Z-PLAN. Ein Kampf im Licht der Schwarzen Sonne

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Z-PLAN bare Ferne gerichtet: "So sprach die Seherin, die Wöluspa. Ist das nicht schön?" Ihre Frage erwartete keine Antwort, sie fügte an: "Und es verkündet den Aufgang einer neuen Zeit, auf die Menschen wie ich mit Sehnsucht warten und nach Kräften dafür kämpfen, ihr den Weg zu bereiten." Vera Jörgens' Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück, auf ihren Lippen lag ein ernstes Lächeln: "Die Seherin ließ sich ganz bestimmt auch nicht die Haare schneiden, denn die langen Haare sind die Würde der Frau. die sich ihrer selbst bewußt ist!" Vera Jörgens' Lächeln verstärkte sich, blieb jedoch ernst: "Finden Sie es nichts verrückt, daß eine Frau lieber sterben würde, als ihre Haare schneiden zu lassen? Denn das ist mein Ernst! Eher würde ich sterben!" Lukowsky konnte sie sehr gut verstehen, denn die schöne Vera - Dulcinea - wäre anders als gar nicht vorstellbar gewesen. Er sagte: „Ich finde es wunderbar. So empfindet eine wirkliche Frau, eine, die Stolz hat!“ Er las in ihren Augen, daß seine Worte ihr nahegingen – und daß sie zum Sterben ein ganz eigenes Verhältnis hatte. Ihr Blick drang tief in ihn hinein. Lukowsky sagte gefühlvoller als es klingen sollte: „Ich finde es wunderschön, daß Sie so sind wie Sie sind.“ Ein Hauch von Freude, ganz tief aus dem Inneren, trat plötzlich auf das schöne Gesicht der jungen Frau, kaum erkennbar und doch deutlich wahrzunehmen – wie ein mildes Strahlen. Nach einer halben Minute des Schweigens begann sie zu erzählen: „Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich als Mädchen um meine Haare kämpfen mußte! Ich hatte schon als Kind schreckliche Angst davor, daß mir die Haare geschnitten werden könnten, ich glaubte, es würde dann mein Blut herausfließen und ich müßte sterben. Die Mutter wollte sie mir oft schneiden lassen. Nicht kurz, aber auf Rückenmitte. Sie meinte, dann könnte ich sie offen tragen, und vor allem wäre die Pflege einfacher. Dann habe ich mich jedesmal hinter meinen Vater geklemmt, und der hat mich immer zuverlässig gerettet. Er hat gesagt: Das klassische Frauenbild braucht hüftlange Haare! Die meinen waren damals noch deutlich länger, sie reichten bis auf die Oberschenkel. Es gab regelrechte Verhandlungen deswegen. Schließlich wurde entschieden, daß ich eine gute Hüftlänge behalten sollte, aber nicht mehr. Damit war ich einverstanden, denn mein Vater sagte, dies sei das ideale Maß. Aber da starb mein Vater. Das war sehr schlimm für mich. Nur ihn hatte ich wirklich lieb, und er war der einzige Mensch, der mich wirklich liebte. Die Mutter zwang mich, mir die Haare schneiden zu lassen. Aber Sie versprach, nur ein Stück, genau bis an die Hüften, damit würde ja auch der Vater einverstanden gewesen sein. Er hatte sogar in sein Testament geschrieben, seine Tochter Vera Heidrun ( 65 )

Z-PLAN Jörgens - ich - solle immer hüftlange Haare haben. So wichtig ist ihm das gewesen! Meine Mähne war damals tatsächlich um etliches länger, also sträubte ich mich nicht. Die Mutter schleppte mich zu ihrem Friseur. Die Atmosphäre dort war abscheulich. Ich mußte meinen Zopf aufmachen und mich gerade hinstellen. Eine Friseuse kämmte mir die Haare glatt und machte sie dann mit einem Kamm naß. Die Mutter stand neben mir. Später erinnerte ich mich, ihre Handbewegung im Spiegel gesehen, aber nicht verstanden zu haben. Ich vertraute ihr ja. Sie hatte auf meinen Rücken gezeigt und ließ mir fast die Hälfte meiner Haare abschneiden. Sie reichten dann nicht einmal mehr bis zur Taille. Mein Herz raste, wie ich das Knirschen der Schere in meinen Haaren spürte. Ich zitterte am ganzen Leibe. Und dann – ich schrie in einem unbeschreiblichen Schmerz. Ich hatte das Gefühl, riesige Mengen unsichtbaren Blutes flössen aus mir heraus: Seelenblut! Es war schrecklich. Dann sah ich so viel von meinen Haaren auf dem Boden liegen – so viel von mir! Ich geriet in Panik. Ich entriß der Friseuse die Schere und stach auf sie ein, daß sie überall blutete. Ich raste, ich wußte nichts mehr, nur noch: Schmerz! Schmerz! Schmerz! Ein Entsetzen, von dem ich mich nie wieder ganz erholt habe.“ Ihre Augen glühten vor rasendem Zorn, ihre Stimme bebte, ohne sich dabei zu heben: „Ich haßte meine Mutter dafür, ich habe es ihr niemals verziehen. Sie tat das nicht bloß gegen mich, sondern auch gegen den verstorbenen Vater, der genau das nie gewollt hätte. Dabei weiß ich durchaus, daß es gar nicht schlecht aussah. Meine Haare reichten immer noch bis an die Ellenbogen, und ich konnte mit offener Mähne gehen. Das hat vielen sehr gut gefallen. Ich bin aber entschlossen, meine Haare immer lang bis an die Hüften zu haben, genau so, wie es meinem Vater gefiel! - Und so, wie es dem Bild der Walküre entspricht!“ Vera Jörgens schwieg einen kleinen Augenblick. Als sie weitersprach, gewann ihre Stimme einen anderen Klang, wurde leise, beinahe tonlos, sie glich einem eisigen Hauch: „Als meine Haare geschnitten wurden, das war mein erster Tod. Damals verlor ich das Blut meiner Seele und bekam ein steinernes Herz. Noch zwei weitere Tode bin ich später gestorben, Tode anderer Art. Und jedesmal wurde der Stein, der nun anstelle eines Herzens da war, noch mehr gehärtet. Schließlich gewann er die Fähigkeit, eiskalt zu erglühen.“ Vera Jörgens‘ Augen funkelten unter ihren halb gesenkten Lidern hervor – wie Feuer und Eis in einem. Es war ein Blick, der Lukowsky rührte und doch zugleich erschauern ließ. Es war der Blick schöner graublauer Augen unter sanften dunklen Wimpern – und doch hart wie Kristall, nicht der Blick eines menschlichen Wesens in diesem Moment. Es war, als strei- ( 66 )

