Anthroposophie

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29.12.2012 Aufrufe

Der Esoteriker (A) gewinnt durch die Erkenntnisse höherer Welten (1) Einblick in die Akasha-Chronik. Die Akasha-Chronik liefert ihm seine Weltanschauung mit dem Paradigma (2), das er an die Urkunden bzw. Schriften (z.B. die Bibel) anlegt. Er sieht die Urkunden mit neuen Augen und kann sie auf eine neue, "okkulte" Art wörtlich nehmen (3). Dieser neue, okkulte Wortsinn wird für ihn so selbstverständlich, daß er für ihn der Erstsinn im Umgang mit den Urkunden wird. Er erschließt ihm den Geist der Schrift. Der Exoteriker (B) kann sich dem Geist der Schrift nur nähern - und zwar auf zwei Wegen. Entweder wählt er den abgekürzten, unmittelbaren Weg über die Allegorie (2), sucht also den Zweitsinn neben dem Erstsinn. Oder er bemüht sich zuerst in einer naiv-wörtlichen oder wissenschaftlichen Art (1) um den Erstsinn im Buchstaben und in der Historie der Schrift, um dann innerhalb und vermittels dieses für ihn unmittelbaren, buchstäblichen Sinns zum symbolischen Zweitsinn (2) vorzustoßen. Beide exoterischen Wege sind ungenügend: Die Allegorie ist vielfach willkürlich und damit ungewiß. Der symbolisch-exoterische Zugang bleibt auf der Stufe der Imagination stecken. Er bedarf der Hilfe der okkulten Interpretation des Esoterikers, um zu den weiteren Stufen der Inspiration, der Intuition usw. (s. III.A.l) und damit zum Geist der Schrift vorzustoßen. Nur der Esoteriker erkennt die Übereinstimmung zwischen der Akasha-Chronik und dem Geist der Schrift, die aus ihrer veräußerlichten, materialistischen (an Buchstabe, Geschichte, Existenz usw. klebenden) Interpretation zur Höhe des Geistes erhoben werden muß, um ihre übersinnlichen, spirituellen Wahrheiten zu offenbaren. Das leistet die spirituelle Interpretation. Wir wenden uns nun der theologischen Kritik zu. 3.2 Theologische Kritik der spirituellen Interpretation 3.2.1 Die Kriterien der Beurteilung Die Kriterien, welche zur Beurteilung der geistigen Schriftauslegung bzw. spirituellen Interpretation dienen können, entstammen der reformatorischen und zum Teil bereits der vorreformatorisch-katholischen Tradition. Wir fassen sie in folgende Thesen zusammen: a) Geist und Buchstabe sind eine untrennbare Einheit. Deshalb kann der geistige Sinn nicht neben dem, sondern nur in dem buchstäblichen Sinn (als Erstsinn) gesucht werden. 108 b) Eine spirituelle Interpretation darf sich gegenüber dem Bibeltext nicht verselbständigen. Sie muß den unmittelbaren und gesamtbiblischen Zusammenhang sowie die Intention des Verfassers beachten und von den klaren 106

Stellen der Schrift - d.h. von ihrem buchstäblichen Wortsinn (Literalsinn) -ausgehen. 109 c) Der Literalsinn ist die normale, einfache Wortbedeutung, die sich geschichtlich und sprachlich aus dem Textzusammenhang ergibt. Diese Regel fordert, Erzählung als Erzählung, Dichtung als Dichtung, Geschichtsbericht als Geschichtsbericht, Gleichnis als Gleichnis, Allegorie als Allegorie usw. auszulegen. Bildhafte Ausdrücke (Metaphern, Gleichnisse usw.) etwa gehören gar nicht zum geistigen, sondern zum buchstäblichen Sinn, wo es sich vom Wortsinn und Kontext her um uneigentliche Rede handelt. 110 d) Wenn die spirituelle Interpretation bei der Auslegung unklarer oder "geheimnisvoller" Stellen zu weitergehenden, über den Literalsinn hinausreichenden Aussagen gelangt, so dürfen diese nicht in Widerspruch zum Inhalt der klaren Stellen treten. Vielmehr muß sich die "geistige" von der buchstäblich-wörtlichen Deutung her verifizieren oder falsifizieren lassen. Die spirituelle Interpretation soll Exegese (Auslegung), keine "Eisegese" ("Einlegung", Hineininterpretation) sein. e) Lassen sich die Aussagen der spirituellen Interpretation nicht am klaren, buchstäblichen Wortsinn verifizieren, so sind sie nicht zur Argumentation geeignet, da ihnen Eindeutigkeit fehlt. 111 Nun beansprucht die Anthroposophie, eine "symbolisch-reale" bzw. "symbolisch-historische" Auslegung zu betreiben, die nicht neben dem Erstsinn (wie bei der allegorischen Auslegung), sondern in dem Erstsinn des Textes den Zweitsinn entdecken möchte - ja noch mehr: die durch ein neues "Wörtlichnehmen" den eigentlichen Erstsinn erst erschließen will (s.o.). Wird sie diesem Anspruch gerecht? 3.2.2 Zwei Beispiele anthroposophischer Exegese Zur Beantwortung dieser Frage gelangen wir, indem wir zunächst einige repräsentative Beispiele Steinerscher Exegese betrachten. Es sind Beispiele für sein neues "wörtliches Verständnis" vom "okkulten Standpunkt" aus (94,161). Das erste Beispiel (die Deutung des Regenbogens in Gen 9) gebraucht Steiner unmittelbar, um seine Auslegungsmethode zu illustrieren. Es ist deshalb von besonderem Gewicht. Steiner sagt: "So ist zum Beispiel der Regenbogen des Noah kein Symbol, sondern der Ausdruck dafür, daß nach dem Untergang der Atlantis und dem Abziehen der Nebel ein Regenbogen erst möglich war. In der alten Atlantis konnte es ja noch keinen Regenbogen geben. Noah ist als der Führer, Manu, anzusehen, der die Völker aus der untergehenden Atlantis herauszuführen hatte. In diesem Zeitpunkt geschah es, daß zum erstenmal der Regenbogen entstand" (94,161 f). 107

