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D - Gudjons Apotheke

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IMPRESSUM<br />

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Herausgeber: <strong>Gudjons</strong>-<strong>Apotheke</strong>, Wankelstrasse 1, 86391 Stadtbergen<br />

Tel.: +49 821 4441000 • Fax: +49 821 4441001<br />

e-mail: apotheke@gudjons.com • Internet: www.gudjons-apotheke.de<br />

© Gestaltung: Christian Korn, Feuerbachstrasse 6a, 84034 Landshut • www.apanoua.de<br />

Abbildungen: von den Autoren zur Verfügung gestellt und aus Britas Bilderbibliothek<br />

(BBB): www.gudjons-apotheke.de/fotoalbum.htm<br />

Titelseite: Christian Korn (Glücksschwein)<br />

Titelrückseite: Drache: Fa. Utzerat<br />

Vol.12 / Nr. 1– 04/2010


INHALT<br />

Editorial ............................................................................ 2<br />

Zwei berühmte Glücksfälle in der Geschichte der Homöopathie<br />

Wie Constantin Hering zur Homöopathie kam – Brita <strong>Gudjons</strong> .. 3<br />

Wie James Tyler Kent zur Homöopathie kam<br />

Dr. med. Ahmed Currim ....................................................... 4<br />

Das Gift der Angst<br />

Christa Gebhardt und Dr. med. Jürgen Hansel ........................ 6<br />

Auch ein blindes Huhn<br />

Curt Kösters ..................................................................... 12<br />

Kleine Fälle aus der Praxis<br />

Dr. med. Walter Manz ........................................................ 14<br />

Die Polaritätsanalyse – ein schneller und präziser Weg<br />

zum richtigen Arzneimittel<br />

Dr. med. Heiner Frei ........................................................... 17<br />

Ein China Fall<br />

Christine Lauterbach – Heilpraktikerin ..................................... 21<br />

Bothrops lanceolatus<br />

bei intrazerebralem Gefäßverschluß<br />

Dr. med. Klaus Holzapfel ..................................................... 25<br />

Eine Sportverletzung<br />

Raimund Friedrich Kastner – Heilpraktiker ............................... 28<br />

Eine glücklich verlaufene Rosskur<br />

Dr. med. Conrad Frevert und Meike Freitag .............................30<br />

Die Leber wächst nicht immer mit ihren Aufgaben<br />

– Ein Kampf um das Leben eines Patienten –<br />

Dr. med. Jürgen Faust .......................................................... 41<br />

Glücksfälle<br />

Bernhard Bloesy – <strong>Apotheke</strong>r und Heilpraktiker ........................ 44<br />

1


2<br />

D ie<br />

EDITORIAL<br />

Leser dieses Heftes konnten sich in den letzten Ausgaben einen<br />

Überblick darüber verschaffen, wie fehlerhaft unsere Materia Medica<br />

und die Repertorien sind.<br />

Dennoch arbeiten sehr viele Homöopathen täglich<br />

(mehr oder weniger) erfolgreich mit den besagten<br />

Werkzeugen.<br />

Neben diesen nicht perfekten Hilfsmitteln, Materia<br />

Medica und Repertorien, gibt es weitere Fehlermöglichkeiten,<br />

die bei der Suche nach der „richtigen<br />

Arznei“ auftreten können. Jeder, der Patienten homöopathisch<br />

behandelt, weiß das aus eigener Erfahrung:<br />

Man hat nicht die richtigen Symptome des Patienten<br />

erhalten, sich beim Hierarchisieren geirrt, sich<br />

am Ende für die falsche Arznei entschieden, vielleicht<br />

war die Potenz nicht passend. Sie wissen selbst, wie viele Faktoren zusammen<br />

kommen müssen, dass der Patient eine Heilung erlebt.<br />

Es gibt Aussagen, dass ein Therapeut, der zu 50% ein annähernd richtiges<br />

Mittel wählt, schon äußerst erfolgreich arbeitet.<br />

Aber es gibt auch die „Glücksfälle“, wie Jürgen Hansel sie in seinem Buch<br />

gleichen Titels nennt. Dr. Hansel und seine Frau Christa Gebhard beschreiben<br />

13 Heilungen von kranken Menschen rund um die Erde, die so beeindruckend<br />

sind, dass man das Wort HOMÖOPATHIE nie wieder vergessen kann, wenn<br />

man diese Fallgeschichten gelesen hat.<br />

Am Ende des vorigen <strong>Gudjons</strong>-aktuell-Heftes waren bereits einige außerordentlich<br />

gelungene Kasuistiken aufgeführt.<br />

In diesem Heft lesen Sie nur die Rosinenfälle ...<br />

... und Sie wissen selbst, dass es in jedem Kuchen nur ein paar Rosinen gibt.


ZWEI BERÜHMTE GLÜCKSFÄLLE IN DER GESCHICHTE DER HOMÖOPATHIE<br />

D ie<br />

WIE CONSTANTIN HERING ZUR HOMÖOPATHIE KAM<br />

„Wunderwirkung“ einer gut gewählten<br />

Arznei hat der Homöopathie zwei<br />

ihrer größten Meister beschert.<br />

Die erste Geschichte handelt von Constantin<br />

Hering. Sie stammt aus „Herings Medizinischen<br />

Schriften“ in drei<br />

Bänden, herausgegeben<br />

von Dr. med. Klaus-<br />

Henning Gypser, Band I<br />

S. XIII und Band II S.<br />

455. Mit der freundlichen<br />

Genehmigung von<br />

Herrn Dr. Gypser zitiere<br />

ich aus den genannten<br />

Quellen:<br />

“…. 1820 schrieb er<br />

sich an der Uni Leipzig<br />

für Medizin ein.<br />

BRITA GUDJONS<br />

Zu dieser Zeit hatte<br />

die Verfolgung Hahnemanns<br />

durch die Leip-<br />

Constantin Hering<br />

ziger Ärzte und <strong>Apotheke</strong>r<br />

einen weiteren<br />

Höhepunkt erreicht. Hering wurde noch im<br />

selben Jahr Gehilfe des Chirurgen Jakob Heinrich<br />

Robbi (1789-1833). Dieser war von dem<br />

Verleger Baumgärtner gebeten worden, ein<br />

Buch gegen die Homöopathie zu liefern. Robbi<br />

konnte sich jedoch aus Zeitgründen nicht<br />

mit diesem Thema befassen und übertrug die<br />

Angelegenheit Hering. Diese Begebenheit fi el<br />

in das Jahr 1821. Hering machte sich ans Werk<br />

und schrieb unter anderem einen Sketch über<br />

Hahnemann, der jedoch nie aufgeführt wurde,<br />

da alle Schauspieler Leipzigs Patienten Hahnemanns<br />

waren. Im selben Jahr noch las er<br />

Hahnemanns Abhandlung „Versuch über ein<br />

neues Princip zur Auffi ndung der Heilkräfte<br />

der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken<br />

auf die bisherigen“, wonach sich ein Wandel<br />

in seiner ablehnenden Haltung anbahnte. Um<br />

eigene Untersuchungen<br />

vorzunehmen, beschaffte<br />

er sich bei einem befreundeten<br />

<strong>Apotheke</strong>r<br />

China-Tinktur, der ihn<br />

vor einer Beschäftigung<br />

mit der Homöopathie<br />

warnte und ihm alsbald<br />

das Haus verbot. Seine<br />

Kommilitonen wandten<br />

sich von ihm ab und<br />

sein Stipendium verlor<br />

er obendrein.<br />

Eines Tages, ebenfalls<br />

noch im Jahre 1821,<br />

zog Hering sich bei der<br />

Sektion eines exhumierten<br />

Leichnams eine<br />

Verletzung am Zeigefi nger der rechten Hand<br />

zu. Daraufhin erkrankte er so schwer – die<br />

Hand hatte sich entzündet und Fieber war hinzugetreten<br />

–, dass man bereits eine Amputation<br />

in Erwägung zog. Sein Freund Kummer<br />

gab ihm den Rat, Arsenicum album C30 zu<br />

versuchen. „Ungläubig nahm ich die Tropfen<br />

abends, war davon am andern Tag viel besser<br />

und nach einer Woche hergestellt. Auch frei<br />

für immer von Unglauben.<br />

Diese am eigenen Leib erfahrene spektakuläre<br />

Heilung bewirkte vollends seinen<br />

Übertritt in die Homöopathie.”<br />

3


4<br />

J ames<br />

ZWEI BERÜHMTE GLÜCKSFÄLLE IN DER GESCHICHTE DER HOMÖOPATHIE<br />

WIE CONSTANTIN HERING ZUR HOMÖOPATHIE KAM<br />

Band II S. 455<br />

“Ich bekam einmal nach einer Sektion,<br />

wobei eine kleine Schnittwunde<br />

am Zeigefinger aufgestoßen wurde,<br />

ein wunderliche Krankheit. Ein roter<br />

juckender, feiner Rand um die Wunde<br />

breitete sich wie eine Ringfl echte aus,<br />

ging bis zur Spitze des Fingers und bis<br />

auf die Hand, dazwischen starb alles ab,<br />

Tyler Kent kam am 31. März 1849 in<br />

Woodhull N.Y. als Sohn von Stephen Kent<br />

und Caroline Tyler zur Welt. Er ging in der<br />

Franklin Academy in Prattsburg zur Schule<br />

und studierte an der Madison Universität<br />

(heute Colgate Universität) in Hamilton, N.Y.,<br />

wo er 1868 seinen Doktorgrad bekam und<br />

1870 den Artium Magister [einen weiteren Titel].<br />

Medizin lernte er 1871 am Eclectic Medical<br />

Institute in Cincinnati, Ohio und viele<br />

Jahre später erhielt er 1889 das Medizindiplom<br />

vom Homeopathic Medical College of<br />

Missouri in St. Louis.<br />

Um 1878 erkrankte Lucy, seine zweite<br />

Frau, an Schlafl osigkeit, nervöser Schwäche<br />

und Anämie. (Ellen, seine erste Frau, starb<br />

mit 19 Jahren kurz nach einer Fehlgeburt.)<br />

Weder die normalen Ärzte, noch die Eklektiker,<br />

noch Kent selbst waren in der Lage, Lucy<br />

(Frau Kent) zu helfen. Ihre Gesundheit war<br />

weiterhin schlecht und ihre Schlafl osigkeit<br />

besserte sich nicht. Jedoch überredete Frau<br />

der Finger war weiß, bleich, wie todt<br />

dabei schleichendes Fieber. Man wollte<br />

schon amputieren. Da nahm ich nach<br />

dem Rate eines Freundes, Arsenik X. Ungläubig<br />

nahm ich den Tropfen Abends,<br />

war davon den andern Tag viel besser,<br />

und nach einer Woche hergestellt. Auch<br />

frei für immer vom Unglauben. Das<br />

war vor zwölf Jahren.”<br />

Die zweite Geschichte berichtet von James Tyler Kent, sie wurde von Dr. med. Ahmed Currim geliefert.<br />

WIE JAMES TYLER KENT ZUR HOMÖOPATHIE KAM<br />

DR. MED. AHMED CURRIM – ÜBERSETZUNG: PETER VINT<br />

Kent ihren Mann, ihr zu erlauben, Homöopathie<br />

auszuprobieren. Nachdem sie beharrlich<br />

darauf bestand, bat Kent Dr. Richard Phelan<br />

um eine Untersuchung, um zu versuchen, seiner<br />

Frau zu helfen, verlangte aber, dabei anwesend<br />

zu sein. Dies lag daran, dass Kent eine<br />

derart schlechte Meinung von der Homöopathie<br />

hatte, dass er wissen wollte, wie diese Homöopathen<br />

ihre Fallaufnahme durchführten.<br />

Dr. Phelan kam zu Kent ins Haus, um den<br />

Fall von Frau Kent aufzunehmen, während<br />

ihr Mann da saß und genau beobachtete, was<br />

Dr. Phelan tat und seine Patientin fragte. Für<br />

besonders unangebracht hielt Kent die Fragen<br />

nach den Magenbeschwerden und dem<br />

Verlangen bzw. den Abneigungen in Bezug auf<br />

Speisen (besonders, da keine Beschwerden<br />

vorhanden waren, die den Magen-Darm-Trakt<br />

betrafen). Gleichermaßen belustigten ihn die<br />

Fragen in Bezug auf das Wetter, Zeiten der Verschlimmerung<br />

usw.


