Anthroposophie
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VORWORT<br />
In seinem vorliegenden Buch, das von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der<br />
Universität Tübingen als Dissertation angenommen worden ist, unternimmt der<br />
Verfasser den Versuch, den biblischen Auslegungsmethoden in der <strong>Anthroposophie</strong><br />
Rudolf Steiners und seiner theologischen Schüler auf den Grund zu gehen. Dieses<br />
Vorhaben ist deswegen ebenso wichtig wie aktuell, weil das anthroposophische<br />
Schriftverständnis trotz seiner oft sonderbar erscheinenden Spekulationen keine<br />
vorübergehende Erscheinung geblieben ist. Vielmehr hat es im Zuge des heutigen<br />
allgemeinen Aufschwungs der <strong>Anthroposophie</strong> mit deren vielfältigem Angebot neuen<br />
Einfluß gewonnen, nicht zuletzt in der Waldorf-Pädagogik. Aber auch über diesen<br />
internen Rahmen hinaus ist es eingeflossen in die Literatur der New Age-Bewegung,<br />
in Teile der Feministischen Theologie sowie in die tiefenpsychologische<br />
Bibelauslegung z. B. bei Eugen Drewermann.<br />
Obwohl es bereits zahlreiche Untersuchungen über Teilaspekte der <strong>Anthroposophie</strong><br />
sowie grundlegende Auseinandersetzungen mitder"christosophischen" Heilslehre<br />
Steiners gab, hatte es bisher noch niemand unternommen, anhand des immensen<br />
Schrifttums von Rudolf Steiner und seiner Schüler deren biblischer Hermeneutik<br />
auf den Grund zu gehen. Ein wirkliches Verständnis der anthroposophischen Lehre<br />
wird aber nur möglich bei näherer Betrachtung ihres eigentümlichen Zuganges zur<br />
Bibel als ganzer und des methodischen Umgangs mit ihren ausgewählten Texten.<br />
Rudolf Steiner, obwohl er in Verbindung trat mit der "Theosophie" und er deren<br />
System lebenslang verhaftet blieb, hat gerade in seinem Christusverständnis und<br />
dem starken Gewicht, das er im Rahmen seines synkretistischen Weltbildes der<br />
biblischen Tradition beilegte, den wichtigsten Unterschied zwischen sich und der<br />
übrigen Theosophie gesehen. Andererseits waren die Theologen, die zu Steiner stießen<br />
und die kultische Richtung innerhalb der Anthroposphie, die sog. Christengemeinschaft,<br />
begründeten, alle negativ motiviert dadurch, daß sie Anstoß genommen<br />
hatten an dem Schriftverständnis, dem sie sowohl in der kirchlichen Verkündigung<br />
als auch in der Universitäts-Theologie ihrer Tage begegneten. Es konnte sie<br />
nicht befriedigen, und so hielten sie nach neuen Wegen Ausschau, die ihnen nunmehr<br />
Rudolf Steiner wies. Darum ist es wichtig, daß der Verfasser des vorhegenden Buches<br />
einleitend auch den weltanschaulich-religiösen Werdegängen Rudolf Steiners und<br />
der drei wichtigsten theologischen Repräsentanten der Christengemeinschaft,<br />
Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Rudolf Frieling, eine besondere Darstellung<br />
widmet.<br />
Desgleichen gehört als Grundvoraussetzung zum Verständnis der anthroposophischen<br />
Bibelauslegung eine Vertrautheit mit dem anthroposophischen System als<br />
solchem, in das sowohl philosophische als auch fremdreligiöse Traditionen eingeflossen<br />
sind, die der <strong>Anthroposophie</strong> ebenso wie zuvor der Theosophie ihren<br />
synkretistischen Charakter gegeben haben. Der Verfasser weist eindeutig auf, daß<br />
mit der Gestalt des Steinerschen Christus sich auch die Stifterpersönlichkeiten anderer<br />
Religionen verbinden. Insofern wird in dieser Christosophie uraltes gnostisches<br />
Gedankengut wiederbelebt und synkretistisch aktualisiert. Diesem gnostischen<br />
Charakter des anthroposophischen Systems entspricht dann auch die esoterische