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Literarische Aktion.qxd - Stadt Kraichtal

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Vorwort<br />

Im Frühjahr dieses Jahres wurden die <strong>Kraichtal</strong>er Bürger/Innen,<br />

anläßlich des Jubiläums der <strong>Stadt</strong> <strong>Kraichtal</strong> dazu eingeladen,<br />

„ihre ganz persönliche Geschichte über <strong>Kraichtal</strong>“ zu schreiben.<br />

Sie konnten Beiträge aller Art verfassen: Erlebtes, Erdachtes,<br />

Geträumtes, Nachdenkliches, Vergangenes oder Heiteres. Die<br />

uns eingesandten Geschichten können Sie auf den nächsten<br />

Seiten lesen.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei.<br />

Tante Clara<br />

Unsere Tante Clara war eine Erbtante, als kleine Kinder<br />

wussten wir mit dem Begriff Erbtante natürlich nichts anzufangen.<br />

Erst als mein Bruder ein wenig älter war, klärte er mich darüber auf.<br />

Er war sowieso mein Lehrer und Berater, alles was er mir auftischte,<br />

das glaubte ich. Früher waren wir Kinder einfach gutgläubiger,<br />

woher sollten wir auch etwas wissen, es gab keinen<br />

PC oder Fernseher. Wir spielten auf der Straße, kickten mit<br />

Blechdosen und am Abend knobelten wir mit getrockneten<br />

weißen Bohnen, und wir waren zufrieden.<br />

Doch zurück zu unserer Tante Clara, jede Weihnacht kam sie<br />

für circa drei Wochen zu uns auf Besuch. Das war ein richtiges<br />

Drama, jeder Tag ein Akt. Wir mussten sie schon am Bahnhof<br />

abholen, wenn es Schnee hatte mit dem Schlitten, ansonsten<br />

mit dem Handwagen. Ein Auto gab es nicht bei uns und auch<br />

keine Bahnstation. Da standen wir dann in Reih und Glied auf<br />

dem Bahnsteig und erwarteten unsere Heimsuchung, wie unser<br />

Vater der Mutter zuflüsterte.<br />

Tante Clara trug immer einen riesengroßen Hut, der aussah wie<br />

ein Wagenrad, mein Bruder meinte: „Den Gewitterverteiler,<br />

den erbst du einmal“. Ich fand das ganz schrecklich, bestimmt<br />

konnte ich ihn der Vogelscheuche auf dem Kirschbaum aufsetzen,<br />

sollt ich je in den Besitz dieses Teiles kommen.<br />

Tante Clara teilte an alle feuchte Küsse aus und sie roch so<br />

schrecklich nach Mottenkugeln. Mein Bruder erklärte mir das<br />

so: „Sie würde sich mit Mottenkugeln einreiben, weil sonst die<br />

Motten sie auffressen würden“. Die Motten stellte ich mir danach<br />

riesengroß vor, mindestens wie eine Krähe und das machte<br />

mir Angst. So lange Tante Clara bei uns weilte wurden ihr alle<br />

Wünsche erfüllt und wir Kinder mussten uns vorbildlich benehmen,<br />

eben wie auf einer Theaterbühne. Die Geschenke, die Tante<br />

Clara uns mitbrachte, bereiteten uns auch nicht viel Freude,<br />

selbst die Schokolade von ihr roch nach Mottenkugeln.<br />

Aber mein Bruder, der immer geniale Ideen hatte, beschloss<br />

die Schokolade von Tante Clara den Sternsingern zu spenden,<br />

wenn sie am Dreikönigstag vorbeikamen, um für die Kinder in<br />

Afrika zu sammeln. Er meinte die Kinder in Afrika haben eh noch<br />

keine Schokolade gegessen und merken gar nicht, dass sie<br />

nach Mottenkugeln schmeckt. Tante Clara freute es immer sehr,<br />

wenn wir selbstlos von unseren Geschenken etwas spendeten.<br />

Ich habe auch einmal den von ihr selbstgestrickten Schal, den<br />

sie nach dem Muster strickte, „eine rechts, eine links, eine fallen<br />

lassen“, in den Korb gelegt; er war einfach zu hässlich. Doch<br />

Tante Clara nahm ihn wieder heraus und meinte in Afrika ist es im-<br />

1<br />

MITTEILUNGSBLATT DER STADT KRAICHTAL � NR. 49/2002<br />

Sonderbeilage „<strong>Literarische</strong> <strong>Aktion</strong>“<br />

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der <strong>Stadt</strong> <strong>Kraichtal</strong> im Jahr 2011<br />

