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Anthroposophie

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überhaupt nicht in Wirklichkeit existiert; der ist nur eine Sage... Ja, er ist ein<br />

erdichteter Gott, ein Idealbild" (139,186). Steiner gesteht zu, daß man im<br />

Unterschied zur oben geschilderten Leben-Jesu-Forschung "doch den Gottmenschen"<br />

gefunden habe und "in den letzten Jahren von dem Jesus zurückgekehrt<br />

[ist] zu dem Christus; aber der Christus ist überhaupt nichts<br />

Wirkliches, sondern lebt nur in den menschlichen Gedanken" (ebd).<br />

Drews redet von der "Christusmythe". Er erklärt die Evangelienberichte für<br />

mythisch und eliminiert Jesus als historische Gestalt. Bei Steiner hingegen<br />

fließen Mythos und höchst eigenwillig gedeutete Historie zusammen. Er spricht<br />

davon, "wie alles, was Geheimnis in den alten Mysterien ist, wieder auflebt<br />

in den Evangelien ... wir finden da gewisse Punkte, die sich vollziehen im<br />

äußeren historischen Leben, und dieselben Punkte sind es, die sich abspielen<br />

in den Mysterien bei dem, der die Einweihung sucht" (123,209f). Die Evangelien<br />

sind für Steiner also Mysterien- oder Einweihungsbücher (s. III. A.2),<br />

und das Christusleben ist ein zur Historie gewordenes Mysterium. Im Vorgriff<br />

auf das nun folgende Kapitel kann man davon reden, daß Steiner die<br />

biblischen Inhalte nicht eliminiert, sondern interpretiert.<br />

2. Existentiale Interpretation<br />

Auch Rudolf Bultmann, der Begründer und Hauptvertreter der existentialen<br />

Interpretation, möchte die "mythischen" Aussagen des Neuen Testaments<br />

nicht eliminieren, sondern interpretieren - "existential" interpretieren:<br />

"Kann man schematisch sagen, daß in der Epoche der kritischen Forschung die<br />

Mythologie des Neuen Testaments einfach kritisch eliminiert wurde, so wäre - ebenso<br />

schematisch gesagt - die heutige Aufgabe die, die Mythologie des Neuen Testaments<br />

kritisch zu interpretieren. " 19<br />

Bultmann geht davon aus, daß das neuzeitlich-naturwissenschaftliche Denken,<br />

welches das "moderne Weltbild" konstituiert, "das mythologische Weltbild<br />

der Bibel zerstört" hat. 20 Demgegenüber will eine "entmythologisierende<br />

Interpretation" im Anschluß an die - namentlich von Martin Heidegger entwickelte<br />

- Begrifflichkeit der "Existenz-Philosophie" die "eigentliche Intention<br />

der biblischen Schriften" erst zur Geltung bringen. 21 Ziel der Interpretation<br />

ist es, wie Walter Schmithals formuliert, "den Sinn des Mythos als 'anthropologisch',<br />

das heißt als die Existenz des Menschen betreffend", zu enthüllen.<br />

Eine kosmologische Interpretation, die darüber hinausgeht, die z.B. von<br />

"jenseitigen Mächten...wie von weltlichen, objektivierbaren Gegebenheiten<br />

spricht", wird abgelehnt. 22 "Der eigentliche Sinn des Mythos ist nicht der, ein<br />

objektives Weltbild zu geben; vielmehr spricht sich in ihm aus, wie sich der<br />

Mensch selbst in seiner Welt versteht; der Mythos will nicht kosmologisch,<br />

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