missio magazin Ausgabe 6/2022

Missio.Muenchen
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VOR ORT LIBANON Tiefpunkt 4. August 2020: Die Beiruter Feuerwehr gedenkt bis heute der Opfer aus ihren Reihen, aber um die Proteste im Zentrum der Stadt ist es ruhig gewor De Gaule Akel ist einer von derzeit rund 8000 Menschen, die die Franziskaner im Stadtgebiet mit dem Nötigsten versorgen. Zum Beispiel mit einer Lebensmittelbox, angelehnt an die Vorgaben des Welternährungsprogramms. Darin sind Reis, Nudeln, Konserven, Öl oder Mehl – wobei es durch den Krieg in der Ukraine zuletzt immer wieder zu Lieferengpässen kam. Dazu bekommen die Bedürftigen Zahnpasta, Klopapier oder Waschmittel, um ein Mindestmaß BR. FIRAS LUTFI: „Jeden Tag suchen mehr Menschen unsere Hilfe. Es ist ernst!“ De Gaule Akel entschuldigt sich für sein verwaschenes Französisch. Das Sprechen fällt schwer ohne Zähne. Und Zahnprothesen sind im Libanon für Menschen wie ihn unerschwinglich geworden. Dafür hat er heute seinen Anzug aus dem Schrank geholt. Ein hochgewachsener, stolzer Mann. Umso mehr schämt er sich seiner misslichen Lage. Über Jahrzehnte diente er dem libanesischen Staat, war beim Bildungsministerium angestellt. Da dieser nun zahlungsunfähig geworden ist, bekommt er als Rentner keine Unterstützung mehr. Die Medikamente gegen Bluthochdruck und Diabetes wird er sich bald nicht mehr leisten können, denn seine Krankenversicherung ist wertlos geworden. „Nach all den Jahren muss ich um Hilfe bitten, das ist für mich wie betteln“, sagt er. 18 | missio 6/2022

Wer noch Geld überwiesen bekommt, holt es jetzt von den Konten. den (rechts). Ohne das Team der Franziskaner um Fahdi Bejani hätte Saada Kazzi kaum mehr etwas zu essen. an persönlicher Hygiene möglich zu machen. Fahdi Bejani steht in der engen Küche der kleinen Wohnung und lässt den Blick über die Konserven und Tüten schweifen. Er ist der „Operations Manager“ der Franziskaner, also eine Art Betriebsleiter, und damit Teil des Teams. Er schüttelt lächelnd den Kopf: „Herr Akel ist so sparsam – obwohl ich weiß, dass er seine Lebensmittel sogar mit Nachbarn teilt, die sich schämen, uns um Hilfe zu bitten.“ Bejani besucht bei seiner heutigen Tour die Senioren, die alten Frauen und Männer, die unvermittelt in die Armut abgerutscht sind. Lebensmittel hat er nicht dabei, die gab es vergangene Woche. Er will nur vorbeischauen. Sehen, ob alles in Ordnung ist, ein bisschen reden und vor allen Dingen zuhören. Auch das ist wichtig. Bejani, der vor seinem Job bei den Franziskanern schon für verschiedene Nicht-Regierungsorganisationen gearbeitet hat, erklärt: „Natürlich hatten wir auch schon vor dieser großen Krise Armut im Libanon. Aber jetzt haben wir es mit einer völlig neuen Art davon zu tun. Viele Libanesen aus der Mitte der Gesellschaft stehen plötzlich vor dem Nichts. Geld, das auf Bankkonten lag, ist verschwunden. Das trifft besonders die Alten – und auch Familien, die jetzt zum Beispiel keine Schulgebühren mehr bezahlen können.“ Auch dabei helfen die Franziskaner aus, so gut es eben geht. Im Büro des Franziskaner-Konvents in der Beiruter Altstadt sitzt unterdessen Bruder Firas Lutfi seufzend über seinen Unterlagen. Der Regionalobere des Ordens ist froh, dass überhaupt wieder etwas möglich ist. Die Explosion im Hafen hatte auch bei ihnen das Dach abgedeckt und sämtliche Fenster aus den Angeln gehoben. Der Kindergarten auf dem Gelände wurde völlig zerstört. Inzwischen missio 6/2022 | 19

VOR ORT LIBANON<br />

Tiefpunkt 4. August 2020: Die Beiruter Feuerwehr gedenkt bis heute der Opfer aus ihren Reihen, aber um die Proteste im Zentrum der Stadt ist es ruhig gewor<br />

De Gaule Akel ist einer von derzeit<br />

rund 8000 Menschen, die die Franziskaner<br />

im Stadtgebiet mit dem Nötigsten<br />

versorgen. Zum Beispiel mit einer Lebensmittelbox,<br />

angelehnt an die Vorgaben<br />

des Welternährungsprogramms.<br />

Darin sind Reis, Nudeln, Konserven, Öl<br />

oder Mehl – wobei es durch den Krieg<br />

in der Ukraine zuletzt immer wieder zu<br />

Lieferengpässen kam. Dazu bekommen<br />

die Bedürftigen Zahnpasta, Klopapier<br />

oder Waschmittel, um ein Mindestmaß<br />

BR. FIRAS LUTFI:<br />

„Jeden Tag suchen mehr Menschen<br />

unsere Hilfe. Es ist ernst!“<br />

De Gaule Akel entschuldigt sich für<br />

sein verwaschenes Französisch. Das Sprechen<br />

fällt schwer ohne Zähne. Und Zahnprothesen<br />

sind im Libanon für Menschen<br />

wie ihn unerschwinglich geworden. Dafür<br />

hat er heute seinen Anzug aus dem<br />

Schrank geholt. Ein hochgewachsener,<br />

stolzer Mann. Umso mehr schämt er sich<br />

seiner misslichen Lage. Über Jahrzehnte<br />

diente er dem libanesischen Staat, war<br />

beim Bildungsministerium angestellt. Da<br />

dieser nun zahlungsunfähig geworden ist,<br />

bekommt er als Rentner keine Unterstützung<br />

mehr. Die Medikamente gegen Bluthochdruck<br />

und Diabetes wird er sich bald<br />

nicht mehr leisten können, denn seine<br />

Krankenversicherung ist wertlos geworden.<br />

„Nach all den Jahren muss ich um<br />

Hilfe bitten, das ist für mich wie betteln“,<br />

sagt er.<br />

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