Auf den Spuren des Ritz und Kurt Brenners - EPIDAURIS wünscht ...
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„Hier hatte ich das Haus gefun<strong>den</strong>, das meinen<br />
Vorstellungen entsprach.“<br />
Unter <strong>Ritz</strong> schossen die Grandhotels wie Pilze<br />
aus dem Bo<strong>den</strong>. <strong>Ritz</strong> war es, der die Geschichte vom<br />
Kellner zum erfolgreichen Hoteldirektor geschrieben<br />
hat. Auch im deutschen Nobelkurort Ba<strong>den</strong>-<br />
Ba<strong>den</strong> kaufte der zwischenzeitlich mehrfache<br />
Hoteldirektor 1888–89 das Restaurant de la<br />
Conversation (heute das Kurhaus Ba<strong>den</strong>-Ba<strong>den</strong>) <strong>und</strong><br />
das kleine Hotel Minerva. In ersterem soll er das<br />
elektrische Licht eingeführt haben. Vermutlich wählte<br />
der Deutsche Kaiser das Hotel Messmer, als<br />
geeigneten Standort, um sich vom Balkon erhaben<br />
über <strong>den</strong> Kurpark, <strong>den</strong> Musikpavillon, die<br />
Kolonna<strong>den</strong> majestätisch dem Volke zu zeigen. Da<br />
es sich für die feine Gesellschaft schickte, dort zu<br />
weilen, wo der Kaiser kurte, reizte <strong>Ritz</strong> Ba<strong>den</strong>-Ba<strong>den</strong><br />
sehr. Überliefert ist seine Einschätzung auf eine<br />
wahre Goldgrube gestoßen zu sein.<br />
Mit Eröffnung <strong>des</strong> Hotel Carlton in London<br />
begann 1889 die Ära der Grandhotels.<br />
<strong>Kurt</strong> Brenner kaufte das Hotel Minerva von <strong>Ritz</strong>.<br />
24<br />
<strong>Auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Spuren</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Ritz</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Kurt</strong> <strong>Brenners</strong><br />
Arbeiten im Vier-Jahreszeiten<br />
unter dem Jahrh<strong>und</strong>ertkoch<br />
Walterspiel<br />
Die erste Erinnerung <strong>des</strong><br />
Walter Putz an dieses Haus ist die<br />
folgende Bemerkung: „Ich bin<br />
Alfred Walterspiel, <strong>und</strong> das ist<br />
mein Bruder Otto.“ Oberkellner<br />
Schädelbauer amüsierte mit Anekdoten<br />
über <strong>den</strong> Meister der Köche.<br />
Und wie dieser <strong>den</strong> Mittagstisch<br />
einnahm? Putz lacht: „So wie alle<br />
Fachleute der Gastronomie.“ Zwischen halb eins <strong>und</strong><br />
halb zwei wartete im Märchenzimmer auf dem<br />
Rechaud der ganz gewöhnliche Mittagstisch auf <strong>den</strong><br />
Meister. Dort besprach er seine Zutaten. <strong>Auf</strong> hochwertigen<br />
Materialeinkauf wurde größter Wert<br />
gelegt. Auch die Briefwechsel von Putz mit dem ältesten<br />
Sohn Klaus Walterspiel, einem Anwalt mit<br />
Spezialisierung auf Gastronomie, zählen zur übergebenen<br />
Schenkung Putz. <strong>Auf</strong> die für ihn charakteristische<br />
Weise stellte Putz dort seine Fragen zu<br />
gastrophilen Themen, <strong>und</strong> zwar immer an die<br />
Adressen, von <strong>den</strong>en die kompetentesten Antworten<br />
zu erwarten waren.<br />
Spiel - Heilquellen - Pferderennen -<br />
Kurstadtidyll<br />
1952 stand Walter Putz vor der Entscheidung<br />
München oder Ba<strong>den</strong>-Ba<strong>den</strong>. Seine Wahl fiel auf<br />
Ba<strong>den</strong>-Ba<strong>den</strong> <strong>und</strong> das Brenner’s: „Hier hatte ich das<br />
Haus gefun<strong>den</strong>, das meinen Vorstellungen entsprach“,<br />
begründet er seine Wahl.
