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29.12.2012 Aufrufe

Impressum 4 ______________________Logh 6 ____Scorefor 8 ______________________Colour Haze 11 ____Kontakt! ...Leserbriefe. Endlich mal wieder. 12 ______________________einBlick: Knistern 14 ____auchSchoen ...in der Tat 15 ______________________comiCorner 16 ____liveDabei ...wer spielte wo ...endlich. Alles rund um die ComiKunst 19 ______________________literaTur ...Bücher, Tipps, Verrisse 20 ____Madsen 23 ______________________Gast.Bin.Ich.Hier: dadas doorpoem 24 ____reViews ...wir wildern quer durch die Veröffentlichungslandschaft 36 ______________________Mathilda 41 ____videoThek ...feine Filme vom Kenner 42 ______________________einBlick: Subkultur in Luxemburg Teil1 45 ____terMine ...wer spielt wo www.noisy-neighbours.com Verlag und Redaktion noisyNeighbours TraurigeTropen GbR Edisonallee 10 D-53125 Bonn Fon: 02241-846363 Fax: 02241-8445045 Herausgeber Carsten Collenbusch, Guido Lucas Redaktionelle Ansprechpartner Jochen Wörsinger (jochen@noisy-neighbours.com), Carsten Collenbusch (keule@noisy-neighbours.com) Redaktion Carsten Collenbusch, Christian Eder, Matthias Horn, Torge Hüper, Marcel von der Weiden, Jochen Wörsinger, Redaktionelle Mitarbeit Tet, Mario Kiermeier, Klaus Reckert, Martin Lichtenhagen, Arnulf, Jörg, Jürgen Klein News- und Terminredaktion Christian Eder christian@noisy-neighbours.com Fotoredaktion Matthias Horn matze@noisy-neighbours.com Inhalt Ausgabe 13 10 * 2005 2004 noisy Neighbours Photografen Matthias Horn, Jochen Wörsinger, www.pixelquelle.de, www.aboutpixel.de Titelbild der Ausgabe Zeal, www.photocase.de Bearbeitung des Bilds: Matthias Horn Covergestaltung Matthias Horn noisyNeighbours-Logo Michael Wallenstätter Layout Matthias Horn, Kerstin Wahl matze@noisy-neighbours.com Leserbriefe noisyNeighbours Landgrafenstr. 37-39 D-53842 Troisdorf Anzeigen Carsten Collenbusch keule@noisy-neighbours.com Verkaufspreis keiner Bankverbindung Kennwort "Noisy" VR-Bank Bonn BLZ: 381 60220 Konto: 6104389030 Druck Druckhaus Köthen www.koethen.de Versand NoisyNeighbours Ladgrafenstraße 37-39 D-53842 Troisdorf Fon: 02241-846363 Erscheinungsweise Vierteljährlich Inhalt copyright by Traurige Tropen GbR 03 Alle Veranstaltungen sind ohne Gewähr. Nachdruck von Artikeln und Bildern nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Sonderdrucke auf Anfrage. Für unverlangt eingesandtes Material wird keine Haftung übernommen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Autoren sind für den Inhalt ihrer Beiträge selbst verantwortlich.

Impressum<br />

4 ______________________Logh<br />

6 ____Scorefor<br />

8 ______________________Colour Haze<br />

11 ____<strong>Kontakt</strong>! ...Leserbriefe. Endlich mal wieder.<br />

12 ______________________einBlick: Knistern<br />

14 ____auchSchoen ...in der Tat<br />

15 ______________________<strong>com</strong>iCorner<br />

16 ____liveDabei ...wer spielte wo<br />

...endlich. Alles rund um die ComiKunst<br />

19 ______________________literaTur ...Bücher, Tipps, Verrisse<br />

20 ____Madsen<br />

23 ______________________Gast.Bin.Ich.Hier: dadas doorpoem<br />

24 ____reViews ...wir wildern quer durch die Veröffentlichungslandschaft<br />

36 ______________________Mathilda<br />

41 ____videoThek ...feine Filme vom Kenner<br />

42 ______________________einBlick: Subkultur in Luxemburg Teil1<br />

45 ____terMine ...wer spielt wo<br />

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Verlag und Redaktion<br />

noisyNeighbours<br />

TraurigeTropen GbR<br />

Edisonallee 10<br />

D-53125 Bonn<br />

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Carsten Collenbusch, Guido Lucas<br />

Redaktionelle Ansprechpartner<br />

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Carsten Collenbusch (keule@noisy-<strong>neighbours</strong>.<strong>com</strong>)<br />

Redaktion<br />

Carsten Collenbusch, Christian Eder, Matthias Horn,<br />

Torge Hüper, Marcel von der Weiden,<br />

Jochen Wörsinger,<br />

Redaktionelle Mitarbeit<br />

Tet, Mario Kiermeier, Klaus Reckert,<br />

Martin Lichtenhagen, Arnulf, Jörg, Jürgen Klein<br />

News- und Terminredaktion<br />

Christian Eder<br />

christian@noisy-<strong>neighbours</strong>.<strong>com</strong><br />

Fotoredaktion<br />

Matthias Horn<br />

matze@noisy-<strong>neighbours</strong>.<strong>com</strong><br />

Inhalt Ausgabe 13 10 * 2005 2004<br />

noisy Neighbours<br />

Photografen<br />

Matthias Horn, Jochen Wörsinger,<br />

www.pixelquelle.de, www.aboutpixel.de<br />

Titelbild der Ausgabe<br />

Zeal, www.photocase.de<br />

Bearbeitung des Bilds: Matthias Horn<br />

Covergestaltung<br />

Matthias Horn<br />

noisyNeighbours-Logo<br />

Michael Wallenstätter<br />

Layout<br />

Matthias Horn, Kerstin Wahl<br />

matze@noisy-<strong>neighbours</strong>.<strong>com</strong><br />

Leserbriefe<br />

noisyNeighbours<br />

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D-53842 Troisdorf<br />

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keule@noisy-<strong>neighbours</strong>.<strong>com</strong><br />

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keiner<br />

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VR-Bank Bonn<br />

BLZ: 381 60220<br />

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Ladgrafenstraße 37-39<br />

D-53842 Troisdorf<br />

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Erscheinungsweise<br />

Vierteljährlich<br />

Inhalt<br />

copyright by Traurige Tropen GbR<br />

03<br />

Alle Veranstaltungen sind ohne Gewähr. Nachdruck von<br />

Artikeln und Bildern nur mit schriftlicher Genehmigung<br />

der Redaktion. Sonderdrucke auf Anfrage. Für unverlangt<br />

eingesandtes Material wird keine Haftung übernommen.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die<br />

Autoren sind für den Inhalt ihrer Beiträge selbst verantwortlich.


04<br />

A<br />

Logh<br />

S u n s et P a n o ram a<br />

Mit ihrem dritten Album haben LOGH im Frühjahr nicht nur einen unvergleichlich schwermütigen<br />

Brecher aus Melancholie, Getragenheit und schlichter Schönheit vorgelegt, sondern gleichzeitig ein<br />

Livealbum veröffentlicht, das durchaus in der Lage ist, Intensität und Nähe eines gesamten Konzertabends<br />

dieser Band widerzuspiegeln und in ein Licht zu rücken, wie es von so nachhaltiger Wirkung<br />

nur in den seltensten Fällen funktioniert.<br />

Ein neues Ufer, ohne dabei mit dem düsteren Vorgänger "The Raging Sun" zu brechen und alles<br />

zuvor Dagewesene in den Schatten zu stellen. So knüpfen die Schweden zwar eindeutig an ihre vorherigen<br />

Alben an, verstehen es jedoch durchaus, sich bloßer Selbstkopie zu entziehen. Denn irgendwie<br />

fällt "A Sunset Panorama" dann doch ganz anders aus als erwartet…<br />

nN: Gab es einen besonderen Grund dafür, dass "A<br />

Sunset Panorama" live eingespielt wurde?<br />

Jens: Ehrlich gesagt trugen wir die Idee eines Livealbums<br />

schon eine ganze Weile, bevor wir mit dem Schreiben von<br />

"A Sunset Panorama" begannen, mit uns herum. Unser<br />

zweites Album "The Raging Sun" brachte eine ganze<br />

Reihe von Problemen und Komplikationen mit sich, mit<br />

denen wir uns in keinem Fall ein zweites Mal auseinander<br />

setzen wollten. Deshalb kam die Idee des Livealbums<br />

recht passend und geradezu maßgebend, etwas vollkommen<br />

Neues auszuprobieren, was wir zuvor in der Form<br />

noch nicht gemacht hatten.<br />

nN: Worin saht und seht ihr im Nachhinein Vorteile des<br />

Live-Recordings?<br />

Jens: Einer der größten Vorteile war natürlich die<br />

Geschwindigkeit, in der wir das aktuelle Album einspielen<br />

konnten. Dafür hatten wir uns allerdings auch ein knappes<br />

halbes Jahr vorbereitet. Ehrlich gesagt war ich niemals ein<br />

großer Fan ewig langer Aufnahmesessions. Einzig die<br />

Filmcrew war zeitweise doch recht anstrengend (Die<br />

gesamten Aufnahmen zu "A Sunset Panorama" wurden<br />

mitgeschnitten und liegen der CD als DVD bei; Anm. d.<br />

Verf.). Jedes Mal, wenn wir uns verspielten, mussten die<br />

Bänder zurückgespult werden, was ein paar Minuten<br />

gedauert hat, bis wir weiter<br />

spielen konnten.<br />

Insofern<br />

war es<br />

schwierig,<br />

durch<br />

die ewigen<br />

Unterbre-<br />

chungen wirklichen Zugang zur Musik zu finden und sich in den Stükken<br />

wiederfinden zu können.<br />

nN: Welches Ziel habt ihr unter dem Aspekt der eingeschränkten<br />

Aufnahmezeit verfolgt?<br />

Jens: Unter dem Aspekt haben wir eigentlich nicht wirklich gearbeitet.<br />

Natürlich bestand, wie ich es eben erklärt habe, ein gewisser Reiz<br />

darin, ein funktionierendes und in sich geschlossenes Album an nur<br />

einem Tag zusammen einzuspielen, dem es auch ohne Overdubs an<br />

nichts fehlt. Genauso war jedoch der finanzielle Rahmen, der bei uns<br />

leider äußerst eng abgesteckt ist, ausschlaggebend.<br />

nN: Habt Ihr ganz bewusst diesen kalten, weißen Raum ohne jegliche<br />

Details und sonstige Verzierungen für die Aufnahmen<br />

gewählt?<br />

Jens: Hm, im Grunde haben wir nicht großartig darüber nachgedacht.<br />

Das Studio, das wir gewählt haben, sieht einfach so aus. Natürlich ist<br />

es recht kalt und leer, für uns war das<br />

jedoch vollkommen in Ordnung,<br />

und wir hatten nicht das Gefühl,<br />

irgend etwas umdekorieren<br />

zu müssen.


�<br />

nN: Ist "A Sunset<br />

Panorama" denn<br />

letztendlich darauf<br />

ausgelegt, live möglichst<br />

ähnlich wie<br />

auf Platte zu klingen?<br />

Welchen Stellenwert<br />

hat originalgetreueLivewiedergabe<br />

eines Stücks für<br />

Euch?<br />

Jens: Für uns ist das Livespielen,<br />

denke ich, das, was wir<br />

wirklich wollen und uns Freude an<br />

dieser Band bereitet. Gerade zu diesem<br />

Zeitpunkt, nach der Fülle von Problemen, die "The<br />

Raging Sun" mit sich brachte, schien es einfach natürlich und<br />

gleichzeitig genau der richtige Zeitpunkt, ein Livealbum aufzunehmen.<br />

Letztendlich geht es uns um das Gefühl, das wir transportieren<br />

wollen. In der Regel gelingt uns das Live am Besten, wobei es<br />

demnach also Sinn machte, die Stücke auch für das Album live<br />

einzuspielen. Beim Hören des Albums soll das gleiche Gefühl entstehen,<br />

wie es bei unseren Konzerten der Fall ist.<br />

nN: Wie verliefen die Proben zu den Aufnahmen? Gab es<br />

jemals einen Punkt, an dem zu viele Selbstzweifel aufkamen<br />

oder ihr das Album aufgrund der endlosen Proben selbst<br />

nicht mehr hören konntet?<br />

Jens: Das Schreiben eines Logh-Stücks ist in der Regel ein Prozess,<br />

der ohne Probleme über mehrere Monate andauern kann.<br />

Bevor wir mit der Aufnahme des neuen Albums begannen, haben<br />

wir das fertige Material etwa sechs Monate geprobt und versucht,<br />

so ruhig und optimistisch wie möglich an die Aufnahmen heranzugehen.<br />

Anspannung gab es natürlich. Genauso hatten wir teilweise<br />

Probleme damit, das richtige Gefühl, Herangehensweise<br />

sowie den eigentlichen Fluss für einige Stücke zu entwickeln.<br />

Einige Stücke benötigten daher besondere Aufmerksamkeit, mit<br />

denen wir uns weitaus länger beschäftigt haben. Die eigentliche<br />

Idee des Livealbums haben wir in der ganzen Zeit jedoch niemals<br />

aus den Augen verloren, geschweige denn begraben.<br />

nN: Knüpft "A Sunset Panorama" deiner Meinung nach<br />

musikalisch dort an, wo "The Raging Sun" endet?<br />

Jens: Ich denke, dass unser neues Album einfach weitaus heller,<br />

freier, vielleicht sogar farbenfroher im Gegensatz zu "The Raging<br />

Sun" klingt. Wie ich schon sagte, gab es eine Menge von Problemen<br />

während der Aufnahmen des vorherigen Albums, was die<br />

Arbeiten daran wirklich erschwert hat und maßgeblich zur allge-<br />

Logh 05<br />

meinen Dunkelheit beigetragen hat. Das spiegelt sich meiner<br />

Meinung nach wirklich in "The Raging Sun" wider und macht es<br />

zu einem weitaus anstrengenderen Album als "A Sunset Panorama".<br />

Erst kürzlich ist es mir gelungen, mit etwas Abstand,<br />

unser letztes Album zum ersten Mal ohne irgendwelche Hintergedanken<br />

und ungeliebte Erinnerungen zu betrachten und zu<br />

hören. "A Sunset Panorama" hingegen ist unter vollkommen<br />

anderen Umständen entstanden. Natürlich waren wir durch das<br />

endlose Proben und die Tatsache, dass wir bewusst nur sehr<br />

begrenzte Aufnahmezeit zu Verfügung hatten, auf die letzten<br />

Aufnahmen weitaus besser vorbereitet. Zwischen den beiden<br />

Alben sehe ich schon eine gewisse Beziehung und eine Menge<br />

Anhaltspunkte, trotzdem betrachte ich<br />

"A Sunset Panorama" �als fröhlicheres<br />

Album, in ein<br />

neues Licht gerückt,<br />

das es in dieser<br />

Band zuvor in<br />

dem Ausmaß<br />

nicht gab.<br />

Torge Hüper<br />

www.logh.se<br />

www.badtasterecords.se


06 Scorefor<br />

"IKI IKI"<br />

uND<br />

B IG<br />

SCOREFOR e<br />

Es ist gut zwei Jahre her, dass Kollege Christian die Jungs von SCOREFOR im<br />

