Anthroposophie

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29.12.2012 Aufrufe

Richtung "fast für höhere Wesen" und tauchte vor ihnen "tief in die Stimmung der Ehrfurcht" ein (172f). Diese ablehnende Haltung Bocks gegenüber dem Pietismus war auch schon früher zum Ausdruck gekommen. So berichtet er: "Die Schwester meines Vaters, die bei der Großmutter lebte, war eifriges Mitglied einer Sekte und nahm mich gelegentlich in die 'Stunde' mit. Aber unter diesen Gemeinschaftsleuten war mir erst recht unbehaglich, zumal ich nie wußte, was ich sagen sollte, wenn man an mich die übliche Frage richtete, ob ich schon bekehrt sei" (14). An der Oberrealschule in Barmen, die Bock von 1905 bis 1914 besuchte (83f.2O5), beeindruckte ihn vor allem sein Mathematiklehrer Walter Lietzmann, der später in Göttingen wirkte. 80 Bei diesem war zwar Rechnen "seine schwache Seite"; er brachte aber "das eigentlich Mathematische... in so lebendigen Begriffen vor", daß für Bock "die durch ihn eröffnete Welt später die wichtigste Vorbereitung zum Aufnehmen der Anthroposophie wurde" (113;HddV). "Das Metamorphose-Prinzip lehrte er uns in lebendigster Art. Wir lernten, Parabeln und andere Kurven aus arithmetischen Gleichungen hervorsprießen zu sehen wie die Pflanze aus dem Samenkorn" (ebd). Einen tiefen Eindruck nahm Bock auch von einem Experimentalvortrag des "Bürgerlichen Bildungsvereins" in Barmen über "Suggestion und Hypnose" mit, den er gegen Ende seiner Schulzeit gemeinsam mit einem Kameraden besuchte. "Die vorgeführten hypnotischen Befehlserteilungen und kataleptischen Zustände brachten uns weltanschaulich außerordentlich in Bewegung", äußerte er sich rückblickend (158; HddV). 2.3 Erste Kriegs- und Studienjahre (1914-1916) Über seinen Berufsweg noch "völlig im Unklaren", ging Bock im Sommersemester 1914 an die Universität Bonn, besuchte dort verschiedene sprachwissenschaftliche Vorlesungen und Übungen und kam durch den "Theologischen Studentenverein" in Berührung mit der Theologie (205f). Doch schon im Juli 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger nach Berlin (236). Im Spätjahr 1914 81 wurde er in Flandern durch einen Bauchschuß schwer verwundet und hatte - im fiebrigen Zustand auf dem Schlachtfeld liegend - ein übersinnliches Erlebnis: Er stellte sich vor, "in einer Höhe von 20 m" über seinem Leibe zu schweben (239). Bock genas zwar, doch "kehrte das frühere Gefühl der ungebrochenen Kraft und Gesundheit nicht zurück". Um so mehr gab er sich nun "jener völlig neuen Lebensaktivität hin", die in ihm "zusammen mit einem vorher nie dagewesenen Grad der Bewußtheit erwachte" (276). 38

Im Frühherbst 1915 holte er beim Provinzial-Schulkollegium in Koblenz die Reifeprüfung in Latein und Griechisch nach, dunkel fühlend, daß "das Gebiet der Theologie" ihn rief (277). Kurz darauf wurde er von der Reichswehr in der Postzensurstelle in Berlin eingesetzt, wo er zum ersten Mal mit Rudolf Steiner in Berührung kam. Durch die Schweizer Drucksachenabteilung nämlich "liefen sämtliche Bücher- und Zyklensendungen, die vom Berliner Anthroposophischen Verlag nach Dornach gingen". Bocks Interesse wurde zunächst rein äußerlich durch die große Zahl der Schriften geweckt, die alle den Namen des gleichen Verfassers trugen. Doch bald sprach ihn auch innerlich Steiners Gedankenwelt an: "Eine Denkungsart schien mir da zu walten, die alles Abstrakte überwunden und sich zu einer gesunden Konkretheit durchgerungen hatte." Als Bock nach einigen Wochen in eine andere Abteilung versetzt wurde, "versank" diese Gedankenwelt jedoch vorläufig wieder (278f). Noch während der Tätigkeit in der Postüberwachungsstelle, die bis Ende 1918 dauerte, nahm Bock im Sommersemester 1916 das Studium der Germanistik, der Religionswissenschaften und der evangelischen Theologie an der Universität Berlin auf (304f) 82 . Die Hochschullehrer, die ihn in dieser Zeit am meisten beeindruckten, waren Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch und Adolf Deißmann: "Harnack setzte mich durch seine geschliffene Intelligenz in Erstaunen, Deißmann lehrte mich, in Ehrfurcht die Räume des griechischen Neuen Testamentes zu betreten. Troeltsch aber zündete in mir das Feuer einer lodernden Erkenntnisbegeisterung an." 83 Bei A. v. Harnack hörte Emil Bock die "Einführung in das Neue Testament" und eine Vorlesung über Kanonsgeschichte, doch war ihm "sofort klar", daß die Betrachtungsweise v. Harnacks "nicht in die Tiefe zu dringen geeignet war" (335). Bock ging damals "durch Gedankengänge hindurch, die Anklänge hatten an die liberale Theologie", und doch ließ ihn diese wegen ihrer "intellektualistischen Kälte und Hintergrundlosigkeit" unbefriedigt. Da ein "dogmatischer religiöser Standpunkt", wie er ihn im Wuppertaler Kirchentum und Pietismus kennengelernt hatte, für ihn auch nicht in Frage kam, mußte er sich auf die Suche nach einem ganz neuen Zugang zur Bibel und zum Christentum begeben (361). Dazu verhalf ihm zunächst Ernst Troeltsch, der 1914 vom Heidelberger theologischen auf den Berliner philosophischen Lehrstuhl übergewechselt war. In Troeltschs Kolleg über die "Geschichte der Philosophie im Zeitalter von Reformation und Renaissance" wurde Bock der "mystische Untergrund des abendländischen Geisteslebens" klarer als je bewußt. Das Gedankengut von Persönlichkeiten wie Sebastian Franck, Valentin Weigel, Jakob Böhme und Giordano Bruno lernte er kennen. Bei Sebastian Franck z.B., so schildert Troeltsch, vermag "erst der Geist... die Bibel zu deuten, die die ewigen inneren Wahrheiten des Geisterlebnisses als historische Mythen des Sündenfalls 39

