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Anthroposophie

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lierungen vom "Sein in Christus" ("ich in Christus", "Christus in mir" u.a.)<br />

im Sinne einer wesenhaften Identifikation versteht: "Christus ... ist gekommen,<br />

um uns sein ganzes Ich zu geben als unser wahres Ich. 'Ich in ihnen!'". 89<br />

Daß diese biblischen Formulierungen gerade keine Wesensidentität zwischen<br />

Christus und dem "Menschen-Ich" ausdrücken, daß Christus und der Mensch<br />

getrennte Personen sind und daß "Christus in mir" allein durch den Glauben<br />

(im Sinne einer persönlichen Vertrauensbeziehung) lebt, haben wir bereits<br />

in II.B.l. aufgewiesen. Auch Rittelmeyer bemerkt das und versucht deshalb,<br />

den Begriff des "Glaubens" umzudeuten: "Es ist die eine ganz große Forderung<br />

Christi an die Menschen: Glaubet an mich! Nicht in dem Sinn irgend<br />

eines willkürlichen Vertrauens, sondern in dem Sinn: Glaubet, daß in mir<br />

das wahre Ich erschienen ist, auf das ihr alle gewartet habt, in dem ihr alle<br />

euer eigenes Ich finden könnt, in dem sich der Sinn des Menschentums in<br />

der Erdengeschichte erfüllt!" 90 Die Aufforderung Christi "Glaubet an mich!"<br />

sei also folgendermaßen zu verstehen: "Glaubet an mein Ich!" 91 Und "die<br />

Sünde, daß sie nicht glauben an mich" (Joh 16,9) sei "die Sünde, wenn der<br />

Mensch nicht glaubt an das Ich, das in Christus da ist" 92 . - Diese Deutung<br />

scheitert allerdings bereits daran, daß an den betreffenden Stellen im Urtext<br />

eben nicht "ich" (egö) und schon gar nicht "das Ich", sondern "mich" (eme")<br />

steht. Der Glaube ist ein Akt personalen Vertrauens auf Jesus Christus, nicht<br />

die Aneignung eines höheren Wesensteils (s.u.).<br />

4.2.3 Die Umdeutung der johanneischen "Ich-bin"-Worte<br />

Die joh "Ich-bin"-Worte werden nun aber von der <strong>Anthroposophie</strong> im letzteren<br />

Sinn ausgelegt. Zwei Beispiele mögen zur Illustration genügen. Joh<br />

14,6 will Steiner gemäß seiner Lehre von den verschiedenen Leibern folgendermaßen<br />

verstehen: "In dem 'Ich bin' liegt der Weg zur Wahrheit und zum<br />

wahren Leben, weil das 'Ich bin' die niederen Leiber durcharbeitet und das<br />

wahre Leben in ihnen entstehen läßt." Steiner veranschaulicht das Ergebnis<br />

seiner Deutung durch folgendes Schema:<br />

Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben<br />

Richtung Geistselbst Lebensgeist Geistesmensch<br />

Er meint: "Das 'Ich bin' zeigt die Richtung, die der Mensch einschlagen muß,<br />

um Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch zur Entfaltung zu bringen"<br />

- und dadurch zum "Vater" (d.h. zur Einswerdung mit dem kosmischen<br />

Weltengrund, mit dem "Groß-Ich") zu gelangen (100,2550-<br />

In dieser Auslegung lassen sich gewisse Analogien zur frühchristlichen Gnosis<br />

erkennen, die sagt: "Jesus Christus ist nicht selbst der Weg zum Vater, sondern<br />

er lehrt die Wahrheit, d.h. die Gnosis, die aus sich zum erlösenden Aufstieg<br />

in das Reich der Wahrheit wird." 93 Der Blick wird weg von der Person Christi<br />

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