"Shortcut" vorstellte (nN 05/2003). Seitdem ist viel Wasser die Donau runtergelaufen,<br />

und es ist vielleicht eine gute Idee, sich mal nach dem Befinden der Herrschaften<br />

zu erkunden. So ist inzwischen ja nicht nur ein Deal mit "TurnedOut"-<br />

Records im Sack, auch kann man auf eine kurzweilige Japan-Tour zurückblicken -<br />

und das hat nicht jeder schon mal erlebt… Und als wenn das noch nicht genug wäre:<br />

Mit THREE CHORD SINFONY legt die Band auch noch eine neue Scheibe hin…<br />

I N J A P A N<br />

nN: Wie hat sich der Deal bei Turned<br />

Out denn ergeben?<br />

Andy: Nachdem die Aufnahmen im<br />

Kasten waren,<br />

gingen wir mit<br />

den Bändern<br />

bei den Labels<br />

hausieren. Irgendwann<br />

landete das Album auf dem Schreibtisch<br />

von Turned Out Records. Labelboss Olli meldete<br />

sich daraufhin, und so wurde ein erstes<br />

Treffen ausgemacht. Witzigerweise stellten<br />

wir bei dem Meeting fest, dass Olli ursprünglich<br />

10 Km von uns entfernt wohnte und<br />

wir ein paar Jahre lang täglich im<br />

gleichen Schulbus zur "Penne"<br />

gefahren sind.<br />

nN: Damals, nachdem Eure erste<br />

Scheibe erschienen war, war ja<br />

sogar von Japan-Tour die Rede<br />

- was ist daraus geworden?<br />

Andy: Es hat geklappt und war<br />

klasse. Das ganze startete im Frühjahr<br />

2004 …<br />

nN: Auch wenn es schon ein paar<br />

Tage länger her ist, wären wir an<br />

Einzelheiten brennend interessiert...<br />

Andy: Über Amsterdam flogen wir nach<br />

14 Stunden Sonntags in Tokyo ein. Die<br />

Jungs von DRUM:KAN (Drumkan), die<br />

Band mit denen wir getourt sind, bereiteten<br />

uns einen "großen Bahnhof". Und nach<br />

einem ersten Tempelbesuch inklusive Gebet für eine erfolgreiche<br />

Tour ging's nach Chiba zu unserem Gastgeber "Satoshi". Die<br />

anschließende kulinarische Tour durch verschiedene japanische<br />

Spezialitätenrestaurants war ebenso hitverdächtig, wie die<br />

Schnupfversuche unserer Gastgeber, die sich an bayerischen<br />

Tabakwaren ("Gletscher-Pries") versuchten. Spätestens nach<br />

zwölf Stunden ausgiebigen Essens - und vor allem Trinkens - hatten<br />

auch wir im Land des Lächelns selbiges auf den Lippen. Der<br />

zweite Tag begann mit einem Frühstück japanischer Art ("Gohan",<br />

also Reis mit Seetang, "Miso"-Suppe und - ein bisschen weniger<br />

japanisch - Würstchen), worauf wir eine Sightseeing Tour durch<br />

Tokio starteten. Am späten Nachmittag war dann ein bisschen<br />

Rock-Star-Feeling angesagt: Bei unserem Japan-Label<br />

"Imperial Records" warteten Autogrammkarten, T-Shirts,<br />

Fotos und die Angestellten - erstere auf eine Unterschrift,<br />

letztere auf ein Foto mit uns.<br />

nN: Das klingt ja alles tatsächlich<br />

ziemlich "big", ich meine, ohne<br />

Euch zu nahe treten zu wollen,<br />

aber derartig hohen Stellenwert<br />

habt Ihr ja in Deutschland nicht<br />

bzw. noch nicht.<br />

Andy: Ja, aber es kam noch besser:<br />

Nachdem noch einige Trailer<br />

für das Video "Where are<br />

the flowers daddy used to<br />

bring" aufgenommen worden<br />

waren, ging's mit den Vertretern<br />

von Imperial Records, Nippon TV<br />

(!) und DRUM:KAN auch noch zum "Business-<br />

Essen" mit "Sukiyaki" - Fondue aus dünnen Fleischstreifen -<br />

und "Sashimi", das ist roher Fisch auf Reis.<br />

nN: Und ein solcher Abend wird doch garantiert in eine


Karaoke-Bar beendet …<br />

Andy: Aber Hallo! Tatsächlich steuerten wir die nächste Karaoke-<br />

Bar an, um uns schon mal für den Auftritt am nächsten Tag warmzusingen.<br />

Anders als hierzulande bleibt man beim japanischen<br />

Singen zur Instrumentalmusik in einem kleinen Raum unter sich.<br />

Der wichtigste Unterschied zum westlichen Karaoke ist aber nicht<br />

das reduzierte Publikum, sondern das Mehr an Bier.<br />

NnN: Klingt spannend - aber wie liefen die Gigs?<br />

Andy: Nach dem Soundcheck im sehr, sehr<br />

coolen "Club Asia", folgte ein kurzer Abstecher<br />

zu "Tower-Records" - einer der größten Plattenläden<br />

der Welt; hier "mussten" wieder<br />

Fotos mit Angestellten gemacht und Autogramme<br />

gegeben werden. Dann abends das<br />

erste Konzert im Land der aufgehenden<br />

Sonne. Im Club hatten sich gut 200 Zuhörer versammelt,<br />

um die Show zu genießen. Der wirkliche Gig (oder besser:<br />

Kick) ging aber erst nach dem Konzert ab: Duzende Japaner<br />

(überwiegend Teile der weiblichen Fraktion) wuselten um den<br />

Merchandise-Stand und vor allem um die "Divas des Punk-Rock"<br />

herum. "Take a picture?", "Autograph please" und "Please sign<br />

here" …. . Da sich das ganze vor dem Club abspielte, war ca. 30<br />

Minunten der Verkehr auf den Straßen in's Stocken geraten, und<br />

beim nächsten Mal sollte die Crew vielleicht um ein paar Bodyguards<br />

aufgestockt werden. Nachdem sich der ganze Aufruhr<br />

etwas gelegt hatte, spendierte uns "Imperial Records" noch einen<br />

kleinen Absacker in der nächsten Bar".<br />

nN: Ein wichtiges Problem dürfte der Transport der Band und<br />

des Equipments gewesen sein.<br />

Andy: Ja, das ist der wohl härteste Teil des Tourens in Japan; man<br />

sitzt stundenlang in den Bussen, selbst bei relativ kurzen Entfernungen.<br />

So ist Osaka, unsere nächste Station, gerade mal 350<br />

km von Tokyo entfernt - man ist aber locker 12 Stunden unterwegs<br />

…<br />

nN: Aber der Rest der Tour war dann doch recht entschädigend<br />

für derlei Strapazen?<br />

Andy: Klaro! In Osaka, im "Bayside Jenny", stieg der nächste Gig.<br />

Der Saal war etwas groß, aber dennoch ließen es sich die Anwesenden<br />

nicht nehmen, SCOREFOR pogend und stage-divend zu<br />

feiern. Witzigerweise gingen beim Pogo japanische Geschäftsleute<br />

mit Anzug und Krawatte genauso ab wie die oberkörperfrei<br />

pogenden Punks. Am nächsten Tag ging es dann weiter nach<br />

e<br />

Scorefor<br />

07<br />

Kyoto; der Gig war eher mau. Dennoch waren einige Japanerinnen<br />

unter den Besuchern, die sogar die Texte auswendig konnten<br />

- manchmal besser als Kropi, unser Sänger! Kyoto wird uns aber<br />

auch deshalb in guter Erinnerung bleiben, weil wir dort erstmals<br />

"heimische" Küche genießen konnten: McDonald's sei Dank! Und<br />

so ging es dann weiter: Gigs in Nagoya und Chiba, schließlich der<br />

Rückflug.<br />

nN: Könnte mir vorstellen, dass es nach derlei Erlebnissen<br />

schwierig werden dürfte, hier dann mal wieder einen stinknormalen<br />

Gig im "Club um die Ecke" zu spielen …<br />

Andy: Nee, gar nicht. Unser Ansatz ist (und war schon immer),<br />

egal wie gross der Club/das Open-Air/das Festival ist - wir geben<br />

unser bestes und versuchen mit den Leuten eine gute Zeit zu<br />

haben.<br />

nN: Nochmal zurück zur neuen Scheibe … wann kommt sie<br />

und wann geht Ihr auf Tour?<br />

Andy: Die Platte wird am 28.10.05 released - und wir werden uns<br />

den ganzen Herbst/Winter den Arsch abtouren!<br />

Erste Hörproben des neuen Albums klingen übrigens höchst vielversprechend.<br />

Bis zum Release verharren wir in freudiger Erwartung<br />

- und hoffen, dass die Jungs nach den<br />

größtenteils beglückenden Erlebnissen<br />

in Japan den harten Touralltag in<br />

Deutschland durchstehen werden.<br />

Ach so … wer kann mir denn<br />

jetzt eigentlich verraten, was<br />

"iki iki" ist? Habe das untrügliche<br />

Gefühl, dass es<br />

irgendwas mit Bier im<br />

engeren und Alkohol im<br />

weiteren Sinne zu tun hat …<br />

Carsten<br />

Collenbusch


08<br />

Colour Haze<br />

Die GuTE SEELE DES STONER<br />

Aufmerksame LeserInnen werden sich möglicherweise<br />

etwas wundern, wurde das aktuelle<br />

selbstbetitelte Colour Haze Album von mir<br />

vor einiger Zeit zwar ganz gut, aber etwas arg<br />

kleinkrittelig besprochen. Aber ich/wir sind ja<br />

lernfähig und Nachbessern ist ja eh en vogue.<br />

Was damals aus irgendwelchen Gründen auf<br />

Kleinflamme verhandelt wurde, darf hier endlich<br />

lodern, wie es verdient ist. Das Feuer hat<br />

mich langsam, aber dafür nachhaltig gefangen.<br />

Hier also die verspätete Würdigung eines<br />

absolut klasse Albums und einer der derzeit<br />

besten - wenn nicht DIE BESTE - Stoner<br />

Band.<br />

Stoner? Stoner scheint sich zwischen Kommerzialisierung<br />

und Blindfleck entwickelt zu<br />

haben. Was natürlich immer eine Sache des<br />

Blickwinkels und der Wahrnehmung ist. Es<br />

gibt in diesem Genre eigentlich weder einen<br />

sterbenden Schwan zu besingen, noch einen<br />

Phoenix zu bestaunen. Es scheint lediglich<br />

das Medieninteresse am Stoner-Genre etwas<br />

abgeflaut, was aber nichts über dessen Qualität<br />

aussagt. Misst man dessen Gesundheitsgrad<br />

an Colour Haze, dann kann man ihm<br />

ohne Bedenken höchste Fiedlität attestieren.<br />

Colour Haze existiert bereits seit 1994 in<br />

wechselnden Besetzungen und Soundfindungsphasen.<br />

Die aktuelle Besetzung mit<br />

Manfred Merwald (d), Philipp Rasthofer (b)<br />

und Stefand Koglek (dem einzigen Urmitglied)<br />

besteht seit 1999 konstant. Relativ konstant<br />

auch im Sound. Entwicklungen natürlich eingeschlossen.<br />

Colour Haze haben den treibenden<br />

Stoner Sound von Kyuss, die Verspieltheit<br />

und musikalische Klasse von Motorpsycho,<br />

welche sie mit<br />

Kyuss sind selig von uns gegangen, die Zukunft von Motorpsycho<br />

ist ungewiss, die aktuellen Queens Of The Stone Age<br />

eher ein niederpotentes Surrogat und Hendrix schon lange<br />

tot. Grosse Namen, gewiss, grosse Namen die aber recht<br />

adäquat die Soundkoordinaten von COLOUR HAZE definieren.<br />

Hendrixschen<br />

Psychedelic-<br />

Einflüssen<br />

veredeln. Das<br />

ist auch nach<br />

eingehender Betrachtung<br />

keineswegs zu hoch gegriffen. Colour Haze<br />

weißen eine musikalische Klasse auf, auf<br />

Grund derer man sie ohne zu Zaudern als<br />

Ausnahmeband bezeichnen darf. Jemand hat<br />

Colour Haze mal sehr treffend als "Kyuss and<br />

The Jimi Hendrix Experience rolled into one"<br />

beschrieben.<br />

nN: Ist Hendrix ein großer Einfluss für<br />

dich?<br />

Stefan Koglek: Sicher, zumal er als<br />

Gitarrist in Feeling, Intonation, Melodieführung<br />

und musikalischer Vision immer<br />

noch einen bis jetzt unerreichten anderen<br />

Planeten darstellt, aber gerade auch<br />

als Komponist eineKlasse für sich war. Was<br />

ja leider immer noch zu oft gar nicht erkannt<br />

und immer nur auf irgendwelche technischen<br />

Mätzchen reduziert wird. Da wird dann das<br />

Equipment seziert und irgendwelche linksrum-<br />

Gitarren angefertigt, als ob das einen befähigen<br />

könnte, ein guter Musiker zu sein. Ich<br />

finde ein Hendrix-Solo ungleich berührender<br />

und oftmals auch wesentlich unbegreiflicher<br />

als z.B. eines von Jimi Page. Ich bin aber auch<br />

von vielen anderen Sachen ungemein beeinflusst.<br />

Dies bedeutet aber letztendlich immer<br />

nur, dass ich versuche, aus diesen Sachen zu<br />

