KnapsackSPIEGEL 3/2024

KNAPSACK<br />

SPIEGEL<br />

MAGAZIN 3 / <strong>2024</strong><br />

WILLKOMMEN<br />

WANDEL


Impressum<br />

Herausgeber: YNCORIS GmbH & Co. KG,<br />

Industriestr. 300, 50354 Hürth,<br />

Tel. 02233 48-6570, Fax 02233 48-946570,<br />

knapsackspiegel@yncoris.com,<br />

www.chemiepark-knapsack.de<br />

Handelsregister Köln: HRA 18732,<br />

UST-IdNr.: DE 812 134 801<br />

Redaktion: Thomas Kuhlow (verantwortlich),<br />

Benjamin Jochum, Günther Geisler, Janine Kuth,<br />

Leonie Sengelmann, Simone Nörling, Katja Sallewsky,<br />

Christiane Radwan, Dirk Rehberg, Britta Ressing,<br />

Peter Voigtmann, Helmut Weihers; sofern nicht anders<br />

angegeben, ist die Redaktion der Autor der Artikel<br />

Konzept / Gestaltung: Dipl.-Des. Carolin Wanner,<br />

Kommunikation YNCORIS<br />

Bildmaterial: Ralf Baumgarten, YNCORIS, Adobe Stock,<br />

Sølve Sundsbø / The Royal Court, FKN, Werner Bachem,<br />

Linda Dzida, Sebastian Gorissen, Alois Lazar, Simone<br />

Nörling, Katja Sallewsky, Helmut Weihers<br />

Druck: TheissenKopp GmbH, 40789 Monheim<br />

Druckauflage: 1.600 Exemplare<br />

Erscheinungsweise: zwei monatlich, Jahrgang <strong>2024</strong><br />

© YNCORIS GmbH & Co. KG Nachdruck und Weiterverbreitung<br />

in allen Medien und Onlinediensten nur<br />

mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Illustrationen keine<br />

Gewähr.<br />

Druckprodukt<br />

CO₂ kompensiert<br />

klima-druck.de<br />

ID-Nr. 24176696<br />

3 / <strong>2024</strong><br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

manchmal muss es einfach besonders<br />

sein, so wie diese eine Ausgabe, die<br />

eigentlich zwei ist. Zum einen erzählt<br />

sie die über 100-jährige bewegte<br />

Geschichte des Chemieparks, während der immer<br />

wieder Meilensteine richtungsweisende Veränderungen<br />

markierten. Eine Geschichte, die von einem<br />

Gestaltungswillen geprägt ist, der sich heute im<br />

geplanten Werksteil Hürth-Süd mit dem integrierten<br />

Recycling- und Weiterverarbeitungszentrum für<br />

Kunststoffe fortsetzt.<br />

Zum anderen legt diese Ausgabe den Fokus auf<br />

all die, die diese Geschichte des Wandels mit Leben<br />

füllen. Von Anfang an bis heute. „Uns sind die<br />

Menschen wichtig“ titelten wir im Frühling 2019 und<br />

meinten damit den Dialog mit der Nachbarschaft.<br />

Damit meinen wir aber auch die Wertschätzung für<br />

die Menschen im Chemiepark. In dieser Ausgabe<br />

haben wir viele davon aus vielen Jahrzehnten ins<br />

Bild gesetzt. Meilensteine setzen ist das eine, sie zu<br />

stemmen das andere. Ohne die Mitarbeitenden keine<br />

Bewegung, kein Wandel. Wir alle sind Knapsack:<br />

eine Familie, die sich schon seit Generationen mit<br />

dem Standort verbunden fühlt, ein Betriebsrat,<br />

der für seine Leute einsteht, ein Iraner, der seine<br />

Heimat für einen Job in der Leverkusener Werkstatt<br />

verlässt oder ein Maschinenführer, der maßgeblich<br />

daran beteiligt ist, dass Tonnen von Getränkekartons<br />

recycelt werden. Ein neuer Standortleiter oder ein<br />

Schulleiter, der auch nach Jahren im Dienst fürs<br />

Lehren brennt. Menschen wandeln und Wandel<br />

menschelt. Viel Vergnügen beim Lesen und Schauen!<br />

Benjamin Jochum, Leonie Sengelmann<br />

und Thomas Kuhlow<br />

Kommunikation Chemiepark Knapsack<br />

Titelbild und Rückseite: Ralf Baumgarten<br />

Und so machen wir es redaktionell<br />

diesmal auch anders: Die Geschichte<br />

der Standortentwicklung zieht sich<br />

im unteren grünen Bereich der Seiten<br />

durch das gesamte Heft.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong><br />

