Z-PLAN. Ein Kampf im Licht der Schwarzen Sonne

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29.12.2012 Aufrufe

Z-PLAN ein Nebenzimmer und hatte hinter sich zugeschlossen. Kein Laut war von dort zu hören. Nur Richard Wagners göttliche Musik ertönte noch: Liebestod. – Lukowsky sah Vera nicht wieder. Es war nun der dritte Tag, den er in dem einzigen Gasthof des winzigen Ortes zubrachte und Qualen litt, die namenlosen Qualen von Sorge und Ungewißheit – Angst um Vera, um Dulcinea. Immer wieder hatte er angerufen, und immer wieder von der alten Schwedin, die das Haus versorgte, gehört, Fräulein Jörgens gehe es gut, doch sie wolle niemanden empfangen noch sprechen. Da Lukowsky keine Ruhe ließ, kam Vera schließlich doch selbst ans Telefon. Er war erleichtert, ihre Stimme zu hören, er begann wieder zu leben. Sie sagte nur: „Don Quijote, lieber, laß‘ mich. Es ist gut! In der nächsten Welt sehen wir uns ja ganz sicher wieder. Da werden wir dann auch zusammensein. Für immer! Auf dieser Welt aber laß mich – und tue, worum ich Dich gebeten habe. Du wirst bestimmt alles richtig machen, Du bist ja tapfer. Wenn Du mich aber wirklich brauchst, komme ich Dich besuchen, wo Du auch sein magst, wie ich es Dir versprochen habe. Ich lasse Dich ja nicht allein. Lebe wohl nun – auf Wiedersehen!“ – Sie legte auf. Ernst Lukowsky saß in Düsseldorf hinter dem Schreibtisch seines neuen Büros am Rathausufer, das Fischer ihm in der Aurora GmbH eingerichtet hatte, mit Blick auf den Rhein. Der Himmel vor den Fenstern war grau. Lukowsky drehte die Trommel des schweren Revolvers. Fünf Kammern waren leer, in der sechsten steckte eine .44 Magnum-Patrone. Lukowsky spannte den Hahn, führte die Mündung des Laufs an den Kopf und drückte ab. Es machte nur: ‚Klick‘. Schon zum siebten oder achten oder zwölften Mal – er hatte nicht mitgezählt. Es gab kein Gefühl mehr in ihm, weder Furcht noch Hoffnung – nichts Lebendiges. – Vera hatte sich umgebracht. Sie war heimgegangen durch das Licht der ewigen Morgenröte – nach Walhall. Ihr Bruder war sehr offen am Telefon gewesen, ganz ehrlich. Drei Menschen hätten Vera auf dem Gewissen, sagte er: Valtine, ihre eigene Mutter – und er selbst, ihr Bruder. Doch er habe sie bis zum Irrsinn geliebt; unstatthaft, aber ehrlich geliebt. Deshalb habe sie ihm auch verziehen. Es gab keine zweite Frau wie Vera, hatte ihr Bruder gesagt, keine zweite Frau war so schön, so klug, ja weise, und so berückend wie sie – wie ein Zauberwesen aus einer anderen Welt, das bloß durch ein Versehen des Schicksals auf diese rohe Erde gelangt war. Und, so sagte er noch, Vera habe die Macht des Unvergeßlichseins. – Lukowsky wußte, daß es so war. Er hatte aufgelegt und seinen Revolver geholt. Er wollte den Schmerz des Sterbens spüren. ( 521 )

Z-PLAN Zum ungezählten Mal drehte er die Trommel, und – ‚klick‘. Dann war ein Eilbrief aus Schweden eingetroffen. Ein Brief von Vera, nur wenige Zeilen: Lieber, nun bin ich in der Heimat. Es ist gut. Sei Du nicht traurig, ich bin ja nicht tot, die Kraft der Liebe macht unsterblich. Bitte besuche nicht das Grab, dort fändest Du nichts von mir. Ich besuche Dich. Wenn Du an mich denkst, werde ich es wissen und mich freuen. Lebe nun ein gutes Leben! Wenn die Zeit kommt, sehen wir uns wieder – dann für immer. Auf später. Deine Vera Es war inzwischen Abend geworden und dann Nacht. Der Revolver lag auf dem Schreibtisch. Lukowsky blickte mit leeren Gedanken zum Fenster hinaus. Einsame Lichter spiegelten sich im Wasser des Rheins. Dann – nach langen ungemessenen Stunden – hatte er auf einmal das Gefühl, den Blick nach rechts wenden zu sollen, zur Tür hin. Und dort stand sie, still lächelnd: Vera! Er konnte sie ganz deutlich sehen, vollkommen körperhaft. Sie hatte ihre rötlich schimmernden Haare offen, und diese waren noch länger, als er es je an ihr gesehen hatte. Auch solch ein rosafarbenes Kleid hatte er noch nie an ihr gesehen. Doch diese Erscheinung war ganz gewiß Vera. Und sie lächelte, lächelte mit roten Lippen und sah ihn aus ihren großen, stillen graublauen Augen an. Sie nickte ihm zu und strich mit der gewohnten Handbewegung die schwer aus dem Scheitel vorgleitenden Haare zurück. Vera! Sie war so wunderschön! – Er stand auf, um ihr entgegenzugehen. – Doch nun war da nichts mehr als der leere dunkle Türrahmen. Aber er meinte tief in sich Veras Stimme zu hören, die sprach, deutlich, klar, voller Gewißheit: „Später!“ - Als der Morgen graute, rief Georg an. Ein alter Freund und Kamerad aus Wien, von dem er nur alle Jahre einmal hörte. Gerade jetzt war er mit seinem Flugzeug auf Zwischenlandung in Düsseldorf, ausgerechnet jetzt rief er an und sagte: „Unser Leben, das von Männern wie Dir und mir, fließt anders. Es verläuft nicht zwischen den Hecken der Geborgenheit, wie das der meisten Menschen. Wir sterben weder im Bett noch hinter dem Schreibtisch – und auch nicht aus Wehmut um eine verstorbene Geliebte. Die Chinesen sagen: ‚Ein Mensch lebt ( 522 )