lernen, um gute eigene Musik zu machen,<br />

denn kopieren will ich niemanden, dazu bin<br />

ich wohl auch zu eigen. Eigentlich ist man ja<br />

sowieso immerzu von allem beeinflusst.<br />

nN: Die<br />

aktuellen<br />

Songs<br />

zeichnen<br />

sich durch<br />

Überlänge<br />

und ausuferndeInstrumentalpassagen<br />

aus. Jammen<br />

scheint<br />

ein zentrales<br />

Moment bei<br />

euch zu<br />

sein. Wie hat<br />

sich euer<br />

Zusammenspiel<br />

entwickelt,<br />

wie entsteht ein Song bei euch?<br />

SK: Oh, letzten Endes ist dann doch mehr bei<br />

uns richtig auskomponiert, als die meisten<br />

denken. Jammen tun wir sowieso nicht, wenn<br />

schon improvisieren wir! Dies ist allerdings in<br />

der Entstehungsphase unserer Stücke ein<br />

ganz wichtiger Faktor. Selbst wenn ich eine<br />

vorgefertigte Skizze von<br />

zuhause mitbringe,<br />

spielen<br />

wir solange<br />

frei damit rum, bis<br />

jeder seinen Part<br />

gefunden hat und sich<br />

das Stück in seinen Teilen und<br />

Arrangement weitgehend gesetzt hat. Im Prinzip<br />

entstehen unsere Stücke also immer musikalisch<br />

aus dem freien Spiel. Nur sehr selten<br />

üben wir mal explizit nur einen bestimmten<br />

Teil, auch wenn ich Teile wie eine Brücke oder<br />

einen Schluss dann durchaus auch wieder<br />

gezielt komponiere.<br />

nN: Ihr seid zwar im Underground recht<br />

bekannt, die Stonerrock.<strong>com</strong> Gemeinde<br />

hat nur beste Worte für euch, darüber hinaus<br />

ist aber trotz aller musikalischer Klasse<br />

nicht so viel zu beobachten.<br />

Seid ihr bewusst undergroundorientiert?<br />

Grenzt ihr euch vorsätzlich ab?<br />

SK: Na ja, das zu Beobachtende hängt ja<br />

nicht nur vom Beobachteten, sondern auch<br />

vom Beobachter ab! Ich denke es passieren<br />

überall auf der Welt ständig die tollsten künstlerischen<br />

Sachen, ohne dass dies überhaupt


gendjemand mitbekommt oder dies dem<br />

Künstler auch nur wichtig wäre. Was uns<br />

betrifft, so touren wir durch ganz Europa,<br />

bekommen kostendeckende Gagen, verkaufen<br />

weltweit gar nicht mal so schlecht Platten.<br />

Leute kommen teilweise aus den USA, um<br />

uns Live zu sehen, und wir werden in manchen<br />

Kreisen als beste deutsche Band seit<br />

Can oder sogar als beste Heavy Psychedelic<br />

Band überhaupt gehandelt - was will man<br />

mehr? Dass dabei eine größere Öffentlichkeit<br />

von uns nichts mitbekommt oder wir auch in<br />

weniger szenespezifischen Medien nicht präsenter<br />

sind, liegt dabei nicht an uns, denn das<br />

Angebot von unserer Seite ist ja durchaus da<br />

und auch die großen Magazine bekommen<br />

alle immer brav ihre Promo-CDs zugeschickt,<br />

sondern eben an den Mechanismen des größeren<br />

Musikbetriebs. Wichtig<br />

ist für uns zuallererst<br />

unsere Musik. Damit<br />

wollen wir natürlich<br />

viele<br />

Leute<br />

erreichen und hoffentlich<br />

und vor allem auch<br />

froh machen. Dafür müssen<br />

wir allerdings nicht jeden Scheiß mitmachen,<br />

zumal viele Wege der Industrie auch der<br />

guten Seele der Sache zuwiderlaufen und<br />

somit letztendlichunsere<br />

Arbeit sogar<br />

behindern<br />

würden. Das<br />

hat nichts mit<br />

Abgrenzung<br />

zu tun. Ich will<br />

jetzt auch die<br />

Musikindustrie<br />

gar nicht a priori<br />

als Ganzes<br />

verdammen,<br />

aber irgendwo<br />

passt es halt<br />

nicht zusammen,<br />

und der<br />

ganze Schmarrn ist mir letztendlich auch zu<br />

wurscht, ums jetzt von unserer Seite her<br />

unbedingt passend zu dengeln. Es gibt heut<br />

zutage ja gottseidank andere Wege (Danke<br />

Internet, Danke Mp3!) und ich denke, dass wir<br />

durch die vielen Freundschaften und die Qualität<br />

und Hingabe unseres Publikums für<br />

unseren Weg durchaus belohnt werden.<br />

Im Jahr 2003 hat Stefan Koglek sein eigenes<br />

Label "Elektrohasch" gegründet,<br />

um für Colour Haze ein eigenes<br />

Forum zu schaffen und die Bandaktivitäten<br />

weiter voranzubringen.<br />

Inzwischen gibt es auch diverse<br />

Veröffentlichungen befreundeter<br />

Bands.<br />

nN: Du betreibst nebenher<br />

noch dein eigenes Label<br />

Elektrohasch. Wie maßgeblich<br />

ist der Indiegedanke?<br />

SK: Der Indiegedanke heißt für mich: Ich<br />

bestimme selbst, ich habe die Dinge selbst in<br />

der Hand, bin aber dafür auch verantwortlich.<br />

Das ist sehr maßgeblich für mein gesamtes<br />

Leben und mir geschäftlich zudem allemal lieber<br />

als auf gute Erfahrungen mit einem Label<br />

hoffen zu müssen. Außerdem kann ich durch<br />

das Label von meiner<br />

künstlerischen<br />

Arbeit leben, was<br />

selbst Musikern in<br />

großen Bands nicht<br />

immer gelingt. Noch<br />

dazu ist Elektrohasch<br />

ein prima Vehikel, das<br />

ich auch für andere<br />

Künstler nutzen kann,<br />

die ich toll finde, um<br />

meine Freude an<br />

deren Musik mit anderen<br />

teilen zu können<br />

und diese so<br />

gut wie es eben<br />

geht zu propagieren<br />

- und einige meiner Lieblingsbands<br />

konnte ich ja bereits zu Elektrohasch holen.<br />

nN: Fühlt ihr Euch einer bestimmten<br />

Psychedelic/Stoner-Community zugehörig?<br />

Seid ihr in einem bestimmten Netzwerk<br />

tätig?<br />

SK: Definitiv. Die Stonerrock/Psychedelic-<br />

Szene ist ja durch starke Eigeninitiative der<br />

Fans und Bands geprägt, die sich gegenseitig<br />

helfen und somit die Anlaufpunkte und Ausdrucksmöglichkeiten<br />

dieser Szene selbst<br />

schaffen. So gibt es überall Leute die z.B.<br />

Konzerte veranstalten, die Fanzines und<br />

Webzines herausgeben oder mit Label, Plattenläden<br />

und Mailordern für die Verbreitung<br />

der Musik sorgen und dabei vielfach in mehreren<br />

Bereichen aktiv sind. Jeder "Aktivist" ist<br />

in erster Linie halt auch "Fan" und so ist die<br />

Stonerszene schon durch besonderen Idealismus<br />

und Hingabe an die Musik geprägt.<br />

Davon wollen wir natürlich nicht nur profitieren<br />

sondern auch tatkräftig mitwirken und helfen.<br />

Dies verstehe ich ebenso als wichtigen<br />

Teil unserer musikalischen Arbeit.<br />

Colour Haze<br />

09<br />

nN: Ihr veranstaltet gelegentlich<br />

sogar Proberaumfeste. Ist das durch<br />

Zufall entstanden oder ist euch die Nähe<br />

zum Publikum auch sehr wichtig.<br />

SK: Das war schon Absicht. Wir wollten halt<br />

was schönes, cooles, nettes, freundliches<br />

anbieten - den Bands, die wir mögen und den<br />

Leuten, die die<br />

Musik mögen.<br />

Clubkonzerte<br />

sind ja immer<br />

mit nicht ganz<br />

unerheblichen<br />

Kosten verbunden<br />

(Miete,<br />

Technik, Gema<br />

usw.), zudem ist<br />

es nicht immer<br />

ganz einfach,<br />

den richtigen Club zum passenden Termin zu<br />

bekommen. Somit veranstalten wir in Clubs<br />

halt nur noch größere Sachen wie die Swamp<br />

Room Mania oder Konzerte mit bekannteren<br />

Künstlern (zuletzt z.B. Brant Bjork im Kafe<br />

Kult in München). Ich möchte zudem auch gar<br />

keine Trennlinie zwischen uns und<br />

dem Publikum ziehen, denn in erster<br />

Linie bin ich genauso Musikfan und<br />

das ganze soll doch eher ein gemeinsames<br />

Erleben sein. Wenn man dann<br />

in einem intimen Rahmen, bei freiem<br />

Eintritt und Getränken (gegen eine<br />

freiwillige kleine Spende) den Leuten<br />

Bands wie On Trial, Dozer, Circle,<br />

Josiah, Los Natas, Rotor, Hypnos<br />

69, um mal einige unserer bisherigen<br />

Gäste zu nennen, bieten kann,<br />

ist das auch für uns was ganz<br />

Besonderes.Wann kann man einer<br />

Band schon einmal so nahe sein!<br />

Man sitzt zwischen den Boxentürmen<br />

und lässt sich von den massiven<br />

wohlig warmen Schallwellen tragen.<br />

Es entfaltet sich ein nicht nur raumgreifender,<br />

sondern die gesamte Physis erfassender<br />

Sound.<br />

Die sympathische Grundhaltung spiegelt sich<br />

natürlich auch in den Lyrics wieder, in denen<br />

eine gewisse Philantrophie und viel Freiheitsliebe<br />

(auf verschiedenen Ebenen) mitschwingen.<br />

Da passt es durchaus gut, dass das<br />

Album 2004, dem internationalen Jahr zum<br />

Gedenken an den Kampf gegen die Sklaverei<br />

und ihre Abschaffung, veröffentlicht wurde.<br />

nN: Die Texte sind relativ hippiesk. Steht<br />

hinter Colour Haze noch eine bestimmte<br />

Message/Philosophie?<br />

SK: Die Philosophie steht nicht nur dahinter<br />

sondern in allem drin, da ich mein Leben mit<br />

allem darin als Ganzes betrachte. Ich finde es<br />

auch etwas anödend, mich in Liedtexten nur<br />

über persönliche Befindlichkeiten auszulassen.<br />

Zudem hielte mir ein Horizont aus Fußball<br />

und Bier auch zu wenig Anregung und<br />

Genuss für ein ausgefülltes Dasein bereit. In<br />

der Rockmusik geht es eigentlich immer<br />

zuvorderst um persönliche Autonomie - selbst


10<br />

Colour Haze<br />

zu bestimmen, was man mit seiner Zeit, Lunge, Geschlechtsorganen<br />

oder was auch immer denn so anfangen möchte. Ich fasse das halt<br />

etwas weiter, denn das Bewusstsein bestimmt schließlich das Sein<br />

(allen populären Verdrehungen zum trotz ; ), zumal mich die weiter<br />

andauernde allgemeine Unfähigkeit unser Spezies das Wunder dieses<br />

Daseins zu erkennen und die entsprechenden Konsequenzen im<br />

Fühlen, Denken und Handeln zu ziehen doch eben sehr stört und<br />

beschäftigt. Die Zeit der meisten großen Patentrezepte gegen die<br />

Widernisse des täglichen Miteinanders im Großen wie im Kleinen ist<br />

ja dankenswerterweise vorbei. So setzen meine Texte eben ganz<br />

elementar bei geistiger und spiritueller Autonomie einschließlich der<br />

damit verbundenen Wonnen und Schwierigkeiten an.<br />

nN: Bist du ein spiritueller Mensch?<br />

SK: Ja, aber bitte kein Prediger oder so was. Meiner Meinung nach<br />

muss man den Zugang zum Göttlichen selber suchen und finden,<br />

was eine lebenslange Arbeit darstellt und auch nichts ist, was man<br />

aus irgendeinem Buch lernen kann. Denn dort wird man zuvorderst<br />

immer nur den Gott dessen finden, der den Text verfasst hat, was<br />

einem die eigene Erfahrung zumindest vernebelt, wenn nicht sogar<br />

verunmöglicht ...Und dann ziehen manche wieder los um sich und<br />

andere mittels Explosivstoffen ins Paradies zu transzendieren oder<br />

ähnlich ungute Ideen zu exerzieren. Deswegen ist meine Spiritualität<br />

unbedingte Privatsache und ich werde nicht mal ihren Namen verraten.<br />

Im Grunde gibt es sowieso nur ein Gebot: "Du kannst machen<br />

was Du willst, aber Dein Denken, Fühlen und Tun muss immer und<br />

nach allen Seiten von Liebe erfüllt und bestimmt sein" - klingt bei<br />

weitem einfacher als es ist und ist als universelles Gebot doch sehr<br />

effektiv, da es sämtliche negativen Handlungen, einschließlich aller<br />

Kapitalverbrechen schon mal ausschließt. Ich denke, damit kann<br />

sich jeder schon mal auf den Weg machen. Soviel zu meiner persönlichen<br />

