Anthroposophie
Anthroposophie
Anthroposophie
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
anderes als eine kosmogonische Erklärung des menschlichen Wesens" ist und<br />
daß dementsprechend im Joh "die anthropologische Betrachtung über das<br />
'Selbst', den Wesenskern des Menschen", fehlt, die in der Gnosis ebenso wie<br />
bei Steiner im Mittelpunkt steht. Es geht im Joh nicht um eine Selbst- (oder<br />
Ich-)Philosophie, nicht um das mystische Erkennen einer ursprünglichen<br />
"Gottverwandtschaft" des Menschen, sondern um die "Heimholung des Menschen<br />
zu Gott", um die "Lebensgemeinschaft mit Gott" und um die personale<br />
"Gotteinigung", für die "der Glaubensanschluß an Jesus Christus, den Sohn<br />
Gottes, gefordert" wird. "So stehen sich beim gnostischen Erlösungsmythus<br />
und der joh. Christologie zwei Welten gegenüber, religiöse Philosophie (in<br />
mythischer Sprache) und biblische Religion (im Sinne menschlicher Bindung<br />
an einen personalen Gott), Mythus und Geschichte, Gnosis und Glaube." 115<br />
Für Steiner ist ferner "der Christus Jesus" ein Mischwesen, das sich aus verschiedenen<br />
Leibern zusammensetzt In diesem Mischwesen stellt "der Mensch<br />
Jesus" nur die Hülle dar, in die sich "der Christus" bei der Jordantaufe hineinsenkt<br />
und die er vor Beginn der Passion wieder verläßt. - Bei dieser Anschauung<br />
handelt es sich um eine moderne Variante des gnostischen Doketismus,<br />
der behauptet, Christus habe einen Scheinleib getragen und sei nur<br />
scheinbar durch Passion und Tod gegangen. Zwar legt Steiner Wert auf das<br />
Eingehen des Christus in die reale physische Leiblichkeit, aber er vertritt das<br />
Beisammensein von Jesus und "dem Christus" nur für eine bestimmte Zeit<br />
und vor allem nicht für den Zeitraum von Passion und Tod. Diese Ansicht<br />
tritt zur zentralen biblischen Botschaft von der Erlösung des Sünders durch<br />
das Kreuzesopfer Jesu Christi in einen unauflösbaren Widerspruch. Daß sie<br />
in den neutestamentlichen Texten keinen Anhaltspunkt findet, haben wir oben<br />
bereits aufgewiesen. Nicht ein Scheinleib hat am Kreuz geh'tten, sondern Jesus<br />
Christus als der lebendige Sohn Gottes, als "wahrer Gott und wahrer Mensch<br />
- unvermischt, ungetrennt, ungeteilt und unveränderlich", wie es das Konzil<br />
von Chalkedon im Jahre 451 formuliert hat.<br />
Sowohl die wahre Gottheit als auch die wahre Menschheit Jesu Christi werden<br />
hingegen durch die Anschauungen Steiners bestritten. Der Christus<br />
Steiners ist nicht wahrer Gott, sondern lediglich ein "Sonnengeist", ein Glied<br />
auf einer Zwischenstufe der anthroposophischen Geisterhierarchie. In seiner<br />
Leugnung der wahren Gottheit Christi 116 berührt sich Steiner in gewisser<br />
Weise mit dem Arianismus, der Christus lediglich als das erste Geschöpf<br />
Gottes ansieht.<br />
So wie "der Christus" Steiners nicht wahrer Gott ist, ist auch sein "Jesus"<br />
nicht wahrer Mensch. Die einzelnen Leiber des Steinerschen "Jesus" werden<br />
ja in einer Weise zubereitet, wie dies bei keinem anderen Menschen der<br />
Fall ist. Zudem verläuft die Entwicklung über einen mehrmaligen "Ich-Austausch"<br />
(zuerst zwischen den "zwei Jesusknaben" und dann bei der<br />
Jordantaufe, woraufhin gar kein "menschliches" Ich mehr im Jesusleib ist!).<br />
189