern als göttliche Hinterlassenschaft (›divinum depositum‹) der Braut Christi<br />
anvertraut, damit sie treu gehütet und unfehlbar erklärt werde. Daher ist auch immerdar<br />
derjenige Sinn der heiligen Glaubenssätze beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche<br />
einmal erklärt hat, und niemals von diesem Sinn unter dem Anschein und Namen einer<br />
höheren Einsicht abzuweichen [Kan.3]. ›So wachse denn und gedeihe in reichem<br />
und starkem Maße im Laufe der Zeiten und Jahrhunderte Erkenntnis, Wissenschaft und<br />
Weisheit sowohl in jedem als auch in allen, sowohl im einzelnen Menschen als auch in der<br />
198 Siehe hierzu Verf., »Fern sei, daß sich die Rosenschößlinge der katholischen Lehre in Disteln<br />
und Dornen verwandeln!« (Vinzenz von Lérins, Commonitorium 23,12), in: UVK 26,5/1996<br />
(Festgabe für Georg May zum 70. Geburtstag), 293-306; ds., Wandelt sich die Wahrheit? In:<br />
»Die Liebe Christi drängt uns« (2 Kor 5,14) – Aufsätze zur Kirchenkrise und zu ihrer Überwindung,<br />
(2003) <strong>2.</strong> Aufl. Ruppichteroth 2005, 13-51.