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100 Heinz-Lother Barth Die Offenbarung beschränkt sich auf das apostolische Zeitalter Papst Pius X. lehrte ausdrücklich die Beschränkung der göttlichen Offenbarung auf das apostolische Zeitalter, indem er folgende gegenteilige Aussage in seinem Syllabus »Lamentabili« im Jahre 1907 verurteilen ließ: »Die Offenba rung, die den Gegenstand des katho li schen Glau bens bil det, war mit den Aposteln nicht abge schlos sen« (Lamentabili Nr. 21 = DH 3421). 191 Es ist mir unverständlich, wie der heute oft im Zusammenhang mit der Dogmenentwicklung zitierte Theologe Georg Günter Blum in seiner Untersuchung »Offenbarung und Überlieferung – Die dogmatische Konstitution Dei Verbum des II. Vaticanums im Lichte altkirchlicher und moderner Theologie« (Göttingen 1971, 135) schreiben kann: »Die polemisch bedingten, sehr einseitigen Perspektiven dieses Standpunktes (gemeint ist die Lehre von der prinzipiellen Unveränderlichkeit des Dogmas, wie sie auch das I. Vatikanum definiert hat, siehe DH 3043, H-L B) verhärteten sich noch im Zuge der zu Beginn unseres Jahrhunderts neu aufbrechenden Auseinandersetzung mit den evolutionistischen Ideen des sogenannten Modernismus. Jetzt wurde sogar von Pius X. ausdrücklich die mit dem Tode des letzten Apostels endgültige Abgeschlossenheit der Offenbarung als kirchlicher Lehrsatz deklariert.« Zwar ist Blums Aussage nicht gänzlich falsch, weil Pius’ X. Satz eben in der Tat von besonderer Deutlichkeit geprägt ist. Aber der Theologe hätte doch niemals versäumen dürfen zu erwähnen, daß die katholische Kirche schon immer so gelehrt hatte! Die kirchliche Position hierzu wird einwandfrei von dem Freiburger Dogmatiker Joseph Schumacher in seiner bei Adolf Kolping angefertigten Habilitationsschrift »Der apostolische Abschluß der Offenbarung Gottes« so zusammengefaßt 192 : »Das Axiom vom Abschluß der Offenbarung mit dem Ende der apostolischen Zeit wird für gewöhnlich als ›sententia theologice certa‹ (»theologisch sichere Aussage«, H-L B) qualifiziert. K. Rahner sieht in der in diesem Axiom zum Ausdruck kommenden Überzeugung zwar nicht eine definierte Lehre im strengen Sinn, aber dennoch eine eindeutig kirchliche Lehre. 193 Das bestätigt auch unsere bisherige Untersuchung. E. Schillebeeckx spricht einmal genauer von einer Lehre des allgemeinen ordentlichen Lehramtes. Sie stehe in 191 Gute Erklärungen zum verurteilten Satz und ähnlichen Aussagen sowie zum ganzen Dokument des Hl. Offiziums findet man in: Der Neue Syllabus Pius’ X. oder Dekret des Hl. Offiziums »Lamentabili« vom 3. Juli 1907. Dargestellt und kommentiert von Franz Heiner, 2. Aufl. Mainz 1908, 275-278; 104-108. 192 Freiburger Theologische Studien Bd. 114, Freiburg/B. 1979, 148 193 In der Fußnote 3 wird verwiesen auf: Karl Rahner SJ, Zur Frage der Dogmenentwicklung (1954), in: Schriften zur Theologie I, Einsiedeln 1962, 58.

