Anthroposophie
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ich Naumann (120ff). Und obwohl ihn etwa in Herrnhut durch ein visionäres<br />
Erlebnis zum ersten Mal eine Ahnung davon befiel, was "Kosmisches<br />
Christentum" ist (110; HiO) 46 , so wußte er doch sehr bald, daß er sich an<br />
keiner der besuchten Stätten geistig ansiedeln würde. Der Eindruck, den er<br />
von der Welt Bodelschwinghs mitnahm, gilt im Grunde auch im Blick auf<br />
die anderen Stationen seiner Reise:<br />
"... eine ehrfurchtgebietende Welt - aber nicht deine Welt! Hier vermochte nur ehrlich<br />
mitzutun, wer im alten Christentum noch zu Hause war oder sich zu ihm<br />
zurückzwingen konnte. Nach neuen Lebensufern aber drängte derinnere Drang" (120).<br />
1.3 Der liberale Mystiker (1895-1910)<br />
Im Jahre 1895 nahm Rittelmeyer dann doch die Ernennung auf das erste protestantische<br />
Stadtvikariat in Würzburg an, das er bis 1902 bekleidete (6.139).<br />
Das Ereignis, das es ihm möglich machte, in der evangelischen Kirche zu<br />
wirken, "glich gar nicht einer sogenannten 'Bekehrung'", keinem "Sturm<br />
von Gefühlen". "Vielmehr waren es zarte, geistige Eindrücke vom Dasein<br />
einer höheren Welt" (127). Diese wurden ihm wieder vor allem durch die<br />
Musik zuteil (128ff).<br />
Rückblickend legt Rittelmeyer Wert auf die Feststellung, daß er von Anfang<br />
an in innerer Distanz zur evangelischen Kirche gestanden habe. Seine Haltung<br />
war die eines"Geisteskämpfers", der "immer völlig frei" und entschlossen<br />
sein muß, "in jedem Augenblick selbst sein Amt aufzugeben" (140). Vor<br />
allem die Verpflichtung auf ein Bekenntnis kam ihm einer "geistigen Knebelung"<br />
gleich (141). So gelangte er zu einem Kompromiß: "Was sich mir als<br />
Wahrheit ergab aus Bibel und Bekenntnis, habe ich verkündigt und über das<br />
andre habe ich geschwiegen" (145; HiO).<br />
In seiner Vikariatszeit schrieb Rittelmeyer bei dem Würzburger Philosophen<br />
Oswald Külpe seine Dissertation, die 1903 unter dem Titel "Friedrich<br />
Nietzsche und das Erkenntnisproblem" 47 erschien (172f.438). An Külpe bewunderte<br />
er, daß er "zu einer neuen Metaphysik vordringen" wollte. Zugleich<br />
bedauerte er, daß er an den Grenzen des "kritisch-synthetischen Verstandesdenkens"<br />
stehen blieb (1710-<br />
Mit Nietzsche beschäftigte sich Rittelmeyer auch auf seiner Pfarrstelle an<br />
der Nürnberger "Heilig-Geist-Kirche ", die er 1903 erhielt und bis 1916 bekleidete<br />
(6.204). In dieser Zeit ging er daran, seinen bereits in Würzburg<br />
aufgestellten "Lebensplan" zu verwirklichen. Er hatte das Ziel, "mit vierzig<br />
Jahren... ein Buch über Jesus zu schreiben". Zu diesem Zweck wollte er sich'<br />
einerseits "durch die Evangelien ... immer tiefer in die Persönlichkeit Jesu<br />
hineinfühlen". Andererseits wollte er "zum Vergleich eine Reihe anderer<br />
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