KnapsackSPIEGEL 3/2024
KNAPSACK SPIEGEL MAGAZIN 3 / 2024 WILLKOMMEN WANDEL
- Seite 3 und 4: Impressum Herausgeber: YNCORIS GmbH
- Seite 5 und 6: 09 29 28 16 25 14 10 Dünger tut no
- Seite 7 und 8: Werner Bachem (rechts) während sei
- Seite 9 und 10: WIR FÜR EUCH Daniel Kopp, Marius D
- Seite 11 und 12: ein Neugeborenes. Ein Cousin meiner
- Seite 13 und 14: ZWEI BILDER - 14 JAHRE WERKFEUERWEH
- Seite 15 und 16: GROSSES KINO Das sollte nun also al
- Seite 17 und 18: Spieglein, Spieglein … Original-S
- Seite 19 und 20: Auf der alten Kegelbahn sucht man d
- Seite 21 und 22: Gute und informative Gespräche Pen
- Seite 23 und 24: Papier-Hintergrund unten: Janina_PL
- Seite 25 und 26: Nachhaltigkeit konkret: Palurec ist
- Seite 27 und 28: ZERKLEINERN, WASCHEN, TRENNEN, SCHM
- Seite 29 und 30: „Wir können Transformation!“ K
- Seite 32: „Die Menschen in Knapsack haben s
KNAPSACK<br />
SPIEGEL<br />
MAGAZIN 3 / <strong>2024</strong><br />
WILLKOMMEN<br />
WANDEL
Impressum<br />
Herausgeber: YNCORIS GmbH & Co. KG,<br />
Industriestr. 300, 50354 Hürth,<br />
Tel. 02233 48-6570, Fax 02233 48-946570,<br />
knapsackspiegel@yncoris.com,<br />
www.chemiepark-knapsack.de<br />
Handelsregister Köln: HRA 18732,<br />
UST-IdNr.: DE 812 134 801<br />
Redaktion: Thomas Kuhlow (verantwortlich),<br />
Benjamin Jochum, Günther Geisler, Janine Kuth,<br />
Leonie Sengelmann, Simone Nörling, Katja Sallewsky,<br />
Christiane Radwan, Dirk Rehberg, Britta Ressing,<br />
Peter Voigtmann, Helmut Weihers; sofern nicht anders<br />
angegeben, ist die Redaktion der Autor der Artikel<br />
Konzept / Gestaltung: Dipl.-Des. Carolin Wanner,<br />
Kommunikation YNCORIS<br />
Bildmaterial: Ralf Baumgarten, YNCORIS, Adobe Stock,<br />
Sølve Sundsbø / The Royal Court, FKN, Werner Bachem,<br />
Linda Dzida, Sebastian Gorissen, Alois Lazar, Simone<br />
Nörling, Katja Sallewsky, Helmut Weihers<br />
Druck: TheissenKopp GmbH, 40789 Monheim<br />
Druckauflage: 1.600 Exemplare<br />
Erscheinungsweise: zwei monatlich, Jahrgang <strong>2024</strong><br />
© YNCORIS GmbH & Co. KG Nachdruck und Weiterverbreitung<br />
in allen Medien und Onlinediensten nur<br />
mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangt<br />
eingesandte Manuskripte und Illustrationen keine<br />
Gewähr.<br />
Druckprodukt<br />
CO₂ kompensiert<br />
klima-druck.de<br />
ID-Nr. 24176696<br />
3 / <strong>2024</strong><br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
manchmal muss es einfach besonders<br />
sein, so wie diese eine Ausgabe, die<br />
eigentlich zwei ist. Zum einen erzählt<br />
sie die über 100-jährige bewegte<br />
Geschichte des Chemieparks, während der immer<br />
wieder Meilensteine richtungsweisende Veränderungen<br />
markierten. Eine Geschichte, die von einem<br />
Gestaltungswillen geprägt ist, der sich heute im<br />
geplanten Werksteil Hürth-Süd mit dem integrierten<br />
Recycling- und Weiterverarbeitungszentrum für<br />
Kunststoffe fortsetzt.<br />
Zum anderen legt diese Ausgabe den Fokus auf<br />
all die, die diese Geschichte des Wandels mit Leben<br />
füllen. Von Anfang an bis heute. „Uns sind die<br />
Menschen wichtig“ titelten wir im Frühling 2019 und<br />
meinten damit den Dialog mit der Nachbarschaft.<br />
Damit meinen wir aber auch die Wertschätzung für<br />
die Menschen im Chemiepark. In dieser Ausgabe<br />
haben wir viele davon aus vielen Jahrzehnten ins<br />
Bild gesetzt. Meilensteine setzen ist das eine, sie zu<br />
stemmen das andere. Ohne die Mitarbeitenden keine<br />
Bewegung, kein Wandel. Wir alle sind Knapsack:<br />
eine Familie, die sich schon seit Generationen mit<br />
dem Standort verbunden fühlt, ein Betriebsrat,<br />
der für seine Leute einsteht, ein Iraner, der seine<br />
Heimat für einen Job in der Leverkusener Werkstatt<br />
verlässt oder ein Maschinenführer, der maßgeblich<br />
daran beteiligt ist, dass Tonnen von Getränkekartons<br />
recycelt werden. Ein neuer Standortleiter oder ein<br />
Schulleiter, der auch nach Jahren im Dienst fürs<br />
Lehren brennt. Menschen wandeln und Wandel<br />
menschelt. Viel Vergnügen beim Lesen und Schauen!<br />
Benjamin Jochum, Leonie Sengelmann<br />
und Thomas Kuhlow<br />
Kommunikation Chemiepark Knapsack<br />
Titelbild und Rückseite: Ralf Baumgarten<br />
Und so machen wir es redaktionell<br />
diesmal auch anders: Die Geschichte<br />
der Standortentwicklung zieht sich<br />
im unteren grünen Bereich der Seiten<br />
durch das gesamte Heft.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong><br />
| 3
INHALT<br />
06<br />
06 Op de Chemische: vier<br />
Generationen in Knapsack<br />
09 Wir für euch: Betriebsversammlung<br />
bei Clariant<br />
10 Aus dem Iran zu YNCORIS:<br />
Esmaeil Mamdouhirokhi<br />
13 Werkfeuerwehr: Blick auf<br />
14 gemeinsame Jahre<br />
14 Das Berli: Es lebe das Kino<br />
16 Hidden Places – Orte erzählen<br />
Geschichten: das Feierabendhaus<br />
20 Nachrichten: damals & heute,<br />
Ankündigungen & Termine<br />
22 Neu im Chemiepark: Dr. Klaus<br />
Mattes von LyondellBasell<br />
25 Nachhaltigkeit konkret:<br />
Getränkekartonrecycling<br />
bei Palurec<br />
28 Schulschluss: Pablo Lopez,<br />
Leiter des Rhein-Erft Kollegs,<br />
geht in Rente<br />
29 Wandlungsfähigkeit:<br />
Pierre Kramer über<br />
den Standort Knapsack<br />
Kontinuität im Wandel<br />
Veränderung – das können wir! Dies zeigt die Standortgeschichte<br />
der letzten 100 Jahre. Helmut Weihers gab in seinem Vortrag am<br />
23. April <strong>2024</strong> im Feierabendhaus Einblicke in den spannungsreichen<br />
Wandel der Produktionsstätte Knapsack. Und dieser<br />
lässt sich nur im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext verstehen.<br />
Klar wird auch: Die Anforderung an Arbeiternehmer*innen und<br />
Arbeitgeber*innen, um- und neu zu denken, ist alles andere als neu;<br />
sie ist das Lebenselixier des Standortes.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
09<br />
29<br />
28<br />
16<br />
25<br />
14<br />
10<br />
Dünger tut not und soll Not lindern<br />
Karg fallen die Ernten des 19. Jahrhunderts aus und vermögen<br />
kaum, die Menschen zu ernähren. Zudem verdoppelt sich die<br />
Bevölkerung von 1850 bis 1910 in Deutschland nahezu. Angst<br />
vor einer Hungersnot bestimmt die Zeit. Ernteerträge sind<br />
nicht ohne Düngung steigerbar. Organische Dünger sind rar<br />
und werden importiert (Chilesalpeter). Düngerherstellung ist<br />
die Strategie, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern.<br />
Gleichzeitig kommt die industrielle Revolution in Fahrt: Menschen<br />
wandern aus der Landwirtschaft ab in die Industrie. Mit Aufständen<br />
und Revolten kämpfen Arbeiter*innen für ihre soziale<br />
Existenz, die ersten Arbeitervereine und Gewerkschaften<br />
entstehen. Das ist die Situation vor Gründung des Standortes<br />
Knapsack.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
„OP DE CHEMISCHE“<br />
Ein Blick auf vier Generationen in Knapsack<br />
Mit seinem charakteristischen Bart ist Werner Bachem aus<br />
dem Business und Sales Management von YNCORIS seit<br />
langem im Chemiepark bekannt. Dass auch seine Tochter,<br />
Linda Dzida, im Unternehmen arbeitet, wissen viele nicht.<br />
Beide bilden die dritte und vierte Generation ihrer Familie<br />
auf dem Knapsacker Hügel. Privat ist die Arbeit jedoch<br />
selten Thema, denn die beiden verbindet mehrere<br />
gemeinsame Hobbies.<br />
Michael Bachem (rechts) verabschiedet mit<br />
Kollegen den Eisenbahnwagen „Kunigunde“<br />
Werner Meie mit seiner Frau<br />
D<br />
ass Werner Bachem und Linda<br />
Dzida Vater und Tochter<br />
sind, sorgt immer wieder für<br />
Überraschung bei den Kolleg*innen.<br />
Denn die Familienbande lassen sich<br />
auf den ersten Blick nicht erkennen:<br />
ein anderer Name, keine auffallende<br />
äußerliche Ähnlichkeit. „Eigentlich<br />
fast ein bisschen schade, dass wir das<br />
‚Geheimnis‘ nun lüften“, sagt Bachem.<br />
Die beiden gehören zu den Mitarbeitenden<br />
in Knapsack, die auf eine lange<br />
Familientradition vor Ort zurückblicken<br />
können. Mit Dzida arbeitet die vierte<br />
Generation auf dem Hügel. Gab es da<br />
einen gewissen Druck, in die Fußstapfen<br />
der Generation davor zu treten?<br />
„Gar nicht“, sagt Bachem. „Meine Eltern<br />
sind sehr offen. Ausschlaggebend<br />
war eher der Beruf und ein attraktiver<br />
Arbeitgeber rund um Erftstadt.“<br />
Ähnlich sieht es sein Vater, Michael<br />
Bachem: „Wir haben über alles gesprochen,<br />
aber Ratschläge habe ich keine<br />
gegeben. Schließlich muss jeder seinen<br />
eigenen Weg gehen.“ Auch Dzida zog es<br />
erstmal weg aus dem Rhein-Erft-Kreis.<br />
„Dass ich jetzt im Chemiepark arbeite,<br />
liegt eher daran, dass ich wieder näher<br />
bei meiner Familie wohnen und arbeiten<br />
wollte.“ Die Welt ist klein – auch in<br />
Knapsack: Dzidas erster Vorgesetzter<br />
2011 im Auftragsservice war ein ehemaliger<br />
Kollege ihres Vaters.<br />
DEINE WELT, MEINE WELT<br />
Während Großvater Michael sich regelmäßig<br />
zum Mittagessen mit seinem<br />
Vater traf, sahen sich Michael und Werner<br />
eher selten. „Die organische und<br />
die anorganische Werkstatt lagen damals<br />
in unterschiedlichen Welten“, so<br />
Michael Bachem. Gerne erinnern sich<br />
beide aber an gemeinsame Stillstandsarbeiten,<br />
zum Beispiel in den Anlagen<br />
der heutigen Westlake Vinnolit.<br />
Standortkonkurrenz<br />
Westeregeln vs. Knapsack<br />
Die Konsolidierten Kaliwerke Westeregeln und die<br />
Metallgesellschaft Frankfurt am Main gründen 1904<br />
die Gesellschaft für Stickstoffdünger GmbH Westeregeln<br />
und unterhalten eine Versuchsfabrik in Westeregeln<br />
zur Herstellung von Kalkstickstoff. Schnell merkt man,<br />
6 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
Werner Bachem (rechts) während<br />
