Anthroposophie
Anthroposophie Anthroposophie
eine übersinnliche Schrift. Die Geisteswissenschaft kann daher die Erkenntnis durch Inspiration vergleichweise auch das 'Lesen der verborgenen Schrift' nennen" (601,261; HddV). 1.1.3.4 Intuition Auf das Einhauchen (Inspiration) der Zusammenhänge der geistigen Welt folgt das Eintauchen, das "Sicheinleben in die geistige Umgebung" (601,291): die Intuition. "Ein Geisteswesen durch Intuition erkennen, heißt völlig eins mit ihm geworden sein, sich mit seinem Innern vereinigt haben" (601,264). Auf der Stufe der Imagination hat sich der Geistesschüler in Sinnbilder versenkt, während er auf der Stufe der Inspiration nur noch seine eigene Seelentätigkeit im Bewußtsein erhalten hat. "Nun aber entfernt der Geistesschüler auch noch diese eigene Seelentätigkeit aus dem Bewußtsein. Wenn nun etwas bleibt, so haftet an diesem nichts, was nicht zu überschauen ist" (601,286; HiO). Intuitive Erkenntnis ist somit "eine Erkenntnis von höchster, lichtvollster Klarheit" (601,264) - ungetrübt von der "physisch-sinnlichen Welt" und "bewahrt" vor der "Täuschung in der übersinnlichen Welt" (601,286). Eine letzte Korrektur gegen Täuschungen vor dem Eintritt in die geistige Welt stellt der "kleine Hüter der Schwelle" dar, eine Instanz des "Schämens" bzw. der Selbsterkenntnis im Menschen, die auftritt, "um den Eintritt jenen zu verwehren, welche zu diesem Eintritte noch nicht geeignet sind" (601,282). Täuschungen kommen dadurch zustande, "daß man durch die eigene seelische Wesenheit die Wirklichkeit färbt" oder daß man "einen Eindruck, den man empfangt, unrichtig deutet" (601,283). Unter dem Druck der wachsenden Selbsterkenntnis und der Tatsache, daß es "immer noch höhere Stufen" gibt, könnte man "erlahmen und zurückschrekken vor dem, was bevorsteht" (601,287f). Um dieser Gefahr zu begegnen, tritt der "große Hüter der Schwelle" auf, der dem Geistesschüler mitteilt, "daß er nicht stehenzubleiben hat auf dieser Stufe, sondern energisch weiterzuarbeiten" (601,289). Den "großen Hüter der Schwelle" setzt Steiner mit der "Christus-Gestalt" gleich: "Es verwandelt sich... dieser Hüter in der Wahrnehmung des Geistesschülers in die Christus-Gestalt... Der Christus zeigt sich ihm als das 'große menschliche Erdenvorbild'" (601,292). Der Impuls des Christus ist maßgeblich für das Weitergehen der individuellen und kollektiven Evolution hin zur Vergeistigung (s. I.A.2.2). 64
1.1.3.5 Weitere Stufen Obwohl Steiner anmerkt, daß es "immer noch höhere Stufen" gibt, egal "welche Stufe man auch erstiegen haben mag" (601,287), so versucht er doch, den von ihm beschriebenen Erkenntnisweg in Form dreier weiterer Stufen zum Abschluß zu bringen. Diese werden von ihm nur mit wenigen Sätzen skizziert und daher auch hier nur blockartig zusammengefaßt: - Erkenntnis der Verhältnisse von Mikrokosmos und Makrokosmos; - Einswerden mit dem Makrokosmos; - Gesamterleben der vorherigen Erfahrungen als eine Grund-Seelenstimmung (vgl. 601,291). Während die erstgenannte Stufe einen Erkenntnisakt bezeichnet, beinhaltet die zweitgenannte den Vorgang selbst. Der Geistesschüler erkennt zunächst die Entsprechung "der 'kleinen Welt', des Mikrokosmos, das ist des Menschen selbst, und der 'großen Welt', des Makrokosmos", um dann vollends das "Einswerden mit dem Makrokosmos" zu vollziehen (601,290f). Die "Erkenntnis höherer Welten" soll somit in einem existentiellen Akt ihren Höhepunkt und Abschluß erleben. Erkenntnis und Sein sollen ineinander verschmelzen. Inmitten dieser hinduistisch anmutenden Gedanken von der Alleinheit 10 fühlt sich Steiner doch der abendländischen mystischen Tradition mit ihrer stärkeren Betonung des Wertes der Einzelseele 11 verpflichtet, wenn er schreibt: "Man soll nicht verwechseln dieses Einswerden der Persönlichkeit mit dem umfassenden Geistesleben mit einem die Persönlichkeit vernichtenden Aufgehen derselben in dem 'Allgeist'" (615,150). Für unser Thema bleibt festzuhalten: Im Verlauf des anthroposophischen Erkenntnisweges kommt es zum "Lesen der verborgenen Schrift", die sich von Stufe zu Stufe klarer erschließt. Sie wird von Steiner mit dem Begriff "Akasha- Chronik" bezeichnet. Bevor wir diese im nächsten Kapitel darstellen, entfalten wir zunächst unsere Kritik am anthroposophischen Erkenntnisweg. Diese Kritik ist von grundsätzlicher Bedeutung, da sich doch Steiners gesamtes System - wie er selbst immer wieder (z.B. in 636,27lf) betont - auf seinen Erkenntnisweg stützt und von ihm abhängt. Unsere Kritik entfalten wir auf zwei Ebenen: zunächst auf der empirischen, dann auf der theologischen Ebene. Es ist der theologischen Kritik dienlich, zunächst die empirischen Einwände gegen Steiners Erkenntnisweg zu berücksichtigen. 65
- Seite 19 und 20: I. Erster Hauptteil: Geschichtlich-
- Seite 21 und 22: estimmt: 1882-1897 gab Steiner Goet
- Seite 23 und 24: 1.3 Esoterische Prägungen Den auss
- Seite 25 und 26: er sagte, eine zentralere Funktion
- Seite 27 und 28: Hier aber ist die anthroposophische
- Seite 29 und 30: (Jahwe) und die Elemente (etwa Wolk
- Seite 31 und 32: geht die Gabe, den Christus hellseh
- Seite 33 und 34: Ähnlich wie Steiner berichtet auch
- Seite 35 und 36: Treitschke, der für ihn "lebenslan
- Seite 37 und 38: Geister durchleben". Er wählte Nie
- Seite 39 und 40: egann er still vor sich hin zu wein
- Seite 41 und 42: ewegung nahegetreten" war (Lebensbe
- Seite 43 und 44: Er bemühte sich, so schreibt seine
- Seite 45 und 46: Im Frühherbst 1915 holte er beim P
- Seite 47 und 48: Deißmann, wie Bock ihn versteht, w
- Seite 49 und 50: seligmachenden Glaubens gegenüber
- Seite 51 und 52: sich von seiner Kindheit an "zu den
- Seite 53 und 54: So sind im Zeitraum von 1923 bis 19
- Seite 55 und 56: II. Zweiter Hauptteil: Grundanliege
- Seite 57 und 58: Auch die Bibelübersetzungen, die n
- Seite 59 und 60: 1.3 Leben-Jesu-Forschung Steiner un
- Seite 61 und 62: sondern anthropologisch - besser: e
- Seite 63 und 64: materialistisch geprägte Bibelausl
- Seite 65 und 66: B. Der Anspruch auf'Wiedergewinnung
- Seite 67 und 68: Die "Geist-Welt" bzw. die platonisc
- Seite 69: trächtigung der Gesundheit" (600,1
- Seite 73 und 74: "Meditationen", "Wahrspruchworte" u
- Seite 75 und 76: gewöhnt man sich an ein Denken, da
- Seite 77 und 78: vorträgt, für die Glauben auf Aut
- Seite 79 und 80: Retter und Richter aufgeworfen, jez
- Seite 81 und 82: zes zu stützen. Steiner wird mit S
- Seite 83 und 84: - die Lehre von der Bewußtseinsent
- Seite 85 und 86: Sic sind somit nicht göttlichen We
- Seite 87 und 88: Zunächst zeigt sich folgendes: Die
- Seite 89 und 90: Rittelmeyer hat davon gesprochen, d