| 3


INHALT<br />

06<br />

06 Op de Chemische: vier<br />

Generationen in Knapsack<br />

09 Wir für euch: Betriebsversammlung<br />

bei Clariant<br />

10 Aus dem Iran zu YNCORIS:<br />

Esmaeil Mamdouhirokhi<br />

13 Werkfeuerwehr: Blick auf<br />

14 gemeinsame Jahre<br />

14 Das Berli: Es lebe das Kino<br />

16 Hidden Places – Orte erzählen<br />

Geschichten: das Feierabendhaus<br />

20 Nachrichten: damals & heute,<br />

Ankündigungen & Termine<br />

22 Neu im Chemiepark: Dr. Klaus<br />

Mattes von LyondellBasell<br />

25 Nachhaltigkeit konkret:<br />

Getränkekartonrecycling<br />

bei Palurec<br />

28 Schulschluss: Pablo Lopez,<br />

Leiter des Rhein-Erft Kollegs,<br />

geht in Rente<br />

29 Wandlungsfähigkeit:<br />

Pierre Kramer über<br />

den Standort Knapsack<br />

Kontinuität im Wandel<br />

Veränderung – das können wir! Dies zeigt die Standortgeschichte<br />

der letzten 100 Jahre. Helmut Weihers gab in seinem Vortrag am<br />

23. April <strong>2024</strong> im Feierabendhaus Einblicke in den spannungsreichen<br />

Wandel der Produktionsstätte Knapsack. Und dieser<br />

lässt sich nur im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext verstehen.<br />

Klar wird auch: Die Anforderung an Arbeiternehmer*innen und<br />

Arbeitgeber*innen, um- und neu zu denken, ist alles andere als neu;<br />

sie ist das Lebenselixier des Standortes.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