ZWEI BERÜHMTE GLÜCKSFÄLLE IN DER GESCHICHTE DER HOMÖOPATHIE<br />

WIE JAMES TYLER KENT ZUR HOMÖOPATHIE KAM<br />

Am Ende der Untersuchung bat Dr. Phelan<br />

um ein Glas Wasser, in das er drei oder<br />

vier kleine weiße Kügelchen gab und aufl öste,<br />

wonach er Frau Kent einen Schluck des<br />

Wassers (das Medikament) zu trinken gab. In<br />

diesem Moment verlor Kent seine Geduld und<br />

führte Dr. Phelan grob zur Tür und forderte<br />

ihn auf, gefälligst zu<br />

gehen. Trotzdem hatte<br />

Kent zugestimmt, Lucy<br />

wie angewiesen zwei<br />

oder drei Stunden später<br />

eine zweite Gabe zu<br />

verabreichen und ging<br />

wieder in sein Arbeitszimmer<br />

zurück. Für<br />

geraume Zeit vergaß er,<br />

danach noch einmal ins<br />

Schlafzimmer seiner<br />

Frau zu gehen. Stellen<br />

sie sich die äußerst angenehme<br />

Überraschung<br />

vor, als er nach seiner<br />

Frau schaute und sie<br />

friedlich schlafend vorfand,<br />

das erste Mal seit<br />

Monaten. Dies überraschte Kent ganz und gar,<br />

da er die Besserung des Allgemeinzustands<br />

seiner Frau einfach nicht fassen konnte. Er<br />

entschied, er müsse gehen und herausfi nden,<br />

was Dr. Phelan gemacht hatte. So suchte er<br />

demütig Dr. Phelan auf, um herauszufi nden,<br />

was dieser getan hatte, entschuldigte sich und<br />

fragte, wie dieser zu einem solchen Ergebnis<br />

gekommen sein, und wie so wenig Medikament<br />

eine solch tiefgreifende Veränderung<br />

der Gesundheit seiner Frau bewirken könne.<br />

Man sagt, Dr. Phelan<br />

habe Kent ein Exemplar<br />

des Organon gegeben<br />

(wahrscheinlich die<br />

4te Aufl age). Kent fi ng<br />

an, dieses tiefschürfende<br />

Buch ernsthaft<br />

zu studieren. Er tippte<br />

das ganze Buch sogar<br />

ab und besorgte sich<br />

Bücher über die Arzneimittellehre,studierte<br />

viele Arzneimittel und<br />

fi ng an, diese mit Erfolg<br />

in seiner Praxis einzusetzen.<br />

James Tyler Kent<br />

Dies ist in Kürze,<br />

wie Kent zur Homöopathie<br />

kam, dank der Weisheit seiner Frau Lucy,<br />

die ihren Mann überredete, einen Homöopathen<br />

zu rufen, um ihr zu helfen.<br />

Dr. med Ahmed N. Currim<br />

ancurrim@homeopathydoctor.com<br />

5


6<br />

D ie<br />

DAS GIFT DER ANGST<br />

CHRISTA GEBHARDT UND DR. MED. JÜRGEN HANSEL<br />

Darstellung eines kindlichen<br />

Angstsyndroms stammt aus dem<br />

gerade im Goldmann Verlag erschienenen<br />

Band „Glücksfälle? – Erstaunliche Heilungsgeschichten<br />

mit Homöopathie“. In diesem<br />

homöopathischen Lesebuch<br />

zeichnen die<br />

Journalistin Christa<br />

Gebhardt und der<br />

Homöopath Dr. med.<br />

Jürgen Hansel dreizehn<br />

Porträts schwerkranker<br />

Menschen<br />

aus Europa und Indien<br />

und schildern<br />

den Weg ihrer Heilung.<br />

An den literarisch<br />

erzählten und fachlich<br />

kommentierten<br />

Lebensgeschichten<br />

haben renommierte<br />

Homöopathen wie<br />

Jan Scholten, Rajan<br />

Sankaran, Jayesh Shah<br />

und Annette Sneevliet<br />

mitgewirkt.<br />

A dam<br />

hat Angst. Wenn er nicht dagegen<br />

ankämpft, dass ihm die Augen zufallen<br />

und er einschläft, wird Mama ihn auch<br />

noch verlassen, ohne dass er es bemerkt. Deshalb<br />

muss er immer wieder nach ihr rufen.<br />

Und sie muss antworten. Dann hört er ihre<br />

Stimme und er weiß, sie ist noch da. Noch!<br />

Aber im nächsten Augenblick könnte sie fort<br />

sein. Aber ist das wirklich Klara, seine Mama,<br />

die mit ihm spricht? Sein Herz tut weh. Er hat<br />

sich einen Gürtel um die Brust gebunden, so<br />

fest, dass es ihn einschnürt. Er braucht das<br />

Band um seinen Körper, weil er fürchtet, sein<br />

Herz könnte vor Schmerz zerspringen.<br />

Vor sechs Jahren, als Adam sich ankündigte,<br />

war seine Mutter keineswegs sicher, ob das<br />

der richtige Zeitpunkt<br />

für ein Kind sei. Klaras<br />

neue Liebe dauerte<br />

gerade mal ein paar<br />

Monate und ihr Freund<br />

Ben stand am Beginn<br />

eines neuen Studiums.<br />

Ihr unterbezahlter Job<br />

als freie Architektin<br />

würde die Familie<br />

nicht ernähren. Klara<br />

entschied sich trotzdem<br />

für ihr Baby und<br />

als Adam auf die Welt<br />

kam, löste sich alles<br />

wie von selbst. Sie erhielt<br />

nach kurzer Zeit<br />

eine Festanstellung<br />

und ihr Freund ein<br />

Stipendium. Zudem<br />

erwies sich der lebenslustige Ben als liebevoller<br />

Vater. Er kümmerte sich um seinen kleinen<br />

Sohn, wenn Klara ins Büro ging. Ein Jahr<br />

später wurde Adams Schwesterchen geboren.<br />

Klara war glücklich. Drei Jahre lang. Dann<br />

kam der große Schock. Von einem Tag auf<br />

den anderen und ohne jede Vorwarnung zog<br />

Ben zu einer anderen Frau.<br />

Adam war fassungslos. Der Papa, an dem<br />

er so sehr hing, hatte jetzt nicht mehr die<br />

Mama lieb, sondern irgendeine Andere. Deshalb<br />

war er auf einmal weg. Adam vermisste


ihn so sehr. Doch nach zwei Jahren hatte er<br />

gelernt, dass Papa zwar nicht mehr mit Mama<br />

leben wollte, aber dass er in der Nähe war und<br />

er ihn regelmäßig sehen konnte. Klara hatte<br />

inzwischen in dem verlässlichen Jonas einen<br />

Mann gefunden, auf den sie eine ganze Stadt<br />

hätte bauen können. Die heitere Ruhe und Sicherheit,<br />

die er ihr gab, empfand auch Adam.<br />

Er mochte ihn von Anfang an. Als sich nun<br />

alles etwas beruhigt hatte, verkündete Ben<br />

auf einmal, dass er einen Job in Argentinien<br />

angenommen hatte.<br />

Für Adam brach eine Welt zusammen. Es<br />

war kurz vor seinem sechsten Geburtstag und<br />

in seinem klugen Köpfchen hatte er schnell<br />

ausgerechnet, was das bedeutete. Wie viele<br />

Kilometer würden zwischen ihm und Papa<br />

liegen, wie lange dauerte ein Flug, wie oft<br />

würde Klara sich die Tickets leisten können,<br />

wann durfte man wie lange in der Schule fehlen,<br />

wie viele Urlaubstage würde Ben haben?<br />

Wie immer musste er es ganz genau wissen.<br />

Die Antworten machten ihm klar: Sein Vater<br />

würde auf keinen Fall mal eben zu seinem<br />

Geburtstag oder zur Feier seines ersten Schultags<br />

kommen. Papa hatte immer gesagt, dass<br />

die Trennung von Mama nichts mit ihm zu tun<br />

habe, dass er seinen einzigen Sohn über alles<br />

in der Welt liebe. Er würde ihn niemals im<br />

Stich lassen, sondern immer und ewig für ihn<br />

da sein. Auch wenn es Katzen regnete. Aber<br />

das war alles gelogen. Ben hatte ihn verlassen!<br />

Adam war verzweifelt. Dennoch riss er<br />

sich zusammen. Schließlich war er ja fast<br />

schon ein Schuljunge und wollte tapfer sein.<br />

Keiner sollte ihm anmerken, wie sehr er Papa<br />

vermisste. So zog er sich zurück. Wenn die<br />

anderen Jungen draußen spielten, interes-<br />

DAS GIFT DER ANGST<br />

sierte ihn das nicht. Nicht einmal Paul, seinen<br />

Freund, wollte er besuchen. Er wollte niemanden<br />

mehr sehen. Adam wich nicht mehr von<br />

Klaras Seite. Er ging in kein anderes Zimmer,<br />

wenn ihn seine Mutter nicht begleitete.<br />

Abends, wenn er im Bett lag, durften Klara<br />

und Jonas sich nicht aus Hörweite entfernen.<br />

Adam rief alle paar Minuten nach ihnen.<br />

Er verbot sich selbst einzuschlafen und<br />

hielt sich bis zu drei Stunden wach, während<br />

Klara und Jonas an seinem Bett standen. Sie<br />

versicherten ihm mit allen großen Ehrenwörtern,<br />

dass sie nicht weggehen würden, und es<br />

keinen Grund für seine Angst gäbe. Ständig<br />

demonstrierten sie ihre Nähe, saßen an seiner<br />

Seite, standen nachts auf, trösteten ihn<br />

unaufhörlich und geduldig. Und trotzdem: Er<br />

bestand nur noch aus Angst. Es genügte Adam<br />

schließlich nicht einmal mehr, in ihrem Bett<br />

zu schlafen. Er band ein Seil um Klaras Fuß<br />

und klammerte seine Hand um das andere<br />

Ende. Und dabei hielt er seine großen blauen<br />

Augen offen und riss sie mit den Fingern<br />

wieder auf, wenn sie vor Müdigkeit zufi elen.<br />

Ich darf nicht schlafen. Ich darf nicht, auf keinen<br />

Fall. Er saß aufrecht im Bett und schrie:<br />

„Angst, Angst, Angst!“ Klara versuchte es mit<br />

Zärtlichkeit, Geschichten, appellierte an seinen<br />

Verstand. Aber Adams Einwand auf alle<br />

Tröstungen und Erklärungen war: „Wenn ich<br />

die Augen zumache, geht ihr auch weg.“<br />

Kein Argument half dagegen, für jedes hatte<br />

er ein Gegenargument. Auch dass abends<br />

alle Türen offen standen und er Klara und<br />

Jonas wenige Schritte weiter sprechen hören<br />

konnte, ließ er nicht gelten. „Ja, ja,“ antwortete<br />

er dann mit einem wissenden Unterton in<br />

seiner Stimme, „ihr stellt da nur ein Tonband<br />

7


8<br />

mit euren Stimmen hin und schleicht euch<br />

dann heimlich davon.“ Manchmal zweifelte<br />

er sogar, ob Klara und Jonas noch wirklich<br />

sie selbst seien. Fremde könnten sich doch<br />

verkleidet haben als Klara und Jonas. Und<br />

die echten waren längst über alle Berge. Sein<br />

Misstrauen war abgrundtief.<br />

Zudem vermutete er überall Gift. Schon<br />

bevor sein Vater ihn verlassen hatte, war er<br />

vorsichtig gewesen mit Substanzen, die ihm<br />

merkwürdig vorkamen oder fremd rochen:<br />

Harz von den Bäumen, Fingerfarben, selbstklebendes<br />

Buntpapier. Wenn er mit so etwas<br />

in Kontakt kam, wusch sich Adam schon<br />

immer sorgfältig die Hände. Jetzt aber entwickelte<br />

er eine richtige Paranoia. Hatte er<br />

irgendwelche fremden Sachen angefasst und<br />

dann aus Versehen die Hände in den Mund<br />

gesteckt, brach er in Panik aus. Die Augen<br />

weit offen vor Entsetzen weinte er und schrie,<br />

ob man daran sterben könne. Ständig war er<br />

damit beschäftigt, sich die Hände zu waschen.<br />

Um sein Selbstvertrauen stand es nicht<br />

besser. Der Schlafmangel machte ihn fahrig<br />

und unkonzentriert. Und irgendwann ging<br />

dann alles schief. Wenn er versuchte, Pfeile zu<br />

schnitzen, wie es ihm der Papa gezeigt hatte,<br />

schnitt er sich in die Finger und wenn er ein<br />

Legohaus bauen wollte, fi el es auseinander. Er<br />

stolperte von einer Katastrophe in die andere.<br />

Alles, was er anfi ng, missriet. Und er wunderte<br />

sich nicht einmal darüber. Ihm war völlig<br />

klar: „Ich bin der Allerblödeste.“ Für Adam<br />

passte alles zusammen. „Mein Papa hat mich<br />

verlassen, weil ich so blöd bin.“ Das war die<br />

Erklärung, nach der er gesucht hatte und die<br />

für ihn logisch war. Nur er ganz allein konnte<br />

schuld daran sein, dass sein Vater weg gegan-<br />

DAS GIFT DER ANGST<br />

gen war. Jeden Abend wiederholte er diese<br />

drei Punkte bis zur totalen Erschöpfung: Ich<br />

habe Angst, Du gehst weg. Ich bin Schuld, dass<br />

Papa fort ist. Ich bin der Allerblödeste.<br />

Nach einigen Wochen sah Adam blass und<br />

durchsichtig aus wie ein Gespenst und Klara<br />

war am Ende ihrer Kräfte. Mit einem Beruhigungsmittel<br />

erkauften sie sich einige Nächte<br />

Erholung. Doch das war keine Lösung für die<br />

Angst. Jonas kannte einen homöopathischen<br />

Arzt, der ihm vor einiger Zeit sehr geholfen<br />

hatte. Eine chronische Magenschleimhautentzündung<br />

war nach der einmaligen Einnahme<br />

von 5 Kügelchen einfach verschwunden. Für<br />

Jonas, von Beruf Physiker, war das reine Hexerei<br />

und damit genau das, was Adam jetzt<br />

dringend brauchte. Klara erzählte dem Homöopathen<br />

die ganze Geschichte und als sie<br />

ihm das Foto zeigte, auf dem ein schmaler<br />

blasser Adam zu sehen war, mit tiefen dunklen<br />

Ringen um die Augen und mit dem Gürtel<br />

um seine Brust, damit sein Herz nicht zerspränge,<br />

kämpfte sie mit den Tränen.<br />

Auch die erste Trennung von Ben sei ein<br />

Trauma gewesen, erklärte Klara, denn es hatte<br />

überhaupt keine Anzeichen dafür gegeben,<br />

dass er seine Familie verlassen würde. Aber<br />

in dieser Zeit entwickelte Adam keine vergleichbaren<br />

Panikattacken. Zwar litt er auch<br />

damals ganz schrecklich, doch er hatte keine<br />

Angst. Nun hatte er jedes Vertrauen in die Welt<br />

verloren. Sie kann das Muster ihres Sohnes<br />

in den Beziehungen zu anderen sehr genau<br />

beschreiben: „ Adam redet. Er will Argumente<br />

haben. Er will die Dinge verstehen und das<br />

mit Papa ging nicht in seinen Kopf. Zumal Ben<br />

so ein enges Verhältnis zu ihm hatte.“


Adam stelle sehr hohe Ansprüche an sich<br />

selbst, die nicht so leicht zu erfüllen seien,<br />

sagte Klara. Hohe Erwartungen richtete Adam<br />

aber auch an andere. Es war für ihn ungemein<br />

wichtig, dass alle die Regeln befolgen. Wenn<br />

jemand im Spiel foulte oder sich nicht an das<br />

hielt, was ausgemacht war, dann verstand er<br />

keinen Spaß. Genauso, wenn ihn jemand anschwindelte.<br />

Das war für ihn ein Grund, die<br />

Freundschaft zu kündigen. Dieses Muster ließ<br />

sich auf vieles übertragen: Auch auf Papa.<br />

Nun war Adams gesamtes Regelwerk zusammengebrochen<br />

und er litt. Er setzte seine<br />

ganze Hoffnung auf die homöopathischen<br />

Kügelchen. Klara verstärkte seine positiven<br />

Erwartungen mit dem Versprechen, es sei<br />

eine Zaubermedizin. In einem feierlichen<br />

Ritual legte sie ihrem Sohn drei Globuli auf<br />

die Zunge, gab ihm einen Gutenachtkuss und<br />

hoffte auf ein Wunder. Doch zehn Minuten<br />

später war sie wieder auf dem Boden der Tatsachen.<br />

Adam saß laut heulend in seinem Bett<br />

und schrie voller Wut: „Sag dem Doktor, seine<br />

Zauberpillen sind Schrott! Ich habe Angst,<br />

Angst, Angst!“ Die folgenden Nächte verliefen<br />

in gewohnter Weise, das Wunder blieb aus.<br />

An Adams neurotischem Verhalten änderte<br />

sich nichts. Abends der gewohnte Kampf,<br />

nicht einzuschlafen, am Tage die Panik, wenn<br />

er Mama aus den Augen verlor. In einigen Monaten<br />

sollte Adam eingeschult werden. Unvorstellbar<br />

in dieser Situation. Noch einmal wollte<br />

Klara es mit der Homöopathie versuchen.<br />

Ihr Arzt wählte eine neue Arznei aus, der ersten<br />

nahe verwandt. Klara verabreichte sie mit<br />

schon deutlich weniger Euphorie und auch<br />

Adam setzte keine großen Hoffnungen mehr<br />

in die angeblichen Zauberkügelchen zum<br />

DAS GIFT DER ANGST<br />

Zweiten. Doch nach ein paar Minuten war er<br />

eingeschlafen, ohne irgendwelche Probleme,<br />

gleich nach der ersten Gabe. Adam schlief<br />

fortan so selig, als ob nie etwas gewesen wäre.<br />

Der Spuk war vorbei, so schnell, wie er vorher<br />

gekommen war.<br />

Auch der Waschzwang ist komplett weg.<br />

Die Sorge, sich mit etwas zu vergiften, bewegt<br />

ihn ab und zu, aber nicht besonders ernsthaft.<br />

Auf die Frage, was aus seiner Angst geworden<br />

sei, antwortet er seinem Arzt: „Die<br />

habe ich in eine Kiste gesteckt“. Und was war<br />

das mit den Stimmen auf dem Tonband und<br />

irgendwelchen fremden Leuten, die sich als<br />

Mama und Jonas verkleiden, während die<br />

Echten sich fortgemacht haben? „Blöde Frage,<br />

das weiß ich doch, dass die nicht weggehen“,<br />

sagte er mit jenem Unterton in der Stimme,<br />

der keinen Zweifel daran lässt, dass er genau<br />

Bescheid weiß.<br />

Kommentar<br />

Die Kritiker der Homöopathie erklären die<br />

Erfolge dieser Heilmethode gerne mit dem<br />

Placebo-Effekt, also einer Wirkung, die nicht<br />

von der Arznei ausgeht, sondern von der Persönlichkeit<br />

und der besonderen Zuwendung<br />

des Arztes vermittelt und vom Vertrauen der<br />

Patienten und ihrem Glauben an die Heilkraft<br />

der Arznei verstärkt wird. Dieser mit dem<br />

Thema der Spontanheilung eng verknüpfte<br />

Effekt hat nach wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

einen mehr oder minder großen Anteil<br />

an der Wirkung jeder Form von Medizin. Bei<br />

der Homöopathie allerdings soll er – nach<br />

Ansicht ihrer Kritiker – allein für die positive<br />

Wirkung verantwortlich sein.<br />

Im Falle Adams waren die Voraussetzungen<br />

für das magische Placebo-Phänomen<br />

9


10<br />

optimal. Die Homöopathie hatte sich in der<br />

Familie bereits als außerordentlich wirksame<br />

Heilmethode erwiesen. Adam wusste das<br />

und setzte deshalb großes Vertrauen in die<br />

Zauberkügelchen. Doch weder der Glaube<br />

noch das Ritual der Einnahme verhalfen der<br />

homöopathischen Arznei zum gewünschten<br />

Erfolg. Adam machte aus seiner Enttäuschung<br />

keinen Hehl. Nichts als Schrott waren sie mehr<br />

für ihn, diese angeblichen Wunderpillen.<br />

Das war die Ausgangsposition für den<br />

zweiten Anlauf der Homöopathie. Die Kügelchen<br />

waren nun gründlich entzaubert, der<br />

ohnehin misstrauische Adam konnte ihnen<br />

kaum mehr vertrauen. Man muss in so einer<br />

Situation wohl von einem negativen Placebo-<br />

Effekt ausgehen, bei dem die Wirkung der<br />

Arznei durch die Einstellung und Erwartung<br />

des Patienten nicht verstärkt, sondern eher<br />

behindert wird. Entsprechend groß war die<br />

Überraschung, als Adam einige Minuten nach<br />

Einnahme der zweiten Arznei einschlief. Es<br />

war so, als hätte man einen Knopf gedrückt<br />

und die Angst einfach abgeschaltet. Von einem<br />

Tag auf den anderen schlief Adam wieder<br />

völlig normal. Obwohl sich an der äußeren<br />

Situation nichts geändert hatte.<br />

Die zweite Arznei, die diese prompte Heilung<br />

bewirkte, ist der ersten – wirkungslosen<br />

– chemisch nahe verwandt. In beiden Fallen<br />

handelt es sich um Arsensalze. Die hohe Intensität<br />

der Angst und das große Misstrauen<br />

mit der auffällige Furcht vor Vergiftung bei<br />

einem peniblen, stark an Regeln orientierten<br />

Kind verweisen direkt auf das homöopathische<br />

Arsen. Zu diesem Arsenicum album<br />

gehört eine ganze Familie homöopathischer<br />

Arzneien, die sich auch chemisch nahe stehen,<br />

DAS GIFT DER ANGST<br />

die Salze der Arsensäure. Allen gemeinsam ist<br />

die für den Arsenanteil typische Symptomatik<br />

von Angst und Paranoia. Der jeweilige Partner<br />

in der chemischen Verbindung erweitert das<br />

Arzneimittelbild um zusätzliche eigene Charakteristika.<br />

Als erstes Mittel erhielt Adam Kalziumarsenat,<br />