seiner Ausbildung 1983<br />
Die Familie<br />
Ähnlich läuft es bei Werner Bachem<br />
und seiner Tochter. Im normalen Berufsalltag<br />
haben sie eher wenig miteinander<br />
zu tun – abgesehen von einem<br />
gemeinsamen Kaffee hier und da.<br />
Die familiären Bande im Chemiepark<br />
schätzen sie trotzdem. Dzida: „Wenn<br />
wir mal Redebedarf haben, ist sofort<br />
ein großes Verständnis des anderen da.“<br />
Auch rein praktisch gibt es Vorteile –<br />
zum Beispiel beim Austausch von<br />
Sachen für den 6-jährigen Enkel.<br />
FAMILIENBANDE<br />
Michael Bachem sprach auch nach Feierabend<br />
häufig mit seinem Stiefvater<br />
und den Kollegen über die Arbeit: „Wir<br />
haben das gern gemacht.“ Die beiden<br />
nachfolgenden Generationen versuchen,<br />
das bei ihren häufigen privaten<br />
Treffen konsequent zu trennen. Denn<br />
auch so gibt es viel zu bereden: Bei beiden<br />
stehen die Familie, Wandern und<br />
Rennsport hoch im Kurs. Bachem: „Das<br />
24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring<br />
ist für uns eine Pflichtveranstaltung.<br />
Dorthin fahren wir mit allen, die<br />
noch mobil sind. Selbst der Enkel ist<br />
dabei – natürlich mit Ohrenschützern<br />
ausgerüstet.“<br />
Der Urgroßvater<br />
Schon Werner Meie arbeitete in Knapsack, erst am Karbidofen,<br />
dann beim Phospor. Er starb jung. Seinen Sohn<br />
Michael überzeugte er, sich auf dem Hügel zu bewerben.<br />
Kurze Zeit arbeiteten sie sogar an der Waage zusammen.<br />
Der Großvater<br />
Michael Bachem, heute 84 Jahre alt, fing nach seiner<br />
Ausbildung in Köln 1963 als Schlosser in der organischen<br />
Werkstatt an. Später arbeitete er bis zu seinem Ruhestand<br />
im Jahr 2000 in der Abwasserreinigung.<br />
Der Vater<br />
Werner Bachem startete nach seiner Ausbildung zum<br />
Betriebsschlosser zuerst bei Hoechst in der „Phosphor-<br />
Werkstatt“ – damals hieß das Werk auch einfach „op de<br />
Chemische“. Seit vielen Jahren ist er Sales Manager<br />
bei YNCORIS.<br />
Die Tochter<br />
Linda Dzida absolvierte ihre Ausbildung als Kauffrau für<br />
Bürokommunikation bei der Telekom. Mit dem Umzug in<br />
den Rhein-Erft-Kreis kam auch der Wunsch nach einem<br />
Arbeitsplatz in der Nähe. Bei ihrem Einstieg bei YNCORIS<br />
2011 kannte sie bereits einige Kolleg*innen. Seit 2019 ist<br />
sie dort als Sachbearbeiterin Energieanlagen im Standortbetrieb<br />
tätig.<br />
„Wir haben über alles gesprochen, aber<br />
Ratschläge habe ich keine gegeben.<br />
Schließlich muss jeder seinen eigenen<br />
Weg gehen.“<br />
Michael Bachem<br />
Linda Dzida und Werner Bachem beim<br />
Durchblättern von alten Fotoalben<br />
dass die Produktion der Ausgangsstoffe, wie Karbid,<br />
sehr energieintensiv ist und es deutlich wirtschaftlicher<br />
ist, die Produktion dorthin zu verlagern, wo günstige<br />
Vorkommen die Energiezufuhr sichern. Der Schlüssel<br />
dazu ist Braunkohle. Die Metallurgische Gesellschaft,<br />
eine Tochter der Metallgesellschaft, gründet dazu<br />
1906 die Deutsche Carbid AG Frankfurt am Main.<br />
Knapsack erweist sich als idealer Standort, da die üppigen<br />
Braunkohlevorkommen oberflächennah liegen,<br />
zum Teil nur fünf bis sechs Meter tief im Erdboden.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 7
Das Jubiläum von Michael<br />
Bachem (3. von links) im<br />
Keller unter der organischen<br />
Werkstatt des Gebäudes 0333.<br />
Heute unvorstellbar:<br />
Damals erhielt jeder Jubilar<br />
frühstücksbegleitend<br />
60 Liter Bier<br />
Bachem und Dzida verbindet ein weiteres<br />
Hobby: Wandern. Dabei laufen<br />
die beiden nicht einfach ein, zwei<br />
Stündchen durch Feld und Wald, sondern<br />
legen gemeinsam bis zu 50 Kilometer<br />
am Stück zurück. Während der<br />
Pandemie umwanderten sie unter anderem<br />
die Nordschleife des Nürburgrings,<br />
mit Steigungen bis zu 18 Prozent.<br />
Dann geht es morgens früh um vier<br />
Uhr oder auch mal nachts los. Im letzten<br />
Herbst haben die beiden alle Gipfel<br />
des Siebengebirges an einem Stück<br />
abgelaufen. „Sogar mit Umweg, denn<br />
wir hatten uns verquatscht und den<br />
Abzweig verpasst“, schmunzelt Dzida.<br />
„Wir können aber auch sehr gut nebeneinander<br />
schweigen.“<br />
„KNAPSACK IST AUCH FAMILIE“<br />
Familien, wie die Bachems, sind im<br />
Chemiepark selten. „Aber irgendwie<br />
war und ist Knapsack auch Familie“,<br />
sind sich Großvater, Vater und Tochter<br />
einig. „Das sieht man zum Beispiel im<br />
Karneval im Feierabendhaus“, meint<br />
Werner Bachem. „Wir besuchen ihn<br />
jetzt schon seit mehr als 25 Jahren mit<br />
mindestens zwei Generationen und<br />
treffen dort immer alte Freunde und<br />
langjährige Kolleg*innen. Das ist fast<br />
wie bei einem großen Familientreffen.“<br />
Eine weitere Familientradition:<br />
Karneval im Feierabendhaus.<br />
Hier zusammen mit Werner Bachems<br />
Ehefrau Jutta<br />
„Aber irgendwie<br />
war und ist Knapsack<br />
auch Familie.“<br />
Die Bachem-Generationen Gemeinsame Leidenschaft von Werner<br />
Bachem und Linda Dzida: Langstreckenwandern.<br />
Start ist oft schon, wenn es<br />
draußen noch dunkel ist<br />
Knapsack macht Kohle, aber keinen Gewinn<br />
1900 gründen sieben „Braunkohle Gerechtsame“, Unternehmen<br />
mit Bergrecht zum Fördern von Braunkohle, die Vereinigte Ville.<br />
1901 beginnt der Tagebau und der Bau der Brikett fabrik, 1903<br />
erfolgt die Vereinigung mit Roddergrube. 1906 wird der Liefervertrag<br />
mit der Deutschen Carbid AG Frankfurt am Main geschlossen:<br />
Knapsack bezieht über 400.000 Tonnen Braunkohle pro Jahr. Ende<br />
1907 entsteht die erste Kalkstickstoff- und Karbidproduk tion in<br />
Knapsack. Die Braunkohle ist ein Trumpf für den Standort Knapsack<br />
in Konkurrenz zur Versuchs anlage in Westeregeln. Doch der Trumpf<br />
von Westeregeln besteht in langfristigen Abnahmeverträgen von<br />
hochpreisigem Karbid. Westeregeln erhält den Vorrang im Verkauf<br />
von Karbidprodukten, Produkte aus Knapsack dürfen nicht auf<br />
den Markt.<br />
Braunkohletagebau in der Nähe<br />
des Bertrams-Jagdweg 1903<br />
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KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
WIR<br />
FÜR EUCH<br />
Daniel Kopp, Marius Dickopf, Elke Huthmacher, Markus Holz,<br />
Georg Schmitz, Petra Rückert, Meinhard Tappert, Thomas Stutzke,<br />
Reiner Wirsbitzki (v. l. n. r.) und Corc Öztas (nicht im Bild),<br />
machen sich im Betriebsrat stark für alle Kolleg*innen<br />
Der Betriebsrat von Clariant lud ins Feierabendhaus zur Betriebsversammlung<br />
A<br />
nfang Mai kamen die Mitarbeitenden<br />
von Clariant<br />
zusammen, um die Berichte<br />
von Betriebsrat, Standortleitung,<br />
Human Resources und IGBCE zu<br />
hören. Im Fokus stand jedoch vor allem<br />
der weitreichende Stellenabbau<br />
am Standort. So erläuterte Betriebsratsvorsitzender<br />
Reiner Wirsbitzki<br />
einige geschlossene Betriebsvereinbarungen<br />
sowie Aktivitäten in der<br />
Ausbildung und berichtete aus dem<br />
Tagesgeschäft, um dann zu dem Thema<br />
zu kommen, das alle bewegt.<br />
SOZIALVERTRÄGLICH UND<br />
MIT BLICK AUF DIE ZUKUNFT<br />
Die vergangenen Monate bei Clariant<br />
waren alles andere als einfach. Kurzarbeit<br />
seit September, dann Ende März<br />
dieses Jahres deren Beendigung, gefolgt<br />
von der unternehmerischen Entscheidung,<br />
Arbeitsplätze in Knapsack<br />
abzubauen. „Dieser Stellenabbau bedeutet<br />
eine schmerzhafte Schwächung<br />
des Standortes, sowohl was Manpower<br />
angeht, als auch bezüglich des Knowhows<br />
und Spezialwissens, das wir<br />
verlieren“, erklärte der Betriebsratsvorsitzende.<br />
Das Gremium erarbeitete<br />
gemeinsam mit Standortleitung und<br />
Human Resources einen Interessenausgleich,<br />
der sowohl den sozialverträglichen<br />
Stellenabbau in Form eines<br />
Freiwilligenprogramms beinhaltet<br />
als auch die Zukunftssicherung des<br />
„Mit der Sicherung der Ausbildung<br />
halten wir Kurs auf die Zukunft,<br />
denn die Zukunft der Azubis ist auch<br />
die des Standortes!“<br />
Reiner Wirsbitzki<br />
Standortes. Alle neuen Zielstrukturen<br />
sind vereinbart und werden in den<br />
nächsten Wochen und Monaten umgesetzt.<br />
Weiterhin wurde verhandelt,<br />
dass alle Azubis mit entsprechender<br />
Leistung unbefristet übernommen<br />
und weiterhin in unverminderter Zahl<br />
junge Menschen ausgebildet werden.<br />
KOMMUNIKATION UND<br />
TRANSPARENZ<br />
Standortleiter Dr. Tobias Haderer sprach<br />
über die Ergebnisse im Konzern und<br />
der Business Unit Adsorbents & Additive<br />
im ersten Quartal. „Wir sehen eine<br />
anhaltende Entspannung, aber keine<br />
nennenswerte wirtschaftliche Erholung.<br />
An den mittelfristigen Zielen für<br />
2025 halten wir weithin fest“, erklärte er.<br />
„Die Produktionsmengen aller Betriebe<br />
im Jahr <strong>2024</strong> liegen leicht über Plan.<br />
Gegenläufig zur aktuellen Lage und<br />
mit Hilfe einiger Sondereffekte haben<br />
wir im PZP-Betrieb im März einen absoluten<br />
Produktionsrekord aufgestellt.<br />
Mein Dank geht an alle Mitarbeitenden.<br />
Nur durch Ihren Einsatz konnten wir<br />
diese Ergebnisse erzielen.“ Anschließend<br />
erläuterte er unter anderem die<br />
Ergebnisse und geplanten Aktionen zur<br />
Mitarbeiter-Umfrage „Our Voice“ und<br />
sprach über das Project Tethys, die Entwicklung<br />
eines neuen Abwasserkonzeptes<br />
für die Betriebe PV und DEPAL. Das<br />
vor kurzem veröffentlichte Projekt der<br />
LyondellBasell, den Bau eines integrierten<br />
Recyclingzentrums für Kunststoffabfälle<br />
am Standort Knapsack, nannte<br />
er „Chance und Zeichen für die Zukunft<br />
des Standortes“.<br />
Johannes Heyer, HR Senior Consultant,<br />
stellte ein Pilotprojekt in Deutschland<br />
