Anthroposophie
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Geister durchleben". Er wählte Nietzsche als "den entschlossensten Christusgegner<br />
der Geschichte", Tolstoi als "den bedeutendsten Christen der<br />
Gegenwart unter allen Völkern", Buddha als "den Verkünder der wichtigsten<br />
außerchristlichen Religion", Meister Eckehart als "einen ganz großen Christen<br />
der Vergangenheit" und Johannes Müller als Zeitgenossen "mit dem<br />
eigenartigsten Jesusverständnis" (207). Über alle diese Persönlichkeiten<br />
schrieb Rittelmeyer Monographien oder Aufsätze 48 und empfing von ihnen<br />
Anstöße, ohne sich jedoch einer Weltanschauung völlig anzuschließen. Am<br />
stärksten dürfte - vor Steiner - Meister Eckehart und die nach Rittelmeyers<br />
Meinung durch diesen vermittelte indische und neuplatonische Mystik auf<br />
ihn und auf die Theologie der später entstandenen Christengemeinschaft eingewirkt<br />
haben. So schreibt Rittelmeyer über Meister Eckehart:<br />
"Die Sicherheit, mit der er auch auf den Höhen neuplatonischen Erlebens, jaindischer<br />
Mystik wandelte und sich doch als Christ fühlte, gab uns mächtigste Lebensanstöße<br />
... Alles, wirklich alles, was man heute an Meister Eckehart entdeckt, ist damals<br />
schon durch unsre Seele gezogen und hat mitgewirkt - zu dem Christentum, das wir<br />
heute zu verkündigen haben" (216).<br />
Durch den theologischen Außenseiter Johannes Müller (1864-1949) 49 wurde<br />
Rittelmeyer in seiner Überzeugung bestärkt, daß eine "höhere göttliche Wirklichkeit<br />
... hinter der Sinnen weit zu entdecken" ist und daß der Mensch "in<br />
sich das Organ für diese göttliche Wirklichkeit" trägt (273). Rückblickend<br />
bemängelte Rittelmeyer jedoch, daß bei Müller "alles im 'unmittelbaren'<br />
Augenblicks'leben' der Seele festgehalten, daß der Schritt in den erkennenden<br />
Geist hinein nicht gemacht wurde" (274; HiO). So schreibt Müller<br />
beispielsweise:<br />
"Das einzig Wahre ist nicht durch Erkenntnis erreichbar und mit menschlicher Kraft<br />
zu verwirklichen, sondern muß von dem schöpferischen Eindruck empfangen werden<br />
und aus der Befruchtung dadurch von selbst hervorgehen ... Es gibt nur diesen<br />
einzigen Weg zum Heil, der ebenso unmittelbar und kurz ist: sich in jedem Augenblick<br />
von dem lebendigen Willen Gottes führen zu lassen ... Wir müssen immer<br />
gläubig vertrauend den Fuß heben, ohne zu wissen, wohin wir treten werden, voller<br />
Zuversicht, daß der Tritt ins Unsichtbare das Sicherste ist, und das Nichtwissen wohin<br />
uns unter allen Umständen vorwärts gelangen läßt." 50<br />
Als Rittelmeyer im Jahre 1918 in der Schrift "Johannes Müller und Rudolf<br />
Steiner" die Auseinandersetzung mit Müller führt, sieht er den Hauptunterschied<br />
darin, daß Steiner den Zugang zu den "höheren Welten" nicht<br />
über die unbewußten Gemüts- und Gefühlskräfte der Seele, sondern über das<br />
bewußte Denken des Geistes erstrebt (vgl. II.B.L). Rittelmeyer schließt mit<br />
den Worten:<br />
"Suche Jeder [sie] das Gottesreich so gut er kann! Ich bin selbst ein gutes Stück<br />
Weges mit Müller gegangen, und ich denke, nicht verständnislos und nicht vergeb-<br />
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