Anthroposophie
Anthroposophie Anthroposophie
Tradition aus apostolischer und urkirchlicher Zeit ergibt. 85 Wilfried Joest formuliert dieses Kriterium so: "Ist auch die Schrift Tradition, so spricht in ihr eben die maßgebende Grundtradition, an der alle weitere zu messen ist." 86 Die entscheidende Frage ist also, ob die anthroposophischen Neuoffenbarungen mit den Aussagen der in den alt- und neutestamentlichen Schriften bezeugten "Grundtradition" übereinstimmen oder ob hier Widersprüche auftreten. Zumindest müßte zwischen "alter" und "neuer" Offenbarung eine Kontinuität erkennbar sein. Versteht sich nämlich Steiners Christosophie "zu Recht als eine Ergänzung des in der Bibel Gesagten, zu Recht als ein neues Wort des Herrn, der als der erhöhte zugleich der gekreuzigte und auferstandene Herr ist, dann müßte das Wesen der neuen Offenbarung der bereits ergangenen innigst verwandt sein, dann müßte sich in der fortgeschrittenen Erkenntnis wiederfinden lassen, was als Ansatz oder Wurzel im Neuen Testament vorhanden wäre" (K. v. Stieglitz) 87 . Der ausführlichen Untersuchung dieser Frage dient der abschließende Teil III. B. 3.2.4 Die Unhaltbarkeit der anthroposophischen "Belegstellen" Doch zuvor ist die Behauptung Steiners zu prüfen, daß im Neuen Testament selber von einer "fortschreitenden Offenbarung" die Rede sei. Wir betrachten dazu die von Steiner herangezogenen Hauptbelegstellen im einzelnen. Nach Mt 28,20 verheißt der auferstandene Christus seinen Jüngern, daß er "alle Tage bis an das Ende der Weltzeit (aion)" bei ihnen ist. Steiners Übersetzung "bis an das Ende der Erdenentwickelung" (118,177) trägt die anthroposophische Lehre von den sieben aufeinander folgenden Entwicklungsepochen der Erde (vgl. I.A. 2.2) allegorisch in den Bibeltext hinein. Sie läßt sich mit der neutestamentlichen Äonenlehre nicht in Einklang bringen, die in einer ganz anderen Art zwischen zwei Äonen, nämlich dem bösen Aon der Sünde und dem in diesen hineinragenden und mit Christus bereits angebrochenen guten Äon des neuen Lebens, unterscheidet (vgl. Mt 12,32; Gal 1,4 u.ö.). 88 Entscheidend ist nun aber, daß im Kontext von Mt 28,20 mit keinem Wort von neuen Offenbarungen die Rede ist. Den Jüngern wird ganz im Gegenteil aufgetragen, nur das zu lehren, was Jesus ihnen "befohlen" hat, also das, was sie zu seinen irdischen Lebzeiten gehört haben. Es geht um die "Bewahrung der Lehre" bis zur Parusie, wobei die "in Jesu Vollmacht ausgesendeten Jünger seines Beistandes gewiß gemacht" werden (W. Grundmann) 89 . Ähnliches gilt für Joh 16,12. "Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen" - diese Worte sind, wie R. Bultmann zutreffend bemerkt, "aus der Abschiedssituation heraus formuliert" und können nur im 148
Zusammenhang mit den daran anschließenden Aussagen über den Parakleten (Joh 16,13-15; s. auch Joh 14,26; 15,26) richtig verstanden werden. "Muß Jesus durch den Geist gleichsam ersetzt werden, wird erst die Leitung des Geistes zur vollen Wahrheit führen, - so doch nur deshalb, weil gerade dadurch Jesus und sein Wort erst zur Geltung kommen." Das Wort des Geistes ist also "kein Neues ... gegenüber dem Worte Jesu", sondern der Geist Gottes wird dieses "nur neu sagen". "Nicht neue Erleuchtungen wird der Geist bringen, neue Mysterien enthüllen, sondern in der von ihm gewirkten Verkündigung wirkt Jesu Wort weiter." 