Anthroposophie

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Abgesehen von solchen Besonderheiten in Steiners System, ist freilich die anthroposophische Lehre von den verschiedenen Leibern grundsätzlich in Frage zu stellen. Eine Einteilung des Menschen in physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich wird weder von der biblischen noch von den gängigen wissenschaftlichen Anthropologien vertreten. Diese Lehre Steiners entspringt bestimmten philosophischen Vorstellungen (z.B. seiner Ich-Philosophie; s.o.) und übersinnlichen Spekulationen (Astralraum usw.). Die biblische Anthropologie lehrt hingegen die Einheit und Ganzheit des Menschen, der Leib, Seele und Geist ist (nicht hat) (vgl. Gen 2,7; l.Thess 5,23; u.ö.). Leib, Seele und Geist sind Aspekte, nicht Teile der einen Person. 117 Wir brechen dieses Kapitel hier ab und halten als Ergebnis fest: Der "Christus Jesus" der Anthroposophie ist nicht der Jesus Christus der Heiligen Schrift. Er schenkt dem Menschen durch seinen Kreuzestod keine Erlösung von Sünde und Tod, sondern treibt ihn auf dem Weg der eigenen Apotheose durch Höherentwicklung, auf dem Weg der Absolutsetzung des "Ich" erst recht in die Sünde, in die Loslösung vom dreieinigen Gott der christlichen Offenbarung hinein. Der "Christus Jesus" der Anthroposophie muß somit geradezu als ein modernes gnostisches Gegenbild zum Jesus Christus der Bibel bezeichnet werden. 5. Lazarus - der Verfasser des Johannesevangeliums 5.1 Anthroposophische Auffassung Wer war der Verfasser des Joh? Das ist eine vieldiskutierte und offene Frage in der theologischen Forschung, für deren Beantwortung sie dankbar wäre. Rudolf Steiner beansprucht, eine eindeutige Antwort auf diese Frage geben zu können. Sie lautet: Der Verfasser des Joh war Lazarus. 5.1.1 Die Entstehung der anthroposophischen Auffassung Diese Auffassung vertrat Steiner erstmals in seinem 1902 gehaltenen Vortragszyklus "Das Christentum als mystische Tatsache" (619,119ff). Eine Quelle für seine Erkenntnis gibt er selber nicht an, doch weisen sowohl die Anthroposophen Johannes Hemleben 118 und Kurt von Wistinghausen 119 als auch der Kritiker Klaus von Stieglitz 120 auf die "Neue Lösung der Johanneischen Frage" hin, die der Philosoph Johannes Kreyenbühl zwei Jahre vor Steiner vorgelegt hat. Kreyenbühl vermutet als den Verfasser des Joh Lazarus - und hält diesen zugleich für den Gnostiker Menandros von Antiochia. 121 Die letztere Identifizierung begegnet jedoch bei Steiner nicht, so daß er zu seiner "Lösung" zwar möglicherweise von Kreyenbühl angeregt wurde, aber dann in eine an- 190

dere Richtung weitergedacht hat. Doch halten wir fest, daß sich bei Steiner selber kein Hinweis auf eine Beeinflussung durch Kreyenbühl findet. Hat nun das Problem der joh Verfasserschaft tatsächlich seine "Lösung durch Rudolf Steiner" erfahren, wie Kurt von Wistinghausen in seiner Monographie "Der verborgene Evangelist" schreibt? 122 Kann Lazarus wirklich als Verfasser des Joh gelten? Darum soll es hier gehen. Wir untersuchen also nicht die joh Verfasserfrage in ihrer ganzen Breite einschließlich aller vorgeschlagenen Lösungsversuche 123 , sondern wir beschränken uns auf die Prüfung des Anspruchs Steiners, die Lösung des Problems gefunden zu haben. 5.1.2 Die Heranziehung allgemeintheologischer Argumente Bevor wir die Position Steiners und seiner Schüler darstellen, ist anzumerken, daß es auch innerhalb der wissenschaftlichen theologischen Forschung einzelne Stimmen gibt, die eine Abfassung des Joh durch Lazarus für möglich halten, etwa Oscar Cullmann 124 , auf den sich seinerseits K. v. Wistinghausen 125 bezieht. Anlaß dafür ist v.a. der Hinweis, daß Jesus Lazarus "liebte" (Joh 11,3.36: philein; Joh 11,5: agapän). Aufgrund dieses Hinweises wird Lazarus mit dem "Jünger, den Jesus liebte" (Joh 13,23-26; 19,26f; 20,3-10; 21,7-24: "ho mathetSs honegäpa") gleichgesetzt, der in Joh 21,20-24 als Verfasser des Joh gekennzeichnet wird. 126 - Überzeugend ist diese Gleichsetzung jedoch nicht. Denn erstens wird Lazarus nirgends als "mathetes" bezeichnet. 127 Zweitens ist das "agapän" nicht auf Lazarus beschränkt, sondern die Agape Jesu gilt allen seinen Jüngern (Joh 13,1.34f; 15,9 u.ö.), ja letztlich allen Menschen (vgl. Joh 3,16; s. Joh 11,5: "Jesus hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus"); das schließt freilich die besondere Kennzeichnung eines Jüngers durch die Agape-Formel nicht aus. Drittens wird, wo allein von Lazarus die Rede ist, nicht "agapän", sondern "philein" gebraucht, was ein freundschaftliches Verhältnis zum Ausdruck bringt - und zwar nicht nur zu Jesus, sondern auch zum gesamten Jüngerkreis (Joh 11,3.36; vgl. V. 11: "ho philos hemön"). n% Viertens wird "der Jünger, den Jesus liebte" nirgends mit Namen bezeichnet, so daß seine Gleichsetzung mit Lazarus bloße Spekulation ist. Als weiterer Hinweis auf eine Identität zwischen Lazarus und dem "Jünger, den Jesus liebte" wird die Tatsache gewertet, daß "der Jünger, den Jesus liebte" erst nach der Auferweckung des Lazarus erscheint. Während in Joh 11 und 12,2.9f.l7 noch von Lazarus die Rede ist, verschwindet dieser Name plötzlich, und in Joh 13,23 taucht zum ersten Mal "der Jünger, den Jesus liebte" auf. 129 - Es gibt jedoch keinen Anlaß, daraus eine Identität zwischen beiden zu folgern. Zum ersten weisen wir auf die bereits genannten Argumente hin. Zum zweiten wird "der Jünger, den Jesus liebte" in Joh 13,23 durch eine komplizierte Vorstellungsformel eingeführt ("eh anakeimenos heis ek tön 191