Putz erinnert sich an seine Zeit im Seehotel<br />
Konstanz, damals teilten sich fünf Commis ein<br />
Zimmer, doch sei man dankbar gewesen, eine<br />
Anstellung zu fin<strong>den</strong>.<br />
Wie die Perlen eines Colliers reihen sich in der<br />
Lebensgeschichte <strong>des</strong> Oberkellners Walter Putz die<br />
hochkarätigen Adressen <strong>und</strong> Spitzenhäuser auf, in<br />
<strong>den</strong>en er arbeitete.<br />
In der Sommersaison 1952 traf Walter Putz im<br />
Nobelkurort, der noch im <strong>Auf</strong>bau befindlich war, ein<br />
– glücklich <strong>und</strong> sehr zufrie<strong>den</strong>: „Endlich ein festes<br />
Dach über dem Kopf gefun<strong>den</strong> zu haben. Sie müssen<br />
wissen, Essen, das Ruhrgebiet war alles noch im<br />
<strong>Auf</strong>bau begriffen, ich sah so viele zerbombte Städte,<br />
selbst in München hauste ich noch unter verheeren<strong>den</strong><br />
Umstän<strong>den</strong>.“<br />
Schwärmerisch berichtet Putz über die vielen<br />
Kerzen, welche Schüler aufgestellt hatten, <strong>und</strong> die<br />
der Alleebeleuchtung, ein besonderes Flair verliehen.<br />
In <strong>den</strong> warmen Sommernächten wandelte hier<br />
Tout Ba<strong>den</strong>.<br />
Und Putz erinnert sich weiter:<br />
„Da war das kleine Stephanie (Alfred Brenner) ein<br />
kleines Hotel, das fast wie ein Privathaus geführt<br />
wer<strong>den</strong> konnte. Unten die Küche, oben zwei Berliner<br />
Kellner, sie schrieben auch die Menükarten.<br />
Manchmal nannten wir es liebevoll Puppenstube –<br />
klein, doch sehr fein.<br />
Im Winter 1964 habe er dort ausgeholfen, als das<br />
Dach <strong>des</strong> Brenner’s neu mit Schiefer eingedeckt<br />
wurde. Manche Gäste, die einmal dort gewesen<br />
waren, bevorzugten die Puppenstube, auch als das<br />
große Haus neu eingedeckt war.<br />
Die 50-er <strong>und</strong> 60-er Jahre waren besondere Zeiten<br />
in der Geschichte der Grandhotels. Einer von vielen<br />
treuen Gästen war Konsul Hilger aus Düsseldorf mit<br />
seiner Familie. Für fünf Personen wurde mit feinstem<br />
Porzellan ein Tisch eingedeckt, gefeiert wurde<br />
50 Jahre Hotelbesuch. Putz mit zwei Commis servierte<br />
Köstlichkeiten. Es waren angenehme, stilvolle<br />
Gäste. Nach dem Tod <strong>des</strong> Konsuls kamen <strong>des</strong>sen<br />
Söhne regelmäßig zur Rennwoche <strong>und</strong> erinnerten sich<br />
gern der frohen Kindertage im Brenner’s.<br />
Als Etagenkellner hatte Walter Putz eine Art<br />
Spickzettel, der ihm half, die persönlichen Wünsche<br />
seiner Gäste gewissenhaft zu erfüllen. Kleine<br />
Notizen über besondere Vorlieben, bestimmte<br />
Frühstücks- oder Abendwünsche vermerkte er für<br />
kommende <strong>Auf</strong>enthalte. Der Gast betrat die Suite<br />
<strong>und</strong> fand vor, was er zu erwarten gewohnt war. Mit<br />
<strong>den</strong> Zimmermädchen ging Oberkellner Putz die<br />
Zimmer durch. Dass reichlich für Mineralwasser gesorgt<br />
war <strong>und</strong> stets frisches Obst nachgefüllt wurde,<br />
gehörte zu <strong>den</strong> Selbstverständlichkeiten.<br />
Es waren die Zeiten, in welchen Putz zum aktiven<br />
Sammler wurde. Das Haus bot ihm nach seinem<br />