09<br />

29<br />

28<br />

16<br />

25<br />

14<br />

10<br />

Dünger tut not und soll Not lindern<br />

Karg fallen die Ernten des 19. Jahrhunderts aus und vermögen<br />

kaum, die Menschen zu ernähren. Zudem verdoppelt sich die<br />

Bevölkerung von 1850 bis 1910 in Deutschland nahezu. Angst<br />

vor einer Hungersnot bestimmt die Zeit. Ernteerträge sind<br />

nicht ohne Düngung steigerbar. Organische Dünger sind rar<br />

und werden importiert (Chilesalpeter). Düngerherstellung ist<br />

die Strategie, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern.<br />

Gleichzeitig kommt die industrielle Revolution in Fahrt: Menschen<br />

wandern aus der Landwirtschaft ab in die Industrie. Mit Aufständen<br />

und Revolten kämpfen Arbeiter*innen für ihre soziale<br />

Existenz, die ersten Arbeitervereine und Gewerkschaften<br />

entstehen. Das ist die Situation vor Gründung des Standortes<br />

Knapsack.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


„OP DE CHEMISCHE“<br />

Ein Blick auf vier Generationen in Knapsack<br />

Mit seinem charakteristischen Bart ist Werner Bachem aus<br />

dem Business und Sales Management von YNCORIS seit<br />

langem im Chemiepark bekannt. Dass auch seine Tochter,<br />

Linda Dzida, im Unternehmen arbeitet, wissen viele nicht.<br />

Beide bilden die dritte und vierte Generation ihrer Familie<br />

auf dem Knapsacker Hügel. Privat ist die Arbeit jedoch<br />

selten Thema, denn die beiden verbindet mehrere<br />

gemeinsame Hobbies.<br />

Michael Bachem (rechts) verabschiedet mit<br />

Kollegen den Eisenbahnwagen „Kunigunde“<br />

Werner Meie mit seiner Frau<br />

D<br />

ass Werner Bachem und Linda<br />

Dzida Vater und Tochter<br />

sind, sorgt immer wieder für<br />

Überraschung bei den Kolleg*innen.<br />

Denn die Familienbande lassen sich<br />

auf den ersten Blick nicht erkennen:<br />

ein anderer Name, keine auffallende<br />

äußerliche Ähnlichkeit. „Eigentlich<br />

fast ein bisschen schade, dass wir das<br />

‚Geheimnis‘ nun lüften“, sagt Bachem.<br />

Die beiden gehören zu den Mitarbeitenden<br />

in Knapsack, die auf eine lange<br />

Familientradition vor Ort zurückblicken<br />

können. Mit Dzida arbeitet die vierte<br />

Generation auf dem Hügel. Gab es da<br />

einen gewissen Druck, in die Fußstapfen<br />

der Generation davor zu treten?<br />

„Gar nicht“, sagt Bachem. „Meine Eltern<br />

sind sehr offen. Ausschlaggebend<br />

war eher der Beruf und ein attraktiver<br />

Arbeitgeber rund um Erftstadt.“<br />

Ähnlich sieht es sein Vater, Michael<br />

Bachem: „Wir haben über alles gesprochen,<br />

aber Ratschläge habe ich keine<br />

gegeben. Schließlich muss jeder seinen<br />

eigenen Weg gehen.“ Auch Dzida zog es<br />

erstmal weg aus dem Rhein-Erft-Kreis.<br />

„Dass ich jetzt im Chemiepark arbeite,<br />

liegt eher daran, dass ich wieder näher<br />

bei meiner Familie wohnen und arbeiten<br />

wollte.“ Die Welt ist klein – auch in<br />

Knapsack: Dzidas erster Vorgesetzter<br />

2011 im Auftragsservice war ein ehemaliger<br />

Kollege ihres Vaters.<br />

DEINE WELT, MEINE WELT<br />

Während Großvater Michael sich regelmäßig<br />

zum Mittagessen mit seinem<br />

Vater traf, sahen sich Michael und Werner<br />

eher selten. „Die organische und<br />

die anorganische Werkstatt lagen damals<br />

in unterschiedlichen Welten“, so<br />

Michael Bachem. Gerne erinnern sich<br />

beide aber an gemeinsame Stillstandsarbeiten,<br />

zum Beispiel in den Anlagen<br />

der heutigen Westlake Vinnolit.<br />

Standortkonkurrenz<br />

Westeregeln vs. Knapsack<br />

Die Konsolidierten Kaliwerke Westeregeln und die<br />

Metallgesellschaft Frankfurt am Main gründen 1904<br />

die Gesellschaft für Stickstoffdünger GmbH Westeregeln<br />

und unterhalten eine Versuchsfabrik in Westeregeln<br />

zur Herstellung von Kalkstickstoff. Schnell merkt man,<br />

6 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


Werner Bachem (rechts) während<br />

seiner Ausbildung 1983<br />

Die Familie<br />

Ähnlich läuft es bei Werner Bachem<br />

und seiner Tochter. Im normalen Berufsalltag<br />

haben sie eher wenig miteinander<br />

zu tun – abgesehen von einem<br />

gemeinsamen Kaffee hier und da.<br />

Die familiären Bande im Chemiepark<br />

schätzen sie trotzdem. Dzida: „Wenn<br />

wir mal Redebedarf haben, ist sofort<br />

ein großes Verständnis des anderen da.“<br />

Auch rein praktisch gibt es Vorteile –<br />

zum Beispiel beim Austausch von<br />

Sachen für den 6-jährigen Enkel.<br />

FAMILIENBANDE<br />

Michael Bachem sprach auch nach Feierabend<br />

häufig mit seinem Stiefvater<br />

und den Kollegen über die Arbeit: „Wir<br />

haben das gern gemacht.“ Die beiden<br />

nachfolgenden Generationen versuchen,<br />

das bei ihren häufigen privaten<br />

Treffen konsequent zu trennen. Denn<br />

auch so gibt es viel zu bereden: Bei beiden<br />

stehen die Familie, Wandern und<br />

Rennsport hoch im Kurs. Bachem: „Das<br />

24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring<br />

ist für uns eine Pflichtveranstaltung.<br />

Dorthin fahren wir mit allen, die<br />

noch mobil sind. Selbst der Enkel ist<br />

dabei – natürlich mit Ohrenschützern<br />

ausgerüstet.“<br />

Der Urgroßvater<br />

Schon Werner Meie arbeitete in Knapsack, erst am Karbidofen,<br />

dann beim Phospor. Er starb jung. Seinen Sohn<br />

Michael überzeugte er, sich auf dem Hügel zu bewerben.<br />

Kurze Zeit arbeiteten sie sogar an der Waage zusammen.<br />

Der Großvater<br />

Michael Bachem, heute 84 Jahre alt, fing nach seiner<br />

Ausbildung in Köln 1963 als Schlosser in der organischen<br />

Werkstatt an. Später arbeitete er bis zu seinem Ruhestand<br />

im Jahr 2000 in der Abwasserreinigung.<br />

Der Vater<br />

Werner Bachem startete nach seiner Ausbildung zum<br />

Betriebsschlosser zuerst bei Hoechst in der „Phosphor-<br />

Werkstatt“ – damals hieß das Werk auch einfach „op de<br />

Chemische“. Seit vielen Jahren ist er Sales Manager<br />

bei YNCORIS.<br />

Die Tochter<br />

Linda Dzida absolvierte ihre Ausbildung als Kauffrau für<br />

Bürokommunikation bei der Telekom. Mit dem Umzug in<br />

den Rhein-Erft-Kreis kam auch der Wunsch nach einem<br />

Arbeitsplatz in der Nähe. Bei ihrem Einstieg bei YNCORIS<br />

2011 kannte sie bereits einige Kolleg*innen. Seit 2019 ist<br />

sie dort als Sachbearbeiterin Energieanlagen im Standortbetrieb<br />

tätig.<br />

„Wir haben über alles gesprochen, aber<br />

Ratschläge habe ich keine gegeben.<br />

Schließlich muss jeder seinen eigenen<br />

Weg gehen.“<br />

Michael Bachem<br />

Linda Dzida und Werner Bachem beim<br />

Durchblättern von alten Fotoalben<br />

dass die Produktion der Ausgangsstoffe, wie Karbid,<br />

sehr energieintensiv ist und es deutlich wirtschaftlicher<br />

ist, die Produktion dorthin zu verlagern, wo günstige<br />

Vorkommen die Energiezufuhr sichern. Der Schlüssel<br />

dazu ist Braunkohle. Die Metallurgische Gesellschaft,<br />

eine Tochter der Metallgesellschaft, gründet dazu<br />

1906 die Deutsche Carbid AG Frankfurt am Main.<br />

Knapsack erweist sich als idealer Standort, da die üppigen<br />

Braunkohlevorkommen oberflächennah liegen,<br />

zum Teil nur fünf bis sechs Meter tief im Erdboden.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 7