Richtung "fast für höhere Wesen" und tauchte vor ihnen "tief in die Stimmung<br />

der Ehrfurcht" ein (172f). Diese ablehnende Haltung Bocks gegenüber<br />

dem Pietismus war auch schon früher zum Ausdruck gekommen. So berichtet<br />

er:<br />

"Die Schwester meines Vaters, die bei der Großmutter lebte, war eifriges Mitglied<br />

einer Sekte und nahm mich gelegentlich in die 'Stunde' mit. Aber unter diesen<br />

Gemeinschaftsleuten war mir erst recht unbehaglich, zumal ich nie wußte, was ich<br />

sagen sollte, wenn man an mich die übliche Frage richtete, ob ich schon bekehrt sei"<br />

(14).<br />

An der Oberrealschule in Barmen, die Bock von 1905 bis 1914 besuchte<br />

(83f.2O5), beeindruckte ihn vor allem sein Mathematiklehrer Walter Lietzmann,<br />

der später in Göttingen wirkte. 80 Bei diesem war zwar Rechnen "seine<br />

schwache Seite"; er brachte aber "das eigentlich Mathematische... in so lebendigen<br />

Begriffen vor", daß für Bock "die durch ihn eröffnete Welt später<br />

die wichtigste Vorbereitung zum Aufnehmen der <strong>Anthroposophie</strong> wurde"<br />

(113;HddV).<br />

"Das Metamorphose-Prinzip lehrte er uns in lebendigster Art. Wir lernten, Parabeln<br />

und andere Kurven aus arithmetischen Gleichungen hervorsprießen zu sehen wie die<br />

Pflanze aus dem Samenkorn" (ebd).<br />

Einen tiefen Eindruck nahm Bock auch von einem Experimentalvortrag des<br />

"Bürgerlichen Bildungsvereins" in Barmen über "Suggestion und Hypnose"<br />

mit, den er gegen Ende seiner Schulzeit gemeinsam mit einem Kameraden<br />

besuchte. "Die vorgeführten hypnotischen Befehlserteilungen und kataleptischen<br />

Zustände brachten uns weltanschaulich außerordentlich in Bewegung",<br />

äußerte er sich rückblickend (158; HddV).<br />

2.3 Erste Kriegs- und Studienjahre (1914-1916)<br />

Über seinen Berufsweg noch "völlig im Unklaren", ging Bock im Sommersemester<br />

1914 an die Universität Bonn, besuchte dort verschiedene sprachwissenschaftliche<br />

Vorlesungen und Übungen und kam durch den "Theologischen<br />

Studentenverein" in Berührung mit der Theologie (205f). Doch schon<br />

im Juli 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger nach Berlin (236). Im<br />

Spätjahr 1914 81 wurde er in Flandern durch einen Bauchschuß schwer verwundet<br />

und hatte - im fiebrigen Zustand auf dem Schlachtfeld liegend - ein<br />

übersinnliches Erlebnis: Er stellte sich vor, "in einer Höhe von 20 m" über<br />

seinem Leibe zu schweben (239). Bock genas zwar, doch "kehrte das frühere<br />

Gefühl der ungebrochenen Kraft und Gesundheit nicht zurück". Um so mehr<br />

gab er sich nun "jener völlig neuen Lebensaktivität hin", die in ihm "zusammen<br />

mit einem vorher nie dagewesenen Grad der Bewußtheit erwachte" (276).<br />

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