mer warm, da brauchen die Kinder keinen warmen Schal. Bei<br />

Halsweh und über Nacht wickelte ich ihn gerade noch um,<br />

aber auf die Straße bin ich nicht mit ihm gegangen. Mein Bruder<br />

band seinen um den Gartenzaunpfosten, für einen Landstreicher,<br />

wie er sagte, da hat sicher auch einer mal Halsweh. Ich glaube<br />

Mutter hat ihn heimlich abgenommen.<br />

Tante Clara brachte auch einmal einen Mantel von ihr mit, der<br />

wurde gewendet und die Schneiderin nähte einen Mantel für<br />

mich, erdbraun, mit einem 15 Zentimeter breiten Saum und einem<br />

riesengroßen Perlmuttknopf. Doch als Kind hatten wir keine<br />

Lobby, man zog ihn einfach an, Hauptsache er gab warm. Aber<br />

bis heute, 50 Jahre später, trage ich immer noch nichts braunes.<br />

Als wir etwas größer wurden, musste sich unsere Mutter etwas<br />

einfallen lassen, dass wir beim dem Weihnachtsmärchen<br />

„Tante Clara“ noch mitspielten. Sie hat uns regelrecht erpresst.<br />

Was ganz oben auf unserem Wunschzettel stand, das lieferte<br />

angeblich das Christkind bei ihr ab, und wenn wir Tante Clara<br />

überzeugt hatten, dass wir die besten, gescheitesten, besterzogensten<br />

und fleißigsten Kinder waren, dann gab es das<br />

langersehnte Geschenk, wenn Tante Clara im Zug nach Hause<br />

saß. Und irgendwann war Tante Clara im Alter von 90 Jahren<br />

gestorben. Unsere Familie hat sie tatsächlich beerbt. Auch wir<br />

Kinder bekamen ein Legat.<br />

An Weihnachten fuhren wir alle zusammen auf den Friedhof zu<br />

Tante Clara. Mutter brachte Kerzen mit, mein Bruder hatte<br />

Tannenzweige vom Wald geholt und ich habe auch eine Überraschung<br />

für Tante Clara, sagte ich im Zug. Ich hatte von meinem<br />

wenigen Taschengeld eine Tüte Mottenkugeln gekauft und die<br />

streute ich auf ihr Grab, das sah sehr schön aus auf den grünen<br />

Tannenzweigen. Mutter fragte: „Warum streust du Mottenkugeln<br />

auf das Grab?“, ich antwortete: „Tante Clara soll nicht von den<br />

Motten aufgefressen werden.“ Die Eltern sahen sich an und<br />

schmunzelten. Ich war aber stolz auf mich und mein Geschenk<br />

für Tante Clara. Und ich bin sicher, dass sie alles vom Himmel<br />

herab wohlwollend gesehen hat und es sie freute.<br />

Geschichte von Ursula Mayer, Sternacker Str. 19,<br />

Oberacker<br />

<strong>Kraichtal</strong> 1971<br />

1. Die neun Gemeinden bilden nun, ne neue große <strong>Stadt</strong>;<br />

Minister Krause der blieb aus, als man unterschrieben hat.<br />

Auch fehlte manche Prominenz, zur Geburt der <strong>Kraichtal</strong>stadt,<br />

sie alle sollten Pate sein, damit das Kind nicht falle ab.<br />

Refrain: Die Reform, die Reform, die Gemeindereform, ist<br />

die Leidenschaft von Krause, der Erfolg ist enorm.<br />

2. Bevor die Geburtsstunde schlug,<br />

kam erst die Schwangerschaft;<br />

gar vielmal setzten Wehen ein,<br />

die unerträglich war´n.<br />

Die Schwangerschaft zu unterbrechen,<br />

war man drauf und dran,<br />

doch Abtreibung ist nicht erlaubt,<br />

in unserem deutschen Land.<br />

Refrain: Die Reform, die Reform, .....