Das Jubiläum von Michael<br />

Bachem (3. von links) im<br />

Keller unter der organischen<br />

Werkstatt des Gebäudes 0333.<br />

Heute unvorstellbar:<br />

Damals erhielt jeder Jubilar<br />

frühstücksbegleitend<br />

60 Liter Bier<br />

Bachem und Dzida verbindet ein weiteres<br />

Hobby: Wandern. Dabei laufen<br />

die beiden nicht einfach ein, zwei<br />

Stündchen durch Feld und Wald, sondern<br />

legen gemeinsam bis zu 50 Kilometer<br />

am Stück zurück. Während der<br />

Pandemie umwanderten sie unter anderem<br />

die Nordschleife des Nürburgrings,<br />

mit Steigungen bis zu 18 Prozent.<br />

Dann geht es morgens früh um vier<br />

Uhr oder auch mal nachts los. Im letzten<br />

Herbst haben die beiden alle Gipfel<br />

des Siebengebirges an einem Stück<br />

abgelaufen. „Sogar mit Umweg, denn<br />

wir hatten uns verquatscht und den<br />

Abzweig verpasst“, schmunzelt Dzida.<br />

„Wir können aber auch sehr gut nebeneinander<br />

schweigen.“<br />

„KNAPSACK IST AUCH FAMILIE“<br />

Familien, wie die Bachems, sind im<br />

Chemiepark selten. „Aber irgendwie<br />

war und ist Knapsack auch Familie“,<br />

sind sich Großvater, Vater und Tochter<br />

einig. „Das sieht man zum Beispiel im<br />

Karneval im Feierabendhaus“, meint<br />

Werner Bachem. „Wir besuchen ihn<br />

jetzt schon seit mehr als 25 Jahren mit<br />

mindestens zwei Generationen und<br />

treffen dort immer alte Freunde und<br />

langjährige Kolleg*innen. Das ist fast<br />

wie bei einem großen Familientreffen.“<br />

Eine weitere Familientradition:<br />

Karneval im Feierabendhaus.<br />

Hier zusammen mit Werner Bachems<br />

Ehefrau Jutta<br />

„Aber irgendwie<br />

war und ist Knapsack<br />

auch Familie.“<br />

Die Bachem-Generationen Gemeinsame Leidenschaft von Werner<br />

Bachem und Linda Dzida: Langstreckenwandern.<br />

Start ist oft schon, wenn es<br />

draußen noch dunkel ist<br />

Knapsack macht Kohle, aber keinen Gewinn<br />

1900 gründen sieben „Braunkohle Gerechtsame“, Unternehmen<br />

mit Bergrecht zum Fördern von Braunkohle, die Vereinigte Ville.<br />

1901 beginnt der Tagebau und der Bau der Brikett fabrik, 1903<br />

erfolgt die Vereinigung mit Roddergrube. 1906 wird der Liefervertrag<br />

mit der Deutschen Carbid AG Frankfurt am Main geschlossen:<br />

Knapsack bezieht über 400.000 Tonnen Braunkohle pro Jahr. Ende<br />

1907 entsteht die erste Kalkstickstoff- und Karbidproduk tion in<br />

Knapsack. Die Braunkohle ist ein Trumpf für den Standort Knapsack<br />

in Konkurrenz zur Versuchs anlage in Westeregeln. Doch der Trumpf<br />

von Westeregeln besteht in langfristigen Abnahmeverträgen von<br />

hochpreisigem Karbid. Westeregeln erhält den Vorrang im Verkauf<br />

von Karbidprodukten, Produkte aus Knapsack dürfen nicht auf<br />

den Markt.<br />

Braunkohletagebau in der Nähe<br />

des Bertrams-Jagdweg 1903<br />

8 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


WIR<br />

FÜR EUCH<br />

Daniel Kopp, Marius Dickopf, Elke Huthmacher, Markus Holz,<br />

Georg Schmitz, Petra Rückert, Meinhard Tappert, Thomas Stutzke,<br />

Reiner Wirsbitzki (v. l. n. r.) und Corc Öztas (nicht im Bild),<br />

machen sich im Betriebsrat stark für alle Kolleg*innen<br />

Der Betriebsrat von Clariant lud ins Feierabendhaus zur Betriebsversammlung<br />