das Kalziumsalz der Arsensäure. Der<br />

Kalkanteil steht für die Themen Sicherheit<br />

und Geborgenheit, die sich in dem Salz mit<br />

den Kernbegriffen von Arsen – Misstrauen<br />

und Angst – verbinden. Daraus entsteht als<br />

Idee der Arznei: Unsicherheit und qualvolle<br />

Angst, weil man den Menschen, von denen die<br />

eigene Sicherheit und Geborgenheit abhängt,<br />

nicht mehr vertrauen kann. Dieses Bild von<br />

Kalziumarsenat scheint den Kern von Adams<br />

Problem zu repräsentieren. Und dennoch hat<br />

das Mittel nicht geholfen. Warum ?<br />

Der ersten Verordnung lag ein Denkfehler<br />

zu Grunde. Es ging Adam weniger um ein<br />

sicheres und geborgenes Zuhause (wie bei<br />

den Kalziumsalzen) als um die Angst, von<br />

seiner primären Bezugsperson hintergangen<br />

und verlassen zu werden, eine Angst, die auf<br />

schmerzlicher Erfahrung beruhte. Unter diesem<br />

Aspekt wurde als zweite Arznei Natriumarsenit<br />

verordnet. Der Natriumanteil in einer<br />

Verbindung steht generell für eine Störung in<br />

der Beziehung zu geliebten Menschen, meist<br />

ausgelöst durch einen Verlust oder eine große<br />

Enttäuschung. Natriumarsenit trifft damit<br />

Adams Grundproblem noch genauer als das<br />

Kalziumarsenat. Darüber hinaus bietet das<br />

homöopathische Repertorium weitere Symptome<br />

für dieses Salz, die auffällig mit Adams<br />

Gemütszustand übereinstimmen. So fi nden<br />

wir das Gefühl, „wertlos zu sein“, analog


zu Adams Überzeugung: „Ich bin der Allerblödeste“.<br />

Oder das Symptom „Tadelt sich<br />

selbst, macht sich Vorwürfe“, das man 1:1 auf<br />

Adams Schuldgefühle übertragen kann. Auch<br />

die Furcht abends im Bett ist typisch für das<br />

homöopathische Arzneimittelbild von Natriumarsenit.<br />

Diese Arznei spiegelt also wesentliche<br />

Charakteristika des ungewöhnlichen<br />

Zustands, in den Adam nach der zweiten Trennung<br />

von seinem Vater geriet, und sie enthält<br />

damit die entscheidende Botschaft, die der<br />

Organismus benötigt, um sein Gleichgewicht<br />

wieder herzustellen.<br />

Im homöopathischen Arzneimittelbild<br />

von Kalziumarsenat fehlt dagegen die Beziehung<br />

zur Thematik von Minderwertigkeit und<br />

Schuld, die bei Adam so deutlich zu erkennen<br />

war. Diese Arznei deckte das Krankheitsbild<br />

DAS GIFT DER ANGST<br />

also nicht genügend ab, um eine ganzheitliche<br />

Wirkung nach dem Ähnlichkeitsprinzip<br />

zu erzielen. Auch die Idealbedingungen für<br />

einen Placebo-Effekt konnten diesen Mangel<br />

nicht ausgleichen. Das entspricht der täglichen<br />

Erfahrung in der homöopathischen<br />

Praxis. Denn keineswegs immer führt gleich<br />

das erste Mittel zum Erfolg. Adams ganz unterschiedliche<br />

Reaktion auf die erste und auf<br />

die zweite Arznei ist dabei nicht nur für die<br />

Placebo-Diskussion von Interesse. Sie zeigt<br />

auch, wie präzise der homöopathische Arzneireiz<br />

gesetzt werden muss.<br />

Aus: Gebhardt, Christa / Hansel, Jürgen:<br />

Glücksfälle? – Erstaunliche Heilungsgeschichten<br />

mit Homöopathie“, Goldmann<br />

Verlag, München 2006, 290 S., ISBN 3-442-<br />

33755-0, € 18,00<br />

Dr. med. Jürgen Hansel<br />

und Christa Gebhard<br />

Harthauserstr. 127<br />

81545 München.<br />

11


12<br />

V on<br />

Brita <strong>Gudjons</strong> kam die Frage, ob ich<br />

zu einer Nummer von <strong>Gudjons</strong> aktuell<br />

etwas zum Thema „Glücksfälle in der Homöopathie“<br />

beisteuern könne.<br />

Meine zugegeben etwas mürrische erste<br />

Antwort war: „Ich habe keine Glücksfälle. Ich<br />

muss immer hart arbeiten, und selbst dann<br />

funktioniert es ja<br />

nicht immer.“<br />

Aber nun fällt<br />

mir doch noch –<br />

passend zum Thema<br />

– ein Fall ein:<br />

Im Juli 1992<br />

w u r d e m e i n e<br />

3-jährige Tochter<br />

ziemlich plötzlich<br />

schwer k r a n k .<br />

Bereits am Abend<br />

zuvor war sie auffällig<br />

früh plötzlich<br />

eingeschlafen. An<br />

diesem Tag nun ist<br />

sie matt und eher<br />

passiv. Nachmittags<br />

klagt sie nach dem<br />

Genuss von Eis plötzlich über Kälte, will auf<br />

den Schoß der Mutter und erbricht dann im<br />

Schwall. Im weiteren Verlauf schläft sie häufi g,<br />

in wachen Phasen ist sie überwiegend lethargisch,<br />

wie ein nasser Sack auf dem Schoß der<br />

Mutter. Nach kurzer Aufmerksamkeit ist sie<br />

rasch erschöpft. Sie erbricht dann noch mehrmals<br />

nach jeder Nahrungsaufnahme, wobei<br />

sie stets wieder nach Essen verlangt. Die Diätrestriktionen<br />

der Mutter akzeptiert sie aber<br />

dann bereitwillig, nachdem sie ihr erklärt<br />

wurden. Bei diesem sonst eher frechen und<br />

AUCH EIN BLINDES HUHN ...<br />

CURT KÖSTERS<br />

Helleborus niger<br />

schwierigen Kind, das sich mit gegebenen Tatsachen<br />

ausgesprochen schwer abfi ndet, fällt<br />

dies stark auf. Sie ist ausgesprochen „vernünftig“<br />

und verlangt dann von sich aus nur noch<br />

nach Zwieback.<br />

Vor dem Erbrechen klagt sie jeweils<br />

über einen schlechten Geschmack im Mund.<br />

Teilweise treten<br />

vor dem Erbrechen<br />

auch kurze<br />

Hustenanfälle<br />

auf. Im Schlaf fallen<br />

schmatzende<br />

Mundbewegungen<br />

auf. Die Temperatur<br />

ist 38,6°C. Die<br />

Zunge ist nicht belegt.<br />

Nackensteifi gkeit<br />

ist nicht nachweisbar.<br />

Der Gang<br />

wirkt unbeholfen,<br />

tapsig. Appetit und<br />

Durst sind normal.<br />

Der Zustand<br />

war mir etwas<br />

unklar. Sie wirkte<br />

sehr krank; ich wusste aber nicht so recht,<br />

was sie eigentlich hatte. Auch das zu verabreichende<br />

Mittel drängte sich nicht auf Anhieb<br />

auf. Meine eigene Erfahrung war noch eher<br />

bescheiden, ich hatte mich im Jahr zuvor erst<br />

niedergelassen.<br />

Die gewählten Rubriken waren: Erbrechen<br />

nach Eis / Appetit nach Erbrechen / Erbrechen<br />

nach Essen / Gleichgültigkeit bei Fieber<br />

/ Schläfrig bei Hitze / Kauen im Schlaf / Gang<br />

ungeschickt.


Und erst als ich mich nach längerem Blättern<br />

in Repertorium und Materia Medica für<br />

die Verabreichung von Helleborus entschieden<br />

hatte, fi el mir auf, dass dieses Mittel doch<br />

eigentlich etwas typischer für zerebrales Erbrechen<br />

ist, als für gastrointestinal bedingtes.<br />

Und dann wiederum fi el mir ein, dass sie eine<br />

Woche zuvor in Süddeutschland von einer<br />

Zecke befallen war, mitten in dem typischen<br />

FSME-Gebiet.<br />

Es drängte sich also der Verdacht einer<br />

Meningoenzephalitis auf. Die schmatzenden<br />

Mundbewegungen ließen sich als orale Automatismen<br />

deuten, und der unverminderte<br />

Appetit passte ebenfalls dazu.<br />

Auf dem Umweg über die Mittelwahl kam<br />

also doch noch eine Verdachtsdiagnose<br />

zustande. Die Sorge über den Zustand und<br />

weiteren Verlauf war damit allerdings nicht<br />

geringer geworden.<br />

Nach Gabe von Helleborus niger C 200<br />

wird das Kind dann innerhalb einer halben<br />

Stunde zunehmend munterer, verlangt<br />

schließlich nach einem Pfi rsich, erhält die<br />

Hälfte, verlangt anschließend die andere<br />

AUCH EIN BLINDES HUHN ...<br />

Hälfte. Auf den Hinweis, diese sei für Ihren<br />

Bruder bestimmt, kommt energisch „Will ich<br />

aber“. Mit dem für dieses Kind ausgesprochen<br />

typischen Satz ist der anstrengende Normalzustand<br />

sichtlich wieder eingekehrt. Sie isst und<br />

spielt, es zeigen sich keine weiteren Auffälligkeiten.<br />

Eine Untersuchung des FSME-Titers<br />

fi ndet nicht mehr statt.<br />

Man sieht häufi ger bei akuten Erkrankungen,<br />

dass sich das Allgemeinbefi nden und die<br />

Stimmung innerhalb von Minuten ändern,<br />

und ich bin immer wieder fasziniert, das zu<br />

beobachten.<br />

Jeder, der das einmal beobachten konnte,<br />

hat ein Erlebnis von Evidenz und wird<br />

für diesen Effekt eine Placebo-Wirkung ausschließen.<br />

Warum nur lässt sich das so schwer<br />

in Studien umsetzen? Erst recht wird das ja<br />

offensichtlich, wenn zuvor mehrere Mittel vergeblich<br />

bzw. mit Teileffekten verabreicht wurden<br />

(was ja durchaus vorkommt), und dann<br />

ein weiteres Mittel schlagartig eine Wende<br />

bringt. Es fehlt das richtige Studienkonzept<br />

oder die richtige Wissenschaftstheorie dafür.<br />

Curt Kösters<br />

Eggerstedtstraße 56<br />

22765 Hamburg<br />

(Altona-Nord)<br />

13


14<br />

Fall 1: Frau T.<br />

50-jährige Patientin kommt wegen Burn-out<br />

und Depressionen, manchmal Tinnitus und<br />

ständiger Unzufriedenheit zur Behandlung.<br />

Sie könne Kritik nicht vertragen, sie suche<br />

nach negativen Dingen. Wenn sie ihrem Sohn<br />

zwei Hemden zur Auswahl gebe und er sich<br />

eines aussuche, sage sie sofort: das andere<br />

gefällt dir wohl nicht! Seit 30 Jahren habe sie<br />

Heuschnupfen auf Frühblüher, seit 20 Jahren<br />

habe sie restless legs besonders im Liegen,<br />

was sie am Einschlafen hindere, aber auch<br />

im Theater könne sie nicht ruhig sitzen. Restex<br />

® helfe nur nachts ein wenig, sie mache viel<br />

Sport, um sich zu ermüden, das helfe aber<br />

auch nur manchmal. Sie sei sehr ängstlich<br />

und misstrauisch, vom Vater her jähzornig in<br />

kurzen Eruptionen. Sie hat das Gefühl, auf<br />

der Schattenseite des Lebens aufgewachsen<br />

zu sein. Alles strenge sie sehr an, sie sei völlig<br />

erschöpft. Häufi ge Kopfschmerzen im Schläfenbereich<br />

und drückender Schmerz in den<br />

lichtempfi ndlichen und windempfi ndlichen<br />

Augen, außerdem Sprechen und Zähneknirschen<br />

im Schlaf.<br />

Nach Gabe von Merc-sol. C200 sind nach<br />

16 Tagen die Beine völlig ruhig, auch noch<br />

nach 2 Monaten, psychisch sei sie ebenfalls<br />

sehr stabil.<br />

Fall 2: Herr H.<br />

18-jähriger Patient, hat seit einem Jahr<br />

extreme Schlafstörungen, könne erst<br />

nach 2 Stunden einschlafen, erwache<br />

schon nach 1 Stunde, schlafe manchmal gar<br />

nicht mehr ein, frühestens nach 30 Minuten<br />

für ca. 2 - 2,5 Std. Morgens sei er extrem<br />

müde, ab 7.30 Uhr sei er fi t, ab 16.00 Uhr<br />

KLEINE FÄLLE AUS DER PRAXIS<br />

DR. MED. WALTER MANZ<br />

könne er auf der Stelle einschlafen, was aber<br />

nicht gehe. Um 22.15 Uhr gehe er ins Bett. Er<br />

geht in die 10. Klasse des Gymnasiums, mache<br />

gern Musik, fühle sich total ausgelaugt, weil<br />

er nicht schlafen kann. Er sei ein ruhiger Typ,<br />

langsam und nachgiebig, sei lustig und gern<br />

mit Freunden zusammen, nicht verfroren,<br />

esse gern Gegrilltes und Saures. Er hat das<br />

Gefühl, sein Körper sei nervös, wobei er selbst<br />

eher schläfrig ist.<br />

Nach Staph. C200 passierte gar nichts,<br />

nach 3 Monaten bekam er Carc. C200. Nach<br />

4 Wochen berichtete er, er schlafe viel besser,<br />

erwache zwar nachts, schlafe aber wieder ein<br />

und sei vor allem nicht mehr so todmüde. Er<br />

habe das Gefühl, er könne etwas schneller<br />

denken.<br />

Fall 3: Frau J.<br />

23-jährige Patientin, kommt wegen orthostatischer<br />

Dysregulation und Heuschnupfen, sie<br />

war vor kurzem kollabiert, als sie eine Erkältung<br />

hatte. Seit der Kindheit, lt. Mutter nach<br />

den Impfungen, leidet sie an Heuschnupfen.<br />

Sie hatte früher öfters Mittelohrentzündungen,<br />

rechts mehr als links, sie sei eine unsichere<br />

Person, schaue erst, bevor sie etwas sage,<br />

könne nicht „nein“ sagen. Sie hat Höhenangst<br />

ab dem ersten Stockwerk, ein unbehandeltes<br />

Holz anzufassen, sei ihr äußerst unangenehm,<br />

zum Beispiel einen hölzernen Kochlöffel. Sie<br />

braucht frische Luft, mag kein Fett am Fleisch,<br />

kein Schwein, kein Lamm. Das Trinken stellt<br />

sie sich immer hin, damit sie genug zu sich<br />

nimmt. Ein paar Tage nach Einnahme von<br />

Puls. C200 (10.06.) war der Heuschnupfen<br />

völlig weg für die ganze Saison bis Oktober.<br />

Der Kreislauf war stabil, sie fühlt sich energiereich<br />

und voller Tatendrang.


Fall 4: Frau C.<br />

41-jährige Patientin ist in der 13. Woche<br />

schwanger, ihr ist anhaltend übel, sie hat<br />

massives Sodbrennen und muß ständig etwas<br />

essen, hat bereits 4,5 kg zugenommen. Sie hat<br />

einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ihre<br />

Besserwisserei ist manchmal schwer zu ertragen,<br />

manchmal<br />

kann sie verletzend<br />

ehrlich sein. Sie<br />

ist lustig, angriffslustig<br />

und zynisch,<br />

den Jähzorn aus<br />

der Kindheit hat<br />

sie im Griff. Sie sei<br />

ein psychosomatischer<br />

Mensch, ihre<br />

Erfolgsorgane sind<br />

Magen und Darm,<br />

bereits 7 Gastroskopien<br />

wurden<br />

gemacht. Seit der<br />

Geburt des Bruders<br />

mit 7 Jahren hat sie<br />

Migräne, als Pro-<br />

drom Flimmern in<br />

den Augenwinkeln.<br />

Nach der ausführlichen Anamnese erhielt<br />

sie Nat-mur. C200, worauf außer 3 Tagen<br />

starkem Sodbrennen gar nichts passierte.<br />

14 Tage später versuchte sie eine Akupunkturbehandlung,<br />

die aber nur für wenige Stunden<br />

Erleichterung der Übelkeit verschaffte. Nach<br />

6 Wochen berichtete sie, sie müsse ständig die<br />

Lage wechseln, weil sie sonst bleich würde,<br />

morgens habe sie Halsweh für 2 Stunden, es<br />

gehe von alleine weg, Übelkeit und Sodbrennen<br />

weiterhin unverändert. Auf Puls. C12<br />

aufgelöst in einem Glas Wasser, davon nach<br />

KLEINE FÄLLE AUS DER PRAXIS<br />

Umrühren 2 x tgl. einen Schluck war die Übelkeit<br />

und der Esszwang anhaltend beseitigt, auch<br />

der „Schwindel“. Nur das Sodbrennen bestehe<br />

weiterhin. Beim Vergleich der Rubriken, die<br />

ich für das konstitutionelle Mittel genommen<br />

hatte, blieb allerdings weiter Nat-mur. vorne.<br />

Fall 5: Herr I.<br />

49-jähriger Patient<br />

kam mit einer<br />

Angsterkrankung<br />

und brennendem<br />

Rek t u msch merz<br />

seit 6 Jahren sowie<br />

einem Bluthochdruck<br />

zur Βehandlung.<br />

Selbst nach<br />

weichem Stuhlgang<br />

wurde er nervös,<br />

dann ging es richtig<br />

los, eine Anspannung<br />

bis zum<br />

Schmerz hinter<br />

dem Hoden und<br />

im Anus. Er habe<br />

das Gefühl, der Po<br />

stünde offen. Er<br />

ist unzufrieden<br />

mit seinem Beruf, muß nur noch verwalten<br />

und kann selbst fast nichts mehr machen,<br />

hat Angst, daß etwas Schlimmes dahinterstecke<br />

(Krebs), obwohl eine Koloskopie einen<br />

unauffälligen Befund ergeben hatte. Seine<br />

Frau managt ihn, so kommt er einigermaßen<br />

zurecht, unter Mirtazapin ® könne er leidlich<br />

schlafen. Auf Nit-ac. C30 geht es ihm nach<br />

6 Wochen nach leichter Erstverschlimmerung<br />

deutlich besser, die Krebsangst ist weg, das<br />

Tavor ® Pulsatilla pratensis nigricans<br />

, das er bei Panikattacken 2-3 mal wöchentlich<br />

einnehmen mußte, hat er zuletzt vor<br />

15


16<br />

2 Wochen eingenommen, der Darm meldet<br />

sich manchmal ein wenig, aber lange nicht<br />

mehr so stark wie vor der homöopathischen<br />

Behandlung.<br />

Fall 6:<br />

Eine Mutter ruft mich an, ihr Sohn habe seit<br />

gestern nachmittag Fieber bis 39 °C und so<br />

starke Kopfschmerzen, als ob der Schädel mit<br />

einem Beil gespalten würde. Gestern Abend<br />

habe sie ihm Belladonna C30 gegeben, dann<br />

ein Ibuprofen ® - Zäpfchen, das aber nur eine<br />

Stunde gewirkt habe. Dann habe sie die Nacht<br />

über stündlich Bell. C30 verabreicht, das helfe<br />

aber gar nichts. Er habe eine trockene Hitze<br />

KLEINE FÄLLE AUS DER PRAXIS<br />

ohne Schweiß, Bewegung (Herumlaufen) bessere<br />

ein wenig, er stehe immer wieder deshalb<br />

auf. Nach Absetzen des Bell. C30 und Gabe<br />

von Rhus tox. C30 einmalig verschwand der<br />

Kopfschmerz anhaltend innerhalb von 20 Minuten,<br />

auch das Fieber, welches am nächsten<br />

Tag noch für eine Nacht wiederkam, diesmal<br />

ohne Kopfschmerzen und ohne weitere Probleme.<br />

Diese Fälle sind deshalb „kleine Fälle“,<br />

weil sie zum Teil sehr überraschend verlaufen<br />

sind und natürlich keine wirklich lange<br />

Nachbeobachtungszeit haben.<br />

Dr. med. Walter Manz<br />

Danziger Platz 6<br />

86899 Landsberg/Lech


DIE POLARITÄTSANALYSE – EIN SCHNELLER UND PRÄZISER<br />

WEG ZUM RICHTIGEN ARZNEIMITTEL<br />

Die Methode<br />

Im Organon § 133 bezeichnet Hahnemann die<br />

Modalitäten als das jedem Symptom Eigentümliche<br />

und Charakteristische. 1 In Kombination<br />

mit dem Paragraphen 153 bedeutet dies,<br />

dass die homöopathische Mittelwahl ganz<br />

besonders nach den<br />

Modalitäten ausgerichtet<br />

werden muss.<br />

Nach Bönninghausen<br />

sollte das zu<br />

wählende Arzneimittel<br />

die Modalitäten<br />

möglichst hochwertig<br />

abdecken und<br />

keinen Widerspruch<br />

zur Patientensymptomatik<br />

aufweisen. 2<br />

Was bedeutet das?<br />

Der Widerspruch<br />

betrifft die polaren<br />

Symptome, also<br />

solche, die auch<br />

ein Gegenteil aufweisen<br />

können (z.B.<br />

Durst/Durstlosigkeit,<br />

Kälte,<br />

DR. MED. HEINER FREI<br />

sein Genius nicht der Patientensymptomatik<br />

entsprach. Nach seiner Erfahrung erfolgte<br />

in einer solchen Konstellation kaum je eine<br />

Heilung.<br />

Die Polaritätsanalyse ist eine Weiterentwicklung<br />

von Bönninghausens Konzept der<br />

Kontraindikationen,<br />

die durch den Autor<br />

in der Schweizer<br />

ADHS-Doppelblindstudie<br />

zur Steigerung<br />

der Präzision<br />

der Mittelfindung<br />

eingeführt wurde.<br />

3,4,5 Dabei werden<br />

Bönninghausens Erkenntnisse<br />

bei allen<br />

polaren Symptomen<br />

systematisch umgesetzt,<br />

einerseits<br />

durch den Ausschluss<br />

aller Mittel<br />

mit Kontraindikationen,<br />

anderseits<br />

durch das Berechnen<br />

der Polaritätsdifferenz,<br />

welche<br />

Verlangen nach<br />

der Heilungswahr-<br />

frischer Luft/Abnei-<br />

Arnica montana<br />

scheinlichkeit eines<br />

gung gegen frische<br />

Arzneimittels für<br />

Luft). Viele Arzneimittel weisen beide Pole eine bestimmte Symptomenkonstellation ent-<br />

auf, aber in unterschiedlichen Wertigkeiten. spricht: Zu deren Berechnung addiert man bei<br />

Da die Patientensymptomatik dem Genius des jedem in Frage kommenden Mittel die Wertig-<br />