90 Wenn Steiner mit den in Joh 20,30fund 21,25 erwähnten Lücken in der Berichterstattung neue Offenbarungen rechtfertigen will, dann verfehlt er den an diesen Stellen zum Ausdruck kommenden Skopus. Dieser Skopus besteht gerade nicht darin, ein möglichst lückenloses Bild vom Leben Jesu zu zeichnen, sondern darin, beim Leser den lebenbringenden "Glauben zu ermöglichen, zu wecken, zu stärken und zu vertiefen". Zu Recht betont Schnackenburg, daß es für Joh "keine Christologie losgelöst von der Soteriologie" gibt. 91 Das in Act 2 geschilderte Pfingstereignis schließlich muß in seiner heilsgeschichtlichen Besonderheit und Einmaligkeit ernstgenommen werden. Es sollte "nicht als Norm, sondern als Ausnahme gelten, nämlich als eine besondere Manifestation des Geistes, die derUrgemeinde in Jerusalem zum Durchbruch verhalf' 92 . Eine darüber hinausgehende Deutung wird dem Text nicht gerecht. Damit soll nicht bestritten werden, daß es ein Wirken des Geistes Gottes über die apostolisch-urkirchliche Zeit hinaus gibt, ganz im Gegenteil, doch sind zu seiner Beurteilung die oben genannten Kriterien anzuwenden. 3.2.5 Das Scheitern der anthroposophischen Kriterien zur Prüfung neuer "Offenbarungen " Nun wird von anthroposophischen Auslegern klar gesagt, daß für sie die biblische "Grundtradition" nicht der ausschlaggebende Maßstab zur Prüfung neuer "Offenbarungen", "Anschauungen" 93 oder "Vorstellungen" ist. "Es kommt schließlich nicht darauf an, ob eine Vorstellung 'platonisch' oder 'biblisch', sondern ob sie 'richtig' ist", schreibt etwa R. Frieling. Als "richtig" gilt eine Vorstellung, wenn sie durch die "Menschheits-Erfahrung" gesichertist, was Frieling am Beispiel außerkörperlicher Zustände beweisen will: "Daß die Seele sich auch schon vor dem Tode mehr oder weniger vom Erdenkörper freimachen kann, ist uralte Menschheits-Erfahrung." 94 F. Rittelmeyer 95 nennt einen ganzen Stufenweg zur Prüfung neuer "Offenbarungen". Zunächst bezeichnet er es als "unzulässig", eine neue "Offenbarung" deshalb abzulehnen, weil "Bibel worte fehlen". Dann beschreibt er die einzelnen Stufen des Prüfens: 149
- Seite 103 und 104: wenn nur in wnwesentlichen Bereiche
- Seite 105 und 106: Befähigung abspricht, in unserer Z
- Seite 107 und 108: zentriert, sondern sein besonderes
- Seite 109 und 110: tung schenkt. So zeigt sich spätes
- Seite 111 und 112: (A) Esoteriker okkultwörtlich V sy
- Seite 113 und 114: Stellen der Schrift - d.h. von ihre
- Seite 115 und 116: Stelle in Ps 41 lautet im Zusammenh
- Seite 117 und 118: Vorgang in den Seelen oder zugleich
- Seite 119 und 120: Im folgenden geben wir zur Veransch
- Seite 121 und 122: Napoleon-Mythos gerade sechs Geschw
- Seite 123 und 124: e) Daß die anthroposophische Exege
- Seite 125 und 126: In ähnlicher Weise spricht E. Bock
- Seite 127 und 128: Wenn die Weltzeit des Geistes da is
- Seite 129 und 130: Nach Bock ergibt sich somit für di
- Seite 131 und 132: 1.1.6 Zusammenfassung a) Anthroposo
- Seite 133 und 134: Verfasser in ein starres, dem Reich
- Seite 135 und 136: ehe zwischen ihnen, v. a. im Blick
- Seite 137 und 138: die hellseherischen Wege der alten
- Seite 139 und 140: ) von den Mysterien her auf das Leb
- Seite 141 und 142: heit und Wachheit, wieder über die
- Seite 143 und 144: dient im Hinduismus der Yogaweg. In
- Seite 145 und 146: Religionen "Strebungen, Sehnsüchte
- Seite 147 und 148: 2. Jh. n.Chr. schon recht verbreite
- Seite 149 und 150: flußbare Wesen sind, wird die Vors
- Seite 151 und 152: wissen. Er stützt sich v.a. auf Jo
- Seite 153: Geistes Gottes unter Umgehung diese
- Seite 157 und 158: 3.2.6 Zusammenfassung a) Die Bibel
- Seite 159 und 160: 1. Söhne des Zwielichts (Angeloi/E
- Seite 161 und 162: der zusammenfassenden Führung des
- Seite 163 und 164: sie sind - von Gott unterschiedene
- Seite 165 und 166: 2. Reinkarnation und Karma - biblis
- Seite 167 und 168: den geistigen Wesenheiten "zu einem
- Seite 169 und 170: der Erde erscheine" 45 . Gegründet
- Seite 171 und 172: Daß sich die Lehre von der Reinkar
- Seite 173 und 174: durch die schweigende Sprache ihrer
- Seite 175 und 176: Auslegung zu den Evangelien herstel