Z-<strong>PLAN</strong><br />

Jörgens - ich - solle <strong>im</strong>mer hüftlange Haare haben. So wichtig ist ihm das gewesen!<br />

Meine Mähne war damals tatsächlich um etliches länger, also sträubte<br />

ich mich nicht. Die Mutter schleppte mich zu ihrem Friseur. Die Atmosphäre<br />

dort war abscheulich. Ich mußte meinen Zopf aufmachen und mich gerade hinstellen.<br />

<strong>Ein</strong>e Friseuse kämmte mir die Haare glatt und machte sie dann mit<br />

einem Kamm naß. Die Mutter stand neben mir. Später erinnerte ich mich, ihre<br />

Handbewegung <strong>im</strong> Spiegel gesehen, aber nicht verstanden zu haben. Ich vertraute<br />

ihr ja. Sie hatte auf meinen Rücken gezeigt und ließ mir fast die Hälfte<br />

meiner Haare abschneiden. Sie reichten dann nicht einmal mehr bis zur Taille.<br />

Mein Herz raste, wie ich das Knirschen <strong>der</strong> Schere in meinen Haaren spürte. Ich<br />

zitterte am ganzen Leibe. Und dann – ich schrie in einem unbeschreiblichen<br />

Schmerz. Ich hatte das Gefühl, riesige Mengen unsichtbaren Blutes flössen aus<br />

mir heraus: Seelenblut! Es war schrecklich. Dann sah ich so viel von meinen<br />

Haaren auf dem Boden liegen – so viel von mir! Ich geriet in Panik. Ich entriß<br />

<strong>der</strong> Friseuse die Schere und stach auf sie ein, daß sie überall blutete. Ich raste,<br />

ich wußte nichts mehr, nur noch: Schmerz! Schmerz! Schmerz! <strong>Ein</strong> Entsetzen,<br />

von dem ich mich nie wie<strong>der</strong> ganz erholt habe.“ Ihre Augen glühten vor rasendem<br />

Zorn, ihre St<strong>im</strong>me bebte, ohne sich dabei zu heben: „Ich haßte meine<br />

Mutter dafür, ich habe es ihr niemals verziehen. Sie tat das nicht bloß gegen<br />

mich, son<strong>der</strong>n auch gegen den verstorbenen Vater, <strong>der</strong> genau das nie gewollt<br />

hätte. Dabei weiß ich durchaus, daß es gar nicht schlecht aussah. Meine Haare<br />

reichten <strong>im</strong>mer noch bis an die Ellenbogen, und ich konnte mit offener Mähne<br />

gehen. Das hat vielen sehr gut gefallen. Ich bin aber entschlossen, meine Haare<br />

<strong>im</strong>mer lang bis an die Hüften zu haben, genau so, wie es meinem Vater gefiel! -<br />

Und so, wie es dem Bild <strong>der</strong> Walküre entspricht!“ Vera Jörgens schwieg einen<br />

kleinen Augenblick. Als sie weitersprach, gewann ihre St<strong>im</strong>me einen an<strong>der</strong>en<br />

Klang, wurde leise, beinahe tonlos, sie glich einem eisigen Hauch: „Als meine<br />

Haare geschnitten wurden, das war mein erster Tod. Damals verlor ich das Blut<br />

meiner Seele und bekam ein steinernes Herz. Noch zwei weitere Tode bin ich<br />

später gestorben, Tode an<strong>der</strong>er Art. Und jedesmal wurde <strong>der</strong> Stein, <strong>der</strong> nun<br />

anstelle eines Herzens da war, noch mehr gehärtet. Schließlich gewann er die<br />

Fähigkeit, eiskalt zu erglühen.“ Vera Jörgens‘ Augen funkelten unter ihren halb<br />

gesenkten Li<strong>der</strong>n hervor – wie Feuer und Eis in einem. Es war ein Blick, <strong>der</strong><br />

Lukowsky rührte und doch zugleich erschauern ließ. Es war <strong>der</strong> Blick schöner<br />

graublauer Augen unter sanften dunklen W<strong>im</strong>pern – und doch hart wie Kristall,<br />

nicht <strong>der</strong> Blick eines menschlichen Wesens in diesem Moment. Es war, als strei-<br />

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