A<br />

nfang Mai kamen die Mitarbeitenden<br />

von Clariant<br />

zusammen, um die Berichte<br />

von Betriebsrat, Standortleitung,<br />

Human Resources und IGBCE zu<br />

hören. Im Fokus stand jedoch vor allem<br />

der weitreichende Stellenabbau<br />

am Standort. So erläuterte Betriebsratsvorsitzender<br />

Reiner Wirsbitzki<br />

einige geschlossene Betriebsvereinbarungen<br />

sowie Aktivitäten in der<br />

Ausbildung und berichtete aus dem<br />

Tagesgeschäft, um dann zu dem Thema<br />

zu kommen, das alle bewegt.<br />

SOZIALVERTRÄGLICH UND<br />

MIT BLICK AUF DIE ZUKUNFT<br />

Die vergangenen Monate bei Clariant<br />

waren alles andere als einfach. Kurzarbeit<br />

seit September, dann Ende März<br />

dieses Jahres deren Beendigung, gefolgt<br />

von der unternehmerischen Entscheidung,<br />

Arbeitsplätze in Knapsack<br />

abzubauen. „Dieser Stellenabbau bedeutet<br />

eine schmerzhafte Schwächung<br />

des Standortes, sowohl was Manpower<br />

angeht, als auch bezüglich des Knowhows<br />

und Spezialwissens, das wir<br />

verlieren“, erklärte der Betriebsratsvorsitzende.<br />

Das Gremium erarbeitete<br />

gemeinsam mit Standortleitung und<br />

Human Resources einen Interessenausgleich,<br />

der sowohl den sozialverträglichen<br />

Stellenabbau in Form eines<br />

Freiwilligenprogramms beinhaltet<br />

als auch die Zukunftssicherung des<br />

„Mit der Sicherung der Ausbildung<br />

halten wir Kurs auf die Zukunft,<br />

denn die Zukunft der Azubis ist auch<br />

die des Standortes!“<br />

Reiner Wirsbitzki<br />

Standortes. Alle neuen Zielstrukturen<br />

sind vereinbart und werden in den<br />

nächsten Wochen und Monaten umgesetzt.<br />

Weiterhin wurde verhandelt,<br />

dass alle Azubis mit entsprechender<br />

Leistung unbefristet übernommen<br />

und weiterhin in unverminderter Zahl<br />

junge Menschen ausgebildet werden.<br />

KOMMUNIKATION UND<br />

TRANSPARENZ<br />

Standortleiter Dr. Tobias Haderer sprach<br />

über die Ergebnisse im Konzern und<br />

der Business Unit Adsorbents & Additive<br />

im ersten Quartal. „Wir sehen eine<br />

anhaltende Entspannung, aber keine<br />

nennenswerte wirtschaftliche Erholung.<br />

An den mittelfristigen Zielen für<br />

2025 halten wir weithin fest“, erklärte er.<br />

„Die Produktionsmengen aller Betriebe<br />

im Jahr <strong>2024</strong> liegen leicht über Plan.<br />

Gegenläufig zur aktuellen Lage und<br />

mit Hilfe einiger Sondereffekte haben<br />

wir im PZP-Betrieb im März einen absoluten<br />

Produktionsrekord aufgestellt.<br />

Mein Dank geht an alle Mitarbeitenden.<br />

Nur durch Ihren Einsatz konnten wir<br />

diese Ergebnisse erzielen.“ Anschließend<br />

erläuterte er unter anderem die<br />

Ergebnisse und geplanten Aktionen zur<br />

Mitarbeiter-Umfrage „Our Voice“ und<br />

sprach über das Project Tethys, die Entwicklung<br />

eines neuen Abwasserkonzeptes<br />

für die Betriebe PV und DEPAL. Das<br />

vor kurzem veröffentlichte Projekt der<br />

LyondellBasell, den Bau eines integrierten<br />

Recyclingzentrums für Kunststoffabfälle<br />

am Standort Knapsack, nannte<br />

er „Chance und Zeichen für die Zukunft<br />

des Standortes“.<br />

Johannes Heyer, HR Senior Consultant,<br />

stellte ein Pilotprojekt in Deutschland<br />

vor, in dem mit neuen Bonusplänen<br />

Anreize für Leistung gesetzt<br />

werden sollen. Zudem ging er nochmals<br />

auf die Eckpunkte des Interessenausgleichs<br />

ein und beschrieb die der<br />

Restrukturierung folgenden Schritte,<br />

nämlich Ausschreibungen und Versetzungen,<br />

die erforderlich sind, um die<br />

geplante Zielstruktur der Abteilungen<br />

schnellstmöglich zu erreichen.<br />

Bevor zu Umtrunk und Gesprächen<br />

ins Foyer geladen wurde, gab es Gelegenheit,<br />

Fragen zu stellen und zu diskutieren.<br />

„Durch Kommunikation und<br />

Transparenz wollten und wollen wir<br />

allen Kolleg*innen Sicherheit geben.<br />

Ich denke, das ist uns gelungen“, resümierte<br />

Wirsbitzki im Rückblick auf die<br />

Betriebsversammlung und auf die letzten<br />

Monate und Wochen.<br />

Bildmaterial: Menganga – stock.adobe.com<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 9


