Anthroposophie

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"'Ibbur" gestoßen. Nach kabbalistischer Vorstellung nämlich - so schreibt Gershom Scholem - gibt es Fälle, "in denen der Mensch im Laufe seines Lebens, etwa in besonderen, bedeutenden Momenten, eine andere Seele, gleichsam in Schwängerung ('Ibbur) seiner eigenen Seele, empfangt. Solche Zusatzseele, die mit seinem psychophysischen Organismus nicht von der Geburt an verbunden ist und keinen Teil an seinem Aufbau hat, kann ihn bis an den Tod begleiten, kann ihn aber auch schon früher wieder verlassen." 69 Der eine Jesus von Nazareth - so Steiner- besteht aus den vier Wesensgliedern physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Zarathustra-Ich. Das Zarathustra- Ich verläßt ihn bei der Jordantaufe in seinem dreißigsten Lebensjahr. Es hatte die Funktion gehabt, die "Hülle", die "menschliche Organisation" für die Aufnahme des Christus, vorzubereiten. "Was jetzt als Hülle da ist, das ist eine normale menschliche Organisation ... ist einfacher Mensch, schwacher Mensch." In diese vorbereitete Hülle tritt aus dem Weltenall als das neue Ich die "Christus-Wesenheit" ein. Die Ereignisse, die sich nun abspielen zwischen der Jordantaufe und dem "Mysterium von Golgatha", sind "die Ereignisse des Gottes Christus, nicht die Ereignisse eines Menschen", was daran deutlich wird, daß "derjenige Mensch, der diesen Leib bis zum dreissigsten Jahre bewohnt hat, diesen Leib verlassen" hat (131,88f). So weit die anthroposophische Darstellung. 3.2 Theologische Kritik 3.2.1 Die Unhaltbarkeit der anthroposophischen Lehrvo raussetzungen Bei unserer Beurteilung müssen wir gemäß unseren in II.B.3. herausgearbeiteten Kriterien zunächst unterscheiden, was sich im Literalsinn der Evangelien findet und was sich nicht in ihm findet, was also nur aus der Spekulation geschöpft ist. Nicht im Literalsinn der Evangelien und des gesamtbiblischen Kontextes findet sich: - die Einordnung Gottes und seines Sohnes Jesus Christus in die anthroposophische Geisterhierarchie (s. III.B.l.); - die Lehre von der Reinkarnation (s. III.B.2.); - die Einteilung des Menschen gemäß der anthroposophischen Vier-Leiber- Lehre (s. III.B.4.); - die Übertragung der Vier-Leiber-Lehre auf Jesus und die Trennung zwischen "Jesus" und "dem Christus" 70 ; - das Zusammenfließen fremdreligiöser und synkretistischer Strömungen (Buddhismus, Parsismus, Gnosis, Kabbala u.a.) in Jesus (s. III.A.2.); 172

- die Lehre von einem "jungfräulich" und sündlos gebliebenen Teil Adams 71 ; - die Existenz zweier Elternpaare der Jesusknaben mit den gleichen Namen; - der Bericht zweier zeitlich auseinanderliegender Geburten von Knaben namens "Jesus"; - die Existenz zweier Jesusknaben; - der Bericht von einem Ich-Austausch dieser Knaben im Jerusalemer Tempel und einem Sterben des einen Knaben; - der Bericht von einem Sterben des mt Joseph und der lk Maria und einem Zusammenziehen der Restfamilien; - der Bericht von einem erneuten Ich-Austausch bei der Jordantaufe. Diese Ansichten und eine Reihe weiterer Einzelheiten gehen weit über die biblischen Texte hinaus. Sie können nur mittels allegoristischer Eisegese in sie eingetragen werden. Dem gewaltsamen allegorisch-spekulativen Herantragen neuer Einzelheiten an die Evangelientexte ist allerdings spätestens da eine Grenze gesetzt, wo diese in unmittelbaren Widerspruch zum Literalsinn dieser Texte treten. Im Blick auf verschiedene Lehren der Anthroposophie, die ihrerseits die Voraussetzung für die Lehre von den zwei Jesusknaben bilden (z.B. Reinkarnation), haben wir den Widerspruch zum biblisch-reformatorischen Literalsinn und Gesamtzusammenhang bereits aufgezeigt. Damit aber ist vom biblisch-reformatorischen Schriftverständnis her der anthroposophischen Argumentation ihre Grundlage genommen. Hinzu kommt der im Blick auf die geschichtliche Realität irreal-künstliche Charakter verschiedener Details, der sofort auffällt, v.a. die Verdoppelung und Halbierung der Personengruppen nach dem Steinerschen Zeitplan. Daß es nicht nur zwei "Jesusse" gab, sondern daß die Eltern beider Maria und Joseph hießen, ist schon statistisch unwahrscheinlich genug. Daß dann aber auch noch von diesen sechs Personen drei fast gleichzeitig starben und sich die Übriggebliebenen zu einer Familie mit einem Jesus, einer Maria und einem Joseph verbanden, kann nur noch als völlig realitätsferne harmonisierende - man könnte auch sagen: absurde - "Konstruktion" bezeichnet werden, die im Text der Evangelien keinerlei Rückhalt besitzt. Was bleibt, ist das, was Bock die "schweigende Sprache" der "Widersprüche" zwischen den Evangelien nennt-eine Sprache, die die Anthroposophie nicht einfach durch die Behauptung der Legendenhaftigkeit der Berichte zum Verstummen bringen, sondern die sie ernst nehmen und durch ihre spekulative "Lösung" verstehbar machen will (s.o.). Die "argumenta e silentio", welche die Anthroposophie aufgrund der Differenzen konstruiert, sind jedoch mit dem, was die Evangelien ausdrücklich sagen, unvereinbar. Sie scheiden nach allem bisher Dargestellten aus. Dennoch sind die Differenzen zwischen den mt 173