MITTEILUNGSBLATT DER STADT KRAICHTAL � NR. 49/2002<br />

Sonderbeilage „<strong>Literarische</strong> <strong>Aktion</strong>“<br />

3. Zum Frauenarzt bestellte man ´ne Verhandlungskommission.<br />

Den Vorsitz hatte Walter Schmid, er fand den rechten Ton.<br />

Probleme wog man auf und ab, verhandelte sehr viel,<br />

die Atmosphäre wurde oft, sehr nüchtern und sehr kühl.<br />

Refrain: Die Reform, die Reform, .....<br />

4. Ein neues Rathaus zu erbaun, war man sich einig bald,<br />

die Standortfrage brachte fast, das ganze große Halt.<br />

Prestigesache wurde draus, das sahen alle ein,<br />

drum gaben gleich am Anfang nach, de Bortoli und Wein.<br />

Refrain: Die Reform, die Reform, ....<br />

5. Doch Gochsheim und auch Münzesheim,<br />

die blieben Kopf an Kopf,<br />

das Gutachten entschied sich dann,<br />

für <strong>Stadt</strong>teil Minze Ost.<br />

Enttäuschung und Verbitterung,<br />

in Gochsheim schlug sich breit,<br />

denn dieser Standort sei nun doch,<br />

für die Bevölkerung zu weit.<br />

Refrain:Die Reform, die Reform, ....<br />

6. Zur Urne die Bevölkerung am 6. Juni (1971) ging,<br />

vom Ergebnis dieser Anhörung, die Sache nicht abhing.<br />

Ergebnis hin, Ergebnis her, wir wollen einfach <strong>Stadt</strong>,<br />

das Landleben wir haben nun, doch alle endlich satt.<br />

Refrain:Die Reform, die Reform, ....<br />

7. Am 1. 9. (1971) wars soweit, da waren wir ein Volk,<br />

der Amtsverweser ward bestellt,<br />

da gab es auch noch Groll,<br />

Der Übergangsgemeinderat, der schlug sich wacker fort,<br />

er tagte auch sehr sachlich und das ist schon ein Wort.<br />

Refrain: Die Reform, die Reform, ....<br />

8. Es kamen Wahlen auf uns zu, die waren gar nicht leicht,<br />

(24.10. Gemeinderatswahl, 28.11. und 12.12. Bürgermeisterwahl)<br />

es hat auch nicht für alle, zu dem Mandat gereicht.<br />

Verzaget deshalb trotzdem nicht, denn das Mandat ist schwer,<br />

und alle die es haben, die wollten oft nicht mehr.<br />

Refrain: Die Reform, die Reform, ...<br />

9. Am Schluß wir alle bitten nun, versorget recht das Kind,<br />

damit es wachse und gedeih´und gute Pflege findt.<br />

Dann wird´s bald auf den Füßen stehn,<br />

nimmt an Gestalt und Form,<br />

zum Vorteil der Bevölkerung, zur Krönung der Reform.<br />

Refrain:Die Reform, die Reform, ...<br />

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der <strong>Stadt</strong> <strong>Kraichtal</strong> im Jahr 2011<br />

Lied nach der Melodie vom „Brusler Dorscht“ von<br />

Gerhard Max, Oberacker, zur Aufführung bei der<br />

Winterfeier des M.G.V. Frohsinn Oberacker, am<br />

8. Januar 1972<br />

Reißt doch des alte Gelumbs ab<br />

Ein kleines altes Haus<br />

gegenüber der evangelischen<br />

Kirche von Menzingen rief<br />

verzweifelt nach uns. Es war<br />

im Jahr 1804 bereits aus<br />

recyceltem Material (auch<br />

von der vorherigen Kirche)<br />

erbaut und stand nun im Jahr<br />

1986 traurig und eigentlich<br />

abrissreif da. Wir hörten sein<br />

2<br />

Rufen und sofort entschied der Familienrat, sich seiner anzunehmen.<br />

Wieviel Arbeit da auf uns zukommen könnte, haben<br />

wir nicht erahnen können. Wir rechneten mit drei bis vier Jahren,<br />

doch es dauerte bis zum Einzug circa zehn Jahre. Kaum zu<br />

zählen, wie oft wir hören mussten: „Warum macht ihr des, reißt<br />

doch des alte Gelumbs ab.“<br />

Nun steht es da, seit vielen Jahren im neuen Kleid und jeder<br />

Wanderer, der von der <strong>Stadt</strong>bahn kommt, die Kirchgänger und<br />

die meisten Einwohner der Gemeinde freuen sich daran. Die<br />

Mühe hat sich also gelohnt - oder? Und für uns? Hier zu<br />

wohnen, übertrifft jedes andere<br />

Wohngefühl.<br />

Noch viele schöne alte Häuser<br />

rufen hier um Hilfe, für die<br />

sich die Mühe lohnen würde.<br />

Ob sich noch einige Retter<br />

finden? <strong>Kraichtal</strong> und dem<br />

Kraichgau würde es gut tun!<br />

Geschichte und Bilder<br />

von Helga Vondermühl, Menzingen<br />

Drei folgenreiche Begegnungen<br />

Meine (wahren) Geschichten beginnen alle in den ersten zehn<br />

Jahren nach dem Gemeindezusammenschluss zur <strong>Stadt</strong><br />

<strong>Kraichtal</strong>; zuerst die am weitesten zurückliegende:<br />

1. Begnung - Carl Hubbuch<br />

Am 21. November 1971, also knapp ¼ Jahr nach der<br />

„Geburt" der neuen <strong>Stadt</strong>, begeht ein nahezu erblindeter,<br />

europaweit bekannter bildender Künstler in Karlsruhe seinen<br />

80. Geburtstag: CARL HUBBUCH. In <strong>Kraichtal</strong> nimmt niemand<br />

davon Notiz; außerhalb von Neuenbürg ist er völlig unbekannt!<br />

Mir war er aus meiner Karlsruher Berufstätigkeit längst<br />

ein Begriff. Deshalb besuchte ich ihn kurz nach meinem<br />

Dienstantritt im Frühjahr 1972; eine interessante und menschlich<br />

anrührende Begegnung! Auf Grund des daraus sich entwickelnden<br />

Kontakts hatte ich bei der Umbenennung der<br />

Neuenbürger Hauptstraße die Idee, ihm in der Heimat seiner<br />

Vorfahren mit der „Prof.-Hubbuch-Straße“ ein Denkmal zu<br />

setzen. Diese mit ihm vorher nicht abgesprochene Geste (im<br />

Gemeinderat musste ich zuerst Widerstände überwinden und<br />

brauchte zwei Anläufe!) freute ihn so, dass er mir mit einem<br />

Dankesbrief einen Scheck für den Neuenbürger Kindergarten<br />

schickte. - Die vorgeschriebene Länge meines Artikels zwingt<br />

mich, die Geschichte abzukürzen: Die <strong>Stadt</strong> <strong>Kraichtal</strong> besitzt<br />

