Anthroposophie

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29.12.2012 Aufrufe

lieh. Aber ich würde meine beste Erfahrung verleugnen und meine Menschheitspflicht versäumen, wenn ich nicht mit tiefer Dankbarkeit gegen Steiner bekennte: Das Gottesreich will näher kommen! Wer Augen hat zu sehen, der sehe!" 51 Betrachtet man diese "Vorstudien" Rittelmeyers, vor allem seine Beschäftigung mit Meister Eckehart, so ist es nicht verwunderlich, daß sein "Jesus "-Buch (es erschien tatsächlich in seinem 40. Lebensjahr, im Jahre 1912) klassische Lehren der liberalen Theologie mitElementen der Mystik vereinigte. Rittelmeyer verstand darin - wie Erwin Schühle zusammenfassend bemerkt- "das ganze Wesen des Jesus... ausder Urverwandtschaft des Menschlichen mit dem Göttlichen". Jesus war ihm "die höchste Verwirklichung Gottes durch einen Menschen" und "die Manifestation höchster sittlicher Kraft" 52 . Daß Rittelmeyer über die liberaleTheologie seinerzeit hinausstreben würde, war bereits in seinem 1909 erschienenen RGG-Artikel über die "Christologie"angeklungen.Hier sprach er sich einerseits im Gefolge Harnacks dagegen aus, "das Eingreifen Gottes in Jesus und die Einzigartigkeit Jesu in altdogmatisch-massiver Weise zu verstehen". Das "Einzige und Letzte", was man über "Jesu Entstehung" sagen könne, sei dies, "daß Jesus als natürliche Mitgabe eine ganz einzigartige religiös-sittliche Anlage von höchster Kraft und Reinheit mit in die Welt gebracht" habe, wobei "ganz besondere, in dieser Weise niemals wiederkehrende geschichtliche Verhältnisse" dieser Anlage entgegengekommen seien. Andererseits möchte Rittelmeyer die Erscheinung Jesu "dem System der kosmischen Möglichkeiten" einordnen. "Die Christusanschauung, die auf diese Weise gewonnen werden wird, mag an manchen großen Gedanken der deutschen Mystik und des deutschen Idealismus anknüpfen." 53 In seiner Nürnberger Zeit schloß Rittelmeyer insbesondere zwei Freundschaften, die für seinen weiteren Lebensweg von Bedeutung wurden: zum einen mit dem Hauptprediger von St. Sebald, Christian Geyer, zum anderen mit dem Okkultisten Michael Bauer. Gemeinsam mit Christian Geyer (1862- 1929) gab er zwei vielgelesene Predigtbände und - von 1910 bis 1923 - das Monatsblatt "Christentum und Gegenwart" heraus. 54 Geyer sah die "Ähnlichkeit" zwischen sich und Rittelmeyer vor allem darin, daß sie "beide 'moderne' oder 'liberale' Theologen waren" in dem Sinn, daß sie "die Kritik [sc. der Bibel] als etwas Tatsächliches" und von ihnen "nicht zu Änderndes anerkannten" 55 . Sowohl Rittelmeyer als auch Geyer berichten von einer gemeinsamen Begegnung mit dem bayerischen Oberkonsistorialpräsidenten Hermann Bezzel im Jahre 1909, bei der sie ihre "Zustimmung zur historisch-theologischen Kritik" bekundeten. "Rittelmeyer umschrieb dieselbe unter anderem so, daß wir manches, was die Altgläubigen als historisch ansähen, symbolisch verstünden, z.B. die Geschichte vom Sündenfall. Als er [sc. Bezzel] das hörte, 32