Arzneimittels entsprechen sollte, ist anzustrekeiten der polaren Patientensymptome und<br />

ben, dass das Symptom möglichst in einem subtrahiert davon die Wertigkeiten der ent-<br />

hohen Grad aufgeführt ist (Grad 3-5). Ist das sprechenden Gegenpolsymptome. Je höher die<br />

Symptom tiefwertig (Grad 1-2) und der Ge- daraus resultierende Polaritätsdifferenz ist,<br />

genpol hochwertig, so betrachtete Bönning- umso eher entspricht das Arzneimittel der<br />

hausen das Mittel als kontraindiziert, weil charakteristischen Patientensymptomatik,<br />

17


18<br />

DIE POLARITÄTSANALYSE – EIN SCHNELLER UND PRÄZISER<br />

WEG ZUM RICHTIGEN ARZNEIMITTEL<br />

vorausgesetzt es liegen keine Kontraindikationen<br />

vor. Die Polaritätsdifferenz ist also<br />

ein Maß für die Heilungswahrscheinlichkeit<br />

jedes in Frage kommenden Arzneimittels. Für<br />

die Analyse sollten wenn möglich mindestens<br />

fünf polare Symptome verwendet werden. Zu<br />

deren Erfassung wird die übliche homöopathische<br />

Anamnese ergänzt mit Checklisten<br />

(für akute Erkrankungen) und Fragebögen<br />

(für chronische Erkrankungen), auf denen<br />

die Patienten Symptome, die sie bei sich selbst<br />

beobachtet haben, unterstreichen können.<br />

Deren Schwerpunkt ist entsprechend auf polare<br />

Symptome ausgerichtet. Bisher wurden<br />

je elf Checklisten und elf Fragebögen für verschiedene<br />

Problembereiche entwickelt, wie<br />

Neurologie, Gynäkologie, HNO und Atemwege,<br />

allergische Erkrankungen, etc. 4 Die Polaritätsanalyse<br />

soll nun anhand eines Fallbeispiels<br />

erklärt werden.<br />

Fallbeispiel einer Patientin<br />

mit Purpura Schönlein-Hennoch<br />

Eine 24-jährige sonst gesunde Patientin<br />

kommt wegen akut und ohne äußeren Anlass<br />

Zerschlagenheitsschmerz (Knie und<br />

OSG re.)<br />

aufgetretenen Schmerzen im rechten Knie und<br />

rechten OSG in die Sprechstunde. Die Schmerzen<br />

sind so heftig dass sie kaum mehr gehen<br />

und nicht mehr arbeiten kann. – Im Status<br />

fi ndet sich eine leichte Schwellung und Überwärmung<br />

der betroffenen Gelenke und kleine,<br />

schmerzhafte, nicht wegdrückbare Hautblutungen<br />

an beiden Unterschenkeln. Keine andern<br />

Befunde. Labor: Hb 138, Leuk 8,4, Tc<br />

420, Urinstatus unauffällig. – Es handelt sich<br />

also um eine Purpura Schönlein-Hennoch,<br />

eine Vaskulitis, für die die Hautblutungen<br />

und Arthritiden typisch sind. Adominale Beschwerden<br />

und Nephitiden können das Leiden<br />

begleiten, sind aber bei dieser Patientin nicht<br />

vorhanden. Eine befriedigende konventionelle<br />

Behandlung des Leidens gibt es nicht.<br />

Die übliche Dauer einer Purpura Schönleich-<br />

Hennoch ist 6 bis 12 Wochen.<br />

Aus der Checkliste Bewegungsapparat<br />

schreibt die Patientin die folgenden Symptome<br />

heraus:<br />

< Drehen leidender Teil<br />

< Gehen<br />

Ekchymosen < Druck, äußerer<br />

Muskeln straff/verspannt < Auftreten hartes<br />

< Bewegung > Liegen auf Rücken<br />

Die Repertorisation wird mit den Modalitäten,<br />

den übrigen polaren Symptomen sowie<br />

ganz besonderen Eigenheiten der Krankheit,<br />

in diesem Falle den Ekchymosen, durchge-<br />

führt; wir verwenden dazu fast ausschliesslich<br />

das PC-Programm von Bönninghausens<br />

Therapeutischem Taschenbuch, revidierte<br />

Ausgabe 2000. 6


DIE POLARITÄTSANALYSE – EIN SCHNELLER UND PRÄZISER<br />

I KI=Kontraindikation (der Gegenpol ist hochwertig [3, 4 oder 5], das Patientensymptom<br />

tiefwertig [1 oder 2]). Dieses Arzneimittel kommt kaum in Frage für den Patienten.<br />

II (KI)=Relative Kontraindikation (beide Pole sind hochwertig, der Gegenpol etwas höher als<br />

der Patientenpol). Wenn kein noch besser passendes Mittel vorhanden ist, kann dieses Arzneimittel<br />

trotz der relativen Kontraindikation verabreicht werden.<br />

III Patientensymptom und Gegenpol sind beide gleich hochwertig. Es besteht keine Kontra-<br />

indikation.<br />

WEG ZUM RICHTIGEN ARZNEIMITTEL<br />

Repertorisation (Arzneimittel geordnet nach Treffer)<br />

Arzneimittel Nux-v Arn Bell Puls Sulph Chin Bry Sep<br />

Anzahl Treffer 8 8 8 8 8 8 7 7<br />

Polaritätsdifferenz 12 12 8 2 2 3 13 10<br />

Patientensymptome<br />

Beine rechts 4 3 4 4 2 2 4 4<br />

Muskeln straff 4 2 1 2 2 1 0 4<br />

< Bewegung 4 3 4 1 2 3 4 1<br />

< Drehen leid. Teil 3 3 3 3 2 3 3 3<br />

< Druck äußerer 1 1 1 1 1 1 1 3<br />

< Auftreten hart 3 3 3 2 3 3 4 3<br />

> Liegen a. Rücken 2 2 2 3 2 1 4 1<br />

Ekchymosen 3 4 3 3 3 1 3 0<br />

Gegenpolsymptome<br />

Beine links 2 1 2 2 4KII 1 2 2<br />

Muskeln schlaff 0 1 0 2 3KI 2 1 0<br />

> Bewegung 0 1 1 4KI 1 1 1 3KI<br />

> Drehen leid. Teil 1 0 4(KI) II 3III 0 3 0 0<br />

> Druck äußerer 2 1 2 1 2 1 2 1<br />

> Auftreten hart 0 0 0 0 0 0 0 0<br />

< Liegen a. Rücken 4KI 1 1 2 2 3KI 1 3KI<br />

19


20<br />

DIE POLARITÄTSANALYSE – EIN SCHNELLER UND PRÄZISER<br />

WEG ZUM RICHTIGEN ARZNEIMITTEL<br />

Mittelgabe und Verlauf<br />

Sechs Mittel decken alle Symptome ab, aber<br />

nur Arnica hat eine hohe Polaritätsdifferenz<br />

und keine Kontraindikationen. Die Patientin<br />

erhält eine Dosis Arnica C 200. – Fünf Tage<br />

später sind alle Ekchymosen verschwunden<br />

und die Gelenkschmerzen 70% besser. Nach<br />

10 Tagen ist die Patientin völlig beschwerdefrei.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Polaritätsanalyse führt mit relativ geringem<br />

