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missio magazin Ausgabe 6/2022

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können die Treffs für Familien, die Jugend-Workshops<br />

oder die therapeutischen<br />

Angebote im psychosozialen Zentrum<br />

wieder stattfinden. Firas Lutfi, der<br />

eigentlich Syrer ist und während des Krieges<br />

in seiner Heimat den Menschen in<br />

Aleppo zur Seite stand, ist es gewohnt,<br />

aus wenig viel zu machen. Dennoch sorgt<br />

er sich: „Normalerweise konzentrieren<br />

wir einen großen Teil unserer Hilfe auf<br />

die vielen geflüchteten Familien aus Syrien,<br />

dem Irak oder anderen Ländern, die<br />

nur wenig haben. Mit der laufenden Nothilfe<br />

unterstützen wir gerade aber fast zu<br />

100 Prozent libanesische Haushalte. Und<br />

jeden Tag suchen mehr Menschen unsere<br />

Hilfe. Es ist ernst!“ Dabei würde Lutfi<br />

gerne langfristig denken. Viele Ideen haben<br />

sich bei ihm und seinem Team angesammelt:<br />

„Wir wollen die Menschen dabei<br />

unterstützen, für sich hier im Libanon<br />

gute Perspektiven aufzutun anstatt abzuwandern.<br />

Zum Beispiel mit Coaching für<br />

junge Leute, die Arbeit suchen. Vielleicht<br />

sogar eine Jobbörse über die Franziskaner“,<br />

erzählt er von seinen Plänen für eine<br />

Zeit nach der Nothilfe.<br />

Shaghik Ishkhanian wird davon nicht<br />

mehr profitieren. Die 21-Jährige sitzt mit<br />

ihren Freunden im „Kalei“, einer trendigen<br />

Bar im Ausgehviertel Mar Mikhael,<br />

die es in besseren Zeiten auf die Liste des<br />

beliebten Reiseführers Lonely Planet geschafft<br />

hat. Seit heute Morgen hat Shaghik<br />

ihr Krankenpflege-Examen in der Tasche.<br />

Das muss gefeiert werden – aber mit<br />

nur einem Getränk und ohne Snacks. Viel<br />

zu teuer, längst auch für die junge und<br />

gut gebildete libanesische Mittelschicht,<br />

die gerade die heftigste Inflation in der<br />

Geschichte des Landes erlebt. Der Zettel<br />

mit dem wlan-Passwort klebt auf dem<br />

Tisch, alle tippen in ihre Handys ein:<br />

„liveitdaybyday“ – lebe Tag für Tag.<br />

Nichts für Shaghik. Sie macht lieber<br />

Pläne, denn ihre ersten Bewerbungen hat<br />

sie schon geschrieben. „Klar wird meine<br />

Arbeit hier gebraucht – aber Libanesische<br />

Pfund sind doch nichts mehr wert. Jetzt<br />

zählen nur noch frische Dollar!“ Nächste<br />

Woche hat sie die Möglichkeit, an einem<br />

Workshop in den USA teilzunehmen.<br />

„Vielleicht gehe ich dann auch bald ganz<br />

dorthin“, sagt sie schulterzuckend.<br />

20 | <strong>missio</strong> 6/<strong>2022</strong><br />

Märtyrerplatz Al Burj – einst prächtiger Park, heute Sinnbild für Wut und Frustration der Beiruter.

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