seit vielen Jahren die größte Sammlung von Hubbuch-Bildern in<br />

kommunaler Trägerschaft, vielleicht die größte überhaupt<br />

außerhalb der Familie; die positive Folge einer nachgeholten<br />

Gratulationscour.<br />

2. Begnung - Zuckerbäckermuseum<br />

Kann man frühmorgens um 6.00 Uhr einen bis dahin unbekannten<br />

Mann telefonisch stören? Kann man, wenn man, wie<br />

ich an diesem Morgen aus der „Bruchsaler Rundschau“<br />

erfährt, dass dieser Mann Bäckermeister ist! Er war gleichzeitig<br />

Vorsitzender des Bäckerfachvereins Bruchsal, dessen Mitglieder<br />

seit Ende des 2. Weltkriegs alte Bäckereigeräte und -maschinen<br />

gesammelt hatten. Die <strong>Stadt</strong> Bruchsal hatte ihnen Räumlichkeiten<br />

für ein Museum in Aussicht gestellt, diese Zusage dann aber<br />

zurückgezogen und gleichzeitig die Zwischenlager-Räume<br />

gekündigt. Bäckermeister Strauch blieb keine andere Wahl, als


einen „Hilferuf“ über die Presse loszulassen: Was ich erst später<br />

erfuhr: Die Bäcker hatten sich insgeheim geschworen, dass der<br />

erste Anrufer die Sammlung bekommt; ich war der Erste! Auch<br />

in diesem Fall muss ich abkürzen. - Das einzige noch vorhandene<br />

Gemeindebackhaus stand in Gochsheim und war in<br />

städtischem Besitz. Zum längst zu einer Institution gewordenen<br />

„BADISCHEN BÄCKEREIMUSEUM“ kam durch einen Tipp<br />

eines Fachbesuchers der Grundstock für das „Zuckerbäckermuseum“<br />

hinzu, alte, längst nicht mehr in Gebrauch befindliche<br />

Maschinen und Geräte des Konditors, die aus einem<br />

traditionsreichen Karlsruher Café stammten, das abgerissen<br />

werden sollte. Die komplette Einrichtung war „en bloc“ an<br />

einen Altwarenhändler verkauft, der von der Musseumsidee so<br />

begeistert war, dass er sie den Bäckern überließ! Als<br />

Zwischenlager diente meine elterliche Scheune, bis eines<br />

Tages das Nachbargebäude zum Bäckerei-Museum nach<br />

glücklichen und geschickten Verhandlungen unter meiner<br />

Führung erworben werden konnte! „Der frühe Vogel frisst den<br />

Wurm“, lautet ein deutsches Sprichwort. - Mein frühes Telefongespräch<br />

mit Bäckermeister Strauch - auch dies eine Begegnung<br />

mit positivem Ausgang.<br />

3. Begnung - Carl- und Margarethe-Krieger-Stiftung<br />

Im Mitteilungsblatt der <strong>Stadt</strong> <strong>Kraichtal</strong> vom 25. Mai 2011 fand<br />

sich eine kleine, fast verschämte Notiz über den Verkauf eines<br />

Mehrfamilienhauses in Heidelberg aus dem Nachlass der<br />

Künstlerin (und Hubbuch-Schülerin) MARGARETHE KRIEGER.<br />

In diesem Haus fand meine 3. Begegnung der glücklichen Art<br />

statt: Und das kam so: Der in Unteröwisheim geborene, 1965<br />

verstorbenen und auf dem Menzinger Friedhof begrabene<br />

Vater der Künstlerin, der Pfarrer, Heimatforscher, Schriftsteller<br />

und Maler CARL KRIEGER, war nur einigen weitläufig verwandten<br />

Menzingern ein Begriff, in seiner Heimatlandschaft<br />

Kraichgau, der er einige wichtige Werke widmete und die er in<br />

vielen Bildern festhielt, war er weitgehend vergessen! Bei einer<br />

Besichtigung seiner Grabstätte stellte ich fest, dass bei der<br />

Grabpflege liebevolle Gärtner(innen)-Hände am Werk sein<br />

mussten (die Menzinger wissen, wen ich meine!). Ich bekam<br />

heraus, dass der Auftrag dazu und die regelmäßige<br />

Begleichung der Rechnungen per Telefon bzw. Überweisung<br />

aus Heidelberg kam. Wer sich hinter dieser Telefonnummer<br />

verbarg, bekam ich erst durch einen Anruf heraus: Die einzige<br />

Tochter MARGARETHE KRIEGER. Mein Anruf löste Erstaunen<br />

darüber aus, dass ein fremder (damals noch junger) Mann<br />

Interesse an ihrem über alles geliebten Vater zeigte. Meinem<br />

ersten Besuch, im oben erwähnten Hause, folgten viele weitere<br />

und auch Begegnungen in <strong>Kraichtal</strong>, bis eines Tages die „Carlund-Margarethe-Krieger-Stiftung“<br />

im Gochsheimer Schloss<br />

übergeben werden konnte. Klugerweise führte mein Nachfolger<br />

Horst Kochendörfer die Kontakte zu ihr nicht nur fort, sondern<br />

intensivierte sie bis zu seinem frühen Tod.<br />

Interesse, Nachforschungen, Telefon- und andere Kontakte, vor<br />

allem aber persönliche Begegnungen führten schließlich dazu,<br />

dass die <strong>Stadt</strong> <strong>Kraichtal</strong> Generalerbin des Nachlasses der<br />

