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Anthroposophie

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den Texten nicht gerecht werden. Die Differenz zwischen den beiden Stammbäumen<br />

läßt sich durch harmonisierende Vermutungen nicht beseitigen.<br />

Helmut Merkel nennt die heiklen Punkte:<br />

"Diese ganze Konstruktion krankt natürlich daran, daß die Verwandtschaft zwischen<br />

Eli und Jakob nur erschlossen ist; außerdem dürfte bei Halbbrüdern mütterlicherseits<br />

die Verpflichtung zur Leviratsehe nicht mehr vorgelegen haben." 76<br />

So ergibt sich, daß die Annahmen des Julius Africanus zwar im einzelnen<br />

ebensowenig beweisbar sind wie die Konstruktionen Rudolf Steiners, aber<br />

wenigstens einen Rückhalt in der jüdisch-alttestamentlichen Tradition besitzen<br />

und daher noch eher im Bereich des Vorstellbaren liegen. Rudolf Steiner<br />

argumentiert so sehr viel weniger "historisch" als der Gelehrte Julius Africanus<br />

zu Beginn des 3. Jahrhunderts, der ja z.B. auch gegenüber Origenes die<br />

"Kanonizität" der Susanna-Erzählung im Danielbuch aus philologischen<br />

Gründen bestritt. 77<br />

3.2.2.2 Tatian<br />

Ähnliches gilt für die Geburtsgeschichten. Auch für die Unterschiede zwischen<br />

ihnen gibt es harmonisierende Erklärungsversuche, die die Texte historisch<br />

ernst nehmen wollen, ohne Spekulationen in der Art Steiners zu verfallen.<br />

Den ältesten Erklärungsversuch liefert Tatian (2. Jahrhundert) in seiner<br />

Evangelienharmonie "Diatessaron", wo er den Besuch der Magier (Mt 2,1-<br />

12) nicht (wie viele moderne Synopsen) neben, sondern hinter den Besuch<br />

der Hirten mitsamt der Tempeldarstellung (Lk 2,8-40) einordnet. 78 Tatian<br />

nimmt also nicht (wie Steiner) eine zeitliche Differenz zwischen den Geburten,<br />

sondern zwischen den Besuchen an!<br />

Nach dieser Erklärung sind die Hirten sogleich in der Nacht der Geburt ("heute<br />

") zum Jesuskind gekommen, die Magier jedoch erst nach einem nicht näher<br />

bestimmten Zeitraum ("als Jesus zu Bethlehem geboren war"). Daß der Zeitraum<br />

zwischen der Geburt Jesu und dem Besuch der Magier nicht zu knapp<br />

angesetzt werden darf, sondern sogar ein bis zwei Jahre betragen kann, wird<br />

aus der Anordnung des Herodes gefolgert, "alle Knaben in Bethlehem und der<br />

ganzen Gegend töten zu lassen, die zweijährig und darunter waren, nach der<br />

Zeit, die er mit Fleiß von den Weisen erkundet hatte" (Mt 2,16). Wenn das<br />

Jesuskind zur Zeit des Besuches der Magier aber bereits ein bis zwei Jahre alt<br />

war, so ergibt sich, daß die Beschneidung und Tempeldarstellung, die das Lk<br />

schildert, bereits hinter ihm lagen und daß diese Ereignisse tatsächlich in einer<br />

friedlichen Atmosphäre - ohne Gefahr durch die herodianische Verfolgung -<br />

stattgefunden hatten. Die herodianische Verfolgung setzte ja erst nach dem<br />

Besuch der Magier ein. 79<br />

Freilich geht auch dieser historisierende Harmonisierungsversuch weit über<br />

das hinaus, was der Text sagt. Tatian und auch sein Lehrer Justin, der als<br />

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