dere Richtung weitergedacht hat. Doch halten wir fest, daß sich bei Steiner<br />

selber kein Hinweis auf eine Beeinflussung durch Kreyenbühl findet.<br />

Hat nun das Problem der joh Verfasserschaft tatsächlich seine "Lösung durch<br />

Rudolf Steiner" erfahren, wie Kurt von Wistinghausen in seiner Monographie<br />

"Der verborgene Evangelist" schreibt? 122 Kann Lazarus wirklich als Verfasser<br />

des Joh gelten? Darum soll es hier gehen. Wir untersuchen also nicht die<br />

joh Verfasserfrage in ihrer ganzen Breite einschließlich aller vorgeschlagenen<br />

Lösungsversuche 123 , sondern wir beschränken uns auf die Prüfung des<br />

Anspruchs Steiners, die Lösung des Problems gefunden zu haben.<br />

5.1.2 Die Heranziehung allgemeintheologischer Argumente<br />

Bevor wir die Position Steiners und seiner Schüler darstellen, ist anzumerken,<br />

daß es auch innerhalb der wissenschaftlichen theologischen Forschung<br />

einzelne Stimmen gibt, die eine Abfassung des Joh durch Lazarus für möglich<br />

halten, etwa Oscar Cullmann 124 , auf den sich seinerseits K. v. Wistinghausen<br />

125 bezieht. Anlaß dafür ist v.a. der Hinweis, daß Jesus Lazarus "liebte"<br />

(Joh 11,3.36: philein; Joh 11,5: agapän). Aufgrund dieses Hinweises wird<br />

Lazarus mit dem "Jünger, den Jesus liebte" (Joh 13,23-26; 19,26f; 20,3-10;<br />

21,7-24: "ho mathetSs honegäpa") gleichgesetzt, der in Joh 21,20-24 als<br />

Verfasser des Joh gekennzeichnet wird. 126 - Überzeugend ist diese Gleichsetzung<br />

jedoch nicht. Denn erstens wird Lazarus nirgends als "mathetes" bezeichnet.<br />

127 Zweitens ist das "agapän" nicht auf Lazarus beschränkt, sondern<br />

die Agape Jesu gilt allen seinen Jüngern (Joh 13,1.34f; 15,9 u.ö.), ja letztlich<br />

allen Menschen (vgl. Joh 3,16; s. Joh 11,5: "Jesus hatte Martha lieb und ihre<br />

Schwester und Lazarus"); das schließt freilich die besondere Kennzeichnung<br />

eines Jüngers durch die Agape-Formel nicht aus. Drittens wird, wo allein<br />

von Lazarus die Rede ist, nicht "agapän", sondern "philein" gebraucht, was<br />

ein freundschaftliches Verhältnis zum Ausdruck bringt - und zwar nicht nur<br />

zu Jesus, sondern auch zum gesamten Jüngerkreis (Joh 11,3.36; vgl. V. 11:<br />

"ho philos hemön"). n% Viertens wird "der Jünger, den Jesus liebte" nirgends<br />

mit Namen bezeichnet, so daß seine Gleichsetzung mit Lazarus bloße Spekulation<br />

ist.<br />

Als weiterer Hinweis auf eine Identität zwischen Lazarus und dem "Jünger,<br />

den Jesus liebte" wird die Tatsache gewertet, daß "der Jünger, den Jesus liebte"<br />

erst nach der Auferweckung des Lazarus erscheint. Während in Joh 11 und<br />

12,2.9f.l7 noch von Lazarus die Rede ist, verschwindet dieser Name plötzlich,<br />

und in Joh 13,23 taucht zum ersten Mal "der Jünger, den Jesus liebte"<br />

auf. 129 - Es gibt jedoch keinen Anlaß, daraus eine Identität zwischen beiden<br />

zu folgern. Zum ersten weisen wir auf die bereits genannten Argumente hin.<br />

Zum zweiten wird "der Jünger, den Jesus liebte" in Joh 13,23 durch eine<br />

komplizierte Vorstellungsformel eingeführt ("eh anakeimenos heis ek tön<br />

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