"'Ibbur" gestoßen. Nach kabbalistischer Vorstellung nämlich - so schreibt<br />

Gershom Scholem - gibt es Fälle, "in denen der Mensch im Laufe seines<br />

Lebens, etwa in besonderen, bedeutenden Momenten, eine andere Seele,<br />

gleichsam in Schwängerung ('Ibbur) seiner eigenen Seele, empfangt. Solche<br />

Zusatzseele, die mit seinem psychophysischen Organismus nicht von der<br />

Geburt an verbunden ist und keinen Teil an seinem Aufbau hat, kann ihn bis<br />

an den Tod begleiten, kann ihn aber auch schon früher wieder verlassen." 69<br />

Der eine Jesus von Nazareth - so Steiner- besteht aus den vier Wesensgliedern<br />

physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Zarathustra-Ich. Das Zarathustra-<br />

Ich verläßt ihn bei der Jordantaufe in seinem dreißigsten Lebensjahr. Es hatte<br />

die Funktion gehabt, die "Hülle", die "menschliche Organisation" für die<br />

Aufnahme des Christus, vorzubereiten. "Was jetzt als Hülle da ist, das ist<br />

eine normale menschliche Organisation ... ist einfacher Mensch, schwacher<br />

Mensch." In diese vorbereitete Hülle tritt aus dem Weltenall als das neue Ich<br />

die "Christus-Wesenheit" ein. Die Ereignisse, die sich nun abspielen zwischen<br />

der Jordantaufe und dem "Mysterium von Golgatha", sind "die Ereignisse<br />

des Gottes Christus, nicht die Ereignisse eines Menschen", was daran<br />

deutlich wird, daß "derjenige Mensch, der diesen Leib bis zum dreissigsten<br />

Jahre bewohnt hat, diesen Leib verlassen" hat (131,88f). So weit die anthroposophische<br />

Darstellung.<br />

3.2 Theologische Kritik<br />

3.2.1 Die Unhaltbarkeit der anthroposophischen<br />

Lehrvo raussetzungen<br />

Bei unserer Beurteilung müssen wir gemäß unseren in II.B.3. herausgearbeiteten<br />

Kriterien zunächst unterscheiden, was sich im Literalsinn der<br />

Evangelien findet und was sich nicht in ihm findet, was also nur aus der<br />

Spekulation geschöpft ist. Nicht im Literalsinn der Evangelien und des<br />

gesamtbiblischen Kontextes findet sich:<br />

- die Einordnung Gottes und seines Sohnes Jesus Christus in die anthroposophische<br />

Geisterhierarchie (s. III.B.l.);<br />

- die Lehre von der Reinkarnation (s. III.B.2.);<br />

- die Einteilung des Menschen gemäß der anthroposophischen Vier-Leiber-<br />

Lehre (s. III.B.4.);<br />

- die Übertragung der Vier-Leiber-Lehre auf Jesus und die Trennung zwischen<br />

"Jesus" und "dem Christus" 70 ;<br />

- das Zusammenfließen fremdreligiöser und synkretistischer Strömungen<br />

(Buddhismus, Parsismus, Gnosis, Kabbala u.a.) in Jesus (s. III.A.2.);<br />

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