Anthroposophie
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Anthroposophie
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Gesamtbeurteilung des anthroposophischen<br />
Bibelverständnisses<br />
Das anthroposophische Bibelverständnis beruht auf den Forschungen und<br />
Schauungen von Rudolf Steiner. Es wurde von verschiedenen Autoren systematisiert<br />
und in zum Teil eigenständiger Form weiterentwickelt, doch grundsätzlich<br />
in Kontinuität, nicht im Widerspruch zu den Lehren Steiners. Unter<br />
den Schülern Steiners, die sich um eine theologische Vermittlung, Systematisierung<br />
und Vertiefung seiner Aussagen bemüht haben, ragen Friedrich<br />
Rittelmeyer, Emil Bock und Rudolf Frieling besonders hervor. Durch frühe<br />
übersinnliche Erlebnisse geprägt, fanden diese weder in der lutherischen,<br />
reformierten und pietistischen "Orthodoxie" noch in der liberalen Theologie,<br />
sondern erst in der Steinerschen <strong>Anthroposophie</strong> eine dauerhafte geistige<br />
Heimat (I.).<br />
Ihre Berechtigung und Notwendigkeit begründet die anthroposophische<br />
Exegese damit, daß die gängigen Systeme der Bibelauslegung dem Materialismus<br />
verfallen seien. Die Frage nach der spirituellen Dimension, die über den<br />
literalen Bibeltext hinausgehe, sei ihnen verlorengegangen. Das Anliegen<br />
der anthroposophischen Exegese sei es, die Wiedergewinnung der spirituellen<br />
Dimension zu ermöglichen.<br />
Die anthroposophische Kritik trifft jedoch nur teilweise zu. Zwar hat es im<br />
theologischen Liberalismus, insbesondere in der religionsgeschichtlichen<br />
Schule, Vertreter gegeben, welche die biblischen Schriften lediglich als Erzeugnisse<br />
menschlicher Religiosität und mythischer Poesie ohne transzendenten<br />
Offenbarungsbezug betrachtet haben. Gegen solche wenden sich<br />
Steiner und seine Schüler zu Recht. Derartige Einseitigkeiten sind jedoch<br />
seit dem Widerspruch insbesondere der Dialektischen Theologie weitgehend<br />
überwunden. Vertreter eben der dialektischen Wort-Gottes-Theologie und<br />
einer am Alten und Neuen Testament als Gottes Offenbarung orientierten<br />
Exegese betonen nachdrücklich die geistlich-christologische Dimension<br />
biblischer Texte. Die anthroposophische Exegese ist somit ganz gewiß nicht<br />
der einzige moderne Versuch, den Bereich des "Transzendenten" zu erschließen.<br />
Das Bemühen Steiners, "Erkenntnisse höherer Welten" zu gewinnen,<br />
erscheint in dieser Hinsicht nur als ein Sonderfall (H.A.).<br />
Ob der Weg der <strong>Anthroposophie</strong> in die "höheren Welten" und damit die<br />
Begründung eines neuen Bibel Verständnisses gelingen kann, darüber entscheidet<br />
die empirische und theologische Untersuchung ihrer methodischen und<br />
weltanschaulichen Grundlagen. Diesem Ziel versuchte die vorliegende Arbeit<br />
zu dienen.<br />
In empirischer Hinsicht erwies sich dabei der Anspruch Steiners, der Offenbarer<br />
neuer Wahrheiten zu sein und andere Menschen zu "Erkenntnissen<br />
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