kinderlos verstorbenen Künstlerin Margarethe Krieger wurde.<br />

Dadurch wird nicht nur das kulturelle „Vermögen“ der <strong>Stadt</strong><br />

vermehrt - das nicht gering einzuschätzende finanzielle Erbteil<br />

erweitert den Spielraum für kulturelle Aktivitäten in erheblichem<br />

Maße!<br />

Geschichten von Berthold Zimmermann, Bürgermeister<br />

a.D., Birkenhördt<br />

3<br />

MITTEILUNGSBLATT DER STADT KRAICHTAL � NR. 49/2002<br />

Wunsch eines <strong>Kraichtal</strong>er Bürgers<br />

Herrgott, Du hast es zugelassen,<br />

dass wir in <strong>Kraichtal</strong> sind vereint.<br />

Die neuen Schilder an den Straßen<br />

besagen nicht viel, wie mir scheint.<br />

Bewirke Du an Haupt und Gliedern<br />

Gemeinsinn und Zufriedenheit<br />

und schaff ein einig Volk von Brüdern,<br />

von nun an bis in Ewigkeit.<br />

Von neuen Satzungen verschonen<br />

wollst Du in diesem Jahr die <strong>Stadt</strong><br />

und schick uns endlich die Millionen,<br />

die man uns längst versprochen hat.<br />

Den <strong>Stadt</strong>rat lasse schließlich wissen<br />

wie schön´s ist unter einem Hut<br />

und lass in Eintracht ihn beschließen,<br />

nur was für alle Bürger gut.<br />

Und bring auf irgend eine Weise<br />

zentralen Orts die Ämter an,<br />

dass man in einer Tagesreise<br />

gleich möglichst viel erledigen kann.<br />

Bau Leichenhall´und Gottesacker,<br />

dass auf dem letzen Pfade man<br />

den Umweg über Oberacker<br />

hin und zurück sich sparen kann.<br />

Gedicht nach Eugen Burghardt, Münzesheim, ehemaliger<br />

Gemeinderat in Münzesheim, eingereicht<br />

von Emil Gabriel, Münzesheim<br />

1. <strong>Kraichtal</strong>er Winzerfest?<br />

Winzerverein Gochsheim e.V., gegründet am<br />

15. Januar 1979 im Gasthaus „Zum Löwen“ in<br />

Gochsheim<br />

<strong>Kraichtal</strong>er Winzerfest vom 20. bis 22. Juli 1979, verbunden<br />

mit dem Kurpfälzischen Winzerfest und Wahl der Weinkönigin.<br />

Weinhoheit (Prinzessin) war von 1978 bis 1979 Annelie Bodmer,<br />

jetzt verheiratete Link, in Oberderdingen.<br />

Der damalige Bürgermeister Berthold Zimmermann wollte<br />

immer in <strong>Kraichtal</strong> ein Weinfest durchführen, da das Kurpfälzische<br />

Winzerfest immer in der Gemeinde der Weinkönigin stattfindet.<br />

Dies wäre in Zeutern gewesen. Da aber Annelie Bodmer<br />

Prinzessin war, versuchte Berthold Zimmermann das Winzerfest<br />

nach Gochsheim zu holen. Nach mehreren Gesprächen mit<br />

Vertretern aus Zeutern gelang ihm das auch.<br />

Jetzt ging es um die Durchführung des Festes. Zunächst lud der<br />

ehemalige Bürgermeister Zimmermann die Vorstände der<br />

Gochsheimer Ortsvereine zu einer Vorbesprechung ein. Da er<br />

hier keine einstimmige Zustimmung fand, rief Alfons Bodmer die<br />

Winzer aus Gochsheim und Oberacker zusammen. Diese<br />

Zusammenkunft fand am 15. Januar 1979 im Gasthaus „Zum<br />

Löwen“ in Gochsheim, statt. Nach eingehender Beratung<br />

entschloss man sich noch an diesem Abend den Winzerverein<br />

zu gründen. Nun ging es darum einen 1. Vorsitzenden zu<br />

finden, vorgeschlagen wurde der ehemalige langjährige<br />

1. Vorsitzende des Gesangvereins, Helmut Weigele, der auch


MITTEILUNGSBLATT DER STADT KRAICHTAL � NR. 49/2002<br />

nicht lange zögerte und dieses Amt annahm. Zum 2. Vorsitzenden<br />

wurde Alfons Bodmer (gestorben) gewählt. Schriftführer<br />

wurde Erhard Ebert. Kassier wurde Gustav Wöhrle<br />

(gestorben).<br />

Beisitzer wurden Bernhard Jenner, Günter Riedinger, Fritz Ebert<br />

(gestorben) und Herr Koch, (Oberacker).<br />

Nun galt es, die Vorbereitungen für das 1. <strong>Kraichtal</strong>er Winzerfest<br />

zu treffen. Man einigte sich auf den Termin 20. bis 22. Juli 1979.<br />

In der relativ kurzen Vorbereitungszeit waren viele Sitzungen<br />

und Beratungen mit der <strong>Stadt</strong>verwaltung notwendig. Die <strong>Stadt</strong>verwaltung<br />