- Seite 91 und 92: "Die menschliche Aktivität erschei
- Seite 93 und 94: III. A. 2 entfalten. Im nächsten K
- Seite 95 und 96: schweifen bis zu Karl dem Großen o
- Seite 97 und 98: a) Erforschung der Akasha-Chronik;
- Seite 99 und 100: 2.2.2 Die Widersprüche der "Schaue
- Seite 101 und 102: da keine objektiven äußeren Daten
- Seite 103 und 104: wenn nur in wnwesentlichen Bereiche
- Seite 105 und 106: Befähigung abspricht, in unserer Z
- Seite 107 und 108: zentriert, sondern sein besonderes
- Seite 109 und 110: tung schenkt. So zeigt sich spätes
- Seite 111 und 112: (A) Esoteriker okkultwörtlich V sy
- Seite 113 und 114: Stellen der Schrift - d.h. von ihre
- Seite 115 und 116: Stelle in Ps 41 lautet im Zusammenh
- Seite 117 und 118: Vorgang in den Seelen oder zugleich
- Seite 119 und 120: Im folgenden geben wir zur Veransch
1.1.3.5 Weitere Stufen<br />
Obwohl Steiner anmerkt, daß es "immer noch höhere Stufen" gibt, egal<br />
"welche Stufe man auch erstiegen haben mag" (601,287), so versucht er doch,<br />
den von ihm beschriebenen Erkenntnisweg in Form dreier weiterer Stufen<br />
zum Abschluß zu bringen. Diese werden von ihm nur mit wenigen Sätzen<br />
skizziert und daher auch hier nur blockartig zusammengefaßt:<br />
- Erkenntnis der Verhältnisse von Mikrokosmos und Makrokosmos;<br />
- Einswerden mit dem Makrokosmos;<br />
- Gesamterleben der vorherigen Erfahrungen als eine Grund-Seelenstimmung<br />
(vgl. 601,291).<br />
Während die erstgenannte Stufe einen Erkenntnisakt bezeichnet, beinhaltet<br />
die zweitgenannte den Vorgang selbst. Der Geistesschüler erkennt zunächst<br />
die Entsprechung "der 'kleinen Welt', des Mikrokosmos, das ist des Menschen<br />
selbst, und der 'großen Welt', des Makrokosmos", um dann vollends das<br />
"Einswerden mit dem Makrokosmos" zu vollziehen (601,290f). Die "Erkenntnis<br />
höherer Welten" soll somit in einem existentiellen Akt ihren Höhepunkt<br />
und Abschluß erleben. Erkenntnis und Sein sollen ineinander verschmelzen.<br />
Inmitten dieser hinduistisch anmutenden Gedanken von der<br />
Alleinheit 10 fühlt sich Steiner doch der abendländischen mystischen Tradition<br />
mit ihrer stärkeren Betonung des Wertes der Einzelseele 11 verpflichtet,<br />
wenn er schreibt:<br />
"Man soll nicht verwechseln dieses Einswerden der Persönlichkeit mit dem umfassenden<br />
Geistesleben mit einem die Persönlichkeit vernichtenden Aufgehen derselben<br />
in dem 'Allgeist'" (615,150).<br />
Für unser Thema bleibt festzuhalten: Im Verlauf des anthroposophischen Erkenntnisweges<br />
kommt es zum "Lesen der verborgenen Schrift", die sich von<br />
Stufe zu Stufe klarer erschließt. Sie wird von Steiner mit dem Begriff "Akasha-<br />
Chronik" bezeichnet.<br />
Bevor wir diese im nächsten Kapitel darstellen, entfalten wir zunächst unsere<br />
Kritik am anthroposophischen Erkenntnisweg. Diese Kritik ist von grundsätzlicher<br />
Bedeutung, da sich doch Steiners gesamtes System - wie er selbst<br />
immer wieder (z.B. in 636,27lf) betont - auf seinen Erkenntnisweg stützt<br />
und von ihm abhängt. Unsere Kritik entfalten wir auf zwei Ebenen: zunächst<br />
auf der empirischen, dann auf der theologischen Ebene. Es ist der theologischen<br />
Kritik dienlich, zunächst die empirischen Einwände gegen Steiners<br />
Erkenntnisweg zu berücksichtigen.<br />
65