Zeitaufwand zu genaueren und reproduzierbaren<br />

Mittelbestimmungen. Mit der<br />

Methode steigt auch die Erfolgsquote der Verschreibungen<br />

im Vergleich zu einem konventionellen<br />

homöopathischen Vorgehen (um 12%<br />

bei akuten und 16% bei chronischen Erkrankungen).<br />

11 Fragebögen und Checklisten führen<br />

zu einer Sensibilisierung der Eltern für<br />

die Beobachtung relevanter Symptome und<br />

vereinfachen den Konsultationsablauf. Bönninghausens<br />

Therapeutisches Taschenbuch<br />

ist ein kleines Repertorium (133 Arzneimittel),<br />

was ein geringer Nachteil ist, der durch<br />

gute Materia-Medica-Kenntnisse ausgeglichen<br />

werden kann. Die Homöopathie kann dank<br />

Polaritätsanalyse jetzt problemlos in einer<br />

Grundversorgerpraxis eingesetzt werden.<br />

Literatur<br />

1) Hahnemann S, Organon der Heilkunst,<br />

6. Auflage, Neuausgabe 1999, Haug-<br />

Verlag, Stuttgart, 2002.<br />

2) Bönninghausen Cv, Bönninghausens<br />

Therapeutisches Taschenbuch, Revidierte<br />

Ausgabe 2000. Hrsg. KH Gypser,<br />

Sonntag-Verlag, Stuttgart, 2000, S.<br />

XXXIII.<br />

3) Frei H, von Ammon K, Thurneysen A,<br />

Treatment of hyperactive children: Increased<br />

effi ciency through modifi cations<br />

of homeopathic diagnostic procedure.<br />

Homeopathy (2006) 95, 163-170.<br />

4) Frei H, Effiziente homöopathische<br />

Behandlung, ein strukturiertes Konzept<br />

für den Praxisalltag. Haug-Verlag,<br />

Stuttgart, 2007.<br />

5) Frei H, Polarity analysis, a new approach<br />

to increase the precision of<br />

homeopathic prescriptions. Homeopathy<br />

(2009) 98, 49-55.<br />

6) Bönninghausen Arbeitsgemeinschaft,<br />

PC-Programm zu Bönninghausens<br />

Therapeutischem Taschenbuch, Hrsg.<br />

Bönninghausen Arbeitsgemeinschaft<br />

Ahrweiler, 2007 (Bestelladresse: www.<br />

boenninghausen.de)<br />

Dr. med. Heiner Frei<br />

Spezialarzt für Kinder und<br />

Jugendliche<br />

Kreuzplatz 6,<br />

CH-3177 Laupen<br />

www.heinerfrei.ch


L iebe<br />

Brita,<br />

EIN CHINA FALL<br />

CHRISTINE LAUTERBACH / HEILPRAKTIKERIN<br />

Du fragtest, ob ich nicht auch einen<br />

„Homöopathischen Glücksfall“ in dem neuen<br />

<strong>Gudjons</strong> aktuell veröffentlichen möchte,<br />

davon gibt es eine Menge, die sich aber nur<br />

bedingt zur Veröffentlichung eignen, weil sie<br />

sich nicht selten über mehrere Monate oder<br />

Jahre erstrecken<br />

und ergo hier den<br />

Rahmen sprengen<br />

würden.<br />

Beim Durchkämmen<br />

der Patientenkarteien<br />

ist mir ein<br />

kleines Mädchen<br />

eingefallen, das einen<br />

tiefen Eindruck<br />

bei mir hinterlassen<br />

hat. Gerade habe ich<br />

seine Mutter angerufen,<br />

die mir freundlicherweise<br />

erlaubte,<br />

ihre homöopathische<br />

Geschichte zu<br />

veröffentlichen (um<br />

die Anonymität zu<br />

sichern habe ich<br />

Namen und homöopathisch<br />

unwichtige<br />

Details geändert;<br />

Fragen oder Bemerkungen<br />

von mir habe ich kursiv gedruckt).<br />

Hier ist die Geschichte:<br />

Im Mai 2009 kommt die kleine Marie auf<br />

dem Arm ihrer Mutter in meine Praxis. Sie<br />

ist zwei Jahre alt, etwas blass und müde sieht<br />

sie aus, fängt aber bald an, die Spielzeugkiste<br />

auszuräumen und spielt still und freundlich<br />

vor sich hin.<br />

Chinchona offi cinalis<br />

Was führt Sie zu mir?<br />

Die Mutter erzählt, dass Marie im August<br />

2008 erst das Dreitage-Fieber und anschließend<br />

heftigste Durchfälle begleitet von über<br />

40 Grad Fieber entwickelte. Der Durchfall war<br />

wie Wasser und kam alle 10 Minuten. Sie wurde<br />

kinderärztlich versorgt, aber leider wurde<br />

erst im Krankenhaus<br />

erkannt, dass sie<br />

Salmonellen hatte,<br />

die auch im Blut<br />

nachweisbar waren.<br />

Es war alles sehr<br />

knapp und dramatisch,<br />

beinahe wäre<br />

sie gestorben.<br />

Seitdem ist sie<br />

so unbeschreiblich<br />

erschöpft. Immer<br />

wieder leidet sie<br />

unter Wundheit im<br />

Windelbereich mit<br />

Pilzbefall, überhaupt<br />

geht es ihr immer<br />

wieder elend. Sie<br />

hängt herum und ist<br />

sehr schwach. Dann<br />

gibt es auch wieder<br />

bessere Abschnitte.<br />

(Marie kommt immer<br />

wieder auf den<br />

Schoß ihrer Mutter, ruht sich kurz aus und<br />

spielt dann wieder)<br />

Das heißt, es ist wechselhaft? Ja, sehr. Sie<br />

hat schon die Babymilch schlecht vertragen,<br />

hatte immer grauen, stinkenden Stuhl, das<br />

wurde besser nach „Bambinchen“ auf Ziegenmilch-Basis.<br />

Immer hängt sie so schlapp<br />

herum, man weiß nicht, ob sie kuschelt oder<br />

erschöpft ist.<br />

21


22<br />

(Sie steht jetzt auf dem Schoß der Mutter<br />

und hängt mit dem Kopf und Oberkörper<br />

über deren Schulter)<br />

Wie ist das Ess- und Trinkverhalten?<br />

Sie mag gerne Deftiges, nicht so gern<br />

Milchreis, Bananen, Äpfel, Süßspeisen, Käse<br />

und Dampfnudeln, aber Gemüse und Fleisch<br />

schon. Zum Glück trinkt sie einigermaßen,<br />

500 – 750 ml täglich.<br />

Was gibt es sonst noch?<br />

Sie ist anfällig für Erkältungen, derzeit<br />

hat sie im rechten Ohr einen Erguß, hört aber<br />

trotzdem gut. Der Kinderarzt sagt, sie hat sehr<br />

große Polypen. Auf der Haut hat sie schnell<br />

rote Flecken, die auch wieder vergehen.<br />

War etwas auffällig bei Schwangerschaft<br />

und Geburt?<br />

Der Blutdruck der Mutter war ab Mitte der<br />

Schwangerschaft erhöht, es wurde aber zum<br />

Glück keine Gestose daraus. In ihren ersten<br />

drei Lebenswochen war sie sehr unzufrieden,<br />

weil die Mutter so wenig Milch hatte. Deshalb<br />

bekam sie die Flasche und war zufrieden.<br />

Mit 7 Monaten musste sie wegen starken<br />

Erbrechens ins Krankenhaus, da hat sie mit<br />

einem unglaublichem Geräusch im Schwall<br />

erbrochen.<br />

Wie ist es nachts?<br />

Seit einem Vierteljahr ist sie nachts sehr<br />

unruhig, sie weint und wacht auf; sonst hatte<br />

sie immer gut geschlafen. Im Grunde legt sie<br />

sich gern ins Bett und ist dann noch 1,5 Stunden<br />

wach. Sie legt sich einfach hin, weil sie<br />

so erschöpft ist.<br />

Der Durchfall kommt ohne irgendeine Ankündigung,<br />

dann steht sie da und weint und<br />

EIN CHINA FALL<br />

sagt, sie hat Durchfall. Die Mutter hat das Gefühl,<br />

ihr Darm ist total kaputt.<br />

(Marie ist sehr fröhlich und zufrieden,<br />

strahlt auch zurück, wenn ich sie anlächle)<br />

Gibt es noch jemanden mit Darmproblemen<br />

oder anderen schwerwiegenden Erkrankungen<br />

in der Familie?<br />

Es gibt Darmkrebs, Depressionen, Magersucht<br />

und Schuppenfl echte in der Familie.<br />

Wie genau sieht der Durchfall aus?<br />

Unterschiedlich: Es können unverdaute<br />

Stücke sein, auch braunes Wasser, das die<br />

Beine runter läuft, feinkörnig oder schleimiger<br />

Durchfall mit Stückchen drinnen. Den<br />

typischen Durchfall gibt es nicht. Mal kommt<br />

er oft hintereinander, mal sporadisch oder<br />

nur einmal. Man kann nicht sagen, worauf<br />

sie empfindlich reagiert oder wie lang es<br />

dauert. Tendenziell kommt er eher nach dem<br />

Frühstück, aber sonst ist das unberechenbar.<br />

Jede Farbe kann er haben. Er riecht säuerlich.<br />

Gemüse verdaut sie kaum, auch Nüsse nicht.<br />

Mal ist der Mais nach einem Tag in der Windel,<br />

mal nach drei Tagen.<br />

Ganz schlaff ist sie dann, so wie jetzt.<br />

(Ihre Erschöpfung ist bei fortschreitender<br />

Anamnese immer deutlicher sichtbar:<br />

Sie kniet auf Mutters Schoß und lehnt den<br />

Kopf über deren Schulter; macht einen sehr<br />

kraftlosen Eindruck)<br />

Haben Sie eine Ultraschalluntersuchung<br />

vom Bauch machen lassen?<br />

Da ist nichts zu sehen, alles gut.<br />

Wie ist es mit Schweiß?<br />

Der kommt gelegentlich, dann sind die<br />

Haare etwas nass, aber nicht oft. Als es so


warm war, da schon. Aber sonst mag sie es<br />

gern warm, sie deckt sich gern zu.<br />

Auch den Kopf legt sie gerne auf eine<br />

Wärmfl asche und mag auch eine auf die Füße.<br />

Auch wenn die Mutter mit ihr kuschelt, will<br />

sie die Wärmfl asche zusätzlich. Nachts gab es<br />

zweimal Geschrei, weil sie aufwachte und die<br />

Wärmflasche nicht<br />

mehr warm war. Sie<br />

hatte eine weiche<br />

Weste, die hat sie<br />

immer an die Wange<br />

gekuschelt und<br />

mit herumgetragen,<br />

als sie klein war.<br />

Sie kuschelt einfach<br />

gerne.<br />

(Was auch sichtbar<br />

ist während der<br />

Anamnese)<br />

Friert sie denn?<br />

Eher nicht, sie<br />

hat immer warme<br />

Hände und Füße.<br />

Ist sonst noch etwas<br />

typisch für sie?<br />

Motorisch ist sie<br />

recht fi t, sie fährt Laufrad; mit einem Jahr ist<br />

sie recht sicher gelaufen, sie rennt und hüpft<br />

auch gut. Wenn da nur die Erschöpfung nicht<br />

wäre.<br />

Sie kann ihre Bedürfnisse und Empfi ndungen<br />

gut in Worte fassen: Sie sagt bei Sandmännchen,<br />

sie ist müde und geht ins Bett.<br />

Oder sie sagt: Hier riecht es aber gut.<br />

EIN CHINA FALL<br />

Chinarinde<br />

Ich verabschiede die beiden und wir<br />

vereinbaren einen Telefontermin nach der<br />

Fallanalyse und Mittelfi ndung. Marie ist jetzt<br />

wirklich sichtbar müde und erschöpft.<br />

Da der Durchfall so unterschiedlich verläuft,<br />

sind Symptome nur schwer zu bestimmen,<br />

abgesehen von der Wechselhaftigkeit<br />

und dem immer<br />

unverdauten, sauren<br />

Stuhl. Aber die<br />

Causa „Schwäche<br />

durch Säfteverlust“<br />

ist überdeutlich. Zusammen<br />

mit einigen<br />

wenigen anderen,<br />

aber deutlichen<br />

Symptome entscheide<br />

ich mich nach<br />

der Repertorisation<br />

für China, was sie in<br />

der C 30 (<strong>Gudjons</strong>),<br />

aufgelöst in Wasser,<br />

an drei aufeinander<br />

folgenden Tagen<br />

erhält.<br />

Bei der nächsten<br />

Visite nach gut drei<br />

Wochen erzählt die<br />

Mutter überglücklich,<br />

dass die Durchfälle<br />

gestoppt sind. Der Stuhl ist zwar noch<br />

weich, aber geformt. Er riecht immer noch<br />

säuerlich.<br />

Pilze und Wundheit sind verschwunden<br />

Außerdem hat sie einen riesigenen Entwicklungsschub<br />

gemacht. Sie will jetzt alles selber<br />

machen: Zähneputzen, Händewaschen, sie<br />

schneidet sich auch das Essen selbst und<br />

bestimmt, was sie essen will. Sie hat jetzt<br />

23


24<br />

plötzlich ihren eigenen Kopf. Auch schläft sie<br />

deutlich weniger.<br />

Das heißt, sie ist fi tter?<br />

Auf jeden Fall, sie hängt auch nicht mehr<br />

so herum. Sie quasselt wie ein Buch.<br />

EIN CHINA FALL<br />

Sie ist sichtbar aktiver, strahlt zurück,<br />

läuft wieder zur Spielkiste und spielt glücklich<br />

und zufrieden.<br />

Nach Auskunft der Mutter am 5. März 2010<br />

geht es ihr nach wie vor sehr gut.<br />

Christine Lauterbach<br />

Heilpraktikerin<br />

Master of Science – Homeopathy<br />

Singerstraße 6<br />

D- 86159 Augsburg<br />

Tel.: ++49 (0)821 517177


Z uerst<br />

BOTHROPS LANCEOLATUS<br />

BEI INTRAZEREBRALEM GEFÄSSVERSCHLUSS<br />

möchte ich mich ganz herzlich<br />

bei meinem Patienten bedanken für die<br />

Bereitschaft, meine Aufschriebe aus seinen<br />

eigenen Aufzeichnungen zu ergänzen, um sie<br />

für diese Fallschilderung aufzuarbeiten.<br />

Der 47-jährige Mann bemerkt am<br />

17.11.2008 morgens gegen 7 Uhr eine akut einsetzende<br />

Schwäche des rechten Armes, zu der<br />

sich kurze Zeit später Probleme beim Sprechenwechs<br />

e l n d e r<br />

A u s p r ä g u n g<br />

hinzugesellen.<br />

Nach spontanemweitgehendemBeschwerderückgang<br />

tritt<br />

gegen 10:45<br />

Uhr plötzlich<br />

eine komplette<br />

motorische<br />

DR. MED. KLAUS HOLZAPFEL<br />

Aphasie mit<br />

Bothrops lanceolatus<br />

brachiofazial<br />

betonter Hemiparese rechts auf. Durch eine<br />

Verkettung unglücklicher Ereignisse kommt<br />

der Patient erst gegen 14 Uhr in die neurologische<br />

Notfallambulanz. Kernspintomografi sch<br />

und TOF-angiografi sch Verschluß eines Astes<br />

der linken Arteria cerebri media. Es wird<br />

kardiologisch interveniert mit lokaler Gabe<br />

von rekombinantem Tissue-Plasmin-Aktivator.<br />

Nach gelungener Rekanalisierung bessern<br />

sich sowohl die Armlähmung als auch, in<br />

geringerem Ausmaß, die Aphasie. Etwa 6 Stunden<br />

später erneute Verschlechterung. Die<br />

Angiografi e zeigte einen erneuten Verschluß<br />

des betroffenen Arterienastes. Die Genese des<br />

Gefäßverschlusses blieb offen; außer einer<br />

Hypercholesterinämie (familiäre Belastung)<br />

konnte keine kardiovaskuläre oder vaskulitische<br />

Grunderkrankung gefunden werden.<br />

Zwei Tage später, Anruf in meiner Praxis,<br />

ob homöopathische Hilfe möglich wäre. Außer<br />

den Pathognomonika für eine Hemiparese mit<br />

Sprachlähmung lagen keine Charakteristika<br />

vor; lediglich eine leichte Temperaturdifferenz<br />

zwischen<br />

der rechten<br />

und linken<br />

Körperhälfte<br />

wird berichtet.<br />

Die gelähmte<br />

Seite fühle sich<br />

kühler an. Ich<br />

erinnerte mich<br />

an eine Aussage<br />

meiner Kollegin<br />

während<br />

meiner Praxis-<br />

assistenz im<br />

Ja hre 1991:<br />

Bei einem zerebralen Insult mit kompletter<br />

Aphasie denke an Bothrops lanceolatus!<br />

Literatur gibt es nicht viel über dieses Gift<br />

einer nur auf Martinique lebenden Schlange,<br />

eine lege artis durchgeführte Arzneiprüfung<br />

ist nicht vorhanden, lediglich eine Sammlung<br />

von Bissfolgen, 111 Symptome umfassend, ist<br />

in Allens Encyclopedia zu fi nden. Hier fi ndet<br />

man kursiv gedruckt: „Unfähigkeit zu sprechen<br />

ohne irgendeine Störung der Zunge.“<br />

Weitere Zeichen wären: Lähmung nur eines<br />

Armes oder Beines. Die Extremitäten werden<br />

kalt. Hemiplegie der rechten Seite. Bemer-<br />

25


26<br />

BOTHROPS LANCEOLATUS<br />

BEI INTRAZEREBRALEM GEFÄSSVERSCHLUSS<br />

kenswert fl üssiges Blut, wie aufgelöst. Blutungen<br />

verschiedener Art, v.a. aus Wunden. Sehr<br />

fl üssiges, schwarzes Blut fl ießt schwallartig<br />

bei der geringsten Bewegung.<br />

William Boericke zitiert in seiner Arzneimittellehre<br />

Lynn Boyd: „Die Wirkung dieses<br />

Giftes ist äußerst koagulierend (wie bei Lachesis),<br />

daher sollten wir bei diesen Mitteln<br />

Symptome der Thrombosen erwarten, wie<br />

Hemiplegie, Aphasie, Artikulationsstörungen.“<br />

Es wird verordnet:<br />

Bothrops lanceolatus 50M Fincke, 1 Globulus<br />

perlingual, der am 20.11.08 abends<br />

gegen 20 Uhr eingenommen wird.<br />

Am 21.11.08 erste Gehversuche ohne Hilfestellung<br />

möglich, wenn auch noch unsicher,<br />

Gesichtslähmung bessert sich, mit der rechten<br />

Hand kann die Zeitung sicher gehalten<br />

werden.<br />

Verordnung: Bothrops lanceolatus 50M<br />

Fincke tgl. zu riechen an einer Auflösung<br />

eines Globulus in Alkohol/Wasser-Gemisch.<br />

Bericht des Patienten später: „Nach Einnahme<br />

durch einmaliges Riechen erstaunliche<br />

Verbesserung der Sprache. Stundenweise<br />

konnten ganze Wortreihen aus den Laufbändern<br />

der Nachrichtensender wie ntv nachgesprochen<br />

werden.<br />

Leider hielt das nicht konstant an, war aber<br />

psychologisch außerordentlich wertvoll. In<br />

einzelnen Fällen war ein Ziehen an der betroffenen<br />

Hirnstelle zu spüren. Nicht unangenehm<br />

schmerzhaft, eher entkrampfend.<br />

22.11.08 selbständige Spaziergänge im<br />

Flur, Körperpfl ege selbständig, beginnendes<br />

Artikulieren ein- und zweisilbiger Wörter<br />

(u.a. auch französisch: „oui“, „non“). Rechter<br />

Mundwinkel erholt sich sichtbar.<br />

Im Laufe der nächsten Woche bis zur<br />

Entlassung in die Rehabilitation am 28.11.08<br />

schnelles Gehen möglich, Klettern auf Sprossenwand<br />

mit Sicherung. Verständigung auch<br />

durch Buchstabieren möglich. Gehbehinderung<br />

nur noch bei Streß.<br />

Wegen grosser Aufregung über widrige<br />

Verhältnisse in der Klinik Zwischengabe von<br />

Nux vomica C30.<br />

Ab dem 1.12.08 nur noch alle zwei Tage<br />

Bothrops, ab dem 4.12.08 werden ganze Sätze,<br />

wenn auch langsam, gesprochen.<br />

Wegen nächtlichen Gedankenzudranges<br />

und Entrüstung über die Verordnung eines Antidepressivums<br />

ab dem 5.12.08 Nux-vomica Q6.<br />

12.12.08 Bein wieder 100% in Ordnung.<br />

Mundwinkel wieder fast normal beweglich,<br />

Sprache bessert sich weiter.<br />

In der Folge werden, v.a. bedingt durch<br />

die psychische Situation, andere Arzneien verordnet,<br />

zwischendurch auch wieder Bothrops,<br />

das nun aber das Sprechen nicht mehr weiter<br />

beeinfl usst.<br />

Eine dopplersonografi sche Untersuchung<br />

der hirnversorgenden Gefäße am 27.1.09 ergibt<br />

freie und durchlässige Arterien, v.a. die<br />

betroffene Arterie ist komplett frei von Thromben<br />

oder Einengungen. Halbjährliche Kontrollen<br />

zeigen unverändert durchlässige Gefäße.<br />

Ostern 2009 konnte die Physiotherapie<br />

beendet werden. Pfi ngsten 2009 vorzeitige<br />

Beendigung der Ergotherapie, nachdem alle<br />

Testreihen erfolgreich absolviert wurden. Seit<br />

Februar 2010 stufenweise Wiedereingliede


BOTHROPS LANCEOLATUS<br />

BEI INTRAZEREBRALEM GEFÄSSVERSCHLUSS<br />

rung als Dozent für Betriebswirtschaftslehre.<br />

Die vollständige Rehabilitierung wird nicht<br />

mehr in Frage gestellt. Die Sprache ist weitgehend<br />

fl ießend, komplizierte Sachverhalte<br />

können problemlos ausgedrückt werden, lediglich<br />

unter Zeitdruck oder beim Versuch,<br />

schneller zu sprechen, leichtes Stocken. Neben<br />

der Einnahme eines Lipidsenkers ist der<br />

Patient weiter in homöopathischer Behandlung,<br />

letzte Medikation Natrium muriaticum<br />

DM Fincke.<br />

Dieser Krankheitsverlauf, der nicht auf<br />

dem in meiner Praxis üblichen Wege mit<br />

Hilfe der Repertorisation ausgearbeitet wur-<br />

de, sondern aufgrund einer im Gedächtnis<br />

gebliebenen bewährten Indikation, bestätigt<br />

die Anmerkungen von Boericke und Boyd;<br />

auch Ernest Farrington hatte auf die Indikation<br />

„Aphasie“ in seiner Klinischen Arzneimittellehre<br />

hingewiesen. Wenn ich auch davon<br />

ausgehen möchte, dass die Lyse des Thrombus<br />

im Media-Stromgebiet durch die homöopathische<br />

Wirkung dieses hochpotenzierten<br />

Schlangengiftes zustande kam, so sei doch<br />

die Meinung des behandelnden Neurologen<br />

ebenfalls angeführt: dass es sich um einen<br />

spontanen, für den Patienten sehr glücklichen<br />

Verlauf handele.<br />

Dr. med. Klaus Holzapfel<br />

Alte Weinsteige 40<br />

70180 Stuttgart<br />

27


28<br />

M eine<br />

EINE SPORTVERLETZUNG<br />

RAIMUND FRIEDRICH KASTNER – HEILPRAKTIKER<br />

Tochter Felicitas K.[i], 14 Jahre<br />

alt, trat im August 2008 nachmittags<br />

beim Tennistraining bei einem “Netzangriff”<br />

auf einen Tennisball und verletzte sich. Sie<br />

knickte dabei mit dem rechten Fuß um und<br />

kauerte vor Schmerzen weinend auf dem Hallenboden,<br />

der einen Kunststoffbelag hat. Ich<br />

wurde gerufen und<br />

konnte sofort handeln,<br />

da ich mich<br />

während des Trainings<br />

im Clubzimmer<br />

aufhielt. Sie bekam<br />

Arnica XM Schmidt-<br />

Nagel (S-N). Sie<br />

hatte starke Schmerzen;<br />

ich brachte sie<br />

zum Auto, wohin sie<br />

humpeln mußte, um<br />

heimzufahren und<br />

sie zu behandeln.<br />

Dort rieb ich ihren<br />

verletzten Fuß äußerlich<br />

mit Rhus-t.<br />

Ø (DHU), so wie dies<br />

Die Jugendliche bekam eine Stützschiene<br />

zum Gehen; vom nächsten Tag an ging sie mit<br />

Stützschiene zur Schule und begann nachmittags<br />

täglich 1 Stunde Tennis im Sitzen zu spielen,<br />

indem sie vom Trainer die Bälle zugespielt<br />

bekam. Ab dem dritten Tag spielte sie im Stehen<br />

Tennis. Sie bekam insgesamt 21 Tage lang<br />

täglich morgens und<br />

abends Rhus-t. C 200<br />

(S-N), 1 - 2 Scheiben<br />

Ananas und eine<br />

Massage des gesunden<br />

Fußes. Dies<br />

praktiziere ich bei<br />

ähnlichen Fällen seit<br />

vielen Jahren nach<br />

dem Bericht von P.<br />

Schmidt mit großem<br />

Erfolg – “es ist der<br />

chinesische Weg<br />

der symmetrischen<br />

Behandlung.”[iii]<br />

Zusätzlich bekam sie<br />

zweimal pro Woche<br />

am verletzten Bein<br />

Pierre Schmidt von<br />

und Fuß eine sanf-<br />

Hahnemann berich-<br />

Rhus toxicodendron<br />

te Lymphdrainage.<br />

tet hat. [ii] Ich legte<br />

Genau drei Wochen<br />

ihr einen leichten Tapeverband an. Vor dem nach der Verletzung spielte sie wieder Tennis,<br />

Schlaf bekam sie Rhus-t. C 200 (S-N), ebenso also bei normaler Bewegung, allerdings mit<br />

am nächsten Morgen. An diesem Tag stellte Stützschiene, und belastete dabei den ehemals<br />

ich sie einem befreundeten Orthopäden zur verletzten, total schmerzfreien Fuß beim Lau-<br />

Untersuchung vor. Dieser stellte ein Distorsionstrauma<br />

im rechten oberen Sprunggelenk<br />

fest mit komplettem Außenbandabriss. Es<br />

bestand eine starke Schwellung am Außenknöchel,<br />

Berührungsempfindlichkeit und<br />

fen. Ich gebe gerne zu, dass ich etwas zweifelte,<br />

ob der Fuß diese Belastung aushält. Beim nun<br />

“wieder normalen” täglichen Training verlor<br />

sie ihre anfängliche Vorsicht und spielte unbesorgt.<br />

Genau vier Wochen nach dieser Verletzung<br />

spielte sie mit ihrer Mannschaft um<br />

Schmerzhaftigkeit. Der Fuß konnte nur be- den Aufstieg in die “Hessenliga Damen” und<br />

dingt bewegt werden.<br />

gewann das entscheidende Einzel.