vor, in dem mit neuen Bonusplänen<br />
Anreize für Leistung gesetzt<br />
werden sollen. Zudem ging er nochmals<br />
auf die Eckpunkte des Interessenausgleichs<br />
ein und beschrieb die der<br />
Restrukturierung folgenden Schritte,<br />
nämlich Ausschreibungen und Versetzungen,<br />
die erforderlich sind, um die<br />
geplante Zielstruktur der Abteilungen<br />
schnellstmöglich zu erreichen.<br />
Bevor zu Umtrunk und Gesprächen<br />
ins Foyer geladen wurde, gab es Gelegenheit,<br />
Fragen zu stellen und zu diskutieren.<br />
„Durch Kommunikation und<br />
Transparenz wollten und wollen wir<br />
allen Kolleg*innen Sicherheit geben.<br />
Ich denke, das ist uns gelungen“, resümierte<br />
Wirsbitzki im Rückblick auf die<br />
Betriebsversammlung und auf die letzten<br />
Monate und Wochen.<br />
Bildmaterial: Menganga – stock.adobe.com<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 9
„Ich habe eine Entscheidung<br />
getroffen – und die war gut!“<br />
Esmaeil Mamdouhirokhi arbeitet seit Sommer letzten Jahres<br />
bei YNCORIS in der Leverkusener Werkstatt. Er mag das Team,<br />
die Arbeit. Wegen des Jobs ist er an den Rhein gezogen und<br />
das nicht, wie vielleicht manch anderer, aus Essen oder aus dem<br />
Oberbergischen. Der 40-Jährige kommt aus Mashhad im Iran.<br />
S<br />
chon lange planten Mamdouhirokhi<br />
und seine Frau, nach<br />
Deutschland auszuwandern. In<br />
seiner Heimat arbeitete der studierte<br />
Ingenieur im Industriebereich. Den<br />
gemeinsamen Plan verfolgte er gezielt,<br />
lernte Deutsch, nutzte Netzwerke wie<br />
LinkedIn und andere Anbieter und<br />
stieß schließlich auf eine Stellenausschreibung<br />
von YNCORIS. „Ich konnte<br />
Deutsch auf B1-Niveau und hatte dann<br />
mehrere Vorstellungsgespräche per<br />
Teams. Das war ziemlich aufregend<br />
für mich“, erinnert er sich. Nach den<br />
Gesprächen war man sich einig und<br />
er bekam eine Zusage von YNCORIS<br />
und in der Folge eine Bestätigung von<br />
der Agentur für Arbeit. Mehrere Dokumente<br />
mussten er und seine Frau<br />
vorlegen, um schließlich das Visum<br />
und die Blaue Karte EU zu bekommen.<br />
Voraussetzung für die Karte sind ein<br />
Hochschulabschluss, ein Arbeitsvertrag<br />
und ein bestimmtes Mindestbruttogehalt.<br />
Sie ist ein Aufenthaltstitel für<br />
Akademiker*innen aus Nicht-EU-Ländern,<br />
die innerhalb der europäischen<br />
Gemeinschaft eine Arbeit aufnehmen.<br />
Zwischen der Ankunft in Deutschland<br />
und dem ersten Arbeitstag lagen für<br />
Mamdouhirokhi zwei Wochen. Nicht<br />
viel Zeit, um eine Wohnung zu finden,<br />
einzurichten und möglichst viele Behördengänge<br />
zu schaffen. „Wenn man<br />
in ein fremdes Land kommt, ist man wie<br />
„Gerne haben wir Esmaeil Mamdouhirokhi in unserem<br />
Team willkommen geheißen. Gerade in Zeiten des<br />
Fachkräftemangels freuen wir uns, dass er den<br />
beschwerlichen Weg auf sich genommen hat, seine<br />
Heimat zu verlassen, um nach Deutschland zu ziehen<br />
und bei uns zu arbeiten. Durch seine Erfahrung in<br />
unserem Fachbereich und die Motivation, die er<br />
täglich mitbringt, ist er ein echter Zugewinn für<br />
unser, im Durchschnitt, recht junges Team.“<br />
Bastian Schulze, Auftragskoordinator<br />
Aufzüge/Fördertechnik Leverkusen<br />
Karbid aus Knapsack führt<br />
1909 wird die Deutsche Carbid AG Frankfurt am Main überführt in die Aktien-<br />
Gesellschaft für Stickstoffdünger in Knapsack, Bez. Cöln a. Rh. Westeregeln wird<br />
geschlossen. Der vormalige Versuchsleiter von Westeregeln, Dr. Constantin Krauß,<br />
übernimmt 1910 die Geschäftsführung in Knapsack. Der Standort prosperiert<br />
und entwickelt zukunftsweisende technische Verbesserungen: 1911/12 wird die<br />
Karbid produktion in Knapsack mehr als verdoppelt.<br />
Der Karbidofen vom Typ<br />
Helfenstein<br />
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KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
ein Neugeborenes. Ein Cousin meiner<br />
Frau, der schon länger in Deutschland<br />
lebt, hat uns geholfen und wir hatten<br />
das große Glück, schnell eine Wohnung<br />
zu finden. Auch meine Kolleg*innen bei<br />
YNCORIS haben mich unterstützt. Das<br />
war toll!“ In der Werkstatt arbeitet er<br />
nun als Instandhaltungsfachkraft. Er<br />
schätzt wie abwechslungsreich seine<br />
Aufgaben sind. Geprüft, gewartet und<br />
repariert werden z. B. Krane, Aufzüge<br />
oder Hubwagen. Wenn es schwierig<br />
wird, arbeiten er und seine Kolleg*innen<br />
im Team zusammen und finden<br />
gemeinsam eine Lösung. Er sagt, er sei<br />
gerade sehr zufrieden und jeden Tag<br />
entwickele er sich in seinem Beruf weiter.<br />
Nur mit seinen Sprachkenntnissen<br />
hadert er (obwohl sein Team ihm dafür<br />
viel Respekt entgegenbringt).<br />
Was ihm an Deutschland gefällt?<br />
Die Antwort kommt schnell: „Das<br />
Wetter! Deutschland ist so ein grünes<br />
Land. Dort, wo ich herkomme, ist Regen<br />
selten und die Landschaft trocken<br />
und wüstenhaft.“ Außerdem die<br />
Deutschen, die er bisher durchweg als<br />
freundlich kennengelernt hat, die freie<br />
Meinungsäußerung, die vielen Brotsorten<br />
– und auch das Bier. Für die Zukunft<br />
wünscht er sich die Möglichkeit,<br />
sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln,<br />
Kinder zu bekommen und<br />
vielleicht Wohnungseigentum oder ein<br />
Haus zu erwerben. Den Menschen, die<br />
wie er in ein anderes Land ziehen, um<br />
dort zu arbeiten, rät er, die Sprache zu<br />
lernen und das Internet und Netzwerke<br />
zu nutzen, außerdem offen und flexibel<br />
zu sein. Er sagt: „Die Sprache ist<br />
entscheidend. Außerdem haben wir<br />
Glück gehabt, mit den freundlichen<br />
Menschen in unserem privaten und<br />
beruflichen Umfeld, die uns den Start<br />
so erleichtert haben!“<br />
Erster Weltkrieg – „Hoechste“ Zeit<br />
für rüstungsrelevanten Ausbau<br />
Auf staatliche Anordnung soll die Anlagenkapazität zur Produktion<br />
von Ammoniumhydroxid innerhalb eines Jahres um das Fünffache<br />
erweitert werden. Ammoniumhydroxid, allgemein bezeichnet<br />
als Ammoniakwasser oder Salmiakgeist, ist ein Vorprodukt für<br />
Sprengstoff.<br />
Der vom Staat dazu gewährte Kredit von 15 Mio. Goldmark muss von<br />
zwei Bürgen abgesichert werden. Dies übernehmen die Metallgesellschaft<br />
Frankfurt am Main und die Farbwerke vormals Meister,<br />
Lucius & Brüning AG. Aus den Farbwerken MLB AG entsteht später<br />
die Hoechst AG.<br />
Das 1912 erworbene neue<br />
Verwaltungsgebäude<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 11
Eine Erfolgsgeschichte<br />
Anna Beck, Human Resources YNCORIS, erzählt.<br />
Sie hat die Bewerbungsphase und die Einstellung<br />
von Esmail Mamdouhirokhi begleitet.<br />
INTERVIEW<br />
Frau Beck, Sie haben im September 2021 das erste<br />
Gespräch mit Herrn Mamdouhirokhi geführt.<br />
Zwei weitere folgten und seit Juli 2022 steht er<br />
unter Vertrag. Wie sind sie auf ihn aufmerksam<br />
geworden?<br />
Herr Mamdouhirokhi lebte damals noch im Iran und<br />
hat auf unsere Ausschreibung eine Online-Bewerbung<br />
geschickt. Die war für YNCORIS interessant und so traten<br />
wir per Teams mit ihm in Kontakt. Genauso wie die Situation<br />
für ihn außergewöhnlich war, war sie das für uns. Das<br />
Erstgespräch diente dazu, einen Eindruck zu gewinnen,<br />
ob Herr Mamdouhirokhi als potentieller Arbeitnehmer<br />
in Frage kommt. Und auch, um abzuschätzen, ob er weiß,<br />
worauf er sich einlässt, wenn er diesen großen Schritt geht<br />
und nach Deutschland auswandert für einen zunächst<br />
befristeten Vertrag.<br />
Wie lief die Kommunikation?<br />
Wir führten das Gespräch auf Deutsch, zum Teil auch mit<br />
„Händen und Füßen“. Um uns verständlich zu machen,<br />
in welchen Bereichen er im Iran arbeitete, teilte er seinen<br />
Bildschirm und zeigte uns Bilder von seiner damaligen Arbeitsstelle.<br />
Er war sehr gut vorbereitet, sehr gut informiert<br />
und klar in dem, was er wollte. Im zweiten Gespräch unterstützte<br />
uns dann Kollege Reza Vali, der iranische Wurzeln<br />
hat und das Gespräch über rechtliche Grundlagen, den<br />
Arbeitsvertrag usw. dolmetschte. Das war eine große Hilfe.<br />
Nachdem die Entscheidung gefallen war, was<br />
mussten Sie alles veranlassen und regeln? Sicher<br />
gab es auch die ein oder andere Hürde?<br />
Für das Visum benötigte Herr Mamdouhirokhi bestimmte<br />
Dokumente, wie den Arbeitsvertrag, um sie bei der Deutschen<br />
Botschaft im Iran vorzulegen. Es war schnell klar,<br />
dass der Postweg nicht möglich war. Aber die Ansprechpartner*innen<br />
in der Botschaft waren sehr kooperativ<br />
und akzeptierten PDFs, die wir per Mail schicken konnten.<br />
Auch die Mitarbeitenden der Agentur für Arbeit, bei der<br />
wir einen Antrag stellen mussten, um eine Vorabzustimmung<br />
zu erhalten, waren hilfsbereit. Normaler weise ist<br />
für die Einstellung bei YNCORIS außer dem eine gesundheitliche<br />
Untersuchung bei unserem werksärztlichen<br />
Dienst Voraussetzung. Das war nicht möglich. So schlossen<br />
wir den Arbeitsvertrag also unter Vorbehalt und<br />
Herr Mamdouhirokhi holte die Untersuchung dann in<br />
Deutschland nach.<br />
Wie hat das Unternehmen ihn in der ersten Zeit<br />
in Deutschland unterstützt? Haben Sie ihn auch<br />
persönlich kennengelernt?<br />
Wir haben z. B. einen Eilantrag für seine Steuernummer<br />
gestellt. Als er nach Knapsack kam, um den Vertrag im<br />
Original zu unterschreiben, hatten wir Gelegenheit, uns<br />
kennenzulernen, das war besonders. Ich hoffte sehr, dass<br />
er und wir die richtige Entscheidung getroffen hatten.<br />
Für ihn persönlich hing so viel davon ab. Heute kann ich<br />
sagen: Seine Einstellung war ein Erfolg. Die Kolleg*innen<br />