unterstützte uns großzügig. An der Spitze standen<br />

der ehemalige Bürgermeister Zimmermann, Herr Weigele,<br />

A. Bodmer, G. Riedinger, K. Stuhlmüller und E. Neudeck.<br />

Das 1. <strong>Kraichtal</strong>er Winzerfest konnte beginnen.<br />

Am Freitagnachmittag, als das Festzelt aufgebaut war, konnte<br />

die erste Flasche Wein geöffnet werden und der 1. Vorsitzende<br />

Helmut Weigele konnte den ersten Kassenstand vermelden,<br />

nämlich 2,00 DM. Nach einem 3-tägigen Fest war ein stolzer<br />

Reingewinn zu vermelden. Um nun die Mitglieder am Gewinn teilhaben<br />

zu lassen, wurde eine komplette Abfüllanlage angeschafft.<br />

Im Laufe der Jahre kam dann noch eine Abbeermaschine hinzu. Im<br />

Jahre 2004 feierte der Winzerverein sein 25-jähriges Bestehen.<br />

Die Feier fand in einem vereinsinternen Rahmen statt.<br />

In der Rebanlage „Bahnhälde“ wurden im Jahre 1970 8 Hektar<br />

Riesling angelegt, im Jahre 2004 sind es noch circa 4 Hektar.<br />

In der Rebanlage „Kammertal“ wurden im Jahre 1970 8 Hektar<br />

Müller-Thurgau angelegt, heute sind es noch circa 4 Hektar.<br />

Geschichte von Helmut Weigele, Gochsheim<br />

<strong>Kraichtal</strong>er Nachtlied 1976<br />

Büttenrede von 1976 als Einstimmung auf die Prunksitzung<br />

in Unteröwisheim<br />

Ach Leut, wie war es ehedem<br />

in unserm Kraichgau doch so schön,<br />

der Kraichbach sauber, rein die Luft,<br />

im Frühjahr voller Blütenduft.<br />

Im Sommer sah man auf den Wiesen,<br />

viel tausend bunte Blumen sprießen.<br />

Die Wälder grün und auch die Auen,<br />

alles war lieblich anzuschauen.<br />

Die Herbst- und Weinzeit sonnig heiter<br />

und so weiter, und so weiter....<br />

Denk ich an jene Zeit bei Nacht,<br />

dann schlaf ich ein, ganz leis und sacht.<br />

Im <strong>Kraichtal</strong> herrschte ew´ger Friede,<br />

kein Menschenhass, nur Bruderliebe<br />

S´war fast wie im Paradies,<br />

bevor man dort Adam und Eva verstieß!<br />

Da gab es keine Differenzen,<br />

weil alle sich so gut ergänzen.<br />

Und Orte, die heut´gram sich sind,<br />

harmonierten zusammen wie Mutter und Kind.<br />

Das waren Zeiten, froh und heiter,<br />

und so weiter, und so weiter ...<br />

Denk ich an jene Zeit bei Nacht,<br />

schlaf beruhigt ich weiter, leis und sacht.<br />

Doch irgendwann im Lauf der Zeit<br />

endete diese Friedsamkeit.<br />

4<br />

Der Fortschritt, sonst unser aller Nutzen,<br />

ließ die Natur mehr und mehr verschmutzen.<br />

Dies muss auch die Menschen beeinflusst haben,<br />

denn sie fühlten sich plötzlich über die anderen erhaben.<br />

Und als man Grenzen zog, tief und breit,<br />

war es nur noch ein Schritt zu Zank und Streit.<br />

Und vorbei waren die Zeiten,<br />

froh und heiter,<br />

und so weiter, und so weiter ...<br />

Denk ich an jene Zeit bei Nacht,<br />

kommt Unruhe auf, ganz leis und sacht!<br />

Doch nun zu euch und eurer <strong>Stadt</strong>,<br />

die alte Traditionen hat.<br />

Davon zehrt man seit hundert Jahren<br />

und meint, damit sei man gut gefahren!<br />

Man merkt nicht, dass in Wirklichkeit<br />