Geschmack die Rahmenbedingung für ein zufrie<strong>den</strong>es<br />
Arbeitsklima. Noch heute erinnert er sich an die<br />
Gaumenfreu<strong>den</strong>, die ihm die feinen Roula<strong>den</strong> der<br />
Angestellten-Mamsell bereiteten. Rühren hierher<br />
vielleicht die Anfänge seiner gastrophilen Neigung?<br />
Sorgten die einmaligen Roula<strong>den</strong> für sein leibliches<br />
Wohl, so kam die geistige Nahrung wohl eher<br />
von Brillat-Savarin, Vaerst, Eugen Baron Die Lehre<br />
von <strong>den</strong> Freude der Tafel, von François le Goullan,<br />
Küchenmeister der Herzogin Anna Amalia; mit seinen<br />
Historische Tafelrun<strong>den</strong>, (welche auch Goethe<br />
zitiert), ebenso Zenkers Geheimnisse über Anordnung,<br />
Gastmahle Picknicks, Teezirkeln <strong>und</strong> Tranchierkunst<br />
(Wien 1827) sind nicht zu vergessen.<br />
An dieser Stelle bietet sich vielleicht bietet sich<br />
vielleicht ein kleiner Exkurs an:<br />
Welche Schätze enthält die Sammlung<br />
Putz? Hier nur einige Werke aus der immensen<br />
Bibliothek.<br />
Schloss Favorite<br />
Was <strong>den</strong> Zenker anbelangt, so freut sich Putz<br />
besonders: „Ich habe alle acht Bände, ganz köstliche<br />
Anregungen.“<br />
Gehörten Teestun<strong>den</strong> mit Kuchenbuffet <strong>und</strong><br />
Kleingebäck der Vergangenheit an, so kam nun die<br />
Zeit der Picknicks. Als Ausflugsziele der näheren<br />
Umgebung empfahl Putz das Karlsruher Schloss, das<br />
Rastatter Schloss <strong>und</strong> Schloss Favorite mit <strong>den</strong><br />
gepflegten Parkanlagen.<br />
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Rastatter Schloss<br />
Machten Gäste mit Chauffeur Ausflüge, so sorgte<br />
Putz für feinste Lunchtüten mit Sandwiches, Obst<br />
<strong>und</strong> Leckereien für unterwegs.<br />
„Das Futter, was ich heute mitnehme“, schmunzelt<br />
Putz, der niemals kochen lernen wird, „das verfeinere<br />
ich, damit ich essen kann.“ Dann kommen die<br />
Erinnerungen an seinen Austausch mit dem<br />
Chefkoch Klinger. Der Entremetier, welcher das<br />
Gemüse so meisterlich zuzubereiten verstand. Laut<br />
Walterspiel kann diese Arbeit in der Brigade nicht<br />
hoch genug geschätzt wer<strong>den</strong>, ist doch der<br />
Entremetier auch zuständig für das mit Kennerschaft<br />
besorgte Zubereiten der marmite, Basis-<br />
Voraussetzung <strong>des</strong> kulinarischen Erfolgs.<br />
Nachtrag – Erinnerungen an <strong>den</strong> Austausch<br />
mit <strong>den</strong> Chefköchen – welcher Chefkoch erinnert<br />
woran?<br />
Nichts mehr lesen oder hören will er hingegen<br />
von seiner Vorliebe für die Austernzucht: Genau<br />
genommen gilt seine Vorliebe der Biologie der<br />
Schalen – <strong>und</strong> <strong>den</strong> Krustentieren, <strong>den</strong> crustacés. Die<br />
Frage <strong>des</strong> Klingers: „Warum die Nordseegarnele<br />
Krabbe heißt,“ war der Auslöser für die Forschungen<br />
<strong>des</strong> Putz über Seetiere. Putz berichtet: „Als ich dann<br />
in einem Spiegelartikel in <strong>den</strong> 80-er Jahren über<br />
Austernzucht in Schleswig Holstein las, komme ich<br />
auf die Spritzidee, meine Fragen an das Institut für<br />