in Leverkusen äußern sich sehr positiv, er hat sich bestens<br />
ins Team integriert und sein Vertrag ist inzwischen in<br />
einen unbefristeten gewandelt worden.<br />
Ende des Ersten Weltkriegs ist die<br />
AG für Stickstoffdünger hochverschuldet.<br />
Was die Zukunft betrifft,<br />
bestehen unvereinbare strategische<br />
Differenzen zwischen der Metallgesellschaft<br />
und den Farbwerke<br />
MLB: Die Metallgesellschaft will<br />
in die Metallurgie investieren, die<br />
Farbwerke MLB AG in Chemie.<br />
Ein Arbeiter am Trockenvergaser<br />
im Acetylenbetrieb<br />
12 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
ZWEI BILDER –<br />
14 JAHRE<br />
WERKFEUERWEHR<br />
2010<br />
Der erste Tag für Sebastian Gorissen (links) als einer<br />
der ersten Auszubildenden zum Werkfeuerwehrmann<br />
im Chemiepark Knapsack. Er war damals mit Abstand<br />
einer der Jüngsten, Peter Blumenthal (rechts) schon<br />
ein gestandener Kollege mit viel Erfahrung. Gorissen<br />
musste sich zunächst den Respekt auf der Wache erarbeiten:<br />
„Da gab es keinen Raum für Diskussionen.“ Blumenthal<br />
nahm den Neuzugang unter seine Fittiche, sie<br />
teilten sich einen Ruheraum. Seitdem ist ihre Beziehung<br />
freundschaftlich und vertrauensvoll. „Mit Peter konnte<br />
ich schon immer auch private Themen besprechen und<br />
ihn um Rat fragen“, so Gorissen. „Wenn etwas wäre, egal<br />
ob beruflich oder privat, tags oder nachts, ich weiß, ich<br />
kann immer auf ihn zählen.“<br />
<strong>2024</strong><br />
Der letzte Tag für Peter Blumenthal vor seiner Rente. Der<br />
Gruppenführer, Rettungsassistent und Brandschutzbeauftragte<br />
bleibt der Werkfeuerwehr aber auch im Ruhestand<br />
erhalten. Denn er unterstützt die Kolleg*innen zukünftig<br />
bei Bedarf als Minijobber. Sebastian Gorissen ist heute nicht<br />
nur Einsatzleiter, sondern verantwortet auch den Dienstleistungssektor<br />
der Werkfeuerwehr. Dazu zählen beispielsweise<br />
die Werkstätten, in denen die Feuerwehr Atemschutzgeräte,<br />
Schläuche und Feuerlöscher prüft und instand setzt.<br />
Beide sind sich einig: In den letzten 14 Jahren hat sich viel<br />
getan – auch im Umgang miteinander. „So einen rücksichtsund<br />
respektvollen Umgang zwischen den Generationen wie<br />
heute gab es früher nicht“, sagt Blumenthal. Beide finden,<br />
dass es sich lohnt, Prozesse zu hinterfragen und Verbesserungen<br />
anzustoßen, aber auch zu akzeptieren, dass das Rad<br />
nicht immer neu erfunden werden muss. „Am Ende profitieren<br />
wir alle von diesem Austausch, ob frisch dabei oder<br />
Routinier.“<br />
Den ausführlichen Bericht über die<br />
beiden und die Veränderungen in<br />
der Werkfeuerwehr lesen Sie hier …<br />
Aus und weiter?<br />
Mit Chemie!<br />
1920 übernimmt die Farbwerke<br />
MLB AG alle Aktienanteile der<br />
Metallgesellschaft. Sie investiert<br />
sowohl in Organische Chemie<br />
als auch in Karbid und dessen<br />
Folgeprodukte.<br />
Auf Basis des aus Karbid gewonnenen<br />
Acetylens steigt die Farbwerke MLB<br />
AG in die Organische Produk tion in<br />
Knapsack ein. Sie errichtet Anlagen<br />
zur Produktion unter anderem von<br />
Acetylen, Acetaldehyd, Essigsäure,<br />
Essigsäureanhydrid und Aceton.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 13
EINE GESCHICHTE<br />
WIE IM KINO<br />
Über die Liebe zum Film, die Kraft der Gemeinschaft<br />
und die Hoffnung auf ein Happy End<br />
D<br />
er Plot könnte der eines neuen Leinwandhits sein:<br />
Ein traditionsreiches Kino in einem 3000-Seelen-Ort<br />
ist vom Aus bedroht. Der sympathische<br />
Besitzer, der das Familienunternehmen in vierter Generation<br />
führt, steht unter enormen Druck, verursacht durch<br />
eine Pandemie, gestiegene Kosten und die Konkurrenz<br />
der großen Streamingdienste. Doch dann kommt Unterstützung<br />
von Frauen und Männern, die kurzentschlossen<br />
einen Verein gründen, um den Kult(ur)ort zu retten …<br />
KEINE FIKTION, SONDERN REALITÄT<br />
André Jansen, Inhaber eines der letzten historischen<br />
Einsaal-Kinos im Rhein-Erft-Kreis, wäre froh, wenn es lediglich<br />
eine Filmstory wäre, doch es geht um das eigene<br />
Unternehmen. Als er Ende 2023 bekanntgab, dass er den<br />
Regelbetrieb im Berli in Hürth-Berrenrath zum Jahresanfang<br />
einstellen muss, war das auch für viele, die den<br />
nostal gischen Charme und das Programm dieses besonderen<br />
Kinos schätzen, eine schwarze Stunde.<br />
KLEINES JUWEL<br />
Bereits der Urgroßvater von Jansen verwandelte 1946 den<br />
ehemaligen Tanzsaal in Berrenrath in ein Kino. Ende der<br />
1950er Jahre eröffnete Großvater Otto das Berrenrather<br />
Lichtspielhaus an der Wendelinusstraße in dem aufgrund<br />
des Braunkohleabbaus umgesiedelten Ort. Heute<br />
sind Projektions- und Tontechnik auf modernstem Stand,<br />
die komfortablen Sitzplätze neu. Alles andere wurde behutsam<br />
restauriert und so besticht der Kinosaal als Original:<br />
die Wandbespannung, die Lampen, sogar die Notausgangbeleuchtung.<br />
Im Foyer ist noch das ursprüngliche<br />
Kassenhäuschen zu sehen, und auch der Vorraum zum<br />
Saal mit Originaltapete schickt die Gäste zurück in die<br />
50er. Die Kulisse im Berli ist außergewöhnlich und auch<br />
bei der Programmauswahl setzt Jansen den<br />
Akzent nicht nur auf Blockbuster, sondern<br />
auch auf Filme abseits des Mainstreams.<br />
1920er Jahre – Arbeiter auf Zunder<br />
Unruhen, Aufstände, Streiks gehören in den Anfängen der 1920er Jahre zur<br />
Tagesordnung. Der Betriebsstandort Knapsack verlegt seine Verwaltung aus<br />
Sicherheitsgründen von Knapsack nach Köln – aus Angst vor aufgebrachten<br />
Arbeitern, die möglicherweise die Verwaltung stürmen könnten.<br />
1925/26 sind Jahre des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs. Die<br />
kritische und kämpferische Haltung der Belegschaft trägt in den guten<br />
Jahren Früchte: Viele firmeninterne Sozialleistungen entstehen, wie die<br />
Beamten- und Arbeiterunterstützungskasse, Sterbekasse, Pensionskasse<br />
für Angestellte und die Stiftung für Genesungskuren erkrankter Arbeiterfrauen.<br />
Die Werksbelegschaft wird am Unternehmensgewinn beteiligt, Arbeiter<br />
erhalten eine Werkszulage als Altersversorgung.<br />
14 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
GROSSES KINO<br />
Das sollte nun also alles vorbei<br />
sein? Maria Rasmussen<br />
betreute mehr als 15 Jahre<br />
in ihrer Funktion als Leiterin<br />
Bürgerhaus und Löhrerhof bei der Stadt Hürth das<br />
Format „Der besondere Film“, eine Kooperation zwischen<br />
dem Heimat- und Kulturverein Hürth, der Stadt und dem<br />
Berli-Theater. Sie und einige andere Hürther*innen spielten<br />
schon seit vergangenem Sommer mit dem Gedanken,<br />
einen Verein zur Unterstützung des Kinos zu gründen.<br />
„Ende 2023 war dann klar: jetzt oder nie!“, erklärt sie.<br />
„Innerhalb von Tagen haben wir sieben Gründungsmitglieder<br />
es geschafft, den BerliKinoKlub aus der Taufe zu<br />
heben. Wir initiierten eine Matinee, um für unsere Sache,<br />
nämlich den Erhalt dieses Ortes der Kultur und des Miteinanders,<br />
zu werben und Mitglieder zu gewinnen.“ Großartig:<br />
Hundert Tage später zählten schon über hundert<br />
Menschen dazu. Erklärtes Ziel ist es, die Zahl mindestens<br />
zu verdoppeln.<br />
FILM AB<br />
Derzeit finden im Kino drei bis vier feste Kinovorstellungen<br />
im Monat sowie Konzerte und andere<br />
Events statt. Der BerliKinoKlub lädt jeden<br />
letzten Freitag im Monat zu Filmen und anderen<br />
Veranstaltungen ein. Auch der Lions-Club<br />
Hürth unterstützt die Kinokultur vor Ort alle<br />
zwei Monate mit einem Nachmittagsfilm. Mit<br />
einem Kontingent an kostenlosen Karten für Seniorenzentren<br />
und weitere Sozialpartner bietet<br />
das Lions-Film-Café älteren und beeinträchtigten<br />
Menschen die Gelegenheit zum Kinobesuch.<br />
„Das Berli ist Teil der Geschichte<br />
dieser Industrielandschaft und<br />
unserer Region.“<br />
Maria Rasmussen, BerliKinoKlub<br />
Zusätzlich laufen die Programme „Der besondere Film“<br />
und „Best of Cinema“, beides jeweils einmal im Monat. Die<br />
moderaten Eintrittspreise bei allen Vorführungen sollen<br />
vielen das Kinoerlebnis ermöglichen.<br />
ABSPANN<br />
„Wir sind hier gut vernetzt und so haben sich Stadt, Vereine,<br />
Kino, Bürger- und Bürgerinnen zusammengetan, um<br />
‚unser‘ Berli zu erhalten,“ erzählen Rasmussen und Jansen.<br />
Was sie sich für die Zukunft des Kinos wünschen?<br />
Unbedingt noch mehr Vereinsmitglieder, die finanziell<br />
unterstützen und gerne auch mit anpacken dürfen, vor<br />
Ort bei den Vorführungen oder im Hintergrund. Wieder<br />
ein Programm für Kinder und gerne eines für Frauen.<br />
Schön wäre es auch, wenn das Angebot der Weinstube<br />
und des Cafés „Foyer im Berli“ wieder ausgeweitet werden<br />
könnte. „Wenn es uns gelingt insgesamt 200 Vereinsmitglieder<br />
zu gewinnen, können wir darüber nachdenken,<br />
was möglich ist. Das wäre wunderbar.“<br />
Wer nun nicht nur auf ein Happy End hoffen, sondern<br />
teilhaben möchte, kann selbst dem Verein beitreten. Infos<br />
und Mitgliedsantrag unter: www.berli-huerth.de.<br />
Ansonsten gilt: Jeder Kinobesuch im Berli zählt und<br />
ist ein Erlebnis. Das aktuelle Programm gibt‘s ebenfalls<br />
unter der genannten Website.<br />
Illustrationen: ~ Bitter ~ – stock.adobe.com<br />
Der New Yorker Börsencrash<br />
im Oktober 1929 läutet die<br />
Weltwirtschaftskrise ein.<br />
Rundmacher nannte man<br />
seinerzeit die Dreher. Oft ging<br />
es in der Belegschaft rund<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 15
E<br />
s fühlt sich ein bisschen<br />
an wie eine Expedition.<br />
Im Gepäck eine Fotoausrüstung,<br />
Schreibblock und<br />
Stift, als „Guide“ Daniel Platen,<br />