Auch hier die Zeit nicht stehen bleibt.<br />

Kennt ihr nicht den Spruch zur Väterzeit:<br />

Gut Werk gedeih in Einiigkeit?<br />

Ohne die andern kommt ihr auch nicht weiter,<br />

und so weiter, und so weiter .....<br />

Denk ich an <strong>Kraichtal</strong>-West bei Nacht,<br />

bin ich nachdenklich aufgewacht!<br />

Wenn man den Kraichbach aufwärts zieht,<br />

und kommt in Mittel-<strong>Stadt</strong>gebiet,<br />

stellt man dort auch mit Erstaunen fest,<br />

dass früher alles eins´s gewest.<br />

Ein Ereignis im Lauf von vielen Jahren,<br />

wann, wird man sicher nie erfahren,<br />

brachte auch hier Sand ins Getriebe<br />

und aus war´s mit der Bruderliebe.<br />

Seither gibt´s Missgunst hier und Neider<br />

und so weiter, und so weiter....<br />

Denk ich bei Nacht an <strong>Kraichtal</strong>-Mitte<br />

ist Schlaf nur meine einz´ge Bitte!<br />

Da rüttelt mich die Hoffnung wach<br />

und weiter geht´s hinauf den Bach.<br />

Rund um den "Landskopf",<br />

wo im Osten der <strong>Stadt</strong>,<br />

der Rest der Gemeinden sich gefunden hat.<br />

Hier, wo vor Zeiten Ritter hausten<br />

und mit den Bürgern friedlich schmausten,<br />

muss doch noch etwas übrig sein<br />

von Eintracht, Fried´ und Sonnenschein.<br />

Doch, hier gab´s auch nur Außenseiter,<br />

und so weiter, und so weiter...<br />

Dies alles hat mich gestern Nacht,<br />

dann vollends um den Schlaf gebracht!<br />

Un so entstanden diese Zeilen,<br />

s´blieb keine Zeit, dran rumzufeilen.<br />

Nehmt ernst sie oder lasst es bleiben<br />

oder lasst euch ein Rezept verschreiben,<br />

wie man in dieser schwier´gen Zeit<br />

Gemeinsinn übt und Einigkeit.<br />

Dann wird auch Hilf´von außen kommen<br />

Zu unser aller Nutz´und Frommen.<br />

Im Kraichgau wird´s dann wieder heller,


und so weiter, und so weiter...<br />

Denk ich an <strong>Kraichtal</strong> dann bei Nacht,<br />

schlaf´ traumlos ich, bis früh um acht.<br />

Gut´ Nacht<br />

Büttenrede von Horst Mann, <strong>Kraichtal</strong><br />

250 Jahre <strong>Kraichtal</strong>er „Kolonisten“<br />

im Norden Schleswig-Holsteins<br />

Eine Zeitreise bis in die Gegenwart<br />

Beginnen wir mit der Gegenwart:<br />

Am 17. Juni 2011 wurde im Mitteilungsblatt unter „Kunst und Kultur“<br />

von einer Jubiläumsveranstaltung in der sogenannten<br />

„Schleswigschen Geest“ berichtet, an der Vertreter des<br />

<strong>Kraichtal</strong>er Heimat- und Museumsvereins unter Führung von<br />

Karl-Heinz Glaser und der Accordeonfreunde Kraichgau unter<br />

ihrem Vorsitzenden Hartmut Jenner teilnahmen. Letzterer, vor<br />

allem aber seine leider verstorbene Mutter Hilde Jenner, haben<br />

wesentlich dazu beigetragen, die vor rund 35 Jahren begonnen<br />

und über viele Jahre intensiv gepflegten Beziehungen über die<br />

Zeit zu retten. Am Beispiel der JENNER-Sippe möchten wir in<br />

Erinnerung rufen, wie das alles begonnen hat.<br />

Vor 250 Jahren haben viele Familien aus dem Kraichgau (und<br />

aus der Pfalz!), darunter auch etliche aus heute zu <strong>Kraichtal</strong><br />