- Seite 177 und 178: seiner ersten irdischen fleischlich
- Seite 179 und 180: - die Lehre von einem "jungfräulic
- Seite 181 und 182: den Texten nicht gerecht werden. Di
- Seite 183 und 184: Christus betrachten. Er führt von
- Seite 185 und 186: lierungen vom "Sein in Christus" ("
- Seite 187 und 188: Apk 22,13), sondern für jeden Mens
- Seite 189 und 190: Ordnung gekommen wäre". Die "Harmo
- Seite 191 und 192: Steiner der Sonnengeist, der zum Er
- Seite 193 und 194: tessohnes objektiv erwirkt wurde, w
- Seite 195 und 196: anderes als eine kosmogonische Erkl
- Seite 197 und 198: dere Richtung weitergedacht hat. Do
- Seite 199 und 200: 5.1.3 Die Deutung von Joh 11 als Ei
- Seite 201 und 202: dere joh) Kontext her nur mit "Verh
- Seite 203 und 204: durch den Messias die Befreiung von
Zusammenhang mit den daran anschließenden Aussagen über den Parakleten<br />
(Joh 16,13-15; s. auch Joh 14,26; 15,26) richtig verstanden werden. "Muß<br />
Jesus durch den Geist gleichsam ersetzt werden, wird erst die Leitung des<br />
Geistes zur vollen Wahrheit führen, - so doch nur deshalb, weil gerade dadurch<br />
Jesus und sein Wort erst zur Geltung kommen." Das Wort des Geistes ist<br />
also "kein Neues ... gegenüber dem Worte Jesu", sondern der Geist Gottes<br />
wird dieses "nur neu sagen". "Nicht neue Erleuchtungen wird der Geist<br />
bringen, neue Mysterien enthüllen, sondern in der von ihm gewirkten Verkündigung<br />
wirkt Jesu Wort weiter." 90<br />
Wenn Steiner mit den in Joh 20,30fund 21,25 erwähnten Lücken in der Berichterstattung<br />
neue Offenbarungen rechtfertigen will, dann verfehlt er den<br />
an diesen Stellen zum Ausdruck kommenden Skopus. Dieser Skopus besteht<br />
gerade nicht darin, ein möglichst lückenloses Bild vom Leben Jesu zu<br />
zeichnen, sondern darin, beim Leser den lebenbringenden "Glauben zu ermöglichen,<br />
zu wecken, zu stärken und zu vertiefen". Zu Recht betont Schnackenburg,<br />
daß es für Joh "keine Christologie losgelöst von der Soteriologie" gibt. 91<br />
Das in Act 2 geschilderte Pfingstereignis schließlich muß in seiner heilsgeschichtlichen<br />
Besonderheit und Einmaligkeit ernstgenommen werden. Es<br />
sollte "nicht als Norm, sondern als Ausnahme gelten, nämlich als eine besondere<br />
Manifestation des Geistes, die derUrgemeinde in Jerusalem zum Durchbruch<br />
verhalf' 92 . Eine darüber hinausgehende Deutung wird dem Text nicht<br />
gerecht.<br />
Damit soll nicht bestritten werden, daß es ein Wirken des Geistes Gottes<br />
über die apostolisch-urkirchliche Zeit hinaus gibt, ganz im Gegenteil, doch<br />
sind zu seiner Beurteilung die oben genannten Kriterien anzuwenden.<br />
3.2.5 Das Scheitern der anthroposophischen Kriterien<br />
zur Prüfung neuer "Offenbarungen "<br />
Nun wird von anthroposophischen Auslegern klar gesagt, daß für sie die<br />
biblische "Grundtradition" nicht der ausschlaggebende Maßstab zur Prüfung<br />
neuer "Offenbarungen", "Anschauungen" 93 oder "Vorstellungen" ist. "Es<br />
kommt schließlich nicht darauf an, ob eine Vorstellung 'platonisch' oder<br />
'biblisch', sondern ob sie 'richtig' ist", schreibt etwa R. Frieling. Als "richtig"<br />
gilt eine Vorstellung, wenn sie durch die "Menschheits-Erfahrung" gesichertist,<br />
was Frieling am Beispiel außerkörperlicher Zustände beweisen will:<br />
"Daß die Seele sich auch schon vor dem Tode mehr oder weniger vom<br />
Erdenkörper freimachen kann, ist uralte Menschheits-Erfahrung." 94<br />
F. Rittelmeyer 95 nennt einen ganzen Stufenweg zur Prüfung neuer "Offenbarungen".<br />
Zunächst bezeichnet er es als "unzulässig", eine neue "Offenbarung"<br />
deshalb abzulehnen, weil "Bibel worte fehlen". Dann beschreibt er die einzelnen<br />
Stufen des Prüfens:<br />
149