Da in der homöopathischen Literatur bisher<br />

wenig über ähnliche Heilungen berichtet<br />

ist, schon gar nicht in den Arzneiprüfungen,<br />

mag dieser Bericht anderen Homöopathen<br />

Mut machen, auch in der Sportmedizin heilend<br />

zu wirken. Natürlich ist bekannt, dass<br />

Rhus-t. eine elektive Affi nität zu den Sehnen<br />

hat, ähnlich wie Hypericum zu den Nerven<br />

und Symphytum zu den Knochen. Ich habe jedenfalls<br />

dabei gelernt, auch den Hinweis von<br />

Bönninghausen [vi] zu schätzen, dass Nat-m.<br />

bei Achillessehnenruptur als charakteristisch<br />

zu beachten ist. Es gilt nach wie vor, alte Gedankenmuster<br />

und Gewohnheiten aufzugeben,<br />

um die noch junge Homöopathie durch Erfahrung<br />

zu erweitern.<br />

EINE SPORTVERLETZUNG<br />

Nachtrag: Fast zeitgleich mit dem Unfall<br />

meiner Tochter passierte im Nachbarclub<br />

bei einem 18-jährigen Mädchen, einer ihrer<br />

Sportkonkurrentinnen, das gleiche Malheur.<br />

Diese ließ ihre Verletzung konservativ von ihrem<br />

Facharzt behandeln; sie ging noch nach<br />

drei Monaten mit Handstützen und konnte das<br />

ganze Jahr keine Tennismatches mehr spielen.<br />

i – Meine Tochter Felicitas Kastner<br />

ii – KH 23(1979)189 [Schmidt/Sportschäden]<br />

iii – ZKH 23(1979)188 [Schmidt/Sportschäden]<br />

vi – Bönninghausen, Clemens von: System.-Alphabetisches<br />

Repertorium der Homöop. Arzneimittel,<br />

S. 371 [Zerreißung der Achillessehne. Nat-m.].<br />

Privatausgabe Kastner, Heppenheim 2003.<br />

Raimund Friedrich Kastner<br />

Heilpraktiker und Homöopath<br />

Werlestr 24<br />

64646 Heppenheim<br />

29


30<br />

EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

DR. MED. CONRAD FREVERT UND MEIKE FREITAG<br />

„Man darf sich nicht schmeicheln, dass die<br />

gegebne antipsorische Arznei gut gewählt gewesen<br />

sey, oder die Heilung der chronischen<br />

Krankheit befördern werde, wenn sie gleich<br />

die ersten Tage die beschwerlichsten Symptome:<br />

[....] schnell und gänzlich, wie durch<br />

einen Zauberschlag, verschwinden macht, so<br />

dass der Kranke fast sogleich nach dem Einnehmen<br />

derselben so befreit sich dünkt, als<br />

wäre er schon genesen und wie im Himmel.<br />

Diese Täuschung zeigt an, dass die Arznei hier<br />

enantiopathisch wirke, als ein Contrarium<br />

und Palliativ, und man in den folgenden Tagen<br />

nichts als bedeutende Verschlimmerung der<br />

ursprünglichen Krankheit von diesem Mittel<br />

zu erwarten habe.“ So schreibt Hahnemann<br />

im ersten Band der „Chronischen Krankheiten“<br />

in der zweiten Aufl age (1835) auf Seite<br />

162.<br />

Vor fast zwei Jahren schon fragte Brita<br />

<strong>Gudjons</strong> zum ersten Mal an, ob ich nicht einen<br />

oder mehrere „Glücksfälle“ zu einer Ausgabe<br />

von <strong>Gudjons</strong> aktuell beisteuern könne. Genau<br />

wie Curt Kösters es in seinem Helleborus-Fall<br />

eingangs beschreibt, gedachte ich auch, mich<br />

aus der Sache rauszuhalten, da homöopathische<br />

Heilungen eher auf deutlich einsehbaren<br />

Gründen, denn auf „gut Glück“-Verordnungen<br />

beruhen.<br />

Jedoch änderte sich im September<br />

2009 nach eigenen Prüfungen von Agaricus<br />

muscarius und zwar zunächst in unpotenzierter<br />

Form in steigenden Dosen bis<br />

zu drei Fliegenpilzen, angeregt durch ein<br />

Seminar über Pilze bei Frau Wiebelt in Hagenbach<br />

bei Karlsruhe, grundsätzlich mein<br />

Verständnis von dem, was Glück denn sei.<br />

So mag es denn kein Zufall sein, auch<br />

wenn es durch das Alphabet bedingt erscheint,<br />

dass ausgerechnet Agaricus – ein<br />

Glücksymbol schlechthin – die Ehre hat,<br />

den Reigen der 43 Mittel, die in der zweiten<br />

Auflage der „Chronischen Krankheiten“<br />

von Samuel Hahnemann als Antipsorische<br />

Mittel bezeichnet werden, zu eröffnen.<br />

Jedenfalls kam ich nach dem genannten Seminar<br />

auf der Durchreise nach Österreich<br />

wieder einmal bei Brita vorbei, und sie wiederholte<br />

ihre Anfrage bezüglich eines Artikels.<br />

Da mir insbesondere auch hinsichtlich der<br />

Zurückhaltung Hahnemanns in puncto Kasuistiken<br />

kein spezieller Fall berichtenswert<br />

erschien, lehnte ich wieder ab, allerdings höflichkeitshalber<br />

mit der Zusage, noch einmal<br />

darüber nachdenken zu wollen.<br />

Erst als ich nach der Rückkehr aus Österreich<br />

von meiner Reitlehrerin, Meike Freitag,<br />

die Frau <strong>Gudjons</strong> auch persönlich kennt,<br />

spontan gefragt wurde: „Hast du denn Brita<br />

wenigstens erzählt, wie gut es mit Jim‘s Sarkoiden<br />

geworden ist?“ und ich antworten musste,<br />

dass ich daran gar nicht gedacht hatte, wurde<br />

mir auf einmal klar, dass dieser „Pferde-<br />

Glücks-Fall“ für <strong>Gudjons</strong> aktuell interessant<br />

sein könne. Brita war begeistert von der Idee.<br />

Der Fall<br />

“Jim” heisst eigentlich Quasar, stammt von<br />

Quite Capitol, Mutter von Calgary, ist ein<br />

Sportpferd (Springen) der Holsteiner Rasse<br />

und wurde von meiner Reitlehrerin im Januar<br />

2008 gekauft. Zunächst folgt der Bericht von<br />

Meike:<br />

Geboren am 24.04.2004, brauner Wallach<br />

mit Blesse, Stockmass 174 cm, ausgeglichen<br />

im Charakter, freundlich zuge-


EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

wandt, verdamelt, leistungsbereit mit guten<br />

Refl exen am Absprung, fein am Maul und<br />

am Schenkel, aber dabei nicht hypersensibel,<br />

schmerzunempfi ndlich, robust, starker<br />

Knochenbau, korrekte Extremitätenstellung,<br />

ausgeglichenes Exterieur, grosser Kopf, ursprüngliche<br />

Zeichnung (Aalstrich, Zebrastreifen<br />

an den Unterarmen), kräftiges fast<br />

struppiges Langhaar, korrekte taktreine<br />

Grundgangarten bei überdurchschnittlicher<br />

Galoppade (raumgreifend und aufwärts).<br />

Gekauft im Januar 2008, bei Besichtigung: 1<br />

walnussgrosse Warze in Gurtlage über Brustbein,<br />

war bereits mit Cisplatin ® unterspritzt mit<br />

der Zusage des Abheilens. ‘Keine grosse Sache,<br />

keine Beeinträchtigung’. Verkäufertierarzt<br />

riet trotz Diagnose Equines Sarkoid zum Kauf,<br />

wegen guter ‘Behandlungsmöglichkeiten’.<br />

Haltung im Verkäuferstall in einer Box ca. 3m<br />

unter einer Überlandstromleitung.<br />

Ein Monat nach Kauf fi el der Tumor ab,<br />

nachdem er aufgebrochen war. Ca. zwei Monate<br />

später traten schnell in der Umgebung weitere<br />

auf, auch am Brustmuskel und am Hals,<br />

Meike Freitag mit Jim<br />

an Unterarmen und Genitale, Unterschenkel<br />

und Schenkellage. Insgesamt mehr als 40<br />

Stück verschiedener Kategorien und Grössen.<br />

April 08: mein Haustierarzt sah sich das Pferd<br />

mit Schrecken an und lehnte jede Behandlung<br />

wegen Aussichtslosigkeit ab. Ich solle das<br />

Tier nach Möglichkeit dem Verkäufer zurück<br />

geben. Konnte mich nicht trennen wegen guter<br />

Reiteigenschaften, wäre rechtlich wohl<br />

auch problematisch gewesen wegen Kenntnis.<br />

Ab jetzt zunehmend teils mandarinengrosse<br />

geschwürige, teils auch sehr harte<br />

Knoten an Schlauchtasche, Unterarm<br />

und Gurtlage. Im Sommer diese teilweise<br />

von mir abgebunden und abgerissen.<br />

Einen der mandarinengrossen Tumore, fast<br />

wie Knochen, so hart war er, vergrub ich im<br />

Sommer 08 bei Vollmond unter den Externsteinen<br />

in der Hoffnung, er würde die anderen<br />

zu sich rufen, denn bei all meinen Beobachtungen<br />

stellte ich fest, dass sie mit einander<br />

„kommunizieren“. Pfl ückte ich einen ab, so<br />

wanderte z.B. ein Nachbar in den Körper zurück,<br />

oder zumindest näher an die Stelle ran...<br />

31


32<br />

EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

Turniervorstellungen waren schwierig. Wegen<br />

der teils blutenden Warzen drohte oft die<br />

Disqualifi kation. Angeekelte Blicke von den<br />

anderen Teilnehmern, ständige Erklärungen<br />

bei den Richtern. In all der Zeit problemlos<br />

reitbar, das Allgemeinbefi nden in Ordnung,<br />

teilweise eigenes Abknabbern der Warzen.<br />

April 09 ein anderer Tierarzt verordnete<br />

Eigenvakzine und riet zur Operation. Unter<br />

Vollnarkose sollten alle! weggelasert werden.<br />

Nach intensiver<br />

Recherche<br />

entschied ich<br />

mich dagegen<br />

wg. schlechter<br />

Heilungsprognose.Daraufhin<br />

wurde ich<br />

vom Tierarzt<br />

schlimm beschimpft<br />

und<br />

als Tierquälerin<br />

bezeichnet,<br />

ich würde gegen<br />

das Tierschutzgesetz verstoßen, weil ich<br />

nötige Behandlungen verweigern würde.<br />

Die Eigenvakzine, subcutan verabreicht,<br />

ließ bei der zweiten Verabfolgung die Haut um<br />

die Einstichstelle am Hals nekrotisch werden<br />

und Jim hatte offenbar Muskelschmerzen am<br />

Hals und an der Vorhand, welche mit Lachesis<br />

C 200 schnell besser wurden. Es blieb eine<br />

Narbe ohne Fellwuchs. Keine Verbesserung<br />

der Erkrankung. “<br />

Verlauf unter der<br />

homöopathischen Therapie<br />

Obschon ich 2008 bereits seit etwa 4 Jahren<br />

einige Erfahrungen mit der Homöopathie bei<br />

der Behandlung von Meikes anderen Pferden,<br />

Vertrockneter Tumor<br />

besonders den jetzigen Stallgenossinnen von<br />

Jim, Palegro‘s Patty, einer braunen Westfalenstute<br />

sowie Pialotta, genannt Schnuppi, einer<br />

westfälischen Rappstute, welche an Sommerräude<br />

litt, gesammelt hatte, dachte ich bei Jim<br />

von Anfang an, dass hier auch andere zu Rate<br />

gezogen werden müssten und rief als erstes<br />

meinen Jagd-, Sandkasten- und Schulfreund,<br />

den Tierarzt Klaus-Peter Zingraff in Dänemark<br />

an, der an der für Pferde renommierten<br />

Uni in Hannover<br />

studiert<br />

hatte, um mich<br />

überhaupt erst<br />

einmal über<br />

das Equine<br />

Sarkoid kundig<br />

zu machen.<br />

Dieser machte<br />

mir wenig<br />

Hoffnung und<br />

verwies mich<br />

auf Websites<br />

der Universität<br />

Liverpool, welche speziell für diese Erkrankung<br />

eine erste Adresse sei. Dortiges Fazit:<br />

Keine etablierte Therapie bekannt, Spontanheilungen<br />

eher selten und von Ausnahmen abgesehen<br />

nur während der ersten vier Lebensjahre.<br />

Chirurgische Therapie eher weniger<br />

empfohlen, wegen fast obligat beobachteter,<br />

oft viel schlimmerer Rezidive. Eine crux medicorum.<br />

Im Rahmen dieser Aussagen erinnerte<br />

ich mich an zwei Fälle von Malignem Melanom<br />

aus der Epoche meiner Reinbeker<br />

Praxis. Beide Patientinnen waren Lehrerinnen.<br />

Beide Erkrankungen endeten letal.<br />

Die erste Patientin hatte ich im Oktober<br />

1992 von meinem Praxisvorgänger Wolfgang


EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

Schweitzer schon mit Melanom übernommen.<br />

Bei der ersten Untersuchung fand sich ein<br />

haselnussgroßer eher derber, aber unsuspekter<br />

Tumor in der linken Labia majora. Da<br />

ich einige Jahre zuvor an der traditionsreichen<br />

Frauenklinik Altona zum Facharzt für<br />

Frauenheilkunde avanciert war und dort sehr<br />

umfassende, besonders auch onkologische<br />

Erfahrungen sammeln konnte, welche meine<br />

Kenntnisse aus über dreihundert eigenen<br />

Sektionen während<br />

meiner<br />

Assistentenzeit<br />

in der Pathologie<br />

des Allgemeinkrankenhauses<br />

Altona<br />

abrundeten,<br />

war ich mir<br />

meiner gynäkologischen<br />

Diagnosen<br />

an sich recht<br />

sicher. Dieses<br />

Gebilde war schon länger bestehend, machte<br />

der fast achtzigjährigen Patientin keine Beschwerden<br />

und die Patientin wollte von einem<br />

so genannten „Kleinen Eingriff“, den ich<br />

vorsichtshalber empfahl, nichts wissen. Über<br />

fast vier Jahre stellte sich auch ausser einer<br />

ansatzweisen Stielbildung keine Veränderung<br />

ein. Zu meiner und der Patientin Beruhigung<br />

hielt ich das merkwürdige Gebilde schliesslich<br />

für eine thrombosierte Varize, die sich in<br />

ein Fibrogranulom umgewandelt habe. Die Patientin<br />

sah ich sehr häufi g wegen anderer altersbedingter<br />

Beschwerden und beschränkte<br />

mich auf halbjährliche Kontrolluntersuchungen<br />

ihres Genitale. Leistenbeugen waren immer<br />

frei. Eines Tages sagte mir die alte Dame<br />

(sie war tatsächlich eine virgo intacta), dass<br />

sich „da unten“ etwas verändert habe.<br />

Tatsächlich war aus der „Haselnuss“ ein<br />

knapp dattelgrosses Gebilde geworden, welches<br />

nur noch an einem knapp bleistiftdicken<br />

Stiel hing und am distalen Pol etwas erodiert<br />

war mit geringer dunkler Blutung. Die Patientin<br />

bestand nun ihrerseits darauf, dass ich das<br />

Ding nun endlich wegnehmen solle. Obwohl<br />

mir der Rosenmüller‘sche Lymphknoten in<br />

der ipsilateralen<br />

Leiste<br />

jetzt erstmalig<br />

im Seitenvergleich<br />

um<br />

einen Hauch<br />

vergrössert erschien,<br />

ahnte<br />

ich noch nichts<br />

Malignes, sondern<br />

hielt<br />

das für eine<br />

Vertrockneter Tumor<br />

entzündliche<br />

Reaktion wegen<br />

der Hauterosion. Problemlose Exzision<br />

in Lokalanästhesie. Überraschender histologischer<br />

Befund: Malignes Melanom, im Gesunden<br />

exzidiert. Nach Rücksprache mit dem<br />

befundenden Pathologen, meinem früheren<br />

Oberarzt, keine Nachresektion erforderlich.<br />

Die Patientin, eine resolute Frau, ertrug die<br />

Diagnose mit Gelassenheit. Rat des mir aus<br />

jahrelanger Zusammenarbeit freundschaftlich<br />

verbundenen Chefarzt der II. Medizinischen<br />

Haemato-Onkologischen Abteilung<br />

des Allgemeinkrankenhauses Altona: nur<br />

supportive palliative Therapie. Verlauf: trotz<br />

Mistelpräparaten und homöopathischer<br />

Arzneien geradezu explosionsartige Größenzunahme<br />

der Leistenlymphknoten und<br />

33


34<br />

EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

Exitus nach wenigen Monaten durch Pneumonie,<br />

vermutlich auf dem Boden von ebenso<br />

rasant entstandenen Lungenmetastasen.<br />

Der zweite Fall ereignete sich Jahre später<br />

und ist aufgrund des wesentlich jüngeren<br />

Lebensalters unvergleichbar tragischer, soll<br />

aber dennoch zu Lehrzwecken hier angeführt<br />

werden. Die Patientin war mir noch von vor ihrer<br />

ersten Schwangerschaft bekannt und später<br />

mit Sohn und Familie Patientin in meiner<br />

Reinbeker Praxis<br />

geworden.<br />

Wie viele andere<br />

blieb sie mir<br />

trotz meines<br />

2002 erfolgten<br />

Umzuges<br />

nach Detmold<br />

treu, was sich<br />

in regelmässigen,<br />

ganz<br />

überwiegend<br />

vorstellen, da ich solches am Telefon nicht beurteilen<br />

könne. Im Oktober stellte sie sich wegen<br />

ihres Schwangerschaftshypertonus, den<br />

sie auch in der ersten Gravidität entwickelt<br />

hatte, erneut in meiner Praxis in Detmold vor.<br />

Nach Zwischenanamnese, in welcher sie das<br />

Muttermal gar nicht von sich aus erwähnte,<br />

erfolgte wie üblich die körperliche Untersuchung:<br />

der Blutdruck war grenzwertig, wie<br />

aber erschrak ich, als ich einen auf den ersten<br />

Blick schon<br />

malignen Naevus<br />

an ihrem<br />

Bein feststellte<br />

u nd z udem<br />

mehrere eindeutig<br />

suspekt<br />

vergrösserte<br />

Leistenlymphknoten<br />

tastete.<br />

Ich hatte Mühe,<br />

die Fassung<br />

telefonischen<br />

Konsultationen<br />

Vertrockneter Tumor<br />

z u w a h r e n<br />

und das umso<br />

äusserte. Eines<br />

mehr, als sie<br />

Tages war sie nach über 10 Jahren wieder mir auf meine Frage, warum sie denn nicht,<br />

schwanger und freute sich sehr auf das zweite wie besprochen, im Sommer schon zum<br />

Kind. Im Sommer 2005 rief sie mich deshalb Hautarzt gegangen sei, antwortete, dies habe<br />

regelmässig an, nachdem sie sich im Früh- sie nicht getan, weil eine Freundin aus ihrer<br />

jahr nach Feststellung der Schwangerschaft esoterischen Gruppe, welche auch Geistheile-<br />

einmal wieder persönlich vorgestellt hatte. rin sei, ihr gesagt habe, das brauche sie nicht,<br />

In einem Telefonat bemerkte sie dann, dass da das auf keinen Fall etwas Bösartiges sei.<br />

das bekannte, grössere Muttermal an ihrem Die Schwangerschaft war intakt, der errech-<br />

linken Bein geblutet habe und grösser zu wernete Geburtstermin war im Januar. Ich erden<br />

scheine, nachdem sie vor einer Woche von klärte ihr meine andere Auffassung und riet<br />

einem Hund dorthin gebissen worden sei. Da- ihr, sich umgehend bei einem Dermatologen<br />

rauf verordnete ich ihr ein Mittel aus meiner vorzustellen, was sie strikt ablehnte. Sie be-<br />

bei derm Labor <strong>Gudjons</strong> erhältlichen Hausharrte auf ausschliesslich homöopathischer<br />

apotheke, die sie seit Jahren besass, und riet Behandlung und zwar durch mich, auch dann,<br />

ihr dringend, sie möge sich unabhängig davon wenn das nur telefonisch erfolgen könne. Mit<br />

zur Untersuchung bei einem Dermatologen „Bauchschmerzen“ traf ich meine Verordnun-


EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

gen und gab mich keinen Illusionen hin. Wie<br />

erwartet, liess sich der Progress nicht aufhalten.<br />

Die Hebamme, welche langjährig Mitglied<br />

in meinem Altonaer-Hebammen-Arbeitskreis<br />

für Homöopathie gewesen war, leitete souverän<br />

die Hausgeburt eines weiteren Sohnes<br />

und hielt mich telefonisch neben der Patientin<br />

selbst über den Gesamtzustand auch im Wochenbett<br />

auf dem Laufenden.<br />

Zurück zu Jims Fall: Wenngleich das<br />

Bild des Equinen<br />

Sarkoids<br />

nichts mit dem<br />

beim MenschenauftretendenMalignen<br />

Melanom<br />

zu tun hat, so<br />

drängten sich<br />

mir doch die<br />

ä h n l i c h e n<br />

Bilder der<br />

Tumore auf,<br />

Vertrockneter Tumor<br />

ebenso w ie<br />

einige in meinem Gedächtnis verankerten<br />

Fälle von extremem Feigwarzenbefall<br />

aus meiner Altonaer Zeit.<br />

Zunächst äusserte Meike die Hoffnung, dass<br />

die Krankheit allein durch die Entfernung von<br />

Jim aus dem Störfeld der Hochspannungsleitung<br />

sowie durch die bei ihr gegebene Offenstallhaltung<br />

vergehen werde. Etwa 95 wenn<br />

nicht 99 Prozent der Sportpferde werden in<br />

engen und oft keineswegs artgerechten Boxen<br />

gehalten, während Jim nach einigen Tagen der<br />

Eingewöhnung in einer geräumigen Box, welche<br />

in eine grosse – zum Offenstall umfunktionierte<br />

– Scheune integriert ist, verbracht<br />

hatte, zu den beiden alteingesessenen Stuten<br />

in die Freiheit entlassen wurde. Paradiesische<br />

Zustände, die nur durch die nicht gerade zim-<br />

perliche Art der Leitstute Patty, welche ihm<br />

von der Körpergrösse und Kraft hätte unterlegen<br />

sein müssen, besonders in den ersten Wochen<br />

Einschränkungen erfuhren. Bald aber<br />

war er mit Schnuppi ein Herz und eine Seele<br />

und er respektierte Pattys Dominanz. Aus dieser<br />

zum Offenstall umfunktionierten Scheune<br />

hatte Jim wie die anderen beiden freien Zutritt<br />

auf ein Paddock und von dort wiederum<br />

in einen zweiten grossen offenen Stall, alles<br />

mit Sandboden.<br />

Jim blühte<br />

auf, aber<br />

leider auch<br />

die Tumore...<br />

“Die strenge<br />

homöopathische<br />

Diät und<br />

Lebensweise<br />

heilt nicht die<br />

langwierig<br />

Kranken [...],<br />

sondern auf<br />

der arzneilichen<br />

Behandlung beruht die Hauptsache.”<br />

(Hahnemann, Op. cit. 132)<br />

Folgende Arzneien wurden Jim, neben<br />

der oben in Meikes Bericht schon erwähnten<br />

Lachesisgabe, verabreicht:<br />

20.01.08 Sulf. C 50 anschliessend bis<br />

02.02.08 Sulf. LM 18<br />

Keine Besserung, keine Veränderung<br />

03.02.08 Baci l l inum C 200<br />

08.02.08 – 29.02.08 A rs. alb. LM 4<br />

Zunahme der Tumore an Grösse und Zahl<br />

01.03.08 – 30.07.08 Thuja D 12 / Ars. alb. D<br />

6 in täglichem Wechsel<br />

Eiterungen aus Schwellungen gut auszudrücken<br />

35


36<br />

EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

0 4.0 4.0 8 – 15.01.0 9 T huja e x t e r n p a r a l le l<br />

nur Oberfl ächentrocknung<br />

10.08.08 Tarant-c. C 200<br />

Keine Besserung, keine Veränderung<br />

04.09.08 Ars. alb. M<br />

21.09.08 – 30.09.08 Thuja D 12<br />

Eiterungen, Explosionen, Gestank<br />

01.10.08 – 23.10.08 A rs. a lb. C 6<br />

trockener, reizloser<br />

24.10.08 – 01.11.08 Thuja D 18<br />

keine Veränderung<br />

01.2009 Ars. alb. C 30 für 3 Tage<br />

Entzündungen, später Blutungen, deshalb,<br />

02.02.09 – 12.03.09 Nit-ac. D 30 je 1x<br />

wöchentlich<br />

etwas trockener<br />

16.03.09 – 17.04.09 Medorrhinum D 30 je<br />

2 aufeinander folgende Tage pro Woche<br />

keine Besserung oder Veränderung<br />

05.2009 Sanguinaria canadensis unguentum<br />

extern<br />

Ein großer Polyp darunter aufgeplatzt und<br />

abgefallen<br />

01.07.09 – 22.07.09 Ars. C 30 – Merc. D 30<br />

in tgl. Wechsel<br />

Merc. wegen schmieriger Feuchtigkeit u.<br />

„mercurialischem Gestank“, keine Besserung<br />

ab 27.07.09 Nit-ac. C 30 t g l. 15 Globu l i<br />

wegen erneuter Blutungen<br />

30. 12.09<br />

viel besser, trockener, Tomore fallen ab.<br />

Fortsetzung der Therapie<br />

20.02.10<br />

im vorderen Brust- und Beinbereich<br />

vollständiger Rückzug, teils schuppig, teils<br />

blutig weggesprengt, an Schlauchtasche<br />

nach aussen wachsend, werden grösser<br />

Soweit die Aufzeichnungen von Meike.<br />

Eigener Kommentar:<br />

Vorab sei erwähnt, dass ich kein Veterinär<br />

bin und die Pferdehalter unter den Lesern<br />

bitte, von jedweden etwaigen Konsultationsanfragen<br />

abzusehen (Literaturergänzungen<br />

auf Nachfrage möglich, Kontaktaufnahme<br />

zur Zeit wegen bevorstehenden Umzuges<br />

nach Mühldorf am Inn über facebook). Die<br />

Behandlung und Verabreichung der Medikamente<br />

erfolgte eigenständig durch Jims Besitzerin,<br />

meine Reitlehrerin. Meine Beratung<br />

bei der Mittelwahl war eine kostenlose Gegenleistung<br />

für Reitgelegenheit und -unterricht.<br />

Die Schilderung der Melanomfälle sollen nur<br />

meinen eigenen Erfahrungshintergrund darstellen,<br />

der sicher auch mit dazu beigetragen<br />

hat, dass Meike, zu der Zeit als Jims Zustand<br />

am schlimmsten und sie drauf und dran war,<br />

ihn der vorgeschlagenen grossen Operation<br />

unterziehen zu lassen, sich letzten Endes<br />

doch für eine Fortsetzung der konservativen<br />

Therapie entschied. Auf gar keinen Fall soll<br />

der Eindruck entstehen, die operative Entfernung<br />

von Melanomen sei schädlich. Jeder Arzt<br />

weiss, dass es generell bei allen Malignomen<br />

aber insbesondere auch bei Melanomen und<br />

Sarkomen auf das Tumorstadium ankommt,<br />

um zu entscheiden, ob eine Operation – sei<br />

es kurativ oder palliativ – sinnvoll ist.<br />

Der zweite Fall soll unter anderem verdeutlichen,<br />

wie problematisch homöopathische<br />

Fernbehandlungen im Einzelfall sein<br />

können. Die Erwähnung der Freundin der<br />

Patientin, die sich selbst offenbar als Geistheilerin<br />

bezeichnet hat, darf ebenfalls nicht


EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

missverstanden werden. Gerade in den letzten<br />

zwei Jahren habe ich mich intensiv selbst u. a.<br />

auch durch eigene Erfahrungen mit diesem<br />

unleugbaren Phänomen und seiner unmittelbaren<br />

Bedeutung für jeden Heiler auseinandergesetzt.<br />

Schwarze Schafe gibt es jedoch<br />

überall.<br />

Zu Jims Fall hatte ich in den ersten eineinhalb<br />

Jahren überhaupt keine eigenen<br />

schriftlichen Notizen angefertigt, sondern<br />

lediglich Meike gebeten, sämtliche Arzneiverordnungen<br />

selbst zu dokumentieren, was<br />

sie dankenswerterweise getan und jetzt auch<br />

für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.<br />

Erst im August 2008 habe ich in einer<br />

Kladde, welche ich eigens zur Dokumentation<br />

von Spinnenmittel-Verordnungen und deren<br />

Verläufe im April des Jahres angelegt hatte,<br />

die Gabe von Tarant-c. C 200 notiert:<br />

12.08.2008<br />

Jim, Wallach, 4 J wegen eiternder, jauchig<br />

zerfallender equiner Sarkoide als Folgemittel<br />

nach Ars. D 6 – Thuj. D 12<br />

Tarantula cubensis C 200 trocken, vorgestern<br />

gegeben 10 Gl. ins Futter, einmalige<br />

Gabe<br />

09.09.2008<br />

hat praktisch nichts gebracht! Aber Ars. M<br />

vor etwa 10 Tagen gegeben, scheint gut zu<br />

wirken: Der Wallach stinkt aus Fell, Maul<br />

und Nüstern nach Jauche. Bin gespannt, ob<br />

die Tumore jetzt schrumpfen werden<br />

10.02.2009<br />

leider nicht alle geschrumpft, sondern neue<br />

riesige (bis knapp hühnereigrosse) Tumore,<br />

die bluten > Nit-acidum D 30 wöchentlich<br />

14.12.2009<br />

nach Dauertherapie mit Nit-ac C 30 fast alle<br />

Tumore weg, die noch da sind, trocknen<br />

augenscheinlich weiter ein.<br />

Anmerkung zu den verwendeten Potenzen,<br />

Gabengrössen und Herstellerfi rmen: Dem Leser<br />

mag die Vielfalt der LM-, C- und D-Potenzen<br />

aufgefallen sein. Das hat verschiedene<br />

Gründe. Meike stellte fest, dass am besten<br />

Globuli im morgendlichen Hafer geeignet sind<br />

und zwar ca. 10 bis 15 Globuli. So stellte ich<br />

ihr vornehmlich die Potenzen zur Verfügung,<br />

die ich vorrätig hatte. Meine <strong>Apotheke</strong> setzt<br />

sich zusammen aus eigenen Hochpotenzen,<br />

die ich selber grösstenteils noch Ende der<br />

70er Jahre beim Laboratoire Schmidt-Nagel in<br />

Genf beziehen konnte, mittelhohen Potenzen<br />

von der Firma Iso, Regensburg, und solchen<br />

von der DHU sowie den später mit der Praxis<br />

1992 von Wolfgang Schweitzer übernommenen<br />

Arzneien, die grösstenteils aus D-Potenzen<br />

von der DHU, aber auch aus LM-Potenzen<br />

von Staufen Pharma Göppingen bestehen. Ferner<br />

schaffte ich mir in den 90iger Jahren alle<br />

damals verfügbaren Arzneien in der C30 und<br />

der C200 aus dem Labor <strong>Gudjons</strong> an, die ich<br />

überwiegend verwende.<br />

Die verabfolgte Tarantula cubensis wurde,<br />

wie die meisten meiner Spinnenmittel, via<br />

<strong>Gudjons</strong> von der Firma Helios bezogen und<br />

soll aus dem ursprünglich von Böricke zubereiteten<br />

Präparat hergestellt worden sein. Wer<br />

sich für Einzelheiten der abenteuerlichen Geschichte<br />

dieses Arzneimittels interessiert, sei<br />

an K.-H. Gypser verwiesen. Jedenfalls sei hier<br />

erwähnt, dass es keine biologisch defi nierte<br />

Tarantula gibt, die „cubensis“ heisst und das<br />

so genannte Präparat seine Beziehung zu Eiterungsprozessen,<br />

nicht unähnlich jenen von<br />

37


38<br />

EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

Pyrogenium, womöglich einem Malheur auf<br />

dem Schiffstransport von Cuba in die USA und<br />

einem daraus resultierenden Fäulnisprozess<br />

in eben dieser einen Spinne resultiert. Die<br />

beobachtete Wirkungslosigkeit hat mich jedenfalls<br />

nicht verwundert. Womöglich wissen<br />

nur noch die Götter, was dem Helios-Präparat<br />

zu Grunde liegt. Die andern von Helios bezogenen<br />

Spinnenmittel, haben – und das sei<br />

hier nicht verschwiegen – bei mir durchwegs<br />

ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt.<br />

Ebensowenig soll hier verschwiegen werden,<br />

dass die offensichtlich hochwirksam gewesene<br />

Gabe von Ars. M zu gleichen Teilen aus<br />

je 3 Globuli der Firmen DHU und <strong>Gudjons</strong> bestand.<br />

Es ist, und da gehe ich einig mit dem<br />

Pragmatiker Vithoulkas, im Zweifelsfall nicht<br />

schädlich, sondern sicherer, eine Gabe aus<br />

der gleichen Potenz von mehreren Herstellern,<br />

so denn vorhanden, zu kombinieren.<br />

Die eigenwillige Dauerapplikation von<br />

Nit-ac. beruht auf ebensolchem Sicherheitsbedürfnis,<br />

dieses Mal allerdings auf Seiten<br />

Meikes, die sich bis heute davon partout nicht<br />

abbringen lässt. Jeder Mensch vertraut eben<br />

am meisten auf seine eigene Erfahrung, auch<br />

Hahnemann (Op. cit 152). Oder auch: „Bloss<br />

die Erfahrung sagt‘s, welcher ich mehr glaube,<br />

als meiner Einsicht.“ (Op. cit. 154)<br />

Diskussion<br />

Bei dieser crux medicorum stellte sich von<br />

Anfang an die Frage, wie vorzugehen sei. Da<br />

die Equinen Sarkoide schon mit dem Chemotherapeutikum<br />

Cisplatin ® behandelt und unterdrückt<br />

worden waren, begann die Therapie<br />

mit Sulfur, dem „Breitband-Antipsoricum“<br />

schlechthin, wenn ich das hier einmal so<br />

salopp ausdrücken darf.<br />

Wenn Vithoulkas behauptet (in „Medizin<br />

der Zukunft“ S. 71), bei dreifacher miasmatischer<br />

Belastung seien erst das syphilitische<br />

und sykotische Miasma zu behandeln, bevor<br />

die Antipsorika folgen sollten, so steht<br />

demgegenüber Hahnemann mit seiner eindeutigen<br />

Aussage „War jedoch der Kranke<br />

zugleich mit andern chronischen Leiden<br />

behaftet, wie gemeiniglich nach so angreifenden<br />

Kuren, als bei Feigwarzen durch die<br />

allöopathischen Ärzte geschehen, so fi ndet<br />

man oft entwickelte Psora mit Sykosis kompliziert,<br />

wenn vorher dergleichen, wie sehr oft,<br />

latent in ihm schlummerte, auch wohl, wenn<br />

üble Behandlung der venerischen Schanker-<br />

Krankheit vorausgegangen war, diese beiden<br />

Miasmen zur dreifachen Komplikation noch<br />

mit Syphilis verbunden. Da ist es nötig, zuerst<br />

dem schlimmeren Theile, nämlich der Psora<br />

mit den unten folgenden spezifi sch-antipsorischen<br />

Arzneien zu Hülfe zu kommen und<br />

dann erst für die Sykosis angezeigten Mittel<br />

zu brauchen, ehe man die gehörige Gabe des<br />

besten Quecksilber-Präparats, wie man gleich<br />

sehen wird, gegen Syphilis verordnet; worauf<br />

man dann dieselbe abwechselnde Behandlung,<br />

wo nöthig, bis zur völligen Heilung erneuert.<br />

Nur muss man jeder dieser drei Arten<br />

von Arznei gehörige Zeit lassen, ihre Wirkung<br />

zu vollenden.<br />

Bei dieser zuverlässigen Heilung der Sykosis<br />

von innen darf kein äusseres Mittel (ausser<br />

jenem Thuja-Safte in alten schlimmen Fällen)<br />

auf die Feigwarzen angebracht oder aufgelegt<br />

werden, als bloss reine trockne Charpie, wenn<br />

sie feuchtender Art sind.“ (Op. cit. 106f)<br />

Wenn man die gegebene Mittelfolge<br />

unter dem o. g. Aspekt beleuchtet, wird


EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

man feststellen, dass die Kur cum grano<br />

salis nach diesen Kautelen gelaufen ist:<br />

Sulfur, Bacillinum, Arsenik (Psora); Thuja<br />

(Sykosis); Tarantula-cubensis, Arsenik (Psora);<br />

Thuja (Sykosis); Arsenik (Psora); Thuja<br />

(Sykosis); Arsenik (Psora); Nitricum acidum,<br />

Med., (Sykosis); Arsenik (Psora); Merkur<br />

(Syphilis); Nitricum acidum (Sykosis).<br />

Von dieser theoretischen Übereinstimmung<br />

mit Hahnemanns Miasmenlehre einmal<br />

Dr. med. Conrad Frevert<br />

ganz abgesehen, wurden die Mittel nach angezeigter<br />

Symptomatik gewählt, insbesondere<br />

auch der Merkur, denn während in Jims Fall<br />

eine Beziehung zur Warzenbildung und damit<br />

zur Sykosis evident ist, so kann doch das syphilitische<br />

Miasma meiner Ansicht nach bestenfalls<br />

ex juvantibus remediae ausgemacht<br />

werden.<br />

Leider wurden zu Beginn und auf dem<br />

Höhepunkt der Erkrankung keine Fotos zur<br />

Dokumentation angefertigt. Die Schilderung<br />

der Eigentümerin erscheint mir aber deutlich<br />

genug, wenn nicht sogar deutlicher geeignet,<br />

einen realistischen Eindruck von dem Krankheitsbild<br />

zu vermitteln. Die aktuellen Fotos<br />

wurden am 07. März 2010 aufgenommen.<br />

Wenn Meike unter dem 20.02.10 vermerkt<br />

hat, daß die Tumore an den Schlauchtaschen<br />

grösser werden, so bedeutet das nicht, dass es<br />

sich um einen erneuten Schub handelt, denn<br />

die Gebilde haben jetzt einen viel gelinderen<br />

und weniger aggressiven Aspekt als vorher<br />

und sind auch nur maximal knapp walnussgross<br />

und ausserdem<br />

entspricht der Rückbildungsprozess<br />

in<br />

Hinsicht auf die Lokalisation<br />

exakt der so genannten<br />

Hering‘schen<br />

Regel. Wenn die Halterin<br />

sich doch dazu<br />

entschliessen kann, die<br />

Mittelgabe zu pausieren,<br />

so würde ich, falls<br />

es in den Wochen darauf<br />

nicht zur weiteren<br />

Abheilung kommt, dazu<br />

neigen, erneut vorsichtigen<br />

Gebrauch (Op. cit. 129) vom Sulfur,<br />

dieses Mal als Zwischenmittel (Op. cit. 147,<br />

158, 172), zu machen. Bei zu häufi gen oder<br />

zu starken Sulfurgaben bestünde die Gefahr,<br />

die Heilung dadurch wieder rückgängig zu<br />

machen (Op. cit. 129).<br />

Bereits in der ältesten homöopathischen<br />

Spezialliteratur über Pferdekrankheiten<br />

(Rückert, Ernst Ferdinand „Die Erkenntniss<br />

und Heilung der wichtigsten Krankheiten des<br />

Pferdes: nach homöopathischen Grundsätzen<br />

bearbeitet“ Meissen, 1839, 280 S) werden in<br />

der genannten Reihenfolge folgende 16 Arzneien<br />

für das Equine Sarkoid, welches hier<br />

39


40<br />

EINE GLÜCKLICH VERLAUFENE ROSSKUR<br />

unter dem Begriff „Die Warzen“ zweifelsfrei<br />

beschrieben wird, aufgeführt: Dulcamara,<br />

Sulphur, Thuja, Sepia, Arsenik, Causticum,<br />

Phosphor, Silicea, Calcarea, Bovista, Kali,<br />

Lycopodium, Natrum, Natrum muriaticum,<br />

Acidum Nitri und Petroleum – die letzten sieben<br />

Mittel davon ohne nähere Angaben zur<br />

Indikation.<br />

In dem noch aus dem Besitz meines Urgrossvaters,<br />