„Ich habe eine Entscheidung<br />

getroffen – und die war gut!“<br />

Esmaeil Mamdouhirokhi arbeitet seit Sommer letzten Jahres<br />

bei YNCORIS in der Leverkusener Werkstatt. Er mag das Team,<br />

die Arbeit. Wegen des Jobs ist er an den Rhein gezogen und<br />

das nicht, wie vielleicht manch anderer, aus Essen oder aus dem<br />

Oberbergischen. Der 40-Jährige kommt aus Mashhad im Iran.<br />

S<br />

chon lange planten Mamdouhirokhi<br />

und seine Frau, nach<br />

Deutschland auszuwandern. In<br />

seiner Heimat arbeitete der studierte<br />

Ingenieur im Industriebereich. Den<br />

gemeinsamen Plan verfolgte er gezielt,<br />

lernte Deutsch, nutzte Netzwerke wie<br />

LinkedIn und andere Anbieter und<br />

stieß schließlich auf eine Stellenausschreibung<br />

von YNCORIS. „Ich konnte<br />

Deutsch auf B1-Niveau und hatte dann<br />

mehrere Vorstellungsgespräche per<br />

Teams. Das war ziemlich aufregend<br />

für mich“, erinnert er sich. Nach den<br />

Gesprächen war man sich einig und<br />

er bekam eine Zusage von YNCORIS<br />

und in der Folge eine Bestätigung von<br />

der Agentur für Arbeit. Mehrere Dokumente<br />

mussten er und seine Frau<br />

vorlegen, um schließlich das Visum<br />

und die Blaue Karte EU zu bekommen.<br />

Voraussetzung für die Karte sind ein<br />

Hochschulabschluss, ein Arbeitsvertrag<br />

und ein bestimmtes Mindestbruttogehalt.<br />

Sie ist ein Aufenthaltstitel für<br />

Akademiker*innen aus Nicht-EU-Ländern,<br />

die innerhalb der europäischen<br />

Gemeinschaft eine Arbeit aufnehmen.<br />

Zwischen der Ankunft in Deutschland<br />

und dem ersten Arbeitstag lagen für<br />

Mamdouhirokhi zwei Wochen. Nicht<br />

viel Zeit, um eine Wohnung zu finden,<br />

einzurichten und möglichst viele Behördengänge<br />

zu schaffen. „Wenn man<br />

in ein fremdes Land kommt, ist man wie<br />

„Gerne haben wir Esmaeil Mamdouhirokhi in unserem<br />

Team willkommen geheißen. Gerade in Zeiten des<br />

Fachkräftemangels freuen wir uns, dass er den<br />

beschwerlichen Weg auf sich genommen hat, seine<br />

Heimat zu verlassen, um nach Deutschland zu ziehen<br />

und bei uns zu arbeiten. Durch seine Erfahrung in<br />

unserem Fachbereich und die Motivation, die er<br />

täglich mitbringt, ist er ein echter Zugewinn für<br />

unser, im Durchschnitt, recht junges Team.“<br />

Bastian Schulze, Auftragskoordinator<br />

Aufzüge/Fördertechnik Leverkusen<br />

Karbid aus Knapsack führt<br />

1909 wird die Deutsche Carbid AG Frankfurt am Main überführt in die Aktien-<br />

Gesellschaft für Stickstoffdünger in Knapsack, Bez. Cöln a. Rh. Westeregeln wird<br />

geschlossen. Der vormalige Versuchsleiter von Westeregeln, Dr. Constantin Krauß,<br />

übernimmt 1910 die Geschäftsführung in Knapsack. Der Standort prosperiert<br />

und entwickelt zukunftsweisende technische Verbesserungen: 1911/12 wird die<br />

