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Anthroposophie

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materialistisch geprägte Bibelauslegung miteinander im Streit liegen: "Jetzt<br />

bekämpft die Wissenschaft etwas, was die materialistische Weltauffassung<br />

[sc. in die Bibel] hineingebracht hat" (94,228). Eine Lösung dieses Konflikts<br />

wird nur in der Beschreitung einer höheren Ebene, in der Wiedergewinnung<br />

der spirituellen Dimension gesehen, die sich sowohl auf die Interpretation<br />

des Darwinismus als auch der Bibel erstreckt (s. I. A.2.2 und II. B.3).<br />

Friedrich Rittelmeyer wirft im Jahre 1930 der "Orthodoxie jeder Färbung"<br />

ein Abschneiden des spirituellen Bereichs, ein Aufrichten selbstgesteckter<br />

Erkenntnisgrenzen vor, indem sie durch die Betonung der "Unergründlichkeit<br />

Gottes" und der "Einzigartigkeit der göttlichen Geschichte" ein Nachdenken<br />

der Gedanken Gottes verhindere. Als Beispiel nennt Rittelmeyer die<br />

Wunderinterpretation des Neutestamentiers Theodor Zahn, etwa im Blick<br />

auf den Bericht vom Meerwandeln Christi in Joh 6,16-21: "Der berühmte<br />

Kommentar zum Johannesevangelium von Theodor Zahn läßt das äußere<br />

Wunder als ein physisches Geschehen unberührt von jedem Versuch, verstehend<br />

einzudringen in das, was sich da begeben haben mag." Die wahre<br />

Unergründlichkeit Gottes trete jedoch erst dann hervor, "wenn der Mensch<br />

wirklich an seine Grenze gekommen ist, nicht dann, wenn der Mensch sich<br />

selbst eine Grenze setzt aus vermeintlicher Frömmigkeit" 35 .<br />

Was Steiner im Jahre 1906 und Rittelmeyer im Jahre 1930 im Blick auf die<br />

"orthodoxen Bibelgläubigen" kritisieren, das tadelt Gerhard Wehr im Jahre<br />

1968 in ganz ähnlicher Weise am "Fundamentalismus": Er klammere sich<br />

"an ein wörtliches Verstehenwollen der biblischen Texte", sperre sich gegen<br />

"modernes Denken" und sehe vor allem "keine Möglichkeit, das Denken und<br />

die wissenschaftlichen Forschungsmethoden soweit zu spiritualisieren, daß<br />

dies Denken zu einem angemessenen Instrument der notwendigen Neuerschließung<br />

des Evangeliums" werden könne. 36 "Wer den Mythos existentialisiert,<br />

verarmt" - so hatte Wehr im Rückgriff auf Wilhelm Knevels seine<br />

Kritik an der existentialen Interpretation zusammengefaßt. Seine Kritik an<br />

der fundamentalistischen Interpretation begründet er ebenfalls mit einem Satz<br />

Wilhelm Knevels': "Wer ihn [sc. den Mythos] buchstäblich nimmt, erstarrt"<br />

- eben weil ihm die Möglichkeit zur Erschließung neuer spiritueller Dimensionen<br />

- über den vorgegebenen Bibeltext und seinen Wortlaut hinaus - verlorengehe.<br />

37<br />

Auch James Barr, der den Fundamentalismus aus theologischer Sicht kritisiert,<br />

beklagt den - seines Erachtens selber "rationalistischen" - Versuch<br />

einer orthodoxen oder fundamentalistischen Glaubenshaltung, die Schrift gegen<br />

rationalistische Kritik von außen abzusichern:<br />

"Es ist erstaunlich, daß eine religiöse Form, die so sehr den persönlichen Glauben an<br />

Christus betont, gleichzeitig so sehr von einem rational begründeten Beweis der Bibel<br />

abhängt ..." 38<br />

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