Anthroposophie
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2.2.2 Die Widersprüche der "Schauenden" untereinander<br />
Wie Steiner schreibt, will er in dieselbe "Geisterwelt" eindringen, die schon<br />
"der Mystiker, der Gnostiker, der Theosoph" gekannt haben (600,13). Er will<br />
an alte Einweihungswege anknüpfen. Steiner behauptet, daß die "Mitteilungen,<br />
die aus solchen geistigen Quellen stammen, nicht immer völlig", aber<br />
doch "im wesentlichen" übereinstimmen: "Die Eingeweihten schildern zu<br />
allen Zeiten und allen Orten im wesentlichen das Gleiche" (616,17f; HiO).<br />
Trifft diese Aussage zu?<br />
Wir beschränken uns auf einen Vergleich zwischen theosophischer und anthroposophischer<br />
Schau. Beide Strömungen erheben den Anspruch, aus der<br />
Akasha-Chronik zu lesen, und doch finden sich zwischen ihren Schauungen<br />
auffallende Widersprüche -gerade im Wesentlichen, nämlich im Verständnis<br />
des Christus. Der Anthroposoph J. Hemleben drückt es so aus:<br />
"Die entscheidende Differenz, die in den Jahren 1912/13 zum endgültigen Bruch mit<br />
der indisch-angelsächsischen Theosophie führte, lag in Steiners Stellung zum Christentum.<br />
Bei aller, zeitweise radikalen Ablehnung der historischen Formen und Dogmen<br />
der Kirchen, hat er Zeit seines Lebens ... in Jesus Christus und dem 'Ereignis von<br />
Golgatha' das zentrale Geschehen der Erd- und Menschheitsgeschichte gesehen. Diese<br />
Sicht war den Theosophen wie Helena Petrowna Blavatsky, Annie Besant und H. S.<br />
Oleott fremd." 79<br />
Die Theosophen sahen in einer "allgemeinen Synthese aller Religionen und<br />
ihrer gleichberechtigten Wahrheiten" ein "hohes Ideal". Für die "Einmaligkeit",<br />
die in der "Erscheinung des Gottessohnes Christus im Menschen Jesus<br />
von Nazareth auf Erden" gelegen ist, bestand bei ihnen "kein Verstehen und<br />
keine Anerkennung". Statt dessen proklamierte Annie Besant den Hinduknaben<br />
Krishnamurti als die "Reinkarnation Christi". 80<br />
Hätten die"Eingeweihten" "zu allen Zeiten und allen Orten" wirklich "im wesentlichen<br />
das Gleiche" in der Akasha-Chronik lesen können, so hätte es zu<br />
einem solchen gravierenden Widerspruch - und damit zur Trennung Steiners<br />
von der Theosophischen Gesellschaft - nie kommen dürfen. Hier bleibt nur<br />
die Alternative, entweder der theosophischen oder der anthroposophischen<br />
Schau zu vertrauen. Nur eine Richtung - wenn überhaupt - kann recht haben.<br />
Wo aber ein solcher Glaube an die Schauenden gefordert wird, ist das Gebiet<br />
der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit verlassen.<br />
2.2.3 Die Beeinflussung der Hellseher durch die historische und<br />
kulturelle Situation<br />
Wie kommt es nun zu solchen Widersprüchen zwischen den verschiedenen<br />
Schauenden? Hemleben gibt folgende Erklärung:<br />
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