Karbid produktion in Knapsack mehr als verdoppelt.<br />

Der Karbidofen vom Typ<br />

Helfenstein<br />

10 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


ein Neugeborenes. Ein Cousin meiner<br />

Frau, der schon länger in Deutschland<br />

lebt, hat uns geholfen und wir hatten<br />

das große Glück, schnell eine Wohnung<br />

zu finden. Auch meine Kolleg*innen bei<br />

YNCORIS haben mich unterstützt. Das<br />

war toll!“ In der Werkstatt arbeitet er<br />

nun als Instandhaltungsfachkraft. Er<br />

schätzt wie abwechslungsreich seine<br />

Aufgaben sind. Geprüft, gewartet und<br />

repariert werden z. B. Krane, Aufzüge<br />

oder Hubwagen. Wenn es schwierig<br />

wird, arbeiten er und seine Kolleg*innen<br />

im Team zusammen und finden<br />

gemeinsam eine Lösung. Er sagt, er sei<br />

gerade sehr zufrieden und jeden Tag<br />

entwickele er sich in seinem Beruf weiter.<br />

Nur mit seinen Sprachkenntnissen<br />

hadert er (obwohl sein Team ihm dafür<br />

viel Respekt entgegenbringt).<br />

Was ihm an Deutschland gefällt?<br />

Die Antwort kommt schnell: „Das<br />

Wetter! Deutschland ist so ein grünes<br />

Land. Dort, wo ich herkomme, ist Regen<br />

selten und die Landschaft trocken<br />

und wüstenhaft.“ Außerdem die<br />

Deutschen, die er bisher durchweg als<br />

freundlich kennengelernt hat, die freie<br />

Meinungsäußerung, die vielen Brotsorten<br />

– und auch das Bier. Für die Zukunft<br />

wünscht er sich die Möglichkeit,<br />

sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln,<br />

Kinder zu bekommen und<br />

vielleicht Wohnungseigentum oder ein<br />

Haus zu erwerben. Den Menschen, die<br />

wie er in ein anderes Land ziehen, um<br />

dort zu arbeiten, rät er, die Sprache zu<br />

lernen und das Internet und Netzwerke<br />

zu nutzen, außerdem offen und flexibel<br />

zu sein. Er sagt: „Die Sprache ist<br />

entscheidend. Außerdem haben wir<br />

Glück gehabt, mit den freundlichen<br />

Menschen in unserem privaten und<br />

beruflichen Umfeld, die uns den Start<br />

so erleichtert haben!“<br />

Erster Weltkrieg – „Hoechste“ Zeit<br />

für rüstungsrelevanten Ausbau<br />

Auf staatliche Anordnung soll die Anlagenkapazität zur Produktion<br />

von Ammoniumhydroxid innerhalb eines Jahres um das Fünffache<br />

erweitert werden. Ammoniumhydroxid, allgemein bezeichnet<br />

als Ammoniakwasser oder Salmiakgeist, ist ein Vorprodukt für<br />

Sprengstoff.<br />

Der vom Staat dazu gewährte Kredit von 15 Mio. Goldmark muss von<br />

zwei Bürgen abgesichert werden. Dies übernehmen die Metallgesellschaft<br />

Frankfurt am Main und die Farbwerke vormals Meister,<br />

Lucius & Brüning AG. Aus den Farbwerken MLB AG entsteht später<br />

die Hoechst AG.<br />

Das 1912 erworbene neue<br />

Verwaltungsgebäude<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 11


Eine Erfolgsgeschichte<br />

Anna Beck, Human Resources YNCORIS, erzählt.<br />

Sie hat die Bewerbungsphase und die Einstellung<br />

von Esmail Mamdouhirokhi begleitet.<br />

INTERVIEW<br />

Frau Beck, Sie haben im September 2021 das erste<br />

Gespräch mit Herrn Mamdouhirokhi geführt.<br />

Zwei weitere folgten und seit Juli 2022 steht er<br />

unter Vertrag. Wie sind sie auf ihn aufmerksam<br />

geworden?<br />

Herr Mamdouhirokhi lebte damals noch im Iran und<br />

hat auf unsere Ausschreibung eine Online-Bewerbung<br />

geschickt. Die war für YNCORIS interessant und so traten<br />

wir per Teams mit ihm in Kontakt. Genauso wie die Situation<br />

für ihn außergewöhnlich war, war sie das für uns. Das<br />

Erstgespräch diente dazu, einen Eindruck zu gewinnen,<br />

ob Herr Mamdouhirokhi als potentieller Arbeitnehmer<br />

in Frage kommt. Und auch, um abzuschätzen, ob er weiß,<br />

worauf er sich einlässt, wenn er diesen großen Schritt geht<br />

und nach Deutschland auswandert für einen zunächst<br />

befristeten Vertrag.<br />

Wie lief die Kommunikation?<br />

Wir führten das Gespräch auf Deutsch, zum Teil auch mit<br />

„Händen und Füßen“. Um uns verständlich zu machen,<br />

in welchen Bereichen er im Iran arbeitete, teilte er seinen<br />

Bildschirm und zeigte uns Bilder von seiner damaligen Arbeitsstelle.<br />

Er war sehr gut vorbereitet, sehr gut informiert<br />

und klar in dem, was er wollte. Im zweiten Gespräch unterstützte<br />