Der Esoteriker (A) gewinnt durch die Erkenntnisse höherer Welten (1) Einblick<br />

in die Akasha-Chronik. Die Akasha-Chronik liefert ihm seine Weltanschauung<br />

mit dem Paradigma (2), das er an die Urkunden bzw. Schriften<br />

(z.B. die Bibel) anlegt. Er sieht die Urkunden mit neuen Augen und kann sie<br />

auf eine neue, "okkulte" Art wörtlich nehmen (3). Dieser neue, okkulte<br />

Wortsinn wird für ihn so selbstverständlich, daß er für ihn der Erstsinn im<br />

Umgang mit den Urkunden wird. Er erschließt ihm den Geist der Schrift.<br />

Der Exoteriker (B) kann sich dem Geist der Schrift nur nähern - und zwar<br />

auf zwei Wegen. Entweder wählt er den abgekürzten, unmittelbaren Weg<br />

über die Allegorie (2), sucht also den Zweitsinn neben dem Erstsinn. Oder er<br />

bemüht sich zuerst in einer naiv-wörtlichen oder wissenschaftlichen Art (1)<br />

um den Erstsinn im Buchstaben und in der Historie der Schrift, um dann<br />

innerhalb und vermittels dieses für ihn unmittelbaren, buchstäblichen Sinns<br />

zum symbolischen Zweitsinn (2) vorzustoßen. Beide exoterischen Wege sind<br />

ungenügend: Die Allegorie ist vielfach willkürlich und damit ungewiß.<br />

Der symbolisch-exoterische Zugang bleibt auf der Stufe der Imagination<br />

stecken. Er bedarf der Hilfe der okkulten Interpretation des Esoterikers, um<br />

zu den weiteren Stufen der Inspiration, der Intuition usw. (s. III.A.l) und<br />

damit zum Geist der Schrift vorzustoßen.<br />

Nur der Esoteriker erkennt die Übereinstimmung zwischen der Akasha-Chronik<br />

und dem Geist der Schrift, die aus ihrer veräußerlichten, materialistischen (an<br />

Buchstabe, Geschichte, Existenz usw. klebenden) Interpretation zur Höhe des<br />

Geistes erhoben werden muß, um ihre übersinnlichen, spirituellen Wahrheiten<br />

zu offenbaren. Das leistet die spirituelle Interpretation.<br />

Wir wenden uns nun der theologischen Kritik zu.<br />

3.2 Theologische Kritik der spirituellen Interpretation<br />

3.2.1 Die Kriterien der Beurteilung<br />

Die Kriterien, welche zur Beurteilung der geistigen Schriftauslegung bzw.<br />

spirituellen Interpretation dienen können, entstammen der reformatorischen<br />

und zum Teil bereits der vorreformatorisch-katholischen Tradition. Wir fassen<br />

sie in folgende Thesen zusammen:<br />

a) Geist und Buchstabe sind eine untrennbare Einheit. Deshalb kann der<br />

geistige Sinn nicht neben dem, sondern nur in dem buchstäblichen Sinn<br />

(als Erstsinn) gesucht werden. 108<br />

b) Eine spirituelle Interpretation darf sich gegenüber dem Bibeltext nicht<br />

verselbständigen. Sie muß den unmittelbaren und gesamtbiblischen Zusammenhang<br />

sowie die Intention des Verfassers beachten und von den klaren<br />

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