Unser neues Zauberwort? - Orden der Barmherzigen Brüder Bayern
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10 misericordia 4/11 · Thema: Mensch und Umwelt<br />
Vernetztes Denken nach Fre<strong>der</strong>ic Vester<br />
Komplexe Realität<br />
bewältigen<br />
Täglich werden wir mit komplexen dynamischen<br />
Entwicklungen konfrontiert,<br />
die alle Lebensbereiche betreffen und<br />
eng miteinan<strong>der</strong> vernetzt sind. Trotz<br />
Planungs- und Managementaufwandes<br />
gelingt es immer weniger, tragfähige<br />
Lösungen zu entwickeln.<br />
Um Beispiele zu nennen: Energieversorgung<br />
– die scheinbar nützliche Einführung<br />
des Treibstoffes E 10 zeigt Komplexität<br />
mit vielerlei Auswirkungen.<br />
Gesundheitswesen – nach Einführung<br />
<strong>der</strong> Praxisgebühr stellt man fest, dass<br />
sie wenig brachte. Und <strong>der</strong> Finanzbereich<br />
– wie kann man erklären, dass alle<br />
Experten nicht merkten, wie massiv<br />
und schnell das System kippte? Bereich<br />
Bildung – es gelingt kaum, ein Ausbildungssystem<br />
zu installieren, das Jugendliche<br />
zur eigenständigen Bewältigung<br />
ihrer Zukunft befähigt. Zuletzt brauchte<br />
es die dramatischen Auswirkungen <strong>der</strong><br />
Naturkatastrophen in Japan, um zu beweisen,<br />
wie krisenanfällig und hochgefährlich<br />
die Atomkraft ist.<br />
All diese Probleme haben zwei Aspekte<br />
gemeinsam: Zum einen gelingt es Entschei<strong>der</strong>n<br />
und Beteiligten, seien dies Politiker,<br />
Manager, Wissenschaftler o<strong>der</strong><br />
Journalisten und auch einzelne Bürger,<br />
nicht mehr, die Komplexität richtig zu<br />
erfassen und Lösungen zu entwickeln,<br />
die auch mit den sich rasant verän<strong>der</strong>nden<br />
Umweltbedingungen und dem<br />
gesellschaftlichen und technologischen<br />
Wandel zurechtkommen. Dazu kommt<br />
die Fokussierung auf quantitatives<br />
Wachstum, die längerfristige Strategien<br />
und Nachhaltigkeitsüberlegungen<br />
ausschließt.<br />
Komplexe Systeme<br />
Woran liegt das? Darauf kann ein Systemwissenschaftler,<br />
<strong>der</strong> sich mit dem<br />
Funktionieren komplexer Systeme be-<br />
Die Geologin<br />
Gabriele Harrer<br />
arbeitete über<br />
18 Jahre eng an<br />
den Projekten<br />
Fre<strong>der</strong>ic Vesters<br />
mit. Als Leiterin<br />
des „Malik Competence<br />
Center<br />
Vester“ ist sie an<br />
<strong>der</strong> Umsetzung<br />
<strong>der</strong> Arbeiten<br />
Fre<strong>der</strong>ic Vesters<br />
in die Beratungspraxis<br />
tätig;<br />
außerdem hat sie<br />
einen Lehrauftrag an <strong>der</strong> Universität <strong>der</strong><br />
Bundeswehr in München und arbeitet an<br />
<strong>der</strong> Koordination des bundesweiten Wettbewerbs<br />
„ecopolicyade“ mit.<br />
schäftigt, Antwort geben. Komplexe<br />
Systeme unterliegen Gesetzen, die<br />
ähnlich fundamental wirken wie die<br />
Naturgesetze. Und <strong>der</strong> Mensch als Teil<br />
<strong>der</strong> Natur mit den von ihm geschaffenen<br />
komplexen Systemen muss diese Regeln<br />
beachten, „wenn er im Spiel bleiben<br />
will“. Doch wir beschäftigen uns zu<br />
wenig damit, wir sehen nicht die Beziehungen<br />
zwischen den Dingen und wun<strong>der</strong>n<br />
uns, wenn an an<strong>der</strong>er Stelle weitere<br />
Probleme entstehen. Doch wenn man<br />
diese Regeln <strong>der</strong> Natur nicht kennt und<br />
nicht berücksichtigt, wie sich Systeme<br />
verhalten, wird man trotz bester Vorsätze<br />
die falschen Entscheidungen treffen.<br />
Kennt man jedoch die Regeln, nach<br />
denen komplexe Systeme funktionieren<br />
und berücksichtigt die Systemzusammenhänge,<br />
dann weiß man,<br />
welches die wesentlichen Einflussfaktoren<br />
sind, welche Regelkreise im<br />
System wirken und wo die richtigen<br />
Stellhebel sind, um ein System ins<br />
Gleichgewicht, sozusagen zum „nachhaltigen<br />
Funktionieren zu bringen“.<br />
Fre<strong>der</strong>ic Vester<br />
Die Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen<br />
und Zusammenhänge zu verstehen,<br />
wird als Denken in Systemen, als „Vernetztes<br />
Denken“ bezeichnet. Pionier des<br />
Vernetzten Denkens ist <strong>der</strong> Münchner<br />
Biochemiker, Umwelt- und Systemforscher<br />
Fre<strong>der</strong>ic Vester (1925 -2003). Sein<br />
Werk – Bücher, Filme, Ausstellungen,<br />
Software und Computerspiele, Gutachten<br />
und Studien bis hin zu seinem Pla-<br />
Umweltsimulationsspiel „ecopolicy“: Lebensbereiche des Phantasielandes „Kybernetien“<br />
und <strong>der</strong>en Vernetzung und Simulation <strong>der</strong> Entscheidungen.