Anthroposophie
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schauen. Aber gemeint ist nicht bloß eine Idee, ein Bedeutungsgehalt, sondern eine<br />
echte Wirklichkeit, eine übergeschichtliche Wirklichkeit, Gott selbst, sein Erscheinen<br />
und sein Handeln." 100<br />
Dann fahrt Wehr selber fort:<br />
"Von daher gesehen nennt Knevels drei Möglichkeiten, den biblischen Mythos aufzufassen:<br />
einmal 'massiv-geschichtlich-natürlich', es ist ein buchstäbliches Verstehen;<br />
dann 'illusionär, psychologisch, religionsgeschichtlich, existentialistisch und so<br />
weiter'. Beide Möglichkeiten ... lehnt Knevels zugunsten der dritten Möglichkeit<br />
[ab], die er 'symbolisch-real' nennt und bei der der Mythos 'eine unirdische, göttliche<br />
Wirklichkeit (ausdrückt), die im Irdischen erscheint beziehungsweise an dem Irdischen<br />
sichtbar wird'." 101<br />
Die Bezeichnung "symbolisch-real" möchte Wehr mit der ähnlichen Ausdrucksweise<br />
Steiners verbinden und somit einen "Brückenschlag zwischen der<br />
Interpretations weise Steiners und der auf theologischen Fundamenten errichteten<br />
von Knevels" nahelegen. 102 Sehen wir einmal von der unterschiedlichen<br />
Gottesvorstellung in Theologie und <strong>Anthroposophie</strong> (vgl. III.B.l) ab, dann<br />
können wir verstehen, wie Wehr dazu kommt. Für die <strong>Anthroposophie</strong> nämlich<br />
sind die Ereignisse auf dem irdischen Plan Widerspiegelungen und<br />
Manifestationen von Ereignissen in der übersinnlichen Welt. In den Evangelien<br />
z.B. finden sich - so sagt Steiner - "gewisse Punkte, die sich vollziehen<br />
im äusseren historischen Leben, und dieselben Punkte sind es, die sich abspielen<br />
in den Mysterien bei dem, der die Einweihung sucht" (123,210). Wie wir oben<br />
(in ILA. 1) sahen, gilt das Christusleben selbst als ein zur Historie gewordenes<br />
Mysterium. So sollen sich also in den "realen" und "historischen" Schilderungen<br />
der Bibel und durch sie hindurch "Mysterien" einer übersinnlichen Welt<br />
offenbaren. Die irdisch-historische Realität ist das Symbol, die Bibel der<br />
Symbolträger dafür. Um diese Symbolwelt eindeutig und richtig zu entziffern,<br />
ist jedoch die Kenntnis der Akasha-Chronik notwendig. 103<br />
3.1.2 Der "okkulte" Zugang zur Schrift<br />
Betrachten wir nun verschiedene Aussagen Steiners zur Bibelauslegung, so<br />
erhalten wir auf den ersten Blick ein Bild großer Uneinheitlichkeit. Zum einen<br />
will Steiner die allegorische oder "mystische" Auslegungsmethode gebrauchen<br />
und meint, daß für die "mystische Auslegung... eben die geschichtliche<br />
Untersuchung gar nicht in Betracht" kommt (619,114). Zum anderen wertet<br />
er die "allegorisch-symbolische" Auslegung ab, denn - wie er selber sieht -<br />
kann sie "sehr geistreich sein, aber sie ist vielfach willkürlich" (94,161).<br />
Zudem wird durch die Zusammenziehung von "allegorisch" und "symbolisch"<br />
zu einem Begriff deutlich, daß Steiner der oben genannten Unterscheidung<br />
dieser Begriffe (welche übrigens auch Wehr 104 vornimmt) nicht immer Beach-<br />
102