der sich im Feierabendhaus auskennt<br />
wie kein anderer – außer<br />
seinem Vorgänger Jojo Ruth<br />
wie Platen anmerkt. Ein Hinabund<br />
Hinaufsteigen in die verborgenen<br />
Winkel des Feierabendhauses<br />
beginnt. Je länger<br />
die Tour dauert, desto mehr<br />
durchdringt die Vergangenheit<br />
die Gegenwart. Das Haus ist ein<br />
Zeitzeuge der Jahre seit 1957<br />
hier in Knapsack.<br />
16 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
Spieglein, Spieglein …<br />
Original-Schminktische, -Kleiderleiste und -Stühle bestücken die alten Garderoben. Heute ist die Stimmung hier<br />
nostalgisch, früher flirrte die Luft vom Lampenfieber. Künstler*innen nutzen heutzutage die beiden VIP-Garderoben<br />
im zweiten Untergeschoss. Sie bieten ihnen einen modernisierten Rückzugsort.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 17
Lange Jahre war<br />
Jojo Ruth für das<br />
Feierabendhaus<br />
verantwortlich.<br />
Keiner kennt das<br />
Gebäude und seine<br />
Geschichte(n) so<br />
wie er. Im Interview<br />
gibt er Einblicke:<br />
Der sogenannte Bananenraum<br />
trägt seinen Namen nicht etwa<br />
wegen der tropischen Temperaturen,<br />
die in ihm herrschen,<br />
sondern wegen seiner Form.<br />
Woher kommt’s? Der Grundriss<br />
folgt dem halbrunden Bühnenabschluss,<br />
der eine Etage höher<br />
über dem Raum verläuft. Das<br />
warme Klima erzeugt übrigens<br />
die Dampfleitung, die durch das<br />
Gebäude verlegt ist.<br />
Der alte Orchestergraben im großen<br />
Saal wurde geschlossen. Im Parkett auf der<br />
Bühne ließ sich einst eine Klappe öffnen, die<br />
hinunterführt. Hier flüsterte eine Souffleuse<br />
oder ein Souffleur die fehlenden Worte.<br />
In einem langen Flur reihen sich Kühl- und Lagerräume aneinander.<br />
Platen öffnet einen großen Raum mit rechteckigem Grundriss<br />
und einem Durchbruch: „Früher wurden in diesem Raum Kartoffeln<br />
und anderes Gemüse gelagert und verarbeitet. Im Nebenraum<br />
wurde sogar geschlachtet.“<br />
Die Erkundung führt durch weitere Lagerräume mit Original-Mobiliar<br />
aus den 50er- und 60er-Jahren, weitere Kühlräume, alte Waschräume,<br />
die ehemalige Hausmeisterwohnung. Vorbei und durch Gänge und<br />
Räume mit Servern, Apparaten, Geräten und Leitungen, die dafür<br />
sorgen, dass eine Etage darüber alles bestens läuft.<br />
18 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
Auf der alten Kegelbahn sucht man den Lichtschalter vergeblich.<br />
Hier rollen schon lange keine Kugeln mehr. Im Schein der Taschenlampen<br />
nackte Betonwände mit den letzten Resten der Wandvertäfelung<br />
und Brandspuren. Wie brach das Feuer aus? Platen zuckt<br />
mit den Schultern. Es gibt da so einige Geschichten. Am Ende der<br />
Bahn leuchten über dem Kegelstand ein paar gelbe Kegel, die dort<br />
vergessen im Stellautomaten hängen. Früher gab es einen direkten<br />
Zugang vom Knapsacktreff hier hinunter. Davon ahnt man oben<br />
nichts mehr.<br />
Der Casino-Trakt mit seinen diversen Räumen<br />
war ursprünglich den Führungskräften vorbehalten.<br />
Im Kaminzimmer, das heute noch am meisten<br />
Geschichte atmet, erinnern Porzellanstücke aus<br />
Höchst an die Frankfurter Verbindungen. In der<br />
traditionsreichen Höchster Porzellanmanufaktur –<br />
nach Meißen die zweitälteste im Land – wurde ab<br />
1965 unter Führung der Farbwerke Hoechst und<br />
einem Frankfurter Bankhaus der Betrieb wieder<br />
aufgenommen.<br />
D<br />
ie Tour endet – das ist keine Frage – im<br />
großen Saal. Noch am vergangenen Abend<br />
wurde hier gefeiert. „Später kommt der<br />
Putztrupp, der auch den Parkettboden aus den<br />
50er-Jahren bohnert“, sagt Platen. Der riesige Raum,<br />
der Nachklang von vielen Feiern und Versammlungen,<br />
Menschen, Geschichten. Ganz schön<br />
viel gesehen.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 19
Angela Merkel stand 2010 auf der<br />
Bühne im Feierabendhaus. Eine<br />
kleine, unscheinbare, heute als Lager<br />
genutzte Kammer, die verborgen<br />
daneben liegt, wurde seinerzeit als<br />
steriler OP-Raum für die damalige<br />
Kanzlerin eingerichtet. Um im Fall<br />
der Fälle schnell handeln zu können.<br />
Wie sieht’s denn hier<br />
aus? – Die Tour durchs<br />
Feierabendhaus geht<br />
weiter unter:<br />
Termine<br />
29.08.<strong>2024</strong>, ab 15 Uhr<br />
After Work: Grill & Chill<br />
06.09.<strong>2024</strong><br />
Meine Position ist spitze<br />
12.09.<strong>2024</strong>, ab 11 Uhr<br />
Landesweiter Sirenentest<br />
25.09.<strong>2024</strong><br />
B2Run in Köln<br />
So klangen<br />
die Nachrichten<br />
damals …<br />
1945<br />
Die Farben-Post erinnert in ihrer Ausgabe<br />
9/1974 an Weihnachtszuwendungen aus<br />
den Jahren 1945 und 1946. Seinerzeit gibt<br />
es „Essigkarten“ – eine typisch Knapsacker<br />
Errungenschaft, mit der die Mitarbeitenden<br />
Essig-Essenz aus der eigenen Produktion<br />
beziehen können.<br />
20 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
Gute und informative Gespräche<br />
Pensionärs vereinigung informiert<br />
in den Betriebsrestaurants<br />
Was macht die Pensionärsvereinigung<br />
eigentlich genau? Wer kann<br />
Mitglied werden? Warum sollte ich<br />
Mitglied werden? Auf diese und<br />
viele Fragen antworteten die Vorstandsmitglieder<br />
der Pensionärsvereinigung<br />
Knapsack e. V. (PVK) Ende<br />
Mai in den beiden Betriebsrestaurants<br />
des Chemieparks Knapsack.<br />
Was so mancher nicht wusste: Man<br />
muss nicht im Ruhestand oder im<br />
pensions fähigen Alter sein, um der<br />
PVK beitreten zu können. „Wir haben<br />
in unseren Reihen einige derzeit aktive Mitarbeitende aus dem<br />
Chemiepark. Unsere jüngsten Mitglieder bewegen sich im Alter<br />
von Ende 30“, so der Vorsitzende der PVK, Helmut Weihers.<br />
„Über diese schöne Mischung aus Jung und Alt freuen wir uns.“<br />
Viele aktive Mitarbeitende tauschten sich an beiden Terminen<br />
in Knapsack und Hürth mit den Pensionären aus. Von<br />
den Vorteilen einer Mitgliedschaft konnten sie unter anderem<br />
Frank Ebeling, den Leiter der Betriebsrestaurants, überzeugen.<br />
Er hatte sich schon zuvor über die PVK informiert und füllte<br />
noch vor Ort die Beitrittserklärung aus.<br />
Mehr Informationen erhalten Sie auf<br />
www.chemiepark-knapsack.de/nachbarschaft/<br />
pensionaersvereinigung<br />
Frank Ebeling (links) unterzeichnet seinen<br />
Mitgliedsantrag. Karin Hübner-Borj und<br />
Günther Geisler von der PVK freuen sich<br />
Wir gedenken<br />
Dr. Carsten Herbert Horst<br />
Werner Grunow (88)<br />
Verstorben am 07.01.<strong>2024</strong><br />
Dr. Horst Weizenkorn<br />
Verstorben am 06.03.<strong>2024</strong><br />
Wir gratulieren<br />
Jubiläum<br />
40 Jahre<br />
Peter Klein, Westlake Vinnolit<br />
Eintritt 01.06.1984<br />
25 Jahre<br />
Stephan Schmelter, LyondellBasell<br />
Eintritt 17.05.1999<br />
Martin Fischer, LyondellBasell<br />
Eintritt 01.06.1999<br />
Jörg Jaeger, LyondellBasell<br />
Eintritt 01.06.1999<br />
Nuri Durmus, LyondellBasell<br />
Eintritt 17.06.1999<br />
Haydar Zeybek, Westlake Vinnolit<br />
Eintritt 17.06.1999<br />
Jörg Bode, YNCORIS<br />
Eintritt 01.05.1999<br />
Frank Trauschies, YNCORIS<br />
Eintritt 01.05.1999<br />
Olaf Englert, YNCORIS<br />
Eintritt 01.06.1999<br />
Ralf Schlegel, YNCORIS<br />
Eintritt 01.06.1999<br />
1974<br />
1974<br />
Auch wenn es damals noch<br />
Erschöpfung heißt – die Themen<br />
„Burnout“ und „Work-Life-Balance“<br />
haben schon in der Ausgabe 7/8<br />
der Farben-Post von 1974 ihren<br />
Platz.<br />
Vor 50 Jahren erschüttert<br />
eine große Explosion das<br />
Knapsacker Werksgelände.<br />
Über Gründe und Details<br />
wird im Nachgang jedoch<br />
kaum berichtet.<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong><br />
| 21
INTERVIEW<br />
„Das ist<br />
unsere<br />
Zukunft“<br />
KNAPSACKSPIEGEL sprach mit Dr. Klaus Mattes,<br />
seit 1. Januar <strong>2024</strong> Manager Knapsack Site<br />
bei LyondellBasell und Nachfolger von Achim<br />
Rodekirchen, über die ersten Monate in der<br />
Verantwortung und spannende neue Aufgaben.<br />
Herr Dr. Mattes, LyondellBasell wird hier in<br />
Knapsack im Rahmen der CPK-Süderweiterung<br />
ein integriertes Recycling- und Weiterverarbeitungszentrum<br />
für Kunststoffe bauen. Sie sind<br />
seit dem 1. Januar <strong>2024</strong> neuer Standortvertreter<br />
von LyondellBasell in Knapsack. Warum ist dieses<br />
Projekt für Ihr Unternehmen so wichtig?<br />
Dr. Klaus Mattes: Es ist ein weiterer Meilenstein für den<br />
LyondellBasell Standort Wesseling Knapsack. Die Anlagen hier<br />
in Knapsack sollen das Ausgangsmaterial für das mechanische<br />
und chemische Recycling erzeugen. Sie werden dann in der<br />
neuen Anlage zum chemischen Recycling, die wir zur Zeit in<br />
Wesseling bauen und in unseren mechanischen Recyclinganlagen<br />
hinter der Grenze, bei Maastricht, weiterverarbeitet. So<br />
wird die gesamte Region die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen<br />
unterstützen und Rohstoffe verarbeiten, die heute nicht<br />
recycelt, sondern meist der Verbrennung zur Energierückgewinnung<br />
zugeführt werden. Ich freue mich riesig, dass wir<br />
in Knapsack Teil dieser Transformation sein dürfen.<br />
„Zur allgemeinen Zufriedenheit konnte die Wochenarbeitszeit<br />
von 42 Stunden wieder auf 48 Stunden hochgefahren werden.“<br />
Jetzt wird wieder<br />
in die Hände gespuckt …<br />
Die Jahre ab 1936 stehen in Knapsack und deutschlandweit<br />
im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs. Unternehmen<br />
etablieren betriebsinterne Einrichtungen, wie eine Sportabteilung,<br />
einen eigenen Sportplatz, eine Werks bücherei<br />
und Werkszeitschrift sowie Jubilarfeiern – in Verbindung zur<br />
national sozialistischen Ideologie.<br />