Küstenfischerei in Hamburg zu richten.“ Dort antwortete<br />
ihm Dr. Meixner, im Laufe der Zeit entstand<br />
eine ganze Mappe voller Briefwechsel über Seetiere.<br />
Gastmähler <strong>und</strong> Bankette, stets stand das<br />
Gespräch im Vordergr<strong>und</strong>, der Oberkellner hatte<br />
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diszipliniert <strong>und</strong> diskret seinen Dienst zu verrichten.<br />
Individuelle Wünsche wur<strong>den</strong> umgehend erfüllt: „Ja,<br />
die Eissockel <strong>und</strong> dann die beleuchtete Kaviarkugel,“<br />
noch mehr faszinierten ihn die Kunstwerke der<br />
Zuckerbäcker <strong>und</strong> Pâtissiers.<br />
Der Oberkellner erlebte vor Banketten die diffizile<br />
Fragestellung der Sitzordnung. Da das Auswärtige<br />
Amt über Erfahrung mit Banketten verfügte,<br />
versprach er sich dort fachk<strong>und</strong>ige Antwort. Vom<br />
Protokollchef <strong>des</strong> Auswärtigen Amtes erhielt Putz<br />
1985 ein 26 Seiten umfassen<strong>des</strong> Antwortschreiben.<br />
Walter Putz, der Sammler, der aus der Praxis<br />
kommt. Putz muss heute noch immer je<strong>den</strong> Euro<br />
umdrehen. Sein schlichtes Frühstück besteht aus<br />
„Eine halbe Banane, eine Dattel, eine Schnitte Brot<br />
mit Konfitüre“. Seine beschei<strong>den</strong>e Mansarde hält er<br />
selbst in Ordnung. Zum Abendbrot genügen ihm<br />
zwei Scheiben Brot.<br />
Gerne würde er sich <strong>den</strong> Besuch von Konzerten<br />
erlauben, <strong>den</strong>n er liebt die Musik, jedoch gibt das<br />
schmale Budget dafür meist nichts her. Mit dem ihm<br />
eigenen Ordnungssinn <strong>und</strong> der Gewissenhaftigkeit,<br />
die ihn auszeichnet, verlässt er die Wohnung stets so<br />
geordnet, als sei er nicht sicher, noch einmal dorthin<br />
zurückzukehren.<br />
Sein Rat ist: „Nehmen Sie stets Maß an der Ersten<br />
Klasse.“ Man <strong>den</strong>kt unwillkürlich an Oscar Wilde:<br />
„Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Stets nur<br />
das Beste.“<br />
Diesen beschei<strong>den</strong>en Walter Putz fragt man, ob er<br />
wisse, dass der Verkauf eines einzigen Exemplares<br />
seines Platina de Cremona von 1475 aus der<br />
Sammlung Harry Schraemli ihm bereits ein kleines<br />
Vermögen bescheren würde. „Vortrefflich, was dieser<br />
damals geschrieben hat, das gilt noch heute.“ Im<br />
Gespräch wird einem bewusst, mit welch wachem<br />
Senior die Unterhaltung geführt wird. Fast ein<br />
lebendiges Lexikon, ein lebendiger Katalog: „Nein,<br />
ich würde mich niemals auch nur von einem Stück<br />
trennen, da würde ich mich fühlen, als habe man mir<br />
einen Finger abgeschnitten.“ Putz kennt seine<br />
Bücher <strong>und</strong> die Inhalte. Lernt man ihn kennen, so<br />
begreift man, dass er seine Schenkung als Ganzes –<br />
in toto – übergeben wollte. Weiterhin trainiert er<br />
seinen wachen Geist: „Wissen Sie, ich bin glücklich,<br />
dass ich bei meinen Spaziergängen stets neue<br />
Gedichte auswendig lerne.“<br />
Dass er dieses Glück im Herzen trage, <strong>wünscht</strong><br />
man dem altruistischen Schenker, der so gar kein eitles<br />
<strong>Auf</strong>hebens macht um seine großen Schätze. �