August Frevert, der als Gutsbesitzer<br />

des Rieperthurmhofes im Osten von<br />

Lemgo einen gewissen, über die lippischen<br />

Landesgrenzen hinausreichenden Ruf als<br />

Tierhomöopath hatte, stammenden „Illustrierten<br />

Hausthierarzt“ herausgegeben von<br />

Willmar Schwabe, dritte Aufl age, Leipzig 1873,<br />

fand ich nur einen vergleichsweise kleinen<br />

Passus über die Warzen der Pferde. Hier sind<br />

Dr. med. Conrad Frevert<br />

Barntruper Str. 30<br />

32758 Detmold<br />

nur Thuja, Nitricum acidum, Sepia, Calcarea<br />

und Sulphur angegeben<br />

Abschliessend sei bemerkt, dass jede(r)<br />

HomoeopathikerIn gut beraten ist, die Quellen<br />

unserer Kunst gründlich zu studieren und<br />

auch später nie aus den Augen zu verlieren;<br />

nicht nur, weil Hahnemann dies fordert (e.g.<br />

Op. cit. 150), sondern auch weil jede Wissenschaft,<br />

Philosophie und auch Religion (vgl.<br />

Ps 87) sich auf diese Weise entwickelt und<br />

auch nur dauerhaft weiterhin entfalten kann.<br />

Obwohl ich seit fast 30 Jahren Hahnemann‘s<br />

Chronische Krankheiten studiere, habe ich<br />

keineswegs das Gefühl, schon alles wirklich<br />

verstanden zu haben. Aber zum Trost gelte<br />

das alte japanische Sprichwort: „Wenn Du ein<br />

Buch hundert Mal liest, wirst Du es schliesslich<br />

verstehen“.<br />

Meike Freitag<br />

Barntruper Str. 61<br />

32758 Detmold


E s<br />

DIE LEBER WÄCHST NICHT IMMER MIT IHREN AUFGABEN<br />

– EIN KAMPF UM DAS LEBEN EINES PATIENTEN –<br />

ist die Geschichte, die zwischen einem<br />

Studenten der Medizin und einem Großbauern<br />

im Fränkischen begann. Der Student<br />

zog in das Dorf des Bauern in eine WG ein,<br />

zwischen Student und Großbauer entwickelte<br />

sich eine Freundschaft, durchaus mit Vorteilen<br />

für den Studenten:<br />

es gab immer<br />

was zu essen, eine<br />

Flasche Bier, erste<br />

Erfahrungen in der<br />

Veterinärmedizin,<br />

obwohl man in der<br />

Humanmedizin<br />

eingeschrieben war,<br />

Geburtshilfe und<br />

Kaiserschnitt im<br />

Kuhstall, Erfahrungen,<br />

die man nicht<br />

missen möchte.<br />

Man muss sich<br />

diesen Landwirt, ich<br />

nenne ihn jetzt mal<br />

Sepp, vorstellen als<br />

so ein richtiges „gestandenesMannsbild“.<br />

Kräftig, von<br />

robuster Natur, getreu<br />

dem Wahlspruch: Ein Mann ohne Bauch<br />

ist ein Krüppel.<br />

Bäuerliche Hausmannskost und das gute<br />

fränkische Bier forderten ihren ersten Tribut,<br />

massive Venenstauungen und Varicosis. Ich<br />

hörte damals –Anfang der 80iger Jahre – zum<br />

ersten Mal von einer „homöopathischen Leberreinigung“<br />

in Form der Mariendistel. Carduus<br />

marianus D3 half wirklich und wurde<br />

eine Zeitlang Sepps Dauermedikament, bis<br />

es irgendwann wieder in Vergessenheit geriet.<br />

DR. MED. JÜRGEN FAUST<br />

Carduus marianus<br />

Meine Zeit in dem schönen fränkischen<br />

Dorf ging dem Ende entgegen, es folgte die<br />

weite medizinische Welt. Ein loser Kontakt<br />

blieb, bis eines Tages das Telefon klingelte:<br />

„Hier ist der Sepp, Du, ich habe einen Prostatakrebs,<br />

kannst du mir helfen?“<br />

Bei der Anamnese<br />

kam ein Mittel<br />

heraus, das ich nicht<br />

erwartet hatte: Crotalus<br />

horridus. Ich<br />

sollte bald verstehen<br />

warum.<br />

Im März 1996<br />

Prostatektomie, in<br />

der postoperativen<br />

Phase kam es zur<br />

ersten Komplikation:<br />

Lungenembolie.<br />

Crotalus horridus<br />

half, schnell, unkompliziert,<br />

ohne<br />

Residuen. Es blieb<br />

nicht bei der einen<br />

Lungenembolie, es<br />

folgten 3 weitere,<br />

nach der Entlassung,<br />

zu Hause, und immer wieder rettete Crotalus<br />

horridus die Situation. Regelmäßig wurde die<br />

Diagnose Lungenembolie im Krankenhaus gestellt<br />

und jedes Mal wurde sie im Nachhinein<br />

von den Ärzten, die sie vorher gestellt hatten,<br />

wieder angezweifelt – Crotalus horridus wirkte<br />

wahre Wunder.<br />

Bis zu dem Tag im Juni 1999, Sepp wusste<br />

es schon, es war wieder eine „kleine“ Lungenembolie.<br />

Er wurde ins Kreiskrankenhaus<br />

eingeliefert – aber es gab ein Problem: Ihm<br />

41


42<br />

DIE LEBER WÄCHST NICHT IMMER MIT IHREN AUFGABEN<br />

– EIN KAMPF UM DAS LEBEN EINES PATIENTEN –<br />

war der Vorrat an Crotalus horridus ausgegangen.<br />

Er wollte nicht in dieses Krankenhaus, er<br />

hatte dort schon schlechte Erfahrungen gemacht,<br />

er wollte ins nächst größere. Aber die<br />

Sanitäter sagten, das ginge nicht. Er kam auf<br />

die Intensivstation, donnerstags. Er wird von<br />

Tag zu Tag schwächer, der Urin wird dunkler<br />

und roter, von Tag zu Tag, er selbst gelber<br />

und gelber und schwächer und schwächer. Er<br />

besteht darauf, in das andere Krankenhaus<br />

verlegt zu werden – nichts zu machen.<br />

Am Sonntag ruft mich seine Frau an, sie<br />

ist verzweifelt, sagt: „Der stirbt, was soll ich<br />

machen, das geht nicht gut, der war noch nie<br />

so schlecht beieinander. Die Medikamente<br />

bringen ihn um.“<br />

Es ist klar, es handelt sich um einen<br />

Ikterus. Die Leber ist irgendwie massiv in<br />

Mitleidenschaft gezogen. Was ist los, welche<br />

Medikamente bekommt er. Clavulansäure-<br />

Amoxcillin ® . Die Klinik war weder bereit, ihn<br />

zu verlegen, noch die Therapie zu überdenken.<br />

Ich rate seiner Frau: „Du musst ihn von<br />

dort verlegen lassen, koste es, was es wolle,<br />

drohe mit allem was dir einfällt und zur Verfügung<br />

steht.“<br />

Mir wird zunehmend klar, dass es sich um<br />

ein toxisches Lebergeschehen handeln muss,<br />

und ich rate ihr: „Gib ihm von dem Carduus<br />

marianus, davon muss er noch was zu Hause<br />

haben.“<br />

Sepp wird nach Bamberg verlegt, nicht<br />

mehr ansprechbar, mit liegender Infusion.<br />

Laborwerte bei Einlieferung: Gamma-GT<br />

1160 U/l; AP 1936 U/l; GOT 72; GPT 47.<br />

Hier gleich die erfreuliche Nachricht: Bei<br />

Entlassung zwei Wochen später: Gamma GT<br />

467; AP 939;<br />

Am Tag nach der Einlieferung ist Carduus<br />

marianus C 200 zur Stelle. Von nun an geht<br />

es steil bergauf, er erholt sich überraschend<br />

schnell.<br />

Man diagnostiziert ein „alkoholbedingtes“<br />

Leberversagen. Das ist in dem Bamberger<br />

Krankenhaus keine Seltenheit, man kennt<br />

das Bild.<br />

Sepp ist empört, seit über 10 Jahren hat er<br />

keinen Alkohol mehr getrunken. So empört,<br />

dass er sich mit einer Leberbiopsie einverstanden<br />

erklärt, um zu beweisen, dass es nicht<br />

vom Alkohol käme.<br />

Histologisches Ergebnis: Hochgradige<br />

perizentral betonte Cholestase sowie akute<br />

Cholangitis. Toxische Parenchymschädigung.<br />

Sein behandelnder Professor ist erstaunt,<br />

forscht nach, wieso es ihm, bei dieser desolaten<br />

Ausgangssituation, so schnell so viel<br />

besser ginge. Sepp ist ein Mann der offenen<br />

Worte, erklärt ihm alles und zeigt ihm auch<br />

seinen „Carduus-marianus-Schatz“ in seinem<br />

Nachtkästchen.<br />

Sein Kommentar: „Na, wenn Sie solche<br />

guten Geister auf Ihrer Seite haben, kann ich<br />

Sie ja beruhigt entlassen.“<br />

Bei der Entlassung sagt eine ältere, erfahrene<br />

Krankenschwester zu ihm: „Wo du kamst,<br />

sag ich zu meinem Kollegen, den haben wir<br />

nicht lange, der geht mit den Füßen voraus<br />

wieder naus. Dass du noch mal heimgehst,<br />

hätt ich nie gedacht.“


DIE LEBER WÄCHST NICHT IMMER MIT IHREN AUFGABEN<br />

– EIN KAMPF UM DAS LEBEN EINES PATIENTEN –<br />

Carduus marianus hat wirklich diesen<br />

toxischen Leberzerfall gestoppt und Sepp gerettet.<br />

Heute, 10 Jahre später, ist seine Leber<br />

immer noch „geschwächt“ und hält sich bei<br />

einer Gamma-GT von ca. 200. Nur ein Glas<br />

Rotwein ist für einen Anstieg auf 300 gut. Aber<br />

Sepp hat sich mit seiner Leber „arrangiert“<br />

und lebt gut, vergnügt und geht immer noch<br />

seiner täglichen Arbeit nach. Seitdem ist übrigens<br />

keine Lungenembolie mehr aufgetreten,<br />

ob das auch an Carduus marianus lag?<br />

Im Repertorium ist Carduus marianus mit<br />

knapp 1000 Rubriken vertreten. Darunter vie-<br />

le Rubriken mit Bezug zu Leber, Lunge, Varizen,<br />

Venenstau. Leberzirrhose, -degeneration,<br />

Ikterus, Cholestase, Lungenembolie. toxische<br />

Reaktionen, Alkoholismus. Es ist bekannt für<br />

die toxische Leberschädigung, allopathisch<br />

wird es u.a. bei Knollenblätterpilzvergiftung<br />

eingesetzt, allerdings in Substanzform, nicht<br />

potenziert.<br />

Carduus marianus – die Mariendistel<br />

– gehört zur Familie der Compositen<br />

– Korbblütler – Die miasmatische Zuordnung<br />

ist noch nicht erfolgt, aber das syphilitische<br />

Miasma wäre durchaus zu diskutieren.<br />

Dr. med. Jürgen Faust<br />

Friedberger Str. 73<br />

86161 Augsburg<br />

dr.j.faust@faust-praxis.de<br />

43


44<br />

W enn<br />

GLÜCKSFÄLLE<br />

BERNHARD BLOESY – APOTHEKER UND HEILPRAKTIKER<br />

man das Vergnügen hat, ein Vierteljahrhundert<br />

Homöopathie praktizieren<br />

zu dürfen, bleiben einem manche Behandlungen<br />

im Gedächtnis, die man “Glücksfälle”<br />

nennen möchte. Dabei liegt das Glück-gehabthaben<br />

sowohl auf der Seite des Patienten als<br />

auch des Behandlers.<br />

Beginnen wir mit dem 4-jährigen Tobias.<br />

Nach einigen Tagen des Kränkelns entwickelte<br />

der Junge zum Wochenende hohes Fieber,<br />

Bauchschmerzen, Husten und große Schlaffheit.<br />

Eine Gabe Lycopodium änderte nichts.<br />

Am Sonntagmorgen wirkte das Kind bedrohlich<br />

krank. Diagnose: Blinddarmentzündung.<br />

Das Kind wurde einem erfahrenen Pädiater<br />

vorgestellt, der die Diagnose bestätigte und<br />

die Einweisung ins Krankenhaus empfahl. Auf<br />

dem Wege dorthin holte ich in der Praxis ein<br />

Kügelchen Bryonia CM und verabreichte es<br />

sofort. Da im Krankenhaus der Chirurg in<br />

einer Operation war, mussten wir circa 2 h<br />

warten. Bei der vom Operateur dann vorgenommenen<br />

körperlichen Untersuchung war<br />

der Bauch weich und unempfi ndlich gegen<br />

Druck. Aufgrund der genauen Beschreibung<br />

des bisherigen Ablaufes der Erkrankung durfte<br />

das Kind wieder mit nach Hause genommen<br />

werden, um dort überwacht zu werden. Zu<br />

Hause erhielt es zum Abschluss (zur Behandlung<br />

der Psora), eine Gabe Sulfur C200. Tobias<br />

reagierte mit schlagartigem Erblassen und<br />

einem mehrminütigen Schwächeanfall. Dann<br />

stand er auf und wollte spielen und essen.<br />

Der Junge blieb fi eberfrei. Körperliche<br />

Untersuchung und Ultraschall blieben befundfrei.<br />

Zum damaligen Zeitpunkt arbeitete ich<br />

über Hahnemanns Miasmen. Heute würde ich<br />

dem Jungen die Gabe Sulfur nicht mehr geben.<br />

Ebenfalls während dieser miasmatischen<br />

Phase kam ein Journalist zu mir in Behandlung,<br />

der nach einem grippalen Infekt Ausfl uss<br />

aus beiden Ohren entwickelt hatte. Nach der<br />

Erinnerung des Patienten waren im Abstrich<br />

Staphylococcus aureus und Enterokokken<br />

gefunden worden; der Geruch nach Jauche<br />

ließ jedoch noch mehr vermuten. Aufgrund<br />

eines Unfalles war das Hörvermögen quasi auf<br />

ein Ohr beschränkt. Daher hatte der Patient<br />

große Angst um sein Resthörvermögen.<br />

Mangels umfangreicher Symptomatik<br />

überlegte ich wie folgt: Ein Sinnesorgan ist<br />

bedroht, eine stinkende Absonderung ist vorhanden<br />

und es ist Juckreiz da: Also Psora und<br />

Syphilis. Da ich bei Hering fand:“ Ohrenfl uß:<br />

stinkend, jauchig; eitrig;“, entschied ich mich,<br />

Nitricum acidum zu geben. Für die Nicht-Miasmatiker:<br />

Nit-ac. ist zutiefst dreimiasmatisch.<br />

Eine Woche nach der Konsultation meldete<br />

sich der Patient telefonisch und teilte<br />

mit, dass drei Tage nach der Mittelgabe die<br />

Beschwerden quasi verschwunden seien. Per<br />

Post erhielt er noch eine Gabe Nitricum acidum<br />

XM. Dann meldete er sich nicht mehr.<br />

Acht Jahre später rief ich ihn an. In den<br />

folgenden Jahren hat er nie wieder störende<br />

Anfälle einer solchen Ohrinfektion gehabt.<br />

Falls Beschwerden auftraten, waren diese geringfügig<br />

und vergingen von allein. Er selbst<br />

empfi ndet sich „quasi als geheilt.“<br />

Im November 2006 kommt eine Patientin<br />

wegen Haarausfalls zu mir. Im Juni 2005 ist<br />

ihr wegen Krebs der Magen entfernt worden.<br />

Im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes<br />

hat sie sich eine MRSA-Infektion zugezogen,<br />

die in Abstrichen aus Mund und Nase regelmäßig<br />

bestätigt wird. Weiterhin besteht ein<br />

Fluor vaginalis. Im Verlaufe der Behandlung


mit wechselnden Mitteln wird der Haarausfall<br />

stabilisiert beziehungsweise leicht verbessert,<br />

der Ausfl uss verschwindet und -nach einem<br />

Jahr der Behandlung mit wechselnden Mitteln-<br />

ist der Abstrich der oberen Atmungswege<br />

negativ. Im Mai 2008 beendet die Patienten<br />

die Behandlung. Kontrollanrufe bis zum März<br />

2009 bestätigen, dass MRSA in wiederholten<br />

Abstrichen nicht mehr nachweisbar war bei<br />

Symptomenfreiheit.<br />

Abschließend noch 2 Erlebnisse aus meiner<br />

<strong>Apotheke</strong>nzeit, die dazu beitrugen, Homöopathie<br />

für eine wirksame Therapieform<br />

zu halten und dann gründlich zu erlernen.<br />

Mein Wissen beschränkte sich zu der Zeit<br />

auf sogenannte „klinische Homöopathie“<br />

und dementsprechend auch auf viele Causa-<br />

Indikationen.<br />

Eine Kundin betrat die <strong>Apotheke</strong> und<br />

kaufte ein Schmerzmittel. Während sie die<br />

<strong>Apotheke</strong> verließ, begann sie zu weinen. Ich<br />

lief hinterher und fragte, was los sei. Sie<br />

erzählte, dass sie seit einer Zahnextraktion<br />

vor drei Wochen ununterbrochen Schmerzen<br />

habe. Der Zahnarzt habe zweimal geröntgt,<br />

aber nichts gesehen. Daraufhin dachte ich folgendes:<br />

keine Schwellung, keine Blutung, kein<br />

Hämatom, aber vielleicht Verletzung von Nerven<br />

und Knochenhaut. Also gebe ich Hypericum.<br />

Ich erklärte der Kundin, dass sie es doch<br />

vielleicht einmal mit einem homöopathischen<br />

Arzneimittel versuchen möge und erläuterte<br />

ihr meinen Gedankengang. Einige Tage später<br />

kam sie in die <strong>Apotheke</strong>, sperrte den Mund<br />

weit auf, steckte den Zeigefi nger hinein und<br />

deutete unter Produktion der entsprechenden<br />

Laute auf ihren Kiefer. Ein elfenbeinfarbiges<br />

Knochenstückchen war sichtbar. Sie war auf<br />

dem Wege zum Zahnarzt, damit dieser den<br />

Abriss entfernen möge. Eine Woche später war<br />

der gesamte Spuk ausgestanden.<br />

GLÜCKSFÄLLE<br />

In Berlin können Winter zuweilen lausig<br />

kalt sein. Zu Beginn eines solchen -10° Winters<br />

kam eine ältere Frau in die <strong>Apotheke</strong> und<br />

kaufte Salbe gegen Frostbeulen. Schnell entwickelte<br />

sich ein Gespräch, in dem sie von ihren<br />

“grauslich prickelnden Zehen” berichtete,<br />

die als Erinnerung an mehrere Frostbeulen<br />

zurückgeblieben waren: Sie war Marktfrau.<br />

Dieses Leiden bestand mehr als 25 Jahre und<br />

machte sich immer bemerkbar, wenn die<br />

Temperaturen den Gefrierpunkt erreichten.<br />

Also sagte sich der causa-fi xierte <strong>Apotheke</strong>r:<br />

“Kribbeln und Frostbeulen, das ist Agaricus”.<br />

Jahre später kam dieselbe Frau in die <strong>Apotheke</strong>,<br />

legte eine Büchse Agaricus D30 auf den<br />

Laden-Tisch und verlangte Ersatz. Jeweils zu<br />

Beginn der kalten Jahreszeit und Einsetzen<br />

der Beschwerden hatte sie eine Tablette Agaricus<br />

D30 genommen und war dadurch quasi<br />

beschwerdefrei durch den Winter gekommen.<br />

Keiner der hier als “Glücksfall” beschriebenen<br />

Vorgänge ist modellhaft, geschweige<br />

denn vorbildlich oder didaktisch besonders<br />

wertvoll. In jedem Falle wurde mit sehr geringen<br />

Daten versucht, ein homöopathisches<br />

Arzneimittel einzusetzen. Dennoch gelang es<br />

in jedem Fall, die Situation der jeweils Betroffenen<br />

deutlich zu verbessern. Aus diesem<br />

Grunde stellt jeder der genannten Fälle einen<br />

Glücksfall dar: für den Patienten und für den<br />

Behandler, der trotz unzureichender Informationen<br />

etwas ausrichten durfte.<br />

Bernhard Bloesy<br />

<strong>Apotheke</strong>r u. Heilpraktiker<br />

Peschkestr. 14<br />

12161 Berlin<br />

45

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