Unternehmensmitteilung<br />
Die Turnhalle<br />
für die 1935<br />
gegründete<br />
Werkssportabteilung<br />
22 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
Papier-Hintergrund unten: Janina_PLD – stock.adobe.com<br />
Warum befasst sich ein Kunststoffhersteller<br />
mit Plastikabfällen?<br />
Wir wollen zunehmend fossile Rohstoffe bei der Herstellung<br />
von Kunststoffen ersetzen und vorhandene Ressourcen aus<br />
dem Kreislauf nutzen. Was Sie hier sehen, sind Kunststoff-<br />
Flakes aus dem Wertstoffkreislauf, auf die wir bauen. Neben<br />
den Rohstoffen aus erneuerbaren Quellen ist das ein weiteres,<br />
nachhaltiges Material, das wir nutzen. Es gibt verschiedene<br />
Möglichkeiten, wie wir das Produkt einsetzen können.<br />
Zum einen das mechanische Recycling: Hierbei sortiert man<br />
die Flakes nach Kunststoffarten und kann diese einem neuen<br />
Produkt beimischen. Und zum anderen das chemische<br />
Recycling, bei dem man den Kunststoff wieder verdampft<br />
(pyrolysiert), so dass am Schluss wieder ein Öl oder Gas<br />
herauskommt, aus dem man über einen weiteren Schritt in<br />
einem Steamcracker wieder Ethylen und Propylen als Grundstoffe<br />
für neue Kunststoffe herstellen kann.<br />
Das ist unsere Zukunft: Weg von den fossilen Rohstoffen hin<br />
zur Kreislaufwirtschaft, indem wir Material aus dem Wertstoffkreislauf<br />
entnehmen und wieder ein neues reines Kunststoffprodukt<br />
daraus herstellen.<br />
Sie waren zuletzt sechs Jahre Betriebsleiter<br />
Steamcracker in Wesseling. Was darf man<br />
sich darunter vorstellen?<br />
Wie ich bereits sagte, stellt ein Steamcracker die Grundstoffe<br />
Ethylen und Propylen für neue Polymere her. Hierbei werden<br />
lange Kohlenwasserstoffketten durch hohe Temperaturen zu<br />
kurzen Molekülketten „gebrochen“ oder „gecracked“. Bislang<br />
wurden fast ausschließlich fossile Rohstoffe, wie zum Beispiel<br />
Rohbenzin, in den Steamcrackern eingesetzt. Zukünftig können<br />
diese fossilen Rohstoffe zum großen Teil durch Pyrolyseöl<br />
und Pyrolysegas – hergestellt aus Kunststoffabfällen, die in<br />
Knapsack sortiert wurden – ersetzt werden. Eine weitere<br />
Möglichkeit besteht im Einsatz nachwachsender Rohstoffe.<br />
Dies können zum Beispiel alte Speiseöle wie „Frittenfett“ sein,<br />
die entsprechend aufbereitet als Rohstoff dienen können.<br />
Der Vorteil dieser Einsatzstoffe ist die Schonung fossiler<br />
Ressourcen und eine günstige CO 2 -Bilanz.<br />
„Das ist unsere Zukunft. Weg von den<br />
fossilen Rohstoffen, hin zur Kreislaufwirtschaft,<br />
indem wir Material aus<br />
dem Wertstoffkreislauf entnehmen und<br />
wieder ein neues sauberes Kunststoffprodukt<br />
daraus herstellen.“<br />
Dr. Klaus Mattes<br />
LyondellBasell<br />
Aus dieser spannenden Tätigkeit hat sich dann<br />
die Möglichkeit ergeben, die Nachfolge von<br />
Achim Rodekirchen anzutreten. Die Rolle des<br />
Betriebsleiters ist für Sie dabei nichts Neues.<br />
Das stimmt, da ich ja bereits einige Jahre als Betriebsleiter<br />
tätig war. Wirklich neu ist für mich allerdings die Rolle des<br />
Standortrepräsentanten. Das ist sehr spannend, weil ich plötzlich<br />
mit ganz anderen Themen und Aufgaben konfrontiert bin,<br />
die ich bis dato so in der Form noch nicht kannte. Aber auch<br />
das macht sehr viel Spaß.<br />
Trotz der Aufgabenvielfalt ist der Einstieg<br />
leicht gefallen?<br />
Was ich sehr schnell gemerkt und gespürt habe, ist, dass<br />
wir hier am Standort ein sehr gutes Team haben. Ich bin nicht<br />
alleine und kann auf das kollektive Gedächtnis vertrauen.<br />
Hier sind die Türen offen – wenn ich eine Frage habe, wird mir<br />
geholfen. Das stärkt mir natürlich den Rücken, wenn ich weiß,<br />
ich habe ein gutes, stabiles Team hinter mir. Am Ende des<br />
Tages ist es viel Kommunikation, so oft wie möglich präsent<br />
sein und mit den Kollegen und Mitarbeitern reden. Ich stelle<br />
im Moment sehr viele Fragen. Aber die Kollegen sind geduldig<br />
und beantworten mir alle Fragen.<br />
Knapsack kaputt<br />
Am 24. Oktober 1944 werden<br />
80 Prozent des Chemiestandortes<br />
Knapsack während eines Luftangriffs<br />
der Alliierten mit etwa 138 Sprengbomben<br />
zerstört. Es folgen sechs Jahre<br />
des Aufbaus unter US-amerikanischer<br />
Besatzung; 1951 läuft die Produktion<br />
wieder auf allen Gebieten.<br />
Nach einem<br />
früheren<br />
Luftangriff<br />
1941<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 23
„Die komplette Petrochemie ist<br />
im Umbruch. Wir richten uns alle<br />
komplett auf Nachhaltigkeit aus ...“<br />
Zur Person<br />
Dr. Klaus Mattes<br />
LyondellBasell<br />
Dr. Klaus Mattes, Leiter Knapsack Site LyondellBasell<br />
und Betriebsleiter der Polypropylen-Anlage, ist 51<br />
Jahre, verheiratet und hat zwei Kinder. Geboren und<br />
aufgewachsen in Heidelberg in Baden-Württemberg<br />
kam er schon in frühester Jugend zur Chemie – angefangen<br />
mit klassischen Chemiebaukästen. Nach<br />
dem Abitur absolvierte er ein Studium der Chemie<br />
in Heidelberg und Darmstadt und promovierte in<br />
technischer Polymerchemie an der TU Darmstadt.<br />
Zunächst war Mattes dann als Prozess-Ingenieur im<br />
internationalen Anlagenbau tätig. Dann folgte im Juli<br />
2008 der Wechsel zu LyondellBasell, wo er in verschiedenen<br />
Rollen im Engineering, als Betriebsassistent<br />
einer PE-Anlage und später als Betriebsleiter Utilities<br />
tätig war. Zuletzt eingesetzt vor seinem Wechsel<br />
nach Knapsack war Mattes als Betriebsleiter Steamcracker<br />
in Wesseling.<br />
Wo ist der entscheidende Unterschied zu Wesseling?<br />
Der Werksteil Wesseling ist natürlich wesentlich größer und<br />
hat deutlich mehr Mitarbeiter. Knapsack ist familiärer. Wir sind<br />
weniger Mitarbeiter hier, arbeiten enger zusammen, weil wir<br />
uns hier einfach auch physisch näher sind. Und was ich festgestellt<br />
habe – auch wenn es schon viele Jahre her ist – ich<br />
spüre die unterschiedlichen Wurzeln, die wir in den beiden<br />
Werksteilen haben. Die Kultur ist hier ein stückweit eine andere.<br />
In Wesseling formten Shell und BASF die damalige ROW<br />
(Rheinische Olefinwerke), und hier in Knapsack ist das alte<br />
Hoechster Fundament immer noch ein wenig zu spüren. Ich<br />
bin mit offenen Armen in Knapsack empfangen worden und<br />
habe mich inzwischen schon sehr gut eingelebt.<br />
Mit welchen Zielen sind Sie auch vor diesem Hintergrund<br />
als Standortrepräsentant angetreten?<br />
Ich habe zwei Schwerpunkte, die mir persönlich am Herzen<br />
liegen, und die ich hier am Standort weiterbringen möchte:<br />
Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ich möchte, dass unsere<br />
Arbeitsabläufe automatisierter und effizienter werden. Es fängt<br />
beispielsweise damit an, dass wir eine drahtlose Netzwerkinfrastruktur<br />
in den Anlagen aufbauen, so dass in der kompletten<br />
Produktion mit digitalen Endgeräten wie Tablets und<br />
Smartphones gearbeitet werden kann. Weiterhin müssen die<br />
betrieblichen Abläufe so digitalisiert werden, dass zukünftig<br />
auf Papier und Bleistift verzichtet werden kann.<br />
Das Thema Nachhaltigkeit nimmt gerade richtig Fahrt auf. Hier<br />
stellt das Unternehmen nach meiner Meinung die Weichen<br />
in die richtige Richtung. Die komplette Petrochemie ist im<br />
Umbruch. Es gibt wirklich viele Möglichkeiten, etwas zu ändern<br />
und ich freue mich darauf meine Ideen und Visionen einfließen<br />
zu lassen. Das ist das Spannende in den nächsten fünf bis<br />
zehn Jahren.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
Sehr gerne!<br />
Das Interview in seiner vollständigen<br />
Länge lesen Sie unter:<br />
8.000 Menschen, ein Zusammenschluss<br />
Im Oktober 1951 strukturiert sich die IG Farbenindustrie neu,<br />
unter anderem durch den Zusammenschluss der AG für Stickstoffdünger<br />
Knapsack, Griesheim-Autogen Frankfurt am Main<br />
mit den Nordwestdeutschen Sauerstoffwerken Düsseldorf,<br />
den Süddeutschen Sauerstoffwerken Stuttgart und den Tega -<br />
werken zur Knapsack-Griesheim Aktiengesellschaft.<br />
1959 umfasst diese Neuordnung rund 8.000 Mitarbeitende;<br />
100-prozentiger Eigentümer ist die Farbwerke MLB AG.<br />
Das neue Verwaltungsgebäude vor dem Aufbau<br />
einer weiteren Etage auf dem rechten Flügel<br />
1957<br />
24 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
Nachhaltigkeit konkret: Palurec ist<br />
Vorreiter im Getränkekartonrecycling<br />
Über Nachhaltigkeit reden ist gut, machen ist besser … zum Beispiel durch das<br />
clevere Recycling von Getränkekartons. In denen steckt nämlich neben Papier<br />
auch sortenreiner Kunststoff und Aluminium. Gerade einmal zwei Anlagen in<br />
Deutschland gewinnen diese Stoffe zurück, eine steht im Chemiepark Knapsack<br />
und wird von Palurec betrieben.<br />
I<br />
n Deutschland gehen jedes Jahr<br />
rund acht Milliarden Getränkekartons<br />
über den Ladentisch. Das<br />
sind statistisch 96 Artikel pro Person.<br />
Über den Gelben Sack gelangt ein<br />
Großteil ins Recycling – und in die Halle<br />
von Palurec, dem Arbeitsplatz von<br />
Alois Lazar. Der Maschinenführer ist<br />
einer von rund 30 Mitarbeitenden des<br />
Unternehmens. Bevor er den Bereich<br />
rund um die Anlage betritt, greift er<br />
erst mal zu seinen Ohrschützern. Denn<br />
in der Halle im Werksteil Hürth ist es<br />
laut, sehr laut. Mehr als 90 Dezibel verursacht<br />
die Anlage, das ist ungefähr so,<br />
als führe ein Motorrad oder Schwerlaster<br />
vorbei. Seine „Micky Mäuse“ sind<br />
daher keine einfachen Ohrschützer,<br />
sondern komfortable High-Tech-Geräte,<br />
mit denen er auch mit seinen<br />
Schichtkollegen kommunizieren kann.<br />
„Das ist wichtig, denn bei den vielen<br />