Anschauung, ansonsten sei aber jedem die seine unbenommen,<br />

solange er damit nicht seine Mitmenschen traktiert.<br />

nN: Du hast demnach einen Namen für Deine Spiritualität. Gibt<br />

es also doch ein gewisses Dogma, ein Buch oder eine Art Guru<br />

auf der Deine Spiritualität inhaltlich aufgebaut ist? Mir erscheint<br />

es nach Deinen Aussagen eine gewisse Nähe zum Buddhismus<br />

zu geben.<br />

SK: Natürlich habe ich ein paar Sachen gelesen, allerdings gibt es<br />

da nichts, an dem ich unbedingt festhalte. Meine Religiosität befindet<br />

sich in ständigem Wandel, zwar aufbauend auf der genannten<br />

Grundprämisse, aber ich verfolge da einen recht anarchistischen<br />

Ansatz - deswegen brauche ich auch bestimmt keinen Guru oder so<br />

was. Wenn Du es mit dem Buddhismus nimmst gilt, dass der Weg<br />

das Ziel ist, dafür braucht es nur mich, die Welt und das Göttliche.<br />

Ich verstehe nicht, warum sich die meisten gerade in ihrem Glauben<br />

in ihrer Freiheit so einschränken lassen, da sind sicherlich mehr<br />

Schranken gesellschaftlicher Prägung vorhanden, als den meisten<br />

bewusst ist. Das mit dem Namen bedeutet u. a., dass ich meiner<br />

"Gottheit" immer mal wieder neue Namen gebe, auch, um meinen<br />

Zugang zu überprüfen und offen zu halten und nicht in hinderlichen<br />

Dogmen zu erstarren. Dazu gehört natürlich auch viel Meditation und<br />

Arbeit an der "Herzensbildung". Ich will allerdings nicht behaupten,<br />

dass dieser Weg besser ist als andere, es ist halt nur mein ganz persönlicher<br />

Weg.<br />

nN: Ist Deine Spiritualtiät wirklich absolute Privatsache, oder<br />

"teilst" Du sie mit anderen Leuten, auf welche Art auch immer?<br />

SK: Ich will rein gar nichts propagieren, da würde ich mich ja selbst<br />

zu einer Art Guru erklären, was meinen Grundsätzen genau zuwider<br />

läuft. Den "Gewinn" aus diesem Weg sowie z.B. die Liebe zum Universum<br />

und allem darin möchte ich natürlich schon teilen und durch<br />

mein Verhalten, unsere Musik und meine Texte versuchen mitzuteilen.<br />

"All you brothers we must take more care/We are all the same/We<br />

are all the life/So we shouldn't waste this precious little time/Take it<br />

and you leave/You won't get it far/Pick up a flower and disturb a<br />

star/Make up all your mind/Make it broad an wide/We shall over<strong>com</strong>e<br />

in the love of life/<br />

Christian Eder<br />

Mit Dank an Martin Wintermeier, der mir Colour Haze recht beharrlich<br />

nahe gebracht und mich beim Interview unterstützt hat. Spätnachts<br />

nach vielen Bieren auf einem kleinen Open Air in Hauzenberg<br />

hat er mir zum ersten Male vorgeschwärmt (ICH kann mich zumindest<br />

daran erinnern!). Jetzt ist er ein Fan von Mono und ich von<br />

Colour Haze. Schön.<br />

www.colourhaze.de<br />

Immer auch einen Besuch wert:<br />

www.stonerrock.<strong>com</strong><br />

Aktuelles auf Elektrohasch Records<br />

Neben Colour Haze wurden auf Elektrohasch u. a. auch Alben<br />

befreundeter Bands wie Hainloose, Ugh! oder Gas Giant veröffentlicht.<br />

Elektrohasch ist stonerbezüglich durchaus ein Qualitätssiegel.<br />

Derzeit aktuell sind die Alben von Rotor und Kings Of Frog Island.<br />

Kings Of Frog Island - same<br />

Seit Dave Wyndorf keine Drogen mehr nimmt, hat er kein nennenswert<br />

gutes Album mehr veröffentlicht. Tragisch aber wahr. Wie sich<br />

das Konsumverhalten bei Kings Of Frog Island ausgestaltet, muss<br />

hier im Dunklen bleiben, darf egal sein. Um sich dem Sound dieses<br />

Albums anzunähern, imaginiere man sich frühe, fuzz/wah-reduzierte<br />

Monstermagnet, die zu viele Psychedelic Platten (nicht immer nur<br />

Hawkwind) gehört haben mit dem jüngeren Bruder von Wyndorf an<br />

der Stimme vor. Nach zwei recht geradlinigen Rockern als Opener<br />

entfalten Kings Of Frog Island die ihnen eigene Qualität in psychedelisch-melancholischen,<br />

teils treibenden (Stoner)Rockstücken (in<br />

denen man sich gelegentlich auf dem Wah-Wah Pedal hin und herwälzt),<br />

die man immer und wieder gerne hören mag. "Psychomania"<br />

und vor allem "Save Me" entwickeln dabei richtiggehendes Underground-Hitpotential.<br />

Feines Album.<br />

Rotor - 2<br />

Rotor sind von vorne wie von hinten. Rotor machen überwiegend<br />

instrumentalen Stoner/Heavy/Psych Sound. Wer dabei an Karma To<br />

Burn denkt liegt nicht völlig daneben. Zwischen Fuzz-Stoner Riffs<br />

baut das Berliner Trio allerdings immer wieder Kraut/Prog-Parts und<br />

vor allem interessante Breaks und Laut/Leise Dynamiken ein. Dabei<br />

lassen sie aber nicht den notwendigen Druck vermissen und rocken<br />

auch mal schwer und direkt nach vorne. Ein von vorne bis hinten<br />

interessantes Album. www.rotorotor.de<br />

www.elektrohasch.de<br />

Colour Haze und Rotor sind derzeit auf Tour. Beide sind auch mit<br />

sieben weiteren Bands auf dem Swamp Room Happening am<br />

17.09.05 in München im Kafe Kult zu sehen. Siehe Termine.


<strong>Kontakt</strong>!<br />

Leserbriefe<br />

Also die noisyNeighbours sind beide wieder<br />

sehr gelungen. Glückwunsch!!! Sehr begeistert<br />

bin ich auch von Lampshade und Jumbo Jet.<br />

Tolle Mucke. Ganz großartige Sache, Danke!!!<br />

Uwe, Köln<br />

***<br />

Das Heft ist ganz große Klasse.<br />

I AM KLOOT, eine meiner Lieblingsbands.<br />

Ganz groß. Liebe Grüße und ein sonniges<br />

Wochenende<br />

Chris, München<br />

interne Kommunikation<br />

Keule hatte Recht,<br />

bei den verschickten CDs ist bis jetzt wirklich<br />

nichts für mich dabei. Hätte da schematischen<br />

Trendrock zu bieten (Gods of Blitz) und<br />

schmonzigseichtes Country/Indiegeplänkel.<br />

Jochen, wär doch was für Dich oder...?<br />

Schöne Grüße<br />

Christian<br />

Hi,<br />

(…) Sei froh du kleiner niederbayrischer<br />

Grandler, dass ich derzeit zu viel um die Ohren<br />

hab, um zu streiten! Hast wohl zu lange neben<br />

der Bahnlinie gewohnt, was? Kannst ja weiter<br />

deine Platten hören, wo einer ins Mikro furzt,<br />

drei mal urschreit, das Mikro zu nahe an den<br />

alten Fernseher hält und dann drei Kratzer auf<br />

die cd macht...."Der Vogel. Der Rabe. HURZ!!".<br />

haha<br />

der Jo<br />

reViews<br />

Das <strong>Noisy</strong> Neighbours-Fanzine geht in die 10.<br />

Runde und kann ein mal mehr auf ganzer Linie<br />

überzeugen. Am meisten gefällt mir wieder die<br />

Themenvielfalt, welche sich bei weitem nicht<br />

nur auf Musik und unmittelbar angrenzende<br />

Topics beschränkt, sondern deutlich über den<br />

Tellerrand linst.So gibt es neben Interviews mit<br />

Monta (Nebenbaustelle von Miles-Frontmann<br />

Tobias Kuhn), The Royal We, Hoppy Kamiyama<br />

(!!) und Klez-E, eine Kolumne über John<br />

Peel (R.I.P.), Filmtipps, Comic-Reviews, Musikund<br />

Konzert-Reviews, Infos zum Thema Copyright<br />

und und und... Alles was irgendwie interessant,<br />

abgedreht, konsensreich oder einfach<br />

".." ist, wird von den Machern mit dem nötigen<br />

Know-How beleuchtet. Das verdient nicht nur<br />

Respekt, sondern bietet auch ein Maximum an<br />

Unterhaltung. Was will man noch mehr??<br />

Doc<br />

http://www.baldymod.de/content/<br />

modules/news/article.php?storyid=650<br />

(scarred for life - rock'n roll <strong>com</strong>munity)<br />

***<br />

Ich muss ja ehrlich gestehen, dass mir Musik-<br />

Hefte häufig genug ziemlich quer vorbei gehen.<br />

Klar, ich mag Musik genauso gerne wie die<br />

meisten anderen Menschen. Musik ist in meinem<br />

täglichen Leben total wichtig - ein Antrieb,<br />

aus dem Bett aufzustehen zum Beispiel. Zu<br />

Soophie Nun Squad Morgengymnastik<br />

machen, nachts zu The Notwist aus dem Fenster<br />

schauen und so. Aber ich halte es da eher<br />

mit Marcus Wiebusch von "…but alive": "Über<br />

Musik schreiben ist wie zu Architektur tanzen."<br />

Hefte wie das Plastic Bomb, das Trust oder das<br />

Ox-Fanzine, die in jeder Regelmäßgikeit mit<br />

dutzenden Interviews aus der Druckpresse in<br />

die Bahnhofskioske und Plattenläden unserer<br />

Republik geschleudert werden entlocken mir<br />

meist nur ein sanftes Gähnen und der Blick auf<br />

die eigentlich viel spannendere FAZ. (Ha, jetzt<br />

hab ich mich aber geoutet.) Nur weil jemand<br />

anständige Musik schreibt, heißt das ja noch<br />

lange nicht, dass er/sie in Musikmagazinen<br />

auch nur ansatzweise was Spannendes zu<br />

sagen hätte. Da interviewe ich doch lieber<br />

<strong>Kontakt</strong>! 11<br />

meine 5-jährige Nachbarin oder die Katze, die<br />

mir jeden Tag über den Weg läuft. Hrmpf. Aber<br />

dies sollte ja eigentlich eine Rezension des<br />

<strong>Noisy</strong> Neighbours sein, und kein Musik-Fanzine-Dissen<br />

- auch wenn mir das noch so viel<br />

Spaß macht. Das <strong>Noisy</strong> Neighbours ist also ein<br />

Musik-Fanzine wie es im Buche steht: Es gibt<br />

Interviews, die mal mehr (in dieser Ausgabe<br />

The Flying Luttenbachers, in anderen Liquid<br />

Laughter Quartet, oder Klez.e) oder weniger<br />

interessant sind (die anderen Interviews austauschbarer<br />

Jungskapellen), Rezensionen,<br />

Konzertberichte, Tourdaten. Alles soweit im<br />

Rahmen des Kanons. Was das <strong>Noisy</strong> Neighbours<br />

aber von anderen Gazetten dieser Art<br />

unterscheidet ist die erfrischende Herangehensweise<br />

an die Musik und die Bands. Da<br />

wird einerseits gerne mal intellektualisiert, TonträgerInnen<br />

und Konzerte werden sehr gut<br />

analysiert, besprochen, vorgestellt. Gleichzeitig<br />

werden andere, unmusikalische Dinge in<br />

den Blick genommen. In Ausgabe 11, die<br />

Anfang diesen Jahres erschienen ist, findet<br />

sich beispielsweise noch ein Nachruf auf den<br />

amerikanischen Journalisten Hunter S. Thompson,<br />

DaDa-inspirierte Pamphlete und eine Vorstellung<br />

von Reprodukt, einem Berliner Independent-Comicverlag.<br />

Das macht das <strong>Noisy</strong><br />

Neighbours für mich also lesenswert - und<br />

unterscheidet das Heft positiv von anderen.<br />

Wenn Ihr jetzt noch ein paar - aus meiner Sicht<br />

- spannendere Bands vorstellen würdet, dann<br />

wäre ich wirklich froh über so ein Heft wie das<br />

<strong>Noisy</strong> Neighbours. Das stammt übrigens aus<br />

einer der spannendsten Subszenen in<br />

Deutschland: Der Bonn-Troisdorfer Noise/<br />

Indie-Szene um das Nois-O-Lution Label und<br />

BluNoise - die einfach seit ewigen Zeiten echt<br />

gute Musik produzieren und veröffentlichen.So<br />

weit ich weiß, ist das <strong>Noisy</strong> Neighbours weiterhin<br />

kostenlos. Ich bin aber sicher, dass die<br />

Leute sich freuen würden, zumindest Rückporto<br />

erstattet zu bekommen.<br />

P.S.: Ich weiß, dass Ihr mit den Anzeigen das<br />

Heft finanziert, aber ein paar weniger sexistische<br />

Rock'n Roll-Anzeigen hätten es auch<br />

getan, vielleicht, oder?<br />

Markus<br />

http://www.beatpunk.org/papier/3.html<br />

(beatpunk -webzine)


