Anthroposophie
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Erkenntnislehre, die sich letztlich der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit entzieht<br />
und von Steiner und den Seinen selber als "Geheimwissenschaft" verstanden wurde.<br />
Insofern gewinnt denn die Fähigkeit, in der von Steiner so bezeichneten Akasha-<br />
Chronik meditativ zu lesen, eine größere Bedeutung als das Achten auf den eindeutigen<br />
Literalsinn der Heiligen Schrift selber, was doch in der Tradition der Reformation<br />
zu den Grundvoraussetzungen eines heilsergreifenden Zugangs zu den<br />
biblischen Schriften gehört. Daß bei dieser esoterischen Methode im Umgang mit<br />
den Schriften nur Ungereimtheiten und Abstrusitäten herauskommen können, zeigen<br />
die beispielhaften, eingehenden Untersuchungen bestimmter biblischer Themen,<br />
die sich in der anthroposophischen Lehre und Verkündigung besonderer<br />
Beliebtheit erfreuen, wie z. B. die Vorstellung von den beiden schließlich miteinander<br />
verschmolzenen Jesus-Knaben!<br />
Die vorliegende Untersuchung von Lothar Gassmann stellt einen bedeutsamen<br />
Beitrag zu der seit längerer Zeit unterbrochenen, aber gerade heute erneut wichtig<br />
werdenden theologischen Auseinandersetzung mit der <strong>Anthroposophie</strong> Rudolf<br />
Steiners dar, indem sie gerade die für das christlich-anthroposophische Gespräch<br />
entscheidende Grundlage: die Prinzipien der Bibelauslegung, zu ihrem Gegenstand<br />
gemacht hat. Dabei hat der Verfasser das für sein Thema bedeutsame Material aus<br />
dem umfangreichen Gesamtwerk Rudolf Steiners ebenso wie aus den einschlägigen<br />
Veröffentlichungen seiner theologischen Schüler in vollem Umfang herangezogen<br />
und eingehend analysiert. Er hat auch die bisherigen Untersuchungen<br />
anderer Theologen in seine Auseinandersetzung integriert, wobei er ihnen im Wesentlichen<br />
zustimmt, sie aber gelegentlich auch korrigiert. Das konnte und mußte<br />
er deswegen tun, weil er stärker als seine Vorläufer den religionsgeschichtlichen<br />
Faktor beachtet, der beim Entstehen von Theosophie und <strong>Anthroposophie</strong> mitgewirkt<br />
hat, insonderheit die indischen Reh'gionen des Brahmanismus und Buddhismus.<br />
Die Bearbeitung des vorgegebenen Themas hätte sicher über den vorliegenden<br />
Rahmen hinaus ausgeweitet werden können. Der Autor hat sich bewußt begrenzt,<br />
weil es ihm weniger um eine erschöpfende Behandlung aller zwischen anthroposophischer<br />
und kirchlicher Theologie strittigen Fragen ging, als vielmehr um die Herausstellung<br />
der entscheidenden Prinzipien der anthroposophischen Erkenntnislehre.<br />
Er weist selber darauf hin, daß er für weiterführende Forschungen genügend Raum<br />
gelassen bzw. eröffnet hat. Wenn einige seiner Lesersich von ihm angeregt fühlen,<br />
wäre das sicher eine willkommene zusätzliche Frucht seiner Arbeit. Denn in der auf<br />
so vielen Gebieten gleichzeitig wirksamen <strong>Anthroposophie</strong> ist der Kirche Jesu Christi<br />
ein Gegner neu erstanden, den es sehr ernst zu nehmen gilt, kommt er doch in einer<br />
viele Gemüter faszinierenden Gestalt daherund bedroht die Christenheit nicht minder,<br />
als dies in spätapostolischer Zeit die damalige Gnosis getan hat. Darum kann heute<br />
wie damals nur ein sorgfältiges Hören auf die wirklichen Aussagen der Heiligen<br />
Schrift und das Bekenntnis zu ihrer unbedingten Autorität die akute Gefahr synkretistischer<br />
Unterwanderung abwenden. Die vorliegende Untersuchung kann dazu<br />
einen wichtigen Beitrag leisten.<br />
Tübingen, im Frühjahr 1993 Professor Dr. Peter Beyerhaus