Z-<strong>PLAN</strong><br />

ein Nebenz<strong>im</strong>mer und hatte hinter sich zugeschlossen. Kein Laut war von dort<br />

zu hören. Nur Richard Wagners göttliche Musik ertönte noch: Liebestod. –<br />

Lukowsky sah Vera nicht wie<strong>der</strong>. Es war nun <strong>der</strong> dritte Tag, den er in dem einzigen<br />

Gasthof des winzigen Ortes zubrachte und Qualen litt, die namenlosen<br />

Qualen von Sorge und Ungewißheit – Angst um Vera, um Dulcinea. Immer<br />

wie<strong>der</strong> hatte er angerufen, und <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> von <strong>der</strong> alten Schwedin, die das<br />

Haus versorgte, gehört, Fräulein Jörgens gehe es gut, doch sie wolle niemanden<br />

empfangen noch sprechen. Da Lukowsky keine Ruhe ließ, kam Vera schließlich<br />

doch selbst ans Telefon. Er war erleichtert, ihre St<strong>im</strong>me zu hören, er begann<br />

wie<strong>der</strong> zu leben. Sie sagte nur: „Don Quijote, lieber, laß‘ mich. Es ist gut! In <strong>der</strong><br />

nächsten Welt sehen wir uns ja ganz sicher wie<strong>der</strong>. Da werden wir dann auch<br />

zusammensein. Für <strong>im</strong>mer! Auf dieser Welt aber laß mich – und tue, worum ich<br />

Dich gebeten habe. Du wirst best<strong>im</strong>mt alles richtig machen, Du bist ja tapfer.<br />

Wenn Du mich aber wirklich brauchst, komme ich Dich besuchen, wo Du auch<br />

sein magst, wie ich es Dir versprochen habe. Ich lasse Dich ja nicht allein. Lebe<br />

wohl nun – auf Wie<strong>der</strong>sehen!“ – Sie legte auf.<br />

Ernst Lukowsky saß in Düsseldorf hinter dem Schreibtisch seines neuen Büros<br />

am Rathausufer, das Fischer ihm in <strong>der</strong> Aurora GmbH eingerichtet hatte, mit<br />

Blick auf den Rhein. Der H<strong>im</strong>mel vor den Fenstern war grau. Lukowsky drehte<br />

die Trommel des schweren Revolvers. Fünf Kammern waren leer, in <strong>der</strong><br />

sechsten steckte eine .44 Magnum-Patrone. Lukowsky spannte den Hahn, führte<br />

die Mündung des Laufs an den Kopf und drückte ab. Es machte nur: ‚Klick‘.<br />

Schon zum siebten o<strong>der</strong> achten o<strong>der</strong> zwölften Mal – er hatte nicht mitgezählt. Es<br />

gab kein Gefühl mehr in ihm, we<strong>der</strong> Furcht noch Hoffnung – nichts Lebendiges.<br />

– Vera hatte sich umgebracht. Sie war he<strong>im</strong>gegangen durch das <strong>Licht</strong> <strong>der</strong><br />

ewigen Morgenröte – nach Walhall. Ihr Bru<strong>der</strong> war sehr offen am Telefon<br />

gewesen, ganz ehrlich. Drei Menschen hätten Vera auf dem Gewissen, sagte er:<br />

Valtine, ihre eigene Mutter – und er selbst, ihr Bru<strong>der</strong>. Doch er habe sie bis zum<br />

Irrsinn geliebt; unstatthaft, aber ehrlich geliebt. Deshalb habe sie ihm auch verziehen.<br />

Es gab keine zweite Frau wie Vera, hatte ihr Bru<strong>der</strong> gesagt, keine zweite<br />

Frau war so schön, so klug, ja weise, und so berückend wie sie – wie ein<br />

Zauberwesen aus einer an<strong>der</strong>en Welt, das bloß durch ein Versehen des Schicksals<br />

auf diese rohe Erde gelangt war. Und, so sagte er noch, Vera habe die<br />

Macht des Unvergeßlichseins. – Lukowsky wußte, daß es so war. Er hatte aufgelegt<br />

und seinen Revolver geholt. Er wollte den Schmerz des Sterbens spüren.<br />

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