Zur Biologie und Ökologie des Feldhasen - Deutsche Wildtier Stiftung
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verrechnet. Dabei ordnen HARTL et al. (1993) die 18 Stichproben nicht analog zu den beiden anderen<br />
Studien einer geographischen Gruppe zu, sondern stellen die genetischen Beziehungen der einzelnen<br />
Stichproben zueinander dar. Für die Verteilung der Haplotypen ergibt sich damit ein völlig anderes<br />
Bild, doch clustern zumin<strong>des</strong>t die beiden Populationen Gralla <strong>und</strong> Fussach. Demgegenüber gruppieren<br />
sich einzelne Kollektive aus Ostösterreich näher zusammen. Dennoch gehen die die Autoren davon<br />
aus, dass die Variation der untersuchten biochemisch-genetischen wie auch der morphometrischen<br />
Merkmale keine eindeutige Beziehung zu der Variation der Haplotypen der mtDNA zeigt.<br />
HARTL et al. (1993) vergleichen weiterhin seltene Isoenzymvarianten mit seltenen mtDNA-<br />
Haplotypen. Danach vermuten HARTL et al. (1993) entlang <strong>des</strong> Donautals eine Hauptstrecke für<br />
Immigration <strong>und</strong> Genfluss. Dazu ist wichtig, zu wissen, dass mtDNA-Haplotypen auch beim Hasen<br />
sehr wahrscheinlich maternal vererbt werden (s.u.). Trifft die Annahme maternaler Vererbung zu,<br />
können aus der Verteilung von Haplotypen duchaus Rückschlüsse auf Migrationsbewegungen<br />
gezogen werden. HARTL et al. (1993) betonen, dass zwar einerseits ihre Stichproben nicht ausreichen,<br />
um den Genpool <strong>des</strong> Hasen in Österreich repräsentativ zu erfassen, andererseits je<strong>des</strong> der drei<br />
Markersysteme (Isoenzyme, Morphometrie, RFLPs) auf räumliche Differenzierungs- <strong>und</strong><br />
Migrationsmuster hinweist.<br />
Diese Untersuchungen stellen ein interessantes Beispiel dafür dar, dass ein Vergleich völlig<br />
verschiedener Markersysteme, beobachtet an denselben Individuen, ein Erkenntnispotential in sich<br />
birgt, welches bislang in der <strong>Wildtier</strong>genetik wie auch allgemein in der Populationsgenetik aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>des</strong> höheren Arbeitsaufwan<strong>des</strong> kaum genutzt wurde. Erst durch den Vergleich <strong>und</strong> die<br />
Zusammenschau von Häufigkeitsverteilungen verschieden vererbter Genmarker lassen sich<br />
Variations-, Differenzierungs- <strong>und</strong> Migrationsmuster in sich schlüssig ableiten <strong>und</strong> helfen damit, die<br />
vielfach eher spekulativen Einschätzungen zum genetischen Zustan<strong>des</strong> einer Tierart abzusichern (s.u.).<br />
Das Gesamtergebnis aller drei Studien deutet nach Ansicht von HARTL et al. (1993) zumin<strong>des</strong>t darauf<br />
hin, dass eine beträchtliche Immigration aus benachbarten Ländern in den Süden <strong>und</strong> Osten<br />
Österreichs bestehen kann. Gleichzeitig geben die Autoren zu bedenken, dass trotz signifikanter<br />
Unterschiede bezüglich <strong>des</strong> aktuellen Heterozygotenanteils zwischen einzelnen Stichproben innerhalb<br />
von Hasenpopulationen innerhalb eines Lan<strong>des</strong> wie Österreich zu einem erheblichen Anteil aus<br />
panmiktischen Strukturen bestehen sollten.<br />
Mit dem Modell der Panmixie wird in der Populationsgenetik ein Referenzzustand umschrieben, aus<br />
dem unmittelbar folgt, dass sich über die Generationen hinweg innerhalb einer Population ihre<br />
genetischen Strukturen nicht mehr verändern. Dieser Zustand stellt sich nur unter einer Fülle von<br />
Annahmen, wie beispielsweise einer unendlichen Populationsgröße oder der Abwesenheit von<br />
Selektion, ein <strong>und</strong> bleibt <strong>des</strong>wegen eine Erwartungsgröße (Hardy-Weinberg-Struktur), mit der jedoch<br />
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