12 Knistern<br />

einBlick<br />

Es war wieder einmal diese Neugier, die Zufälle<br />

produziert und in deren Prozess man gerne<br />

auf Neues und Interessantes stößt. So auch im Falle von K N I S T E R N<br />

Wie ich es entdeckt habe, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Egal. Es ist eines<br />

dieser sehr kleinen Liebhaberlabels, die mit viel Liebe und Enthusiasmus charaktervolle<br />

Skurrilitäten veröffentlichen.<br />

Mit KNISTERN als Name rekurriert man ja bereits auf das Format<br />

Vinyl. Vinyl als Leidenschaft ist ja vielen nachvollziehbar.<br />

Das Ein-Mann-Unternehmen von Guy Saldanha übt sich allerdings<br />

in noch mehr Detailverliebtheit und veröffentlicht ausschließlich<br />

7-Inches. Zwei Singlereihen mit jeweils vier Veröffentlichungen<br />

und einem jede Serie durchziehenden Grafikdesign<br />

sind bereits erschienen.<br />

Soundtechnisch macht KNISTERN dabei einen recht weiten<br />

Spagat im Spannungsfeld von experimentellen Stilen. Elektronik,<br />

Jazz, Rock oder Minimal Music. Saldanha ist der Pubertät entwachsen<br />

und braucht keine Grenzen mehr. Die Singles bieten<br />

wirklich interessante Sounds für Leute, die Freude am Experiment<br />

haben, aber nicht auf eine gewisse Struktur und Nachvollziehbarkeit<br />

verzichten wollen. Vor allem die zweite Reihe mit Helgoland,<br />

Chanson Electronique, Uri Geller und tbc & Guy Saldanha<br />

dürften für noisyNeighbours Bibliophile überaus interessant<br />

sein. Wer sich auch gerne in freieren Strukturen bewegt, der<br />

nimmt auch gleich noch die erste Reihe mit.<br />

Frei<br />

heit<br />

im<br />

Kleinformat<br />

nN: Obligatorisches am Anfang. Eine kleine Gründergeschichte<br />

bitte.<br />

Guy Saldanha: Am Anfang stand die Veröffentlichung der Intertronik<br />

Aufnahmen aus der Hörbar. Es gab die Idee, sie als Single<br />

rauszubringen, also haben wir Demos an verschiedene Seveninch-Labels<br />

geschickt. Angehört und geantwortet, bei keinem<br />

passte die Musik rein. Da fielen uns noch andere Sachen ein, die<br />

über die Jahre entstanden sind, die nirgendwo reinpassten, aber<br />

trotzdem einer Veröffentlichung wert waren: die A3XX-Bigband,<br />

das E-Bass-Trio von Klemens Kaatz, Uri Geller, Chanson Electronique,<br />

u.a…<br />

nN: Was für eine Philosophie steckt hinter der Fixierung -<br />

die ja auch eine Selbstbeschränkung bedeutet - auf das 7"-<br />

Format? Ist das eine bewusste Abgrenzung?<br />

GS: 7"-Platten sind sexy. Das denk nicht nur ich.<br />

nN: Woraus definiert sich Dein Interesse für experimentelle<br />

Sounds, wo kann man es verorten? Jazz, schräge Rokksounds,<br />

Elektronik oder ist es ein Konglomerat aus allem,


einBlick<br />

was interessant erscheint?<br />

GS: Komme von der Rockmusik her. Größte Inspiration waren<br />

Vernon Reid und Living Colour. Über den Jazz habe ich eine<br />

Form der Improvisation kennen gelernt. Die Ohren geöffnet für<br />

Geräusche hat mir - und vielen Leuten die ich kenne - Fred Frith.<br />

Und dass viele verschiedene Stile in einen Track reinpassen<br />

haben "Naked City" und verwandte Platten gezeigt. Zur Elektronik<br />

bin ich über Jungle gekommen; habe mir daraufhin einen<br />

Sampler und einen Computer geholt.<br />

nN: Du veröffentlichst zwar teils recht freie aber doch<br />

irgendwie strukturierte Sachen. Ist dir eine gewisse Nachvollziehbarkeit<br />

wichtig im Sound wichtig?<br />

GS: Ja. Bei den Improvisationen von Intertronik ist der klassische<br />

Spannungsbogen zu finden: etwa nach zwei Drittel des Stücks<br />

wird der Höhepunkt erreicht, danach wird abgebaut. Bei den<br />

Noise-Impros von tbc und mir ist dieser Bogen auch zu finden,<br />

manchmal auch die AABA-Form. Auf den anderen Platten ist die<br />

Musik durchkomponiert, die Formen sehr klar.<br />

nN: Gibt es ein Kriterium für die Auswahl einer Veröffentlichung?<br />

Wie kommt es dazu?<br />

GS: Alle Musik, die mich umgehauen hat, habe ich auf Konzerten<br />

erlebt. Spannung und Energie sind mir wichtig.<br />

nN: Bist Du tiefer in einer bestimmten Szene "verwurzelt"?<br />

GS: Vieles was auf den KNISTERN-Platten erschienen ist, war<br />

auf den LudwigsLust Festivals zu hören: so Klemens Kaatz' "Verzerrungen"<br />

und "Transformationen", Christian Ribas' "A3XX" und<br />

die Bands Uri Geller, Helgoland und Chanson Electronique. Die<br />

anderen Platten stammen aus dem Umfeld der Hörbar: Intertronik<br />

und mein Duo mit Thomas Beck aka tbc. In der Hörbar finden<br />

einmal im Monat Konzerte statt mit Laptop-Musik, Ambient, Musique<br />

Concrète, Noise, Industrial u. a. Häufig werden sie unter<br />

dem Begriff "elektronisch-experimentelle Musik" zusammengefasst.<br />

Und es gibt noch den h7-Club für improvisierte Musik, den<br />

Heiner Metzger seit Jahren organisiert.<br />

nN: Manche Experimentallabel grenzen sich relativ stark in<br />

ihrem eigenen Kosmos ab, wollen nur innerhalb eines<br />

gewissen Kontextes präsentiert werden. Du scheinst da<br />

offener...<br />

GS: Ja. Wieso sich einschränken, wenn es soviel verschiedene<br />

gute Musik gibt?<br />

nN: Bis auf eine Art "Nebenrolle" ist<br />

auf allen acht Singles auf KNISTERN<br />

insgesamt nur eine Frau beteiligt.<br />

Spiegelt das Deiner Erfahrung nach<br />

den traurigen kleinen Anteil in der<br />

Szene repräsentativ wieder?<br />

Wenn ja, hast Du dafür ein<br />

Erklärungsmodell?<br />

GS: Es gibt wesentlich mehr Männer als Frauen in<br />

der experimentellen Musik Szene in Hamburg. Die<br />

nächsten Veröffentlichungen sind in Planung, da ist<br />

"Babalu", das Duo von Anne Wiemann und Susanne<br />

Ulke, mit dabei. Hebt den Schnitt.<br />

Christian Eder<br />

www.knistern.net<br />

www.intertronik.org<br />

Knistern 13


14<br />

auchSchoen


Manu Larcenet - Der alltägliche Kampf<br />

Band 2: Belanglosigkeiten<br />

Reprodukt<br />

Endlich ist der Nachfolge- und zugleich zweite<br />

Band von Larcenets "Der alltägliche<br />

Kampf" auch in Deutschland zu haben! Einer<br />

der Gründe für mein Bedauern, nicht französisch<br />

zu können, hat sich somit verflüchtigt.<br />

Fürs erste. Und bleiben ja nur noch all die<br />

anderen unzähligen Gründe... aber zurück.<br />

"Belanglosigkeiten" ist wiederum in diesem<br />

für Larcenet typischen flüchtigen, leichten,<br />

schnoddrigen, fast schon knuddeligen Zeichenstil<br />

gehalten; ganz im Gegensatz zum<br />

Inhalt. Schon im ersten Band kriegte man vor<br />

Identifikationspotential und einer vorherrschenden,<br />

den Fettnäpfchen des Hauptakteurs<br />

zugewandten Schadenfreude das Grinsen<br />

nicht mehr aus dem Gesicht, nur um es<br />

im nächsten Moment im Hals zu suchen; dort<br />

musste es nämlich, den Story-Wendungen<br />

und Begebenheiten sei Dank, stecken. Und<br />

das Lachen gleich dazu. Der fortgesetzte Alltagsstrudel,<br />

in dem sich der Protagonist<br />

Marco stets befindet, lässt einen doch des<br />

öfteren verharren, nachdenken und reflektieren.<br />

Die hingeschmissene Leichtigkeit des<br />

Vorgängers hat sich ein bisschen in die andere<br />

Richtung verlagert und in einer vorherrschenden<br />

Schwere intensiviert. Marco hat<br />

nach wie vor mit seiner Gegenwart, seiner<br />

Vergangenheit und Zukunft zu kämpfen. Und<br />

nach wie vor von Ängsten und Manien verfolgt,<br />

tritt er mutig dem everyday's struggle of<br />

life entgegen; jener wird verkörpert und bevölkert<br />

von Brüdern, die immer noch Georges<br />

heißen, von Umzügen, Beziehungen, Familiengeschichten<br />

und -tragödien, Heuchlern,<br />

Photographie-Ausstellungen, Star-Künstlern,<br />

den kleinen und großen Un- und Glücken,<br />

alten Bekannten und neuen Freunden. Und<br />

Gott sei Dank existieren auch noch die M-O-<br />

N-S-T-E-R-T-Ü-T-E-N! Ohne jene würde der<br />

Kampf gegen die omnipräsenten Versuche<br />

der Welt, die Kontrolle zu übernehmen, wahrscheinlich<br />

nicht zu ertragen sein. Larcenet<br />

mischt abermals verschiedene Zeichenstile,<br />

die verschiedene Handlungsstränge (in diesem<br />

Fall die eigentliche Geschichte und die<br />

Überlegungen des Protagonisten) darstellen.<br />

Er versteht es ein weiteres Mal, eine "ganz<br />

normale alltägliche" Story spannend zu inszenieren<br />

und sie mit fiesen kleinen Seitenhieben<br />

zu spicken. Natürlich können wir über all<br />

diese Begebenheiten und Personen lächeln,<br />

finden uns teilweise wieder und erinnern und<br />

an eigene Erlebnisse und Begebenheiten; auf<br />

gleiche Weise können wir uns aber auch<br />

wegen genau denselben Dingen eine Träne<br />

aus dem Augenwinkel wischen. Ich fiebere<br />

jedenfalls dem dritten Band entgegen. Zu viel<br />

Zeit wird bis dahin ins Land gegangen sein,<br />

verbunden mit viel neuer Erfahrung, sei sie<br />

positiver oder negativer Natur. Aber vielleicht<br />

sind genau diese eben genannten Dinge von<br />

Nöten, die uns den dritten Band dann vollauf<br />

verstehen und mit einem wissenden Kopfnikken<br />

quittieren lassen werden. Wer weiß das<br />

schon. Verständlich und logische Konsequenz<br />

wäre es zumindest. Dennoch ist<br />

irgendetwas bei "Belanglosigkeiten" anders...<br />

irgendetwas fehlt. Und dann wird es schlagartig<br />

bewusst: der kleine Kater Adolf aus dem<br />

ersten Band. Ich vermisse ihn schmerzlich.<br />

Und wer den ersten Teil kennt, weiß, warum<br />

dies so ist.<br />

Matthias Horn<br />

Kleiner Tipp noch kurz hinterher: Während<br />

diese Zeilen entstehen, läuft "Plans", die neue<br />

Platte von "Death Cab For Cuties"; genau die<br />

richtige unterstützende Untermalung, um "Alltäglichkeiten"<br />

zu genießen, zu verstärken und<br />

voll aufzunehmen.<br />

Derek Kirk Kim - Ganz gleich<br />

Reprodukt<br />

Das deutsche Debut eines jungen Amerikaners<br />

asiatischer Abstammung, der seine Karriere<br />

mit Comicsveröffentlichungen auf seiner<br />

Webpage www.lowbright.<strong>com</strong> begann. Und<br />

es handelt vom -na, von was wohl?- Leben!<br />

Und eigentlich könnte man auch eine Blanko-<br />

Review für jegliche Reprodukt-Veröffentlichungen<br />

anlegen, es müssten einfach immer<br />

Leben, Beziehung, Identifikation, Selbstzweifel,<br />

Losertum und die Grausamkeiten des Alltags<br />

drin vorkommen und schon wäre der<br />

Fisch geputzt! Einfach, oder? Aber Spaß beiseite,<br />

dieses Buch ist groß... Und schrieb ich<br />

je etwas bei einem Reprodukt-Album über<br />

Identifikationspotential? Vergesst es, größer<br />

als hier geht nicht. Zumindest nicht nach meinem<br />

Empfinden. Das alles kommt mir so verdammt<br />

bekannt vor. Unheimlich, irgendwie.<br />

<strong>com</strong>iCorner 15<br />

<strong>com</strong>iCorner<br />

Der ComiCorner ist zurück... Nachdem<br />

es im letzten Heft eher ein bißchen lau<br />

damit aussah, hier nun zwei empfehlenswerte<br />

Veröffentlichungen.<br />

Natürlich von Reprodukt. Klar, oder?<br />

Twentysomething, Schule bzw. Studium, sich<br />

mit Freunden treffen, über Gott, die Welt,<br />

Filme und Sex sinnieren und diskutieren, über<br />

den Tischnachbarn lästern, eigene Probleme<br />

verdrängen und später ins Selbstreflektion<br />

und -mitleid untergehen, den Träumereien<br />

nachhängen, den eigenen Loser in einem<br />

selbst vertuschen, mit der Hoffnung auf bessere<br />

Zeiten, all die Illusionen, all die großen<br />

Kleinigkeiten, dennoch alles easy, alles klasse,<br />

Probleme? Doch nicht hier... doch nicht<br />

ich. Wie? Glaubst Du nicht? Ach, guck Dich<br />

doch mal an! Du redest von meinen Problemen?<br />

Guck Dich doch nur mal an... Und<br />

darum geht es in "ganz gleich", voller autobiographischer?<br />

Züge wird das Leben eines Jungen<br />

angerissen, der genau obengenanntes<br />

lebt. Und mit seiner besten Freundin in eine<br />

abstruse Geschichte um Vergötterung und<br />

gefakte Hoffnung gerät, die ihn selbst mit seiner<br />

Vergangenheit konfrontiert. Grunge?<br />

Unbedingt! Generation X? Oh ja, bitte! Die<br />

Personen bewegen sich einfach in einem<br />

sympathischen Umfeld mit der richtigen und<br />

gesunden Portion Indie. Und all den Sorgen<br />

und Glücksgefühlen, die man kennt, sei<br />

dahingestellt, ob gerade jetzt im Augenblick<br />

oder der Vergangenheit. Kims Erzählstil ist<br />

ehrlich und dicht, sein ab und an ein kleines<br />

bisschen an Manga erinnernder Zeichenstil<br />

unterstützt diese brutale Ehrlichkeit auf ganzer<br />

Linie; sieht man doch auch mal die Freundin<br />

des Protagonisten, die ausgerechnet beim<br />

Kacken im Moment, als es plumpst, von<br />

einem genialen Einfall heimgesucht wird.<br />

Geht es näher am Leben? Wohl nicht. Dieser<br />

Comic ist einzigartig; hat er doch einiges vereint:<br />

eine geniale Federführung, was die<br />

Zeichnungen, die Story, das Sprachgefühl, die<br />

Details, die kleinen Nebengeschichten, den<br />

feinen trockenen Humor, die Sensibilität<br />

gegenüber fremden Kulturen und das Portrait<br />

amerikanischer Jugend betrifft. Er trifft. Tief.<br />

Und es tut weh. Verzückt aber gleichsam auf<br />

wunderbare Art und Weise. Ein Juwel der<br />

zeitgenössischen Indie-Kultur. Derek Kirk Kim<br />

wurde für sein Debut mit allen wichtigen<br />

Comicauszeichnungen bedacht. Er hat es auf<br />

ganzer Linie verdient.<br />

Matthias Horn<br />

www.reprodukt.<strong>com</strong>


16<br />

liveDabei<br />

AMPLIFIER<br />

Köln, Underground, 06.06.05<br />

Amplifier wollen beeindrucken! So deute ich<br />

jedenfalls das den Auftritt im Underground<br />

begleitende Brimborium. Die Vibrationen der<br />

sechs Saiten werden durch 27 Effektgeräte<br />

und Fußschalter geschickt (sic!), bevor sie<br />

aus vier unterschiedlichen Gitarrenamps ertönen<br />

und mit vier unterschiedlichen Mikrophonen<br />

in's Mischpult eingehen. Die Vibrationen<br />

der vier Saiten durchwandern immerhin<br />

22 Effektgeräte und Fußschalter, um<br />

ebenfalls aus vier verschiedenen Bassamps<br />

via vier verschiedener Mikrophone in den<br />

Gesamtmix einzugehen. (Mensch Mike!<br />

Irgendeinen Sinn muss der Bandname ja haben,<br />

oder!? Anm. d. Korr.). Ob diese Anhäufung<br />

von Technik ausschließlich der Klangerzeugung,<br />

bzw. -verfremdung dient, oder ob<br />

man damit auch z.B. die elektrischen Fensterheber<br />

des Tourbusses fernsteuern kann,<br />

entzieht sich meiner Kenntnis. Damit die Roadies<br />

auch ja nix verwechseln, ist jeder Amp<br />

und jedes Mikrophon sauber beschriftet<br />

(BassAmp2, BassMic2, etc.). Apropos Roadies:<br />

Wenn Dekadenz im Musikbusiness<br />

dann beginnt, wenn mehr Helferlein als Musiker<br />

die Bühne bevölkern, stehen die drei<br />

Recken von Amplifier kurz davor, dekadent<br />

zu werden, sorgen doch genau drei Mann für<br />

den reibungslosen Ablauf auf der Bühne!<br />

Was noch verwundert, ist das Rockstar-Gepose<br />

von Sel Balamir (guit./voc.), das meiner<br />

bescheidenen Meinung nach recht peinlich<br />

'rüberkommt und vor allem nicht zu der<br />

Bühne passt, auf der er sich gerade befindet.<br />

So, genug gemeckert! Die mit dem beschriebenen<br />

Equipment erzeugte Musik ist nämlich<br />

druckvoll, mitreißend und klanglich über<br />

alle Zweifel erhaben. Transparent wie fettiges<br />

Butterbrotpapier ist der Sound, jedes Instrument<br />

jederzeit differenziert wahrnehmbar<br />

und im Zusammenspiel treten die Jungs<br />

kräftig Popo.<br />

"Motorhead" eröffnet den Reigen, "Panzer"<br />

setzt den ersten Höhepunkt, "Post Acid<br />

Youth" drückt und groovt wie Hölle und "One<br />

great summer" schwelgt in Melodie und<br />

Opulenz. Nach ca. einer Stunde verabschie-<br />

det man sich mit "Airborne", kommt noch<br />

zweimal zwecks Zugabe heraus und verlässt<br />

schließlich endgültig ein gut gefülltes Underground<br />

und ein glückliches Publikum.<br />

Mir persönlich hat das gefehlt, was auf dem<br />

grandiosen Debut durchaus vorhanden ist:<br />

Seele.<br />

Mike Maisack<br />

Lou Barlow<br />

Köln, Gebäude9, 22.05.05<br />

Einer der sympathischsten Menschen, die je<br />

eine Bühne betreten haben, tat eben dieses<br />

am Sonntagabend im Gebäude9. Mitgebracht<br />

hatte er zwei Akustikklampfen und einen<br />

Uraltsynthesizer im Moog-Design. Ganz<br />

alleine stand er da und war furchtbar nervös.<br />

Erstaunlich, wenn man bedenkt, wen wir da<br />

vor uns haben: Lou Barlow, einer der beiden<br />

Songwriter von Dinosaur Jr., der kreative<br />

Kopf hinter Sebadoh und der Folk Implosion,<br />

der zuletzt unter eigenem Namen die äußerst<br />

unterhaltsame CD "Emoh" veröffentlicht<br />

hat, die es nun zu promoten gilt.<br />

Erstaunlich auch, dass sich vor der Bühne<br />

nur ca. 80 Zuschauer eingefunden haben<br />

um dem Meister zu lauschen. Lag es daran,<br />

dass ihn die Fans vergessen haben oder<br />

doch daran, dass 15,- € Abendkasse für ein<br />

Solokonzert recht teuer war? We'll never<br />

know…<br />

Zu sehen und zu hören gab es jedenfalls Einiges.<br />

Ganze zwei Stunden lang folgte ein<br />

Indie-Hit auf den anderen. Vom aktuellen<br />

Release habe ich lediglich "Caterpillar Girl"<br />

vermisst, von den gespielten Titeln fielen vor<br />

allem "Mary" und "Ballad of daykitty" auf,<br />

weil diese beiden durch umfangreiche und<br />

witzige Erzählungen darüber, worum es in<br />

dem Song geht, aufgewertet wurden. Seltsame<br />

Themen hat er ja, der Herr Barlow. Neben<br />

zugelaufenen orangefarbenen Katzen<br />

und dem Dilemma des leiblichen Vaters von<br />

Jesus, der zwar einen Sohn gezeugt hat,<br />

aber seine Vaterschaft nicht genießen kann,<br />

weil Maria schließlich mit Josef verheiratet<br />

ist und diesem eine hanebüchene Story über<br />

die Herkunft des Kindes auftischt, befassen<br />

sich seine Lieder auch mit dem ganz normalen<br />

zwischenmenschlichen Wahnsinn. Kostprobe<br />

gefällig? "I'm married for seventeen<br />

years now and I still love my wife. This next<br />

song is about trying to convince somebody<br />

who knows you very well, that it might be a<br />

good idea to have sex with you."<br />

Natürlich dringen im Laufe des Abends auch<br />

frühe Geniestreiche wie "Really insane" (I'd<br />

like to be superman, but You're standing on<br />

my coat…) von der "Rockin' the Forest" EP,<br />

"Soul & Fire" von der "Bubble & Scrape" und<br />

"Brand new love" von der "Sebadoh vs. Helmet"<br />

EP aus dem umfangreichen Songfundus<br />

des Künstlers in unsere Gehörgänge,<br />

was mich persönlich ganz besonders gefreut<br />

hat.<br />

Bleibt zu hoffen, dass die frisch reformierten<br />

Dinosaur Jr. sich auch in Köln blicken lassen!<br />

Mike Maisack<br />

JELLO BIAFRA & THE MELVINS,<br />

FANTOMAS, DÄLEK<br />

Köln, Live Music Hall, Montag, 20.06.05<br />

Mann, was ein Package! Lebende Legenden<br />

galore…. Und Mann, was eine Hitze! Bei<br />

tropischen Temperaturen und passender<br />

Luftfeuchtigkeit gelingt es mir doch tatsächlich,<br />

einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern<br />

(freu!). Ein Blick in die umstehenden<br />

Gesichter führt zu zwei Überlegungen: Zum<br />

einen scheint das Publikum mit den Helden<br />

auf der Bühne gealtert zu sein - Durchschnittsalter<br />

so um die 30 - zum anderen<br />

verheißt eben diese Beobachtung ein relativ<br />

ruhiges Konzert ohne rücksichtslose Rempel-<br />

und Zappelorgien und ohne befürchten<br />

zu müssen, dass mir alle fünf Minuten ein<br />

Crowdsurfer in die Fresse tritt. Ein Trugschluss,<br />

wie sich später zeigen sollte.<br />

Den Anfang machen Dälek, die ich nur vom<br />

Hörensagen kenne. Noisiger, zäh fließender<br />

HipHop schwappt aus den Boxen. Sehr innovativ<br />

und mitreißend das Ganze. Stellt<br />

euch vor, ein Hochhauskomplex wird von<br />

Dampframmen, Abrissbirnen und Presslufthammern<br />

in Zeitlupe abgerissen, während


auf dem Dach ein wütender Poet seine Texte in den stürmischen<br />

Wind spricht. So in etwa klingen Dälek. Ich bin beeindruckt!<br />

Dann Fantomas. Bestehend aus Mike Patton (Ihr wisst schon…),<br />

King Buzzo (Melvins-Kopf und Gitarrero), Trevor Dunn (Mr. Bungle)<br />

und eigentlich Dave Lombardo. Da der aber gerade mit Slayer unterwegs<br />

ist, braucht es einen Ersatz an den Trommelfellen. Niemand<br />

geringeres als Terry Bozio, seines Zeichens Ex Frank Zappa Drummer,<br />

glänzte mit Anwesenheit. Leider konnte man ihn hinter seinem<br />

überdimensionierten Schlagzeug am linken Bühnenrand kaum ausmachen.<br />

Ab und zu tauchte eine Hand zwischen den Becken auf, um<br />

die Noten (!) umzublättern, das war's aber auch.<br />

Der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein hat einmal gesagt:<br />

"Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man<br />

schweigen". Ein verantwortungsvoller Musikjournalist sollte nur über<br />

die Musik sprechen, die er versteht. Da ich die Fantomas'sche "Musik"<br />

nicht verstehe, will ich mich, ganz im Sinne Wittgensteins, nicht<br />

weiter darüber äußern. Einigen im Publikum hat's aber scheinbar gefallen…<br />

Tja, und dann der große Augenblick: Jello Biafra, von dem ich nicht<br />

geglaubt hätte, dass ich ihn auf einer Bühne außerhalb der USA zu<br />

Gesicht bekommen könnte und die Melvins, die so cool sind, dass<br />

sie Eiswürfel pinkeln, betreten die Bühne. Grundlage des Programms<br />

ist natürlich die wirklich gelungene "Never breathe what you<br />

can't see" CD, von der, wenn ich mich recht erinnere, alle Titel gespielt<br />

wurden (jedenfalls habe ich keinen vermisst). Gewürzt war das<br />

Programm mit alten Dead Kennedys Klassikern. Natürlich gab Jello<br />

den Polit-Punk und ließ kein gutes Haar an den Mächtigen unserer<br />

Zeit. In der Ansage zu "California über alles" bekam uns' Arnold (der<br />

Gouvernator!) sein Fett weg, Bush wurde ausgiebig beschimpft, die<br />

psychischen Abgründe aller Fahrer von überdimensionierten Geländewagen<br />

wurden seziert und noch vieles mehr. Bemerkenswert auch<br />

der Aufdruck des Biafra'schen T-Shirts: Unter dem Bild eines bombenabwerfenden<br />

amerikanischen Flugzeugs steht der Slogan: "We<br />

deliver Democracy". Da war jemand kreativ!<br />

Langsam ist's vorbei mit dem gemütlichen Konzert für Genießer. Bei<br />

schnelleren Stücken und vor allem bei den erwähnten Dead Kennedys-Klassikern<br />