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung 101 engem Zusammenhang mit jener von der Unveränderlichkeit des Dogmas. 194 Nimmt man auch frühere Lehräußerungen der Kirche in den Blick, so wird man gar sagen können, daß diese Lehre wiederholt einschlußweise definiert worden ist, nicht zuletzt durch das Tridentinum und das I. Vatikanische Konzil.« Welches Maß an Sicherheit besagte Lehre besitzt, zeigt, daß eben selbst progressive Theologen wie Rahner und Schillebeeckx sich in den 50-er und 60-er Jahren – jedenfalls an den referierten Stellen – zu ihr bekannt haben. Sie kann – trotz (noch) fehlender formaler Definition durch das außerordentliche Lehramt (Papst oder Konzil in Einheit mit dem Papst) – schon aufgrund der von Rahner und Schillebeeckx erwähnten Argumente als absolut unveränderlich betrachtet werden. Zur Abgeschlossenheit der allgemeinen Offenbarung bekannte sich prinzipiell auch das II. Vatikanum: »Daher wird die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und nun endgültige Bund, niemals vorübergehen, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der glorreichen Kundwerdung unseres Herrn Jesus Christus« (DV 4, zitiert nach DH 4204). »Dei verbum« Nr. 4 wird dann im »Katechismus der Katholischen Kirche« aufgegriffen (KKK 66). 195 Schließlich soll man auch die Liturgie nicht vergessen, die einen eminent wichtigen »locus theologicus« bildet, da sie den Glauben der Kirche von Urzeiten her ausdrückt: 196 Bekennen wir uns nicht jeden Sonntag im sog. Großen Glaubensbe- 194 In der Fußnote 4 zitiert Schumacher: E. Schillebeeckx OP, Offenbarung und Theologie (Gesammelte Schriften I), Mainz 1965, 55 (der Aufsatz trägt den Titel »Die Entwicklung des apostolischen Glaubens zum kirchlichen Dogma«). Schillebeeckx verweist auf – nach heutiger Zitierweise – DH 3421 (I. Vatikanum zur Unveränderlichkeit des Dogmas), DH 3020 (wir führen die Stelle weiter unten im Haupttext noch an), DH 3459 (»Christus lehrte kein bestimmtes auf alle Zeiten und alle Menschen anwendbares Lehrsystem, sondern leitete vielmehr eine den verschiedenen Zeiten und Orten angepaßte bzw. anzupassende religiöse Bewegung ein«, verurteilt im Dekret »Lamentabili« Papst Pius’ X., Nr. 59), D 2080 (in DS und DH leider nicht aufgenommen) (Ausschnitt aus »Pascendi dominici gregis« Papst Pius’ X., in dem der modernistische Dogmenevolutionismus als Folge des philosophischen Systems der sog. Vitalimmanenz vorgestellt und verurteilt wird; danach müssen die Glaubensformeln, um lebendig zu bleiben, immer wieder den jeweiligen Zeitumständen neu angepaßt werden). 195 Allerdings hat Johannes Bunnenberg, der sich auf Yves Congar stützt, recht, daß das II. Vatikanum die Beschränkung der Offenbarung auf das apostolische Zeitalter nicht mit derselben geradezu apodiktischen Klarheit formuliert hat, wie dies Pius X. getan hatte. Congar hatte nach seinem Konzept der »lebendigen Tradition« die Lehre des heiligen Papstes geradezu in Frage gestellt bzw. zumindest relativiert (Lebendige Treue zum Ursprung – Das Traditionsverständnis Yves Congars, 307-310). 196 Wichtige Ausführungen zu diesem Themenkomplex findet man wiederum bei Joseph Schumacher, und zwar in folgendem Aufsatz: Die Liturgie als »locus theologicus«, Forum Kathol. Theol. 18/2002, 161-185. Erfreulich ist auch die Anwendung der Forschungsergeb-

Die katholische Lehre von den zwei Quellen der Offenbarung<br />

101<br />

engem Zusammenhang mit jener von der Unveränderlichkeit des Dogmas. 194 Nimmt<br />

man auch frühere Lehräußerungen der Kirche in den Blick, so wird man gar sagen<br />

können, daß diese Lehre wiederholt einschlußweise definiert worden ist, nicht zuletzt<br />

durch das Tridentinum und das I. Vatikanische Konzil.« Welches Maß an Sicherheit<br />

besagte Lehre besitzt, zeigt, daß eben selbst progressive Theologen wie Rahner und<br />