unterschiedlichen Maschinen müssen<br />
wir die kritischen Punkte, wie den<br />
Wasserstand in der Waschlinie oder<br />
die Menge an Material, immer im Auge<br />
Früher Getränkekartonfolie, heute<br />
Eimer oder Kunststoffpalette<br />
Prosper durch Phosphor<br />
1951 genehmigen die Westalliierten den Bau eines Phosphor-Ofens<br />
mit einer Leistung von zehn Megawatt: Start der erfolgreichen<br />
Phosphorchemie in Knapsack, Basis des Knapsacker Wirtschaftswunders.<br />
Neben elementarem Phosphor und Phosphorsäure ist<br />
hauptsächlich das daraus produzierte Natriumtripolyphosphat<br />
das Wundermittel: Als Grundstoff der Waschmittelindustrie<br />
generiert es hohe Wertschöpfung. Aber auch viele weitere<br />
innovative Folgeprodukte wie Flammschutzmittel, Öladditive auf<br />
Phosphorbasis, die bis heute in Knapsack hergestellt werden,<br />
stärken die hohe Wirtschaftskraft des Standortes. Durch den<br />
Einzug der Petrochemie in den 1960er Jahren entstehen<br />
weitere Kunststoffproduktionen wie Polyethylen- und Polypropylen-Produktionsanlagen.<br />
behalten, damit es nicht zu Störungen<br />
kommt“, so Lazar. „Dazu braucht man<br />
Erfahrung, sonst erkennt man die Zeichen<br />
zu spät und kann nicht rechtzeitig<br />
reagieren.“ Doch das ist nötig, wenn<br />
sie das Produktionsziel von rund 300<br />
Tonnen pro Woche erreichen wollen.<br />
Lazar ist seit 2021 dabei und damit<br />
Mitarbeiter der ersten Stunde. Er<br />
kennt die Anlage wie seine Westentasche.<br />
Mit seinen drei Kollegen auf<br />
der Schicht wechseln sie sich täglich<br />
bei der Steuerung und Kontrolle<br />
von Wasservorbereitung, Schredder,<br />
Wasch linie und Extruderverfahren ab.<br />
„Diese Abwechslung macht mir Spaß –<br />
und die Arbeit mit den Kollegen.“<br />
| 25
Drei Mythen<br />
... über Getränkekarton, Glasflasche und Co.<br />
Milch ist in Glasflaschen<br />
besser aufgehoben.<br />
Richtig ist: Schon nach kurzer Zeit<br />
verändert das LED-Licht von Supermarktkühltheken<br />
den Gehalt an<br />
Vitamin A und B2 bei Milch in Glasflaschen.<br />
Bei Vitamin B2 kann schon<br />
eine halbe Stunde reichen, um fast<br />
30 Prozent des Vitamins zu zerstören.<br />
Das zeigt eine Studie „Milk:<br />
Light exposure and depletion of<br />
key nutrients“ der University of<br />
Newcastle. Lichtgeschützt behält<br />
die Milch dagegen ihre Vitamine<br />
auch auf Dauer weitgehend.<br />
Mehrwegflaschen sind<br />
umweltschonender.<br />
In Sachen Verringerung der Treibhausgasemissionen<br />
hat ein Getränkekarton<br />
gegenüber Plastik- und<br />
Glasmehrwegflaschen die Nase vorn.<br />
Auf 1.000 Liter Fruchtsaft gerechnet<br />
verursachen Einweg-PET-Flaschen<br />
rund 161 kg CO 2 ,<br />
die Mehrweg-Glasflaschen<br />
etwa 97 kg und Getränkekartons<br />
knapp 54 kg.<br />
Die meisten Getränkekartons<br />
werden sowieso verbrannt.<br />
Mülltrennung lohnt sich. Denn über<br />
90 Prozent eines Getränkekartons<br />
lassen sich recyceln – aber nur<br />
bei richtiger Entsorgung. Je mehr<br />
Getränkekartons also im Gelben<br />
Sack landen, desto mehr Rohstoffe<br />
werden wiederverwendet.<br />
SO FUNKTIONIERT DER PROZESS<br />
Alles beginnt mit den Getränkekartonresten.<br />
Die rund eine Tonne schweren<br />
Ballen lagern außerhalb der Halle und<br />
kommen aus einer Dürener Papierfabrik.<br />
Sie hat bereits einen Großteil des<br />
Papiers aus den Getränkekartons herausgewaschen.<br />
Palurec trennt nun die<br />
Reste in Kunststoffe, Aluminium und<br />
Papier auf. Dazu nutzen Lazar und<br />
seine Kollegen neben Druck und Luft<br />
ausschließlich Wasser. Rund 30 Kubikmeter<br />
sind dafür nötig. „Dank Reinigung<br />
und Rückführung müssen wir<br />
jedoch nur 10 Prozent als Frischwasser<br />
zuführen“, sagt Andreas Henn, der die<br />
Palurec-Anlage im Chemiepark leitet.<br />
Mit Hürth kommt<br />
die Chlorchemie<br />
1960 kauft Farbwerke MLB AG den ausgekohlten<br />
Braunkohletagebau „Hürtherberg“, Voraussetzung<br />
für die Erschließung des Werksteils Hürth. Die<br />
Betriebsfläche wächst von bisher 60 Hektar auf<br />
160 Hektar.<br />
Rund eine Tonne Getränkekartonreste<br />
auf den Weg in den Schredder<br />
1962 geht als erste Produktion in Hürth die Chlorelektrolyse<br />
mit den Produkten Chlor, Natronlauge<br />
und Wasserstoff an den Start und bildet damit die<br />
Basis für den Ausbau der erfolgreichen Chlorchemie<br />
mit Ethylendirektchlorierung, Oxi chlorierung,<br />
Vinylchlorid und Polyvinylchlorid. Außerdem gewährleistet<br />
sie die Versorgung der wichtigen Monochloressigsäureanlage.<br />
26 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
ZERKLEINERN, WASCHEN,<br />
TRENNEN, SCHMELZEN<br />
In einem ersten Schritt zerkleinert<br />
ein riesiger Schredder den Ballen und<br />
fördert die Schnipsel über ein Förderband<br />
in eine Friktionswäsche. „In der<br />
Wäsche lösen sich Papierfaserreste,<br />
Aluminium und sonstige Anhaftungen<br />
von den Folien, größere Aluminiumfolien<br />
sinken zu Boden, die PE-Folien<br />
schwimmen oben“, so Henn weiter.<br />
Nach einer zweiten Wäsche werden<br />
die feinen Aluminiumbestandteile ausgewaschen<br />
und in einem Hydrozyklon<br />
abgeschieden. Danach folgt die Trocknung<br />
der Folien und Kappen in zwei<br />
Zentrifugen bei mehr als 1.000 Umdrehungen<br />
pro Minute. In einem so genannten<br />
Windsichter fallen die schwereren<br />
Deckel danach nach unten, die<br />
Folien bleiben durch den Luftstrom<br />
oben. Die Kappen gehen danach zu<br />
Weiterverarbeitern. Die Folien schmelzen<br />
Lazar und seine Kollegen in einem<br />
Extruder auf, pressen sie in feine<br />
Kunststoffstränge, schneiden sie und<br />
kühlen sie im Wasser ab. Henn: „Wir<br />
sorgen damit dafür, dass viele wertvolle<br />
Rohstoffe wieder für neue Produkte<br />
zur Verfügung stehen.“<br />
Hoechst voran mit<br />
Pflanzenschutzmitteln<br />
Das Aluminium kann nach der Aufbereitung<br />
bei einem Spezialunternehmen<br />
unter anderem Gussteilen beigemischt<br />
werden. Der Kunststoff findet<br />
sich später beispielsweise in Tanks, Kanistern<br />
oder Rohren wieder. Also zwar<br />
nicht in den Ohrschützern von Lazar,<br />
aber in seinem Wassereimer.<br />
ÜBER PALUREC<br />
Palurec wurde 2017 vom Fachverband<br />
Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel<br />
e. V. (FKN) gegründet. Ihm<br />
gehören Tetra Pak, SIG und Elopak<br />
an. Sie produzieren 95 Prozent aller<br />
Getränkekartons. Etwa ein Drittel bis<br />
Übringens …<br />
Die Sortieranlagen der<br />
Recyclingunternehmen<br />
erkennen einen Getränkekarton<br />
an der PE-Folie über<br />
dem Karton. Eine gefüllte<br />
Packung Papiertaschentücher<br />
würde die Anlage<br />
daher ebenfalls für einen<br />
Getränkekarton halten.<br />
Doch sie hat im Gelben<br />
Sack ohnehin nichts<br />
zu suchen.<br />
Wir haben noch ein weiteres<br />
gutes Bild mit Person - ggf.<br />
ergänzen oder tauschen<br />
Alois Lazar an der Anlage<br />
die Hälfte aller Getränkekartons in<br />
Deutschland landen bei Palurec, den<br />
Rest soll eine neue Anlage in Dessau<br />
übernehmen, die im Mai <strong>2024</strong> in Betrieb<br />
gegangen ist.<br />
DER GETRÄNKEKARTON<br />
Ein Getränkekarton besteht aus drei<br />
Komponenten: Etwa 70 bis 80 Prozent<br />
entfallen auf Papier aus FSC-zertifizierter<br />
Herkunft, 20 bis 25 Prozent auf<br />
Polyethylen (PE) und bis zu fünf Prozent<br />
auf Aluminium. Der Kunststoff PE<br />
macht die Packung dicht. Aluminium<br />
verhindert, dass Licht und Sauerstoff<br />
das Füllgut beeinträchtigen. Dabei ist<br />
die Alu-Folie mit vier bis fünf Mikrometern<br />
dünner als ein Menschenhaar<br />
und wird nur bei Verpackungen für<br />
haltbare Produkte eingesetzt.<br />
Im Zuge der Umbenennung der Farbwerke Hoechst in<br />
Hoechst AG 1974 wird die Knapsack AG zur Hoechst<br />
AG Werk Knapsack. Ende der 1970er Jahre entsteht<br />
die erste Produktionsanlage für Pflanzenschutzmittel,<br />
gefolgt von den Pflanzenschutzmittel-Anlagen 2 und 3<br />
in den 1980er Jahren. Ihre Kapazitäten werden in den<br />
Folge jahren erhöht. Um die Produktionsmenge der<br />
Pflanzenschutzmittel-Anlagen zu vervielfachen, werden<br />
die Produktionsanlagen 4 und 5 gebaut.<br />
Der Pflanzenschutzmittelbetrieb<br />
im<br />
Werksteil Hürth<br />
in seiner ersten<br />
Ausbaustufe 1978<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 27
„Würde ich dasselbe<br />
nochmal machen? Ja!“<br />
Pablo Lopez leitet seit Mitte 2011 das Rhein-Erft Kolleg.<br />
Ende August wechselt er in den Ruhestand.<br />
E<br />
r trägt die dunkelblaue<br />
REA-Sweatjacke und ein Lächeln.<br />
Den Gang hinunter<br />
kommt Pablo Lopez. Mit Schwung öffnet<br />
er die Tür zu seinem Büro und gesteht<br />
gleich nach der Begrüßung: „Über<br />
konkrete Pläne für die Zeit nach meinem<br />
Abschied vom Berufskolleg habe<br />
ich mir bisher nur wenige Gedanken<br />
gemacht. Sicher ist nur, dass ich nicht<br />
Zuhause rumsitzen werde!“<br />
VERSUCH MACHT KLUG<br />
Lopez ist Ingenieur für Elektrotechnik.<br />
20 Jahre lang war er weltweit für ein<br />
Unternehmen im Einsatz, anschließend<br />
Abteilungs- und Bereichsleiter für<br />
eine Firma, die dann aber Insolvenz anmeldete.<br />
Der heute 64-Jährige erzählt:<br />
„Jobangebote hatte ich anschließend<br />
in Süddeutschland, meine Frau und<br />
ich sind jedoch in NRW verwurzelt<br />
und wollten bleiben.“ Eine weitere Zukunftsoption<br />
tat sich auf, als er erfuhr,<br />
dass Quereinsteiger*innen für den<br />
Schuldienst gesucht wurden. „Ich dachte<br />
mir: ‚Einen Versuch ist es wert‘.“ Beim<br />
Goldenberg Europakolleg absolvierte<br />
er das zweite Staatsexamen in Mathematik<br />
und Elektrotechnik und war anschließend<br />
als Dozent tätig. Während<br />
einer Ausbildungsbörse kam es zu einem<br />