uns dann Kollege Reza Vali, der iranische Wurzeln<br />

hat und das Gespräch über rechtliche Grundlagen, den<br />

Arbeitsvertrag usw. dolmetschte. Das war eine große Hilfe.<br />

Nachdem die Entscheidung gefallen war, was<br />

mussten Sie alles veranlassen und regeln? Sicher<br />

gab es auch die ein oder andere Hürde?<br />

Für das Visum benötigte Herr Mamdouhirokhi bestimmte<br />

Dokumente, wie den Arbeitsvertrag, um sie bei der Deutschen<br />

Botschaft im Iran vorzulegen. Es war schnell klar,<br />

dass der Postweg nicht möglich war. Aber die Ansprechpartner*innen<br />

in der Botschaft waren sehr kooperativ<br />

und akzeptierten PDFs, die wir per Mail schicken konnten.<br />

Auch die Mitarbeitenden der Agentur für Arbeit, bei der<br />

wir einen Antrag stellen mussten, um eine Vorabzustimmung<br />

zu erhalten, waren hilfsbereit. Normaler weise ist<br />

für die Einstellung bei YNCORIS außer dem eine gesundheitliche<br />

Untersuchung bei unserem werksärztlichen<br />

Dienst Voraussetzung. Das war nicht möglich. So schlossen<br />

wir den Arbeitsvertrag also unter Vorbehalt und<br />

Herr Mamdouhirokhi holte die Untersuchung dann in<br />

Deutschland nach.<br />

Wie hat das Unternehmen ihn in der ersten Zeit<br />

in Deutschland unterstützt? Haben Sie ihn auch<br />

persönlich kennengelernt?<br />

Wir haben z. B. einen Eilantrag für seine Steuernummer<br />

gestellt. Als er nach Knapsack kam, um den Vertrag im<br />

Original zu unterschreiben, hatten wir Gelegenheit, uns<br />

kennenzulernen, das war besonders. Ich hoffte sehr, dass<br />

er und wir die richtige Entscheidung getroffen hatten.<br />

Für ihn persönlich hing so viel davon ab. Heute kann ich<br />

sagen: Seine Einstellung war ein Erfolg. Die Kolleg*innen<br />

in Leverkusen äußern sich sehr positiv, er hat sich bestens<br />

ins Team integriert und sein Vertrag ist inzwischen in<br />

einen unbefristeten gewandelt worden.<br />

Ende des Ersten Weltkriegs ist die<br />

AG für Stickstoffdünger hochverschuldet.<br />

Was die Zukunft betrifft,<br />

bestehen unvereinbare strategische<br />

Differenzen zwischen der Metallgesellschaft<br />

und den Farbwerke<br />

MLB: Die Metallgesellschaft will<br />

in die Metallurgie investieren, die<br />

Farbwerke MLB AG in Chemie.<br />

Ein Arbeiter am Trockenvergaser<br />

im Acetylenbetrieb<br />

12 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


ZWEI BILDER –<br />

14 JAHRE<br />

WERKFEUERWEHR<br />

2010<br />

Der erste Tag für Sebastian Gorissen (links) als einer<br />

der ersten Auszubildenden zum Werkfeuerwehrmann<br />

im Chemiepark Knapsack. Er war damals mit Abstand<br />

einer der Jüngsten, Peter Blumenthal (rechts) schon<br />

ein gestandener Kollege mit viel Erfahrung. Gorissen<br />

musste sich zunächst den Respekt auf der Wache erarbeiten:<br />

„Da gab es keinen Raum für Diskussionen.“ Blumenthal<br />

nahm den Neuzugang unter seine Fittiche, sie<br />

teilten sich einen Ruheraum. Seitdem ist ihre Beziehung<br />

freundschaftlich und vertrauensvoll. „Mit Peter konnte<br />

ich schon immer auch private Themen besprechen und<br />

ihn um Rat fragen“, so Gorissen. „Wenn etwas wäre, egal<br />

ob beruflich oder privat, tags oder nachts, ich weiß, ich<br />

kann immer auf ihn zählen.“<br />

<strong>2024</strong><br />

Der letzte Tag für Peter Blumenthal vor seiner Rente. Der<br />

Gruppenführer, Rettungsassistent und Brandschutzbeauftragte<br />

bleibt der Werkfeuerwehr aber auch im Ruhestand<br />

erhalten. Denn er unterstützt die Kolleg*innen zukünftig<br />

bei Bedarf als Minijobber. Sebastian Gorissen ist heute nicht<br />

nur Einsatzleiter, sondern verantwortet auch den Dienstleistungssektor<br />

der Werkfeuerwehr. Dazu zählen beispielsweise<br />

die Werkstätten, in denen die Feuerwehr Atemschutzgeräte,<br />

Schläuche und Feuerlöscher prüft und instand setzt.<br />

Beide sind sich einig: In den letzten 14 Jahren hat sich viel<br />

getan – auch im Umgang miteinander. „So einen rücksichtsund<br />

respektvollen Umgang zwischen den Generationen wie<br />

heute gab es früher nicht“, sagt Blumenthal. Beide finden,<br />

dass es sich lohnt, Prozesse zu hinterfragen und Verbesserungen<br />

anzustoßen, aber auch zu akzeptieren, dass das Rad<br />

nicht immer neu erfunden werden muss. