Anthroposophie
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und lk Stammbäumen und Geburtsgeschichten tatsächlich da. Daß die Anthroposophie darauf hinweist - das ist der wahre Kern ihrer Argumentation. Und auch die Forderung Bocks nach einem Ernstnehmen der Texte hat durchaus ihre Berechtigung. Ist jedoch die anthroposophische Behauptung der Existenz zweier Jesusknaben die einzig mögliche "Erklärung" für die Unterschiede zwischen Mt 1-2 und Lk 1-3? 3.2.2 Nichtanthroposophische Erklärungsversuche und die bleibende Aporie 3.2.2.1 Julius Africanus Wir betrachten zunächst die Unterschiede zwischen den Stammbäumen. Daß der Steinersche Lösungsversuch nicht der einzig möglich ist - darauf weisen anthroposophische Autoren, etwa Emil Bock und Diether Lauenstein, selber hin. 72 Beide Autoren stellen den Anfang des 3. Jahrhunderts von Julius Africanus (gest. ca. 240) aufgestellten Harmonisierungsversuch dar, von demEuseb in seiner Kirchengeschichte (1,7) berichtet und der bis in die Gegenwart mit verschiedenen Variationen und Verbesserungen immer wieder vertreten worden ist. 73 Julius Africanus erklärt die Differenzen zwischen den Stammbäumen mit Hilfe des alttestamentlichen Rechtsprinzips der Leviratsehe: "Wenn Brüder beieinander wohnen und einer stirbt ohne Söhne, so soll seine Witwe nicht die Frau eines Mannes aus einer anderen Sippe werden, sondern ihr Schwager soll zu ihr gehen und sie zur Frau nehmen und mit ihr die Schwagerehe schließen. Und der erste Sohn, den sie gebiert, soll gelten als der Sohn seines verstorbenen Bruders, damit dessen Name nicht ausgetilgt werde aus Israel" (Dtn 25,5f). Von diesem Rechtsprinzip her ist es möglich, daß ein Mann in Israel zwei Väter haben konnte: einen juristischen (der verstorben ist) und einen leiblichen (der dem Verstorbenen einen Namenserben gezeugt hat). So besitzt laut Julius Africanus auch Joseph, der Mann Marias, zwei Väter - und damit zwei Stammbäume, die beide auf David zurückgehen: Josephs juristischer Vater Eli (Lk) war kinderlos verstorben; daraufhin hatte Jakob (Mt) Elis Witwe zu sich genommen und mit ihr Joseph gezeugt. 74 Jakob und Eli waren Stiefbrüder: Sie hatten verschiedene Väter-Matthan (Mt) und Matthat (Lk) -, aber die gleiche Mutter, die zweimal verheiratet war. Diether Lauenstein schreibt: "Unter den Alten hat m.E. Julius Africanus die Frage nach den beiden Stammbäumen Jesu am ehesten gelöst." 75 Auch Emil Bock bemerkt, daß die "neuere protestantische Theologie", soweit sie die Stammbäume als historisch relevant ansieht, die Lösung des Julius Africanus für die "bestmögliche" hält. Zugleich aber kritisiert er mit Recht, daß Julius Africanus "seine Zuflucht nehmen muß zu einer ganzen Summe unbeweisbarer und sehr unwahrscheinlicher Annahmen" (V,40). In der Regel werden deshalb derartige Harmonisierungsversuche in der Forschung abgelehnt, weil sie 174
den Texten nicht gerecht werden. Die Differenz zwischen den beiden Stammbäumen läßt sich durch harmonisierende Vermutungen nicht beseitigen. Helmut Merkel nennt die heiklen Punkte: "Diese ganze Konstruktion krankt natürlich daran, daß die Verwandtschaft zwischen Eli und Jakob nur erschlossen ist; außerdem dürfte bei Halbbrüdern mütterlicherseits die Verpflichtung zur Leviratsehe nicht mehr vorgelegen haben." 76 So ergibt sich, daß die Annahmen des Julius Africanus zwar im einzelnen ebensowenig beweisbar sind wie die Konstruktionen Rudolf Steiners, aber wenigstens einen Rückhalt in der jüdisch-alttestamentlichen Tradition besitzen und daher noch eher im Bereich des Vorstellbaren liegen. Rudolf Steiner argumentiert so sehr viel weniger "historisch" als der Gelehrte Julius Africanus zu Beginn des 3. Jahrhunderts, der ja z.B. auch gegenüber Origenes die "Kanonizität" der Susanna-Erzählung im Danielbuch aus philologischen Gründen bestritt. 77 3.2.2.2 Tatian Ähnliches gilt für die Geburtsgeschichten. Auch für die Unterschiede zwischen ihnen gibt es harmonisierende Erklärungsversuche, die die Texte historisch ernst nehmen wollen, ohne Spekulationen in der Art Steiners zu verfallen. Den ältesten Erklärungsversuch liefert Tatian (2. Jahrhundert) in seiner Evangelienharmonie "Diatessaron", wo er den Besuch der Magier (Mt 2,1- 12) nicht (wie viele moderne Synopsen) neben, sondern hinter den Besuch der Hirten mitsamt der Tempeldarstellung (Lk 2,8-40) einordnet. 78 Tatian nimmt also nicht (wie Steiner) eine zeitliche Differenz zwischen den Geburten, sondern zwischen den Besuchen an! Nach dieser Erklärung sind die Hirten sogleich in der Nacht der Geburt ("heute ") zum Jesuskind gekommen, die Magier jedoch erst nach einem nicht näher bestimmten Zeitraum ("als Jesus zu Bethlehem geboren war"). Daß der Zeitraum zwischen der Geburt Jesu und dem Besuch der Magier nicht zu knapp angesetzt werden darf, sondern sogar ein bis zwei Jahre betragen kann, wird aus der Anordnung des Herodes gefolgert, "alle Knaben in Bethlehem und der ganzen Gegend töten zu lassen, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er mit Fleiß von den Weisen erkundet hatte" (Mt 2,16). Wenn das Jesuskind zur Zeit des Besuches der Magier aber bereits ein bis zwei Jahre alt war, so ergibt sich, daß die Beschneidung und Tempeldarstellung, die das Lk schildert, bereits hinter ihm lagen und daß diese Ereignisse tatsächlich in einer friedlichen Atmosphäre - ohne Gefahr durch die herodianische Verfolgung - stattgefunden hatten. Die herodianische Verfolgung setzte ja erst nach dem Besuch der Magier ein. 79 Freilich geht auch dieser historisierende Harmonisierungsversuch weit über das hinaus, was der Text sagt. Tatian und auch sein Lehrer Justin, der als 175
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und lk Stammbäumen und Geburtsgeschichten tatsächlich da. Daß die <strong>Anthroposophie</strong><br />
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auch die Forderung Bocks nach einem Ernstnehmen der Texte hat durchaus<br />
ihre Berechtigung. Ist jedoch die anthroposophische Behauptung der Existenz<br />
zweier Jesusknaben die einzig mögliche "Erklärung" für die Unterschiede<br />
zwischen Mt 1-2 und Lk 1-3?<br />
3.2.2 Nichtanthroposophische Erklärungsversuche und die<br />
bleibende Aporie<br />
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Wir betrachten zunächst die Unterschiede zwischen den Stammbäumen. Daß<br />
der Steinersche Lösungsversuch nicht der einzig möglich ist - darauf weisen<br />
anthroposophische Autoren, etwa Emil Bock und Diether Lauenstein, selber<br />
hin. 72 Beide Autoren stellen den Anfang des 3. Jahrhunderts von Julius Africanus<br />
(gest. ca. 240) aufgestellten Harmonisierungsversuch dar, von demEuseb<br />
in seiner Kirchengeschichte (1,7) berichtet und der bis in die Gegenwart mit<br />
verschiedenen Variationen und Verbesserungen immer wieder vertreten<br />
worden ist. 73 Julius Africanus erklärt die Differenzen zwischen den Stammbäumen<br />
mit Hilfe des alttestamentlichen Rechtsprinzips der Leviratsehe:<br />
"Wenn Brüder beieinander wohnen und einer stirbt ohne Söhne, so soll seine<br />
Witwe nicht die Frau eines Mannes aus einer anderen Sippe werden, sondern<br />
ihr Schwager soll zu ihr gehen und sie zur Frau nehmen und mit ihr die<br />
Schwagerehe schließen. Und der erste Sohn, den sie gebiert, soll gelten als der<br />
Sohn seines verstorbenen Bruders, damit dessen Name nicht ausgetilgt werde<br />
aus Israel" (Dtn 25,5f). Von diesem Rechtsprinzip her ist es möglich, daß ein<br />
Mann in Israel zwei Väter haben konnte: einen juristischen (der verstorben<br />
ist) und einen leiblichen (der dem Verstorbenen einen Namenserben gezeugt<br />
hat). So besitzt laut Julius Africanus auch Joseph, der Mann Marias, zwei Väter<br />
- und damit zwei Stammbäume, die beide auf David zurückgehen: Josephs<br />
juristischer Vater Eli (Lk) war kinderlos verstorben; daraufhin hatte Jakob (Mt)<br />
Elis Witwe zu sich genommen und mit ihr Joseph gezeugt. 74 Jakob und Eli<br />
waren Stiefbrüder: Sie hatten verschiedene Väter-Matthan (Mt) und Matthat<br />
(Lk) -, aber die gleiche Mutter, die zweimal verheiratet war.<br />
Diether Lauenstein schreibt: "Unter den Alten hat m.E. Julius Africanus die<br />
Frage nach den beiden Stammbäumen Jesu am ehesten gelöst." 75 Auch Emil<br />
Bock bemerkt, daß die "neuere protestantische Theologie", soweit sie die<br />
Stammbäume als historisch relevant ansieht, die Lösung des Julius Africanus<br />
für die "bestmögliche" hält. Zugleich aber kritisiert er mit Recht, daß Julius<br />
Africanus "seine Zuflucht nehmen muß zu einer ganzen Summe unbeweisbarer<br />
und sehr unwahrscheinlicher Annahmen" (V,40). In der Regel werden deshalb<br />
derartige Harmonisierungsversuche in der Forschung abgelehnt, weil sie<br />
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