gehörenden Orten, eine neue Heimat gesucht, nahe der heutigen<br />

deutsch-dänischen Grenze. Sie folgten dem Ruf des damaligen<br />

dänischen Königs, der Werber schickte (heute würde man sie<br />

als „Drücker-Kolonnen“ bezeichnen!), die die zum Teil bitterarmen,<br />

meist von Grundherren abhängigen Kleinbauern mit<br />

verlockenden Versprechungen zu dieser langen und auch<br />

gefahrvollen Reise überredeten. Ihnen winkte im hohen<br />

Norden ein kleiner, eigener Bauernhof mit Groß- und Kleinvieh,<br />

Gerätschaften und Sämereien; und drumherum ebenfalls in<br />

ihren Besitz übergehenden (allerdings noch urbar zu machender!)<br />

landwirtschaftlicher Grund und Boden. Von so etwas konnten<br />

sie in ihrer Kraichgauer Heimat nur träumen! Dem dänischen<br />

König ging es dabei nicht in erster Linie um soziale Wohltaten;<br />

er verfolgte vielmehr macht- und verteidigungspolitische sowie<br />

fiskalische Interessen. Im Rahmen diese Berichts können diese<br />

Hintergründe, aber auch die zum Teil katastrophalen Verhältnisse,<br />

die die „Auswanderer“ aus dem Süden hier antrafen, nicht<br />

weiter vertieft werden, denn wir wollen ja den Blick auf die<br />

menschlich-persönliche Seite dieses Geschehens richten.<br />

Ein jungvermähltes Ehepaar (mit kleinem Sohn) namens<br />

JENNER aus Menzingen (!) ließ sich mit anderen Paaren<br />

zusammen auf das Abenteuer ein, auf Bauernwagen, meist<br />

aber zu Fuß, eine nahezu 1.000 Kilometer lange Wegstrecke<br />

auf sich zu nehmen, holprige, meist mit Löchern übersäte Wege,<br />

viele Herrschafts- und Zollgrenzen, die zu überwinden waren,<br />

und Straßenräuber, die nur darauf warteten, ihnen Hab und<br />

Gut, notfalls mit Gewalt und Totschlag abzunehmen. Unterwegs<br />

verstarb der Vater, auf natürliche oder nichtnatürliche Weise.<br />

Da man am Zielort nur als Familie erwünscht war, heiratete die<br />

Mutter wieder und der kleine Sohn kam als einziger JENNER<br />

dort an. Wie es ihm und seinen Nachkommen weiter erging -<br />

aus Platzgründen müssen wir auch darauf verzichten, es zu<br />

erwähnen.<br />

Wir überspringen jetzt fast 190 Jahre: Eingerade aus Krieg und<br />

Gefangenschaft des 2. Weltkrieges zurück gekehrter junger<br />

Mann namens BRACKER (großmütterlicherseits der JENNER-Sippe<br />

entstammend) entschloss sich, ein Studium der Landwirtschaft<br />

5<br />

MITTEILUNGSBLATT DER STADT KRAICHTAL � NR. 49/2002<br />

an der damals renommierten Universität Hohenheim<br />

(bei Stuttgart) aufzunehmen. Ein wochenlanges Praktikum<br />

verbrachte er in den Rheinauen-Überflutungsgebieten bei<br />

Dettenheim (Rußheim-Liedolsheim). Von dort aus nahm er erste<br />

Kontakte zum damaligen Menzinger Pfarrer Hollstein auf. Es<br />

dauerte aber nochmals rund 30 Jahre, bis der längst fertigstudierte<br />

und promovierte JENNER-Nachfahre Ende der<br />

1970er Jahre den zwar in Menzingen wohnenden, aber im<br />

neuen <strong>Kraichtal</strong>er Rathaus residierenden Bürgermeister aufsuchte.<br />

Dieser war von der unglaublichen Geschichte einer bis<br />

dato vergessenen „Auswanderung“ (aus heutiger Sicht eigentlich<br />

eine „Binnen“-Wanderung) so angetan, dass von da an<br />

fast jährliche Besuche und Gegenbesuche stattfanden; bei<br />

einer dieser Nordlandfahrten war auch der damals amtierende<br />

Menzinger Pfarrer Emil Müller mit von der Partie und hielt in<br />

der kleinen Kolonistenkirche einen Gottesdienst für Gäste und<br />

Gastgeber ab, vom Menzinger Posaunenchor musikalisch umrahmt.<br />

Fast bei allen Treffen dabei war das Ehepaar GÖTTER<br />

aus Bretten und immer stark vertreten Angehörige der Gochsheimer<br />

JENNER und viele andere interessierte Bürger. Dabei<br />

kamen interessante Details der Familiengeschichte zur Sprache:<br />

Da ist zum einen der Zehnkampf-Olympiasieger und Weltmeister<br />

von Melbourne 1976 BRUCE JENNER, aus einem von Norden<br />

aus nach Amerika ausgewanderter JENNER-Zweig abstammend,<br />

und die DDR-Bürgerrechtlerin und Schriftstellerin Brigitte<br />

Klumpp, eine JENNER-Cousine von Dr. BRACKER. Der „Vater“<br />

dieser Begegnungen Dr. Hans-Heinrich BRACKER (inzwischen<br />

leider ebenfalls verstorben), in seiner aktiven Berufszeit ein<br />

kompetenter Fachmann für den Nordsee-Küstenschutz, stieß in<br />

<strong>Kraichtal</strong> nicht nur auf offene Ohren und Arme, sondern auf aktive<br />

Unterstützer, allen voran HILDE JENNER aus Gochsheim. Seiner<br />

Idee, aus der Erforschung der (JENNER-)Familiengeschichte<br />

Heimat- (und ein Stück deutsche) Geschichte erfahrbar zu machen.<br />

Der JENNER-Nachfahre BRACKER hat im Übrigen einen Fußabdruck<br />

in der Heimat seiner Vorfahren hinterlassen: Verwitwet,<br />

ließ er sich zu seiner Wiederverheiratung im Gochsheimer<br />

Rittersaal trauen (die erste im Gochsheimer Schloss!); Trauzeugen:<br />

Hartmut Jenner und Erika Zimmermann.<br />

P.S. Aus ihrer Kraichgauer Heimat haben die „Kolonisten“<br />

übrigens die Kartoffel mitgebracht und in ihrer neuen Heimat<br />

als Kulturpflanze heimisch gemacht. Die Dänen bezeichnen sie<br />

deshalb heute noch als „Kartoffel-Deutsche!“<br />

Ehrung durch den Heimatverein Schleswigsche-Geest<br />

Eine besondere Ehrung stand im Mittelpunkt des Museumsfestes<br />

im Jahre 2007 in Gochsheim. Christian Winkel vom Heimatverein<br />

Schleswigsche Geest überreichte<br />

Altbürgermeister Berthold Zimmermann<br />

und Hildegard Jenner aus<br />

Gochsheim die silberne Ehrennadel<br />

des Schleswig-Holsteinischen<br />

Heimatbundes. Beide wurden für<br />

ihr Engagement in der Heimatforschung<br />

geehrt, die das Schicksal<br />

zahlreicher ausgewandert <strong>Kraichtal</strong>er<br />

Familien nachzeichnete.<br />

Geschichte von Berthold Zimmermann, Bürgermeister<br />

a.D., Birkenhördt und Reinhold Götter, Bretten<br />

Die Redaktion des Mitteilungsblattes bedankt sich<br />

bei allen Einsendern für ihre Erzählungen.

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