Anthroposophie
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mathetön autoü ...")» was kaum verständlich wäre, wenn er der bereits ausführlich<br />
beschriebene Lazarus wäre. 130 Zum dritten ist im markinischen<br />
Parallelbericht ausdrücklich von "den Zwölfen" die Rede, die am letzten Mahl<br />
Jesu teilnahmen (Mk 14,17). Zu diesem Kreis gehörte Lazarus nicht. 131 Zum<br />
vierten ließe sich das Zurücktreten des bekannten Lazarus in die Anonymität<br />
zwar vielleicht mit dem Todesurteil in Zusammenhang bringen, das die<br />
Hohenpriester über ihn gefällt hatten (Joh 12,10). Dann bliebe aber um so<br />
unerklärlicher, warum er als "der Jünger, den Jesus liebte" ungefährdet in<br />
aller Öffentlichkeit dem Kreuzesgeschehen beiwohnen konnte (Joh 19,26-<br />
28). (Träfe es darüber hinaus zu, daß "der Jünger, den Jesus liebte" mit dem<br />
"anderen Jünger" identisch wäre, der als Bekannter des Hohenpriesters freien<br />
Zugang zu dessen Palast hatte und somit Augenzeuge des Prozesses Jesu war<br />
[Joh 18,15f; vgl. Joh 1,40], so wäre jede Identität zwischen diesem Jünger<br />
und Lazarus vollends ausgeschlossen. Dies ist freilich nur eine Hypothese. 132 )<br />
Ein weiterer Hinweis auf eine Identität zwischen Lazarus und dem "Jünger,<br />
den Jesus liebte" wird schließlich darin gesehen, daß über diesen Jünger das<br />
Gerücht umlief, er würde nicht sterben (Joh 21,23). Dieses Gerücht könnte<br />
darauf beruhen, daß er als Lazarus bereits gestorben und wieder auferweckt<br />
worden sei. 133 - Doch diese Folgerung ist nicht zwingend. Erstens wird auch<br />
hier im Text keine Identifizierung zwischen Lazarus und dem "Jünger, den<br />
Jesus liebte" ausgesprochen. Zweitens wird im Kontext dieser Stelle deutlich<br />
gesagt, wodurch das Gerücht zustande kommt: durch die mißverstandene<br />
Aussage Jesu "Wenn ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was geht es<br />
dich an" (VV. 22f). Dieses Wort Jesu ist in die Zukunft gerichtet; eine Begründung<br />
in der Vergangenheit - etwa im Lazarus-Ereignis - wird nicht<br />
gesucht. Jeder Bezug darauf ist daher rein spekulativ. 134<br />
Die Identifizierung des Lazarus mit dem "Jünger, den Jesus liebte" als dem<br />
Verfasser des Joh ist somit von den Aussagen des Joh her unbeweisbar. Es<br />
handelt sich, wie auch Oscar Cullmann feststellt, um eine "Möglichkeit" oder<br />
"Hypothese" neben anderen, die "nicht a priori abzulehnen" ist- nicht mehr<br />
und nicht weniger! 135 Man darf hinzufügen, daß wesentlich mehr gegen diese<br />
Hypothese spricht als dafür. Diese Möglichkeit wird für Steiner und seine<br />
Schüler zur Wirklichkeit, indem sie durch die Anwendung der anthroposophischen<br />
Weltanschauung auf die joh Texte zu neuen Erkenntnissen und zur<br />
"Lösung" der Verfasserfrage gelangen wollen. Wie Kurt von Wistinghausen<br />
ausführt, sind diese neuen "Gedanken, Anregungen und Impulse... zwar nicht<br />
nach 'historisch-kritischer', jedoch nach eigener, in der <strong>Anthroposophie</strong> selbst<br />
beruhender, stets sorgfältig eingehaltener Methode" gewonnen, die "nicht<br />
weniger genau ist als die der 'Wissenschaft'". "Die Ergebnisse der Fachwissenschaft<br />
können durch sie angeregt, ergänzt und vervollständigt werden,<br />
auch solche theologischer Forschung." 136 Wie sehen diese "Aussagen"<br />
aus?<br />
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