egann er still vor sich hin zu weinen", schreibt Geyer 56 . Später haben sowohl Rittelmeyer als auch Geyer die starre Gegenüberstellung von historischem und symbolischem Sinn aufgegeben und durch eine Synthese auf höherer Ebene aufzuheben gesucht. 57 Daraufkommen wir noch zu sprechen (s. H.B.3.). Geyer war übrigens Mitglied im "Verein für okkulte Forschung" und nahm Rittelmeyer zu mehreren spiritistischen Sitzungen mit Doch beide konnten sich mit dieser Art des Zugangs zu übersinnlichen Welten nicht recht anfreunden. 58 Als sich Rittelmeyer später für den anthroposophischen Zugang ins Übersinnliche entschied und mit den Vorbereitungen zur Gründung der Christengemeinschaft beschäftigt war, ging Geyer diesen Weg zunächst zögernd mit, um dann im letzten Moment einen Absagebrief zu schicken. Rückblickend stimmte er dem Urteil Rittelmeyers über ihn zu, der ihn einen "unverbesserlichen Protestanten" genannt hatte. Die Wege der Freunde trennten sich. 59 1.4. Die Öffnung für die Anthroposophie (1910-1925) Zur Anthroposophie (damals noch "Theosophie") war Rittelmeyer im Jahre 1910 durch den Nürnberger Volksschullehrer und Okkultisten Michael Bauer (1871-1929) 60 gelangt, als er Material für einen Vortrag über die "religiösen Strömungen der Gegenwart" suchte (Lebensbegegnung, 13f) 61 . Bauer, philosophisch geschult an Haeckel und Hegel und den Übungen des Okkultisten Kerning hingegeben, bemühte sich, "durch Geisteskraft Menschen von Krankheiten zu befreien". Er ließ Rittelmeyer "teilnehmen an seinen eigenen Erlebnissen mit Verstorbenen" und wurde für ihn der Führer zu Rudolf Steiner, dem er am 28.8.1911 bei einem Vortrag zum ersten Mal begegnete (ebd, 15.19.29). Rittelmeyer verschweigt nicht die großen Vorbehalte, die er gegen die Theosophie allgemein und anfangs auch gegen Rudolf Steiner hatte. Aus den theosophischen Schriften von Annie Besant und ihren Geistesverwandten stieg eine "Wolke" auf, aus der ihm "allerlei Ungesundes, Gewolltes, Glücksgieriges" entgegenschlug (ebd, 20). An Steiner bewunderte Rittelmeyer demgegenüber zwar seine philosophische Schulung, konnte aber insbesondere seine Wiederverkörperungslehre und Bibelauslegung zunächst nicht akzeptieren (ebd, 21ff.48ff). Über Steiners Bibelauslegung bemerkt er: "Wohl blieben mir manche Auslegungen unzugänglich, ja recht unwahrscheinlich. Die Fremdheit, mit der mich vieles berührte, auch unsympathisch berührte, konnte kaum größer sein" (ebd,21). Doch wurden ihm diese Vorbehalte in den persönlichen Gesprächen mit Steiner zunehmend genommen: 33

egann er still vor sich hin zu weinen", schreibt Geyer 56 . Später haben sowohl<br />

Rittelmeyer als auch Geyer die starre Gegenüberstellung von historischem<br />

und symbolischem Sinn aufgegeben und durch eine Synthese auf höherer<br />

Ebene aufzuheben gesucht. 57 Daraufkommen wir noch zu sprechen (s. H.B.3.).<br />

Geyer war übrigens Mitglied im "Verein für okkulte Forschung" und nahm<br />

Rittelmeyer zu mehreren spiritistischen Sitzungen mit Doch beide konnten<br />

sich mit dieser Art des Zugangs zu übersinnlichen Welten nicht recht anfreunden.<br />

58 Als sich Rittelmeyer später für den anthroposophischen Zugang<br />

ins Übersinnliche entschied und mit den Vorbereitungen zur Gründung der<br />

Christengemeinschaft beschäftigt war, ging Geyer diesen Weg zunächst<br />

zögernd mit, um dann im letzten Moment einen Absagebrief zu schicken.<br />

Rückblickend stimmte er dem Urteil Rittelmeyers über ihn zu, der ihn einen<br />

"unverbesserlichen Protestanten" genannt hatte. Die Wege der Freunde trennten<br />

sich. 59<br />

1.4. Die Öffnung für die <strong>Anthroposophie</strong> (1910-1925)<br />

Zur <strong>Anthroposophie</strong> (damals noch "Theosophie") war Rittelmeyer im Jahre<br />

1910 durch den Nürnberger Volksschullehrer und Okkultisten Michael Bauer<br />

(1871-1929) 60 gelangt, als er Material für einen Vortrag über die "religiösen<br />

Strömungen der Gegenwart" suchte (Lebensbegegnung, 13f) 61 . Bauer, philosophisch<br />

geschult an Haeckel und Hegel und den Übungen des Okkultisten<br />

Kerning hingegeben, bemühte sich, "durch Geisteskraft Menschen von Krankheiten<br />

zu befreien". Er ließ Rittelmeyer "teilnehmen an seinen eigenen Erlebnissen<br />

mit Verstorbenen" und wurde für ihn der Führer zu Rudolf Steiner,<br />

dem er am 28.8.1911 bei einem Vortrag zum ersten Mal begegnete (ebd,<br />

15.19.29).<br />

Rittelmeyer verschweigt nicht die großen Vorbehalte, die er gegen die Theosophie<br />

allgemein und anfangs auch gegen Rudolf Steiner hatte. Aus den<br />

theosophischen Schriften von Annie Besant und ihren Geistesverwandten stieg<br />

eine "Wolke" auf, aus der ihm "allerlei Ungesundes, Gewolltes, Glücksgieriges"<br />

entgegenschlug (ebd, 20). An Steiner bewunderte Rittelmeyer<br />

demgegenüber zwar seine philosophische Schulung, konnte aber insbesondere<br />

seine Wiederverkörperungslehre und Bibelauslegung zunächst nicht<br />

akzeptieren (ebd, 21ff.48ff). Über Steiners Bibelauslegung bemerkt er:<br />

"Wohl blieben mir manche Auslegungen unzugänglich, ja recht unwahrscheinlich.<br />

Die Fremdheit, mit der mich vieles berührte, auch unsympathisch berührte, konnte<br />

kaum größer sein" (ebd,21).<br />

Doch wurden ihm diese Vorbehalte in den persönlichen Gesprächen mit<br />

Steiner zunehmend genommen:<br />

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