Schillebeeckx sich in den 50-er und 60-er Jahren – jedenfalls an den referierten Stellen<br />

– zu ihr bekannt haben. Sie kann – trotz (noch) fehlender formaler Definition durch<br />

das außerordentliche Lehramt (Papst oder Konzil in Einheit mit dem Papst) – schon<br />

aufgrund der von Rahner und Schillebeeckx erwähnten Argumente als absolut unveränderlich<br />

betrachtet werden.<br />

Zur Abgeschlossenheit der allgemeinen Offenbarung bekannte sich prinzipiell auch das<br />

II. Vatikanum: »Daher wird die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und nun<br />

endgültige Bund, niemals vorübergehen, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung<br />

mehr zu erwarten vor der glorreichen Kundwerdung unseres Herrn Jesus Christus«<br />

(DV 4, zitiert nach DH 4204). »Dei verbum« Nr. 4 wird dann im »Katechismus der<br />

Katholischen Kirche« aufgegriffen (KKK 66). 195<br />

Schließlich soll man auch die Liturgie nicht vergessen, die einen eminent wichtigen<br />

»locus theologicus« bildet, da sie den Glauben der Kirche von Urzeiten her<br />

ausdrückt: 196 Bekennen wir uns nicht jeden Sonntag im sog. Großen Glaubensbe-<br />

194 In der Fußnote 4 zitiert Schumacher: E. Schillebeeckx OP, Offenbarung und Theologie (Gesammelte<br />

Schriften I), Mainz 1965, 55 (der Aufsatz trägt den Titel »Die Entwicklung des apostolischen<br />

Glaubens zum kirchlichen Dogma«). Schillebeeckx verweist auf – nach heutiger<br />

Zitierweise – DH 3421 (I. Vatikanum zur Unveränderlichkeit des Dogmas), DH 3020 (wir<br />

führen die Stelle weiter unten im Haupttext noch an), DH 3459 (»Christus lehrte kein bestimmtes<br />

auf alle Zeiten und alle Menschen anwendbares Lehrsystem, sondern leitete vielmehr<br />

eine den verschiedenen Zeiten und Orten angepaßte bzw. anzupassende religiöse Bewegung<br />

ein«, verurteilt im Dekret »Lamentabili« Papst Pius’ X., Nr. 59), D 2080 (in DS und DH<br />

leider nicht aufgenommen) (Ausschnitt aus »Pascendi dominici gregis« Papst Pius’ X., in dem<br />

der modernistische Dogmenevolutionismus als Folge des philosophischen Systems der sog.<br />

Vitalimmanenz vorgestellt und verurteilt wird; danach müssen die Glaubensformeln, um lebendig<br />

zu bleiben, immer wieder den jeweiligen Zeitumständen neu angepaßt werden).<br />

195 Allerdings hat Johannes Bunnenberg, der sich auf Yves Congar stützt, recht, daß das II. Vatikanum<br />

die Beschränkung der Offenbarung auf das apostolische Zeitalter nicht mit derselben<br />

geradezu apodiktischen Klarheit formuliert hat, wie dies Pius X. getan hatte. Congar<br />

hatte nach seinem Konzept der »lebendigen Tradition« die Lehre des heiligen Papstes geradezu<br />

in Frage gestellt bzw. zumindest relativiert (Lebendige Treue zum Ursprung – Das<br />

Traditionsverständnis Yves Congars, 307-310).<br />

196 Wichtige Ausführungen zu diesem Themenkomplex findet man wiederum bei Joseph<br />

Schumacher, und zwar in folgendem Aufsatz: Die Liturgie als »locus theologicus«, Forum<br />

Kathol. Theol. 18/2002, 161-185. Erfreulich ist auch die Anwendung der Forschungsergeb-

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