geht im wahrsten Sinne des Wortes der Punk ab.<br />

Nachdem ich mehrmals am eigenen Leibe erfahren durfte, dass die<br />

Absperrgitter stabil sind und auch bei erheblichem Druck von hinten<br />

nicht nachgeben und nachdem ich mich vergewissern konnte, dass<br />

fremde Ellenbogen, die mir mit Schmackes in verschiedene Körperteile<br />

gerammt wurden, durchaus schmerzhaft sind (komisch, manche<br />

Dinge ändern sich nie…), ziehe ich es vor, meinen Aufenthaltsort<br />

weiter nach hinten zu verlegen. Dort ist, bedingt durch die erwähnte<br />

tropische Hitze und Luftfeuchtigkeit, die Luft zum schneiden und nach<br />

"Holidays in Kambodscha" ergreife ich die Flucht nach Draußen.<br />

Hier umschmeichelt mich eine kühle Brise. Die Luft enthält Sauerstoff<br />

statt Schweißgeruch. Leider ist die aus der Live Music Hall dringende<br />

Zugabe nicht zu identifizieren. Schade.<br />

Mike Maisack<br />

DINOSAUR Jr. / ARCADE FIRE<br />

Köln, Jugendpark (Monsters of Spex), 26.08.2005<br />

liveDabei 17<br />

Dinosaur Jr.! In Originalbesetzung! In Köln! (Freu!). Mit Dauergrinsen<br />

im Gesicht und voller Vorfreude auf das denkwürdige Ereignis<br />

komme ich nach einigem Suchen am gut versteckten Jugendpark<br />

an. Im Vorfeld war zu hören, dass die Setlist der Indierock-Veteranen<br />

ausschließlich aus den Hits der ersten drei Longplayer zusammengestellt<br />

sein soll. Sprich aus Klassikern wie "You're living all over me"<br />

und "Bug", die damals eine eigene musikalische Welt erschufen und<br />

zusammen mit wenigen anderen Bands wie z.B. Sonic Youth und<br />

den Pixies Ende der 80er die Blaupause für Grunge, Alternative und<br />

Noise-Rock lieferten. Aufregende Zeiten waren das, als aus der Ursuppe<br />

von Punk, Hardcore, Black Sabbath und den rockigen Neil<br />

Young-Scheiben dieser unverwechselbare neue Sound entstand. Als<br />

sich hinter fetten Gitarrenwänden zum sterben schöne Melodien versteckten,<br />

die gerne auch mal mit purem Lärm brutal zerstört wurden,<br />

als die Schrammelgitarre eine melancholische Symbiose mit Nöhlgesang<br />

einging.<br />

Bleibt die Frage, ob Dinosaur Jr. Live heute nur noch nostalgischen<br />

Wert haben, oder immer noch das Haus rocken.<br />

Zunächst betreten aber die Jungs und Mädels von Arcade Fire die<br />

Bühne und an das, was jetzt folgt, werde ich mich noch lange erinnern.<br />

Auf der Bühne stehen neun Musiker, die vor jedem Song einen<br />

kollektiven Instrumententausch vornehmen. Alle spielen nach und<br />

nach alle Instrumente! Man fragt sich wirklich, wie die Band das<br />

untereinander abstimmt. Losen die aus, wer welches Instrument bei<br />

welchem Song spielt? Wird die Besetzung bei Käse und Rotwein so<br />

lange diskutiert, bis alle zufrieden sind? Keine Ahnung!<br />

Bei neuen Musikern kommt natürlich eine stattliche Anzahl von Instrumenten<br />

zusammen. Neben Obligatorischem wie Gitarren, Bass,<br />

Schlagzeug und Keyboards auch eher exotisches wie Akkordeon,<br />

Glockenspiel, Streicher und diverse Percussion. Teilweise wird zu<br />

zweit auf Motorradhelme (!) eingeprügelt! Irgendwie sind auch alle<br />

ständig am Singen, was einiges zu dem dichten, aber nicht vermatschten<br />

Sound beiträgt. Mein Kompliment an die Tontechnik!<br />

Gespielt werden natürlich die Songs vom aktuellen Release "Funeral",<br />

die Live noch an Größe und Faszination gewinnen.<br />

Gegen die engagierte und spielfreudige Truppe mit frankokanadischem<br />

Flair, diese Mischung aus Wanderzirkus und Band, ist heute<br />

Abend kein Widerstand möglich! Um mich herum nur strahlende Gesichter<br />

und sich im Takt wiegende Körper. Überirdisch schön!<br />

Danach haben Dinosaur Jr. einen schweren Stand. Diese Leistung<br />

noch zu übertreffen, scheint kaum möglich. Nach kurzer Umbaupause<br />

erscheinen J. Mascis, Lou Barlow und Murph persönlich um<br />

ihre Instrumente und Mikros zu testen. Beim Headliner eines Festivals<br />

äußerst ungewöhnlich und angenehm "down to earth". Überhaupt<br />

benehmen sich die drei so normal und unauffällig, dass man<br />

sie für Roadies halten könnte.<br />

Nur J. fällt irgendwie auf. Sind es die ultralangen, nahezu weißen


18<br />

liveDabei<br />

Haare, ist es die riesige viereckige 70er<br />

Jahre Kassengestell-Hornbrille oder eher<br />

die lila Adidas-Trainingsjacke mit quietschgelben<br />

Streifen, die Aufmerksamkeit produziert?<br />

Vielleicht kommt es auch daher, dass<br />

J. in seiner eigenen Zeitzone zu leben<br />

scheint. Jede Bewegung ist bedächtig und<br />

langsam. Wie ein Schwarzes Loch das Licht<br />

krümmt, so scheint er die Zeit zu krümmen,<br />

schafft um sich herum seine eigene Aura<br />

aus Zeit. (Oder so.)<br />

Alles egal, denn jetzt geht's ab! Wenn ich<br />

mich richtig erinnere, eröffnet "Chunks" das<br />

Wunschkonzert. Lou singt. Etwas zu leise,<br />

aber egal. Die Gitarre ist brutal laut. Soll anscheinend<br />

so sein. Endlich singt J, dessen<br />

melancholische, nöhlige und spröde Stimme<br />

so wichtig für den typischen Dinosaur Jr.<br />

Sound ist. Leider hört man ihn noch weniger<br />

als vorher Lou. Da fehlt eindeutig was, also<br />

gehe ich in der Hoffnung auf Besserung von<br />

der 1. Reihe nach hinten. Dort ist der Sound<br />

etwas ausgewogener, die Stimme aber<br />

weiterhin zu undeutlich. Hit folgt auf Hit, der<br />

Gesang aber wirkt lustlos, fast kann man<br />

behaupten, dass J. mehr nuschelt als singt.<br />

Nur wenn er Gitarrensoli spielt, lebt er sichtbar<br />

auf und gibt uns den Rockstar, wehendes<br />

Haar und Gitarrenposing inklusive.<br />

Nach ca. 50 Minuten beenden "Just like Heaven"<br />

und "Freak Szene" ein Konzert mit<br />

viel Licht, aber auch viel Schatten. Ich persönlich<br />

freue mich, die alten Helden mal live<br />

gesehen zu haben. Ich kann aber auch jeden<br />

verstehen, der das jetzt nicht so prikkelnd<br />

fand.<br />

Mike Maisack<br />

SPERMBIRDS, BUBONIX<br />

Köln, Mütze, 25.06.05<br />

Das Mütze liegt in Köln-Mühlheim und ist offenbar<br />

so eine Art alternatives Bürgerzentrum.<br />

Heute findet hier kein afrikanischer<br />

Trommelworkshop statt, getöpfert wird auch<br />

nicht, und im Atelier des Malkurses (1.OG)<br />

befindet sich heute Abend der Backstagebereich.<br />

Hier lässt es sich aushalten. Durch<br />

das weit geöffnete Fenster säuselt kühle<br />

Abendluft. Vor und auf der Bühne im Erdgeschoss<br />

ist es, passend zur dargebotenen<br />

Musik, heiß.<br />

Die erste Band des Abends verpasse ich.<br />

Dann die Bubonix. Das Gemisch aus Hardcore<br />

und Punk, das die Limburger Band<br />

zündet, kickt kräftig. Der Sänger ist charismatisch,<br />

die Musiker beherrschen ihre Instrumente<br />

und, eine Seltenheit in der Branche,<br />

man beschäftigt eine GitarristIN. Warum<br />

spielen eigentlich so wenige Frauen<br />

harte Musik?<br />

Falls sich ein Soziologiestudent unter den<br />

Lesern befindet: Wäre das nicht ein interessantes<br />

Thema für eine Diplomarbeit? Schon<br />

gut, nichts zu danken…<br />

Nachdem die Bubonix ihre Aufgabe als Anheizer<br />

mit Bravour erfüllt haben, betritt eine<br />

Band die Bühne, deren Reunion zu den<br />

wirklich guten Nachrichten des Jahres 2004<br />

zählte. Ich weiß noch, wie ich 1991 staunend<br />

vor meinen Lautsprechern saß, "Common<br />

Threat" hörte und fassungslos war,<br />

dass eine deutsche Band so gute Musik machen<br />

kann. Leider war dann ja auch bald<br />

Schluss, nachdem Lee Hollis gegangen war<br />

und die Spermbirds mit neuem Sänger nicht<br />

an alte Glanztaten anknüpfen konnten, löste<br />

man die Band 1996 auf.<br />

Und dann die Reunion in Originalbesetzung!<br />

"Set an example", ein Komet von einem Album<br />

erschien! Bis Kaiserslautern bin ich gefahren,<br />

um im Oktober letzten Jahres ein<br />

Heimspiel der Sonderklasse zu erleben! Alte<br />

Klassiker und neue Glanztaten, achtzig Minuten<br />

Spaß pur! Schön war's.<br />

Und genau so acht Monate später in Köln.<br />

Hardcore-Urgestein betritt die Bühne. Los<br />

ging's mit "Americans are cool", ein Dauergrinsen<br />

nistete sich in den Mundwinkeln der<br />

Besucher/innen ein, der Titeltrack des aktuellen<br />

Albums folgte und nach ihm ein<br />

Wunschkonzert. Fast jedenfalls. Die Stücke<br />

der "Eatin' Glass" LP werden offenbar nicht<br />

mehr gespielt, obwohl da mit "Waiting for<br />

the bomb to drop" oder "You're only as good<br />

as your last war" echt gute Songs drauf sind,<br />

die, obwohl sie schon über zehn Jahre auf<br />

dem Buckel haben, nicht nur vom Text her<br />

immer noch relevant und wichtig sind. Ausgedient<br />

hat offenbar auch eine der ultimativen<br />

Hymnen von "Common Threat", ein<br />

Groove-Meisterwerk, das damals heftig im<br />

Metal-Lager gewildert hat: "Melt the ice".<br />

Doch das nur am Rande. Nach gut 70 Minuten<br />

fordert die schwüle Hitze ihren Tribut. Eigentlich<br />

waren zwei Zugabenblöcke mit je<br />

drei Songs geplant, aber niemand protestiert,<br />

als Lee erschöpfungsbedingt die Anzahl<br />

der noch zu spielenden Stücke auf<br />

höchstens zwei begrenzt. Zur Aufführung<br />

kommen noch "Blood stains" und "Try<br />

again". Band und Publikum sind stehend<br />

K.O.<br />

Doch wie heißt es so schön im Rausschmeißer:<br />

"Get up in the mornin' and TRY AGAIN!<br />

Not tomorrow! Do it today!"<br />

Also, bis zum nächsten Mal!<br />

Mike Maisack


Der Pate Des Krautrock<br />

Gerhard Augustin<br />

(Bosworth Edition, 397 Seiten, gebunden)<br />

ISBN 3-86543 - 050 - 3<br />

Der Name Gerhard Augustin sagt mir zunächst mal, ehrlich gesagt,<br />

gar nix; das kann daran liegen, dass ich gewiss alles andere<br />

als ein typischer "Krautrocker" bin, eventuell ist das aber<br />

auch einfach nur auf mein schon sprichwörtlich schlechtes Namensgedächtnis<br />

zurückzuführen. Denn Tatsache ist, dass, wer<br />

immer sich mit den letzten vierzig Jahren Rockmusik in<br />

Deutschland beschäftigt hat, irgendwann über den Namen<br />

hätte stolpern müssen. Augustin ist auf jeden Fall keiner, der<br />

seinen Weg gemacht hat, der "es geschafft hat", Millionen gescheffelt<br />

hat mit der Musik - das waren andere. Und Augustin<br />

weiß warum, zumindest meint er es zu wissen. Ausgemacht hat<br />

er die Schelme und Schurken, die ihm das Leben schwer gemacht<br />

und die ihm das "große Geld" unmöglich gemacht haben,<br />

schon längst. Und er hat keinerlei Scheu, diese zu benennen,<br />

was ihm die ein oder andere Verleumdungsklage einbringen<br />

