Anthroposophie
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3. Die Bibel als zeitbedingte und relative Größe<br />
3.1 Darstellung der anthroposophischen Auffassung<br />
Die bisherige Darstellung hat bereits gezeigt: Nicht die Bibel, sondern die<br />
Akasha-Chronik ist Basis und Ausgangspunkt für Steiners Erkenntnisse. Der<br />
Grund dafür: Steiner betrachtet die Akasha-Chronik - wenigstens prinzipiell<br />
- als überzeitlich und absolut, die Bibel hingegen als zeitbedingt und relativ.<br />
Mit dieser Ansicht, ihrer Begründung und ihren Folgen werden wir uns nun<br />
beschäftigen.<br />
3.1.1 Die Lehre von der "fortschreitenden Offenbarung"<br />
Nach Steiners Auffassung erfaßt die Bibel nur eine bestimmte, eng begrenzte<br />
Epoche der Weltentwicklung, nämlich einen Teil des "Erdenzeitalters". Die<br />
Entwicklung geht jedoch von Epoche zu Epoche weiter, so daß "immer neue<br />
Offenbarungen" notwendig sind und man nicht am "Buchstaben" als Niederschlag<br />
einer zu einer bestimmten Zeit geschehenen Offenbarung hängenbleiben<br />
darf. Der Buchstabenglaube, der sich an den biblischen Wortlaut klammert,<br />
wird ohnehin überflüssig, weil im 1899 angebrochenen "Zeitalter des<br />
Geistes" immer mehr Menschen das "Äthersehen" erlangen werden, also direkt<br />
in der Akasha-Chronik lesen können (118,123ff. 176ff; vgl. II. B.2.). Im Blick<br />
auf eine zersetzende Bibelkritik (s. II. A.l.) tritt Steiner gewissermaßen die<br />
"Flucht nach vorn" an (vom "Buchstaben" bzw. der Historie zum "Geist" bzw.<br />
Schauen), wenn er (im Jahr 1910) sagt:<br />
"Denn in den nächsten zwei Jahrzehnten werden die Menschen dann immer mehr<br />
und mehr von dem Buchstaben der Evangelien abfallen, sie werden sie nicht mehr<br />
verstehen... Die historischen Dokumente werden für die Menschheit an Wert verlieren,<br />
die Zahl derer, die den Christus Jesus leugnen, wird immer größer und größer... Der<br />
geistige Beweis des Christus Jesus wird dadurch geliefert werden, daß gehegt werden<br />
die Fähigkeiten der Menschen, daß sie schauen sollen den wahrhaft vorhandenen<br />
Christus in seinem Ätherleib" (118,124; HddV).<br />
"Nicht, damit wir festhalten an den wenigen Worten der Evangelien, die in<br />
dem ersten Jahrzehnt der Begründung des Christentums gesprochen worden<br />
sind", ist nach Steiner "der Heilige Geist herniedergegossen worden", sondern<br />
darum ist er ergossen worden, daß "immer Neues und Neues die Botschaft<br />
des Christus erzählen kann". "Je nachdem die Menschenseelen von Epoche<br />
zu Epoche, von Inkarnation zu Inkarnation vorschreiten, muß immer Neues<br />
für die Menschenseele gesagt werden" (118,177). Seine Lehre von der "fortschreitenden<br />
Offenbarung" 12 , die durch das "Äthersehen" bzw. Lesen in der<br />
Akasha-Chronik erfaßt wird, will Steiner durch biblische Aussagen bestätigt<br />
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