ersten Kontakt mit der Rhein-Erft<br />
Akademie (REA). So ergab sich eine<br />
weitere Lehrtätigkeit und schließlich<br />
das Angebot, die Schulleitung des noch<br />
jungen Rhein-Erft Kollegs zu übernehmen.<br />
Heute sagt Lopez: „Im Nachhinein<br />
denke ich, so sollte es sein, denn die<br />
Zeit der Unsicherheit eröffnete mir den<br />
Weg, Schulleiter zu werden. Die Entscheidung<br />
zu lehren, war für mich die<br />
absolut richtige.“<br />
RÜCKBLICK<br />
Wenn Lopez über das Rhein-Erft Kolleg<br />
spricht, betont er das sehr gute Miteinander<br />
auf Augenhöhe und den gegenseitigen<br />
Respekt, sowohl im Kollegium<br />
als auch mit den Azubis und den Betrieben.<br />
Diese Art des Umgangs – da ist<br />
er sich sicher – bildet die Grundlage für<br />
einen großen Zusammenhalt und für<br />
die Zufriedenheit aller. Er ist froh, dass<br />
er erleben und mitgestalten konnte,<br />
wie die Schule wuchs. Die Zahl der<br />
Schüler*innen stieg von 69 in seiner<br />
Anfangszeit auf heute rund 500. Die<br />
Bildungsgänge haben sich weiterentwickelt,<br />
einige sind dazugekommen, zuletzt<br />
der Land- und Baumaschinenmechatroniker.<br />
„Wir sind klein genug, dass<br />
Ausbilder*innen und Lehrer*innen sich<br />
kennen. Das hatte und hat den Vorteil,<br />
dass wir immer im Austausch sein und<br />
die Ausbildung an die Erfordernisse im<br />
jeweiligen Betrieb anpassen können“,<br />
erklärt er. Und was sind im Rückblick<br />
seine persönlichen Highlights im Berufsalltag?<br />
Er muss nicht lange überlegen:<br />
Menschen, die er als Azubis kennengelernt<br />
hat und später während der<br />
Weiterbildung zum Meister in den Klassenräumen<br />
des Berufskollegs wiedertrifft.<br />
Es ist ihm Bestätigung und Freude,<br />
wenn sie ‚seiner‘ Schule treu bleiben.<br />
AUSBLICK<br />
„Wehmütig werde ich im Spätsommer<br />
sicher sein. Ich stelle mir vor, wie es ist,<br />
morgens aufzuwachen und mich zu<br />
fragen, was jetzt in der REA ansteht“,<br />
sinniert Lopez. „Aber natürlich freue<br />
ich mich auch auf den neuen Lebensabschnitt.<br />
Auch wenn meine Gedanken<br />
noch nicht konkret sind, hab ich doch<br />
schon einige Ideen für den Ruhestand<br />
– und meine Frau auch!“ Gemeinsam<br />
mit ihr möchte er reisen, kochen, Zeit<br />
mit der Familie und insbesondere mit<br />
der zweijährigen Enkelin genießen. Fest<br />
steht für ihn außerdem: „Ich bin nicht<br />
ausgebrannt vom Schuljob, im Gegenteil!<br />
Ich habe immer noch Spaß daran<br />
und könnte mir vorstellen, weiterhin als<br />
Dozent zu arbeiten. Ich bin gespannt,<br />
was die Zukunft mir noch bringt!“<br />
Hallo Petro – tschüss Karbid und Phosphor!<br />
Der Einzug der Petrochemie übt einen enormen Konkurrenzdruck auf die Karbidproduktion und deren Nachfolgeprodukte<br />
aus. Zusätzlich belastet die 1981 erlassene Phosphathöchstmengen-Verordnung die Phosphorproduktion. Im Juni 1990<br />
wird der letzte Karbid-Ofen und 1992 der letzte Phosphor-Ofen abgestellt. Dies trifft rund 1.500 Mitarbeitende am Standort.<br />
Dieser Personalabbau erfolgt größtmöglich sozialverträglich, also überwiegend durch Frühpensionierungen.<br />
28 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
„Wir können<br />
Transformation!“<br />
KNAPSACKSPIEGEL sprach mit Pierre<br />
Kramer, Leiter Standortentwicklung<br />
im Chemiepark Knapsack, über die<br />
Ansiedlungsstrategie im Rahmen der<br />
CPK-Süderweiterung.<br />
INTERVIEW<br />
Pierre Kramer, die angestrebte Süderweiterung<br />
des Chemieparks Knapsack wird mit<br />
dem geplanten Bau eines Recyclingzentrums<br />
für Kunststoffabfälle mit einem Großprojekt<br />
zur Umsetzung gebracht. Dabei entsteht auf<br />
einem Gebiet von 16 Hektar ein neuer Werksteil<br />
mit eigenem Zugang.<br />
Pierre Kramer: Ja genau – es wird ein dritter<br />
Werksteil. Den nennen wir jetzt auch Chemiepark<br />
Knapsack Werksteil Hürth-Süd. Von den 16 Hektar<br />
dort sind drei Hektar YNCORIS Infrastruktur und<br />
13 Hektar Produktions- beziehungsweise Nutzfläche.<br />
Die Aufgabe der YNCORIS wird es sein,<br />
die Funktionalität für diesen Bereich vor allem<br />
im Hinblick auf Logistik und Energieversorgung<br />
herzustellen und zu gewährleisten.<br />
Der Standort Knapsack ist bereits ein<br />
erfolgreicher Recycling-Standort mit einer<br />
Recycling-Anlage für Getränkekartons, die<br />
seit April 2021 betrieben wird. Im Hinblick<br />
auf die Weiterentwicklung des Standorts<br />
in Richtung Kreislaufwirtschaft setzt sich<br />
etwas kontinuierlich fort.<br />
Auf jeden Fall. Auch wenn Getränkekartons und<br />
Kunststoffe zwei relativ unterschiedliche Recycling-Themen<br />
sind, so gibt es unserem Standort<br />
auf jeden Fall eine Expertise. Wir bekommen immer<br />
mehr Know-how für den ganzen Komplex des<br />
Recyclings und der verschiedenen Verbundstoffe.<br />
Der „Club“ schließt – Knapsack bleibt<br />
Zu den gravierendsten Veränderungen am Standort Knapsack<br />
zählt die Auflösung der Hoechst AG Mitte der 1990er Jahre: Der<br />
geschlossene Chemiestandort entwickelt sich zum erfolgreichen<br />
offenen Chemiepark. Neue Ansiedlungen und Produktionsanlagen<br />
stärkten den Standort, mit dem sich Mitarbeitende weiterhin<br />
identifizieren. Markante Beispiele sind die beiden hochmodernen<br />
Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke sowie das Ersatzbrennstoff-<br />
Kraftwerk mit der Produktion von „grünem“ Dampf und Strom. Die<br />
Erweiterung und Modernisierung der kompletten Chlorchemie von<br />
der Elektrolyse bis hin zum PVC ist fundamental für den Stoffverbund.<br />
Neue Produkte und Unternehmen ersetzen frühere Produktionen<br />
und tragen zur Weiterentwicklung des Standortes bei.<br />
Akt mit Symbolcharakter:<br />
1998 wird das Firmenlogo des<br />
Hoechst-Konzerns demontiert<br />
„Drehen Sie sich nicht um,<br />
denn da gibt es nichts mehr.“<br />
Prof. Dr. Horst-Dieter<br />
Schüddemage<br />
anlässlich der Zerschlagung<br />
der Hoechst AG<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 29
Der neue Werksteil Hürth-Süd ist sicher lich<br />
der entscheidende Baustein auf dem<br />
Transformations-Weg des CPK hin zur<br />
Kreislaufwirtschaft. Angefangen hat<br />
aber alles bereits mit dem Ersatzbrennstoffkraftwerk<br />
(EBKW).<br />
Richtig, denn es gibt am Ende immer etwas, was<br />
man nicht mehr recyceln kann, und das geht dann<br />
in die Verbrennung. Es ist natürlich perfekt, dass<br />
das EBKW auch hier vor Ort ist. Zumal dies eine<br />
ganz legitime Form der Energierückgewinnung<br />
ist. Damit schließt sich ein Kreislauf. Damals,<br />
2009, hat Knapsack mit der Ansiedlung des EBKW<br />
bereits sehr weitsichtig den Einstieg in das Thema<br />
Kreislaufwirtschaft vollzogen, um Abfälle entsprechend<br />
zu nutzen. Wir waren Vorreiter unter den<br />
Chemieparks, die Berührungsängste mit „neuen“<br />
Wertstoffen, sprich Abfällen, zu überwinden.<br />
Bereits vor 15 Jahren war die „Vision“, neuen Raum<br />
für eine Weiterentwicklung des CPK, für neue<br />
Technologien zu schaffen. Dann kam das Getränkekarton-Recycling<br />
und jetzt gehen wir mit dem<br />
Kunststoff-Recycling nochmal einen deutlichen<br />
Schritt weiter. Die Rädchen greifen immer mehr<br />
ineinander. Das zeigt: Wir können Transformation!<br />
Wenn Sie die vergangenen Jahre noch<br />
einmal Revue passieren lassen, wie lautet<br />
Ihr Zwischenfazit für die Standortplanung<br />
im Chemiepark Knapsack?<br />
Der Chemiepark Knapsack hat in dieser Zeit eine<br />
stetige positive Weiterentwicklung durch Erweiterungen<br />
und Neuanlagen, durch Standortfirmen<br />
und Neuansiedlungen erfahren. Dabei haben wir<br />
immer an die Idee einer Erweiterung geglaubt und<br />
mit Durchhaltevermögen viele Hürden überwunden,<br />
um die Fläche im neuen Werksteil Hürth-Süd<br />
nutzbar zu machen. Stichworte sind hierbei: Das<br />
umfangreiche Bebauungsplanverfahren, der Kauf<br />
der Fläche ohne konkreten Investor, die Vermarktung<br />
unter THE NEW KNAPSITE und schließlich<br />
die erfolgreiche Ansiedlung. Unser Plan war und<br />
ist es, Prozessanlagen anzusiedeln, die mit nachhaltigen<br />
Produktionen den Stoffverbund erhalten<br />
und die lokale Kreislaufwirtschaft stärken. Das<br />
Ziel ist noch nicht final erreicht, aber wir befinden<br />
uns auf einem großartigen Weg.<br />
„Knapsack, eine gefährliche Gegend, es<br />
war ein gefährlicher Fußweg nach Köln. Oft<br />
musste man auch zu Fuß zurück, denn nach<br />
Knapsack wollte keiner hin, selbst Taxifahrer<br />
nicht – nur mit dreifacher Gebühr.“<br />
Übrigens …<br />
Dr. Paul Wenzel<br />
von 1912 bis 1945 Chemiker der Stickstoff AG<br />
1997<br />
So sieht das Logo des Chemieparks<br />
Knapsack im Jahr 1997 aus.<br />
Damals startet auch der Vorläufer<br />
des KNAPSACKSPIEGELS unter<br />
dem Namen „Knapsack berichtet“.<br />
Foto: Sølve Sundsbø / The Royal Court.<br />
König unter Beschuss<br />
Helmut Weihers erinnert sich an den<br />
Besuch des norwegischen Königs Harald V<br />
zur Einweihung des Statkraft-Kraftwerks<br />
2007: „Dabei sorgte nicht der König selbst<br />
für Aufregung, sondern eher die mit dem<br />
Festakt beauftragte Agentur. Die hatte nämlich<br />
die Idee, Feuerwerkskörper in einem<br />
Festzelt zu entzünden, was zu einer immensen<br />
Rauchentwicklung führte und dazu,<br />
dass eine Rakete an einem fest gespannten<br />
Draht über den König hinwegzischte<br />
und die Ecke einer Zeltwand in Brand setzte.<br />
Der König trug es mit Fassung.“<br />
30 |<br />
KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>
„Die Menschen in Knapsack<br />
haben sich nie ausgeruht, sondern<br />
mit ihrem Innovationspotenzial<br />
immer maßgeblich beigetragen,<br />
den Standort in die Zukunft<br />
zu führen.“<br />
Christoph Kappenhagen<br />
YNCORIS