dürfte. So ist denn "Der Pate Des Krautrock" weniger ein<br />

"Geschichtsbuch" oder gar ein "Krautrock-Almanach", sondern,<br />

viel schlichter, eine Abrechnung, eine vierhundert Seiten lange.<br />

Zwar lässt er ab und an "Gastautoren" wie Peter Leopold von<br />

"Amon Düül II" zu Wort kommen, im großen und ganzen lässt er<br />

es sich aber nicht nehmen, den Stinkefinger in Richtung der alten<br />

Weggefährten zu strecken, die er längst als Totengräber der<br />

Musik ausgemacht hat. Der arme alte Mann, dem (wohl) übel<br />

mitgespielt wurde und der nun in Selbstmitleid versinkt - es<br />

nervt mitunter. Aber: Der Leser wird zugeben müssen, dass<br />

Herr Augustin eine ordentliche Schreibe hat. Das, was er erlebt<br />

hat, kleidet er geschickt in Worte - und ab und an sitzt man als<br />

Leser schon kopfschüttelnd vor den Buchstaben und wundert<br />

sich, dass so was möglich war.<br />

Pink Floyd<br />

Story und Songs kompakt<br />

(Bosworth Edition - 149 Seiten,<br />

Taschenbuch)<br />

ISBN 3-937041-92-3<br />

literaTur 19<br />

Es ist immer ein bisschen schwierig,<br />

derlei "Kurzfassungen" zu bewerten.<br />

Zumindest darf festgestellt werden,<br />

dass es sich bei "Story & Songs kompakt"<br />

wohl um eine ganze Serie handelt,<br />

in welcher nun eben auch der<br />

"Pink-Floyd"-Band erschienen ist. Die<br />

Originalausgabe stammt übrigens aus<br />

dem Jahre 1994 und wurde von keinem geringeren als Andy<br />

Mabbett, dem Mitherausgeber des Pink-Floyd-Magazins "The<br />

Amazing Pudding" geschrieben. Sachverstand dürfte garantiert<br />

sein, zumal die Eclipsed-Autoren Alan Tepper und Thorsten<br />

Pöttger das gute Stück übersetzt, überarbeitet und aktualisiert<br />

haben - das "Eclipsed" startete seinerzeit als Pink-Floyd-Fanzine.<br />

Sämtliche Alben der Band werden Track für Track besprochen;<br />

darüber hinaus widmet man sich anschließend auch<br />

sämtlichen Soloalben, ohne hier allerdings auf die einzelnen<br />

Songs einzugehen. An Hintergrundinfos gibt es wenig, was zum<br />

einen auf die Kompaktheit der Angelegenheit, zum anderen auf<br />

die "restriktive Informationspolitik dieser eigenwilligen<br />

Band"(Musik an sich) zurückzuführen sein dürfte. Fazit: Für<br />

Fans und Musikanalysten taugt es allemal.<br />

Keule


20<br />

Madsen<br />

Alte Songs und neue Lieder<br />

Sebastian Madsen über die Tracks des Debüts<br />

nN: In "Vielleicht", dem ersten Song eures Albums taucht<br />

die Frage danach auf, warum nach all der Zeit des Wegseins<br />

immer noch alles unverändert ist. Welche Bedeutung hat<br />

das für Madsen im Jetzt?<br />

Sebastian: Das Schöne an dem Song ist, dass ich ihn schon vor<br />

vier Jahren geschrieben habe, also direkt nach dem Abitur, in der<br />

halt alles sehr offen ist. Was passiert jetzt? Was morgen und so<br />

weiter. Und mittlerweile ist es eben, gerade auch mit Blick auf die<br />

Band, noch exakt genauso. Alles ist offen, auch heute noch. Wir<br />

sind einfach so realistisch, dass trotz des ganzen Glücks und<br />

den Aussichten, die momentan einfach da sind, immer noch die<br />

Wahrheit bleibt, dass alles recht schnell wieder vorbei sein kann.<br />

nN: Bei "Immer mehr" geht es um das Festhalten an einer<br />

Person, an der Liebe als solcher, die oftmals Routine ist,<br />

aber auch eben zum genauen Gegenteil werden kann.<br />

Sebastian: Der Song ist ganz klar so ein Beziehungsding. Es<br />

geht einfach um das Nicht-vom- anderen-loskommen-können,<br />

vom Alltag, der gegenseitigen Abhängigkeit. Klar, ein Gefühl das<br />

ich selbst kenne und daher für einen Song absolut interessant<br />

fand.<br />

nN: "Nicht zu schlau, nicht zu dumm, völlig normal, exakt<br />

neutral, völlig banal, völlig egal" heißt es in "Die Perfektion".<br />

Haben wir es hier mit der Rebellion gegen das Perfekte<br />

zu tun?<br />

Sebastian: Das ist gut (lacht). Man sieht einfach zu viel Perfektes<br />

in den Medien, Dinge oder Menschen, die so glatt sind, dass<br />

sie nicht realistisch sein können. Und da die Realität einfach<br />

nicht so ist, musste dieser Song einfach sein.<br />

nN: In "Unsichtbar" haben wir dieses Thema, dass man<br />

immer wieder, ob nun als Texter/Sänger einer Band oder<br />

auch im ganz normalen Leben soviel von sich erzählen will<br />

und doch irgendwie nie die Aufmerksamkeit bekommt, die<br />

man für sich will. Wie liest sich das heute, analog zu Madsen,<br />

zu der Aufmerksamkeit, die plötzlich einfach da ist?<br />

Sebastian: Als ich "Unsichtbar" geschrieben habe, kannte ich<br />

einfach das Gefühl, das man als Band von sich glaubt oder weiß,<br />

ungemein viel zu sagen zu haben, man jedoch nie oder nur sehr<br />

sporadisch zu Wort kommt. Und es begegnen einem einfach so<br />

viele Menschen, die eben genau dieses Gefühl teilen.


Schade halt, wenn das von all dem Banalen dann überschwemmt<br />

wird.<br />

nN: "Ich bin nur das, was du mir gibst" singst du in "Diese<br />

Kinder". Inwieweit findet man hier autobiographische<br />

Züge?<br />

Sebastian: Irgendwann, schlicht weil meine eigenen Eltern<br />

Pädagogen sind, die eben Kinder betreuen, bekam ich einen<br />

Einblick in die Welt, in der andere Leute ihren Kindern mit aller<br />

Macht zu erklären versuchen, sich von "Diesen Kindern" fernzuhalten.<br />

Und durch diese Oberflächlichkeit in der Bewertung<br />

der anderen entstand der Song. Kurz kann man eigentlich<br />

sagen, dass jeder eben das ist oder zu dem wird, was die anderen<br />

aus ihm machen.<br />

nN: "Immer wieder" handelt erneut über die Rückkehr. Welchen<br />

Stellenwert hat dieses Thema bei Madsen?<br />

Sebastian: Es geht nicht direkt um Madsen, sondern vielmehr<br />

darum, den Arsch nicht hochzukriegen. Ganz egal in welcher<br />

Situation. Ob du zum Beispiel auf dem Land lebst und viel lieber<br />

in der Stadt sein würdest, es aber nicht hinbekommst, weil<br />

dich viel zu viel hält, um deine Ziele zu realisieren.<br />

nN. "Panik" zeichnet ein auf mich völlig beklemmendes<br />

Bild. Wie schafft man es gerade live, diese Spannung zu<br />

halten?<br />

Sebastian: Der Zauber ist einfach die Dynamik innerhalb des<br />

Songs. Die wechselnden Strukturen. Dieses Gefühl, das du einfach<br />

immer wieder entstehen lassen kannst, weil der Song an<br />

sich mit dir spielt. Freut mich aber, dass es so bei dir ankommt.<br />

Und… ja, es ist einfach auch schwer zu erklären, wenn es einfach<br />

nur um ein Gefühl geht.<br />

Madsen 21


22<br />

Madsen<br />

nN: Bei "Im Dunkeln" ist sie wieder, diese Aufbruchstimmung,<br />

die sich meines Erachtens durch das ganze Album<br />

zieht. "Die Masken sind ab, nichts mehr perfekt" - Stehen wir<br />

hier vor dem Wendepunkt des Albums?<br />

Sebastian: Merkwürdig gerade, weil ich zugeben muss, länger<br />

nicht mehr über den Text nachgedacht zu haben.<br />

Es ging irgendwie um die alte Hörstuarz-Sache, die irgendwann,<br />

auch wenn es den Leuten Spaß gemacht hat, für uns als Band<br />

eine seltsame Leere hatte. Und wenn dann nach der Show das<br />

Licht angeht, fallen eben die Masken. Wir als Band mussten uns<br />

nichts mehr vorspielen. Dieser Moment der Ruhe, in dem du entscheidest,<br />

unbedingt etwas anderes machen zu müssen.<br />

nN: "Lüg mich an" scheint gegen die anderen Songs des<br />

Albums zu rebellieren. Es herrscht im Gegensatz zu den<br />

anderen Songs pure Stagnation.<br />

Sebastian: Genau. Es geht einfach darum, dass man sich belügen<br />

lässt von den Dingen, den Medien.<br />

Und als eine interessante Form des Erzählens kommt eben dieser<br />

resignierte Slogan "Lüg mich an!"<br />

nN: "Zum Glück hab ich endlich einen Traum" singst du in<br />

"Mein Therapeut und ich". Wie wichtig sind Träume in Hinblick<br />

auf Madsen und dich?<br />

Sebastian: Aus Träumen entstehen Ideen, aus Ideen Songs und<br />

aus Songs Platten. Alles fing auch bei uns mit Träumen an. Hier<br />

ist der Traum jedoch eher Illusion. Man macht sich etwas vor.<br />

nN: Wohin geht es mit Madsen, wenn ihr im letzten Track<br />

das "Heraus aus der kleinen Welt" propagiert?<br />

Sebastian: Der Song ist ehrlich gesagt wieder ziemlich alt. Also<br />

ein typischer Song aus meiner Findungsphase. Auf Madsen projiziert<br />

heißt es in etwa soviel wie: Zurzeit wissen einfach nur wir<br />

selbst, wohin es geht. Und das macht die Sache spannender als<br />

jede klare Wahrheit.<br />

Jörg


Gast.Bin.Ich.Hier<br />

Cut off<br />

eye-catching headlines<br />

or words from the newspaper<br />

and place it to the<br />

doorPooem.<br />

anweisung /<br />

dadas doorpoem entsteht durch gezieltes<br />

aneinanderkleben von headlines an<br />

eine tür / schneide dazu worte oder<br />

sätze die dich anspringen aus einer zeitung<br />

aus und eröffne eine türdichtung /<br />

indem du die headlines mit klebeband<br />

an eine tür anbringst oder sie in einem<br />

dir geeignet erscheinenden augenblick<br />

an eine bereits eröffnete türdichtung<br />

anfügst/<br />

komposition /<br />

jedem dichtenden steht es frei / struktur<br />

/ zeilenlänge / rhythmus und die durch<br />

seine gewählte headline geschaffene<br />

möglichen deutung des doorpoem neu<br />

zu bestimmen / indem er seine headline<br />

entweder an die vorhergegangene anfügt,<br />

eine neue zeile oder sogar einen<br />

neuen vers beginnt / das doorpoem kann<br />

...mitmachen und Türen andichten!<br />

zu jedem beliebigen zeitpunkt beendet,<br />

andererseits aber auch ständig erweitert<br />

/ fortgesetzt oder wieder aufgegriffen<br />

werden /<br />

interaktion /<br />

doorpoem vereinigt mindestens ebenso<br />

viele aussagen wie es headlines gibt und<br />

gestattet jedem durch unendlich viele<br />

zufälle mitdichtender zu werden / doorpoem<br />

ist frei von jeglicher autorenschaft<br />

und soll im kontext eines gesamtkunstwerkes<br />

gesehen werden / und im<br />

cage`schen sinne als soziale interaktion<br />

verstanden werden /<br />

über die aktion /<br />

dadas doorpoem geschah bisher zeitgleich<br />

an verschiedenen orten in<br />

deutschland und den usa / über das internet<br />

soll die aktion noch weitläufiger<br />

angelegt werden /<br />

dadas doorpoem 23<br />

präsentation/<br />

eindrücke vom verlauf der aktion türdichtiung<br />

werden in kürze auf der plattform:<br />

www.archiflux.de zu sehen sein /<br />

start your own !<br />

Kerstin Wahl<br />

kontakt: doorpoem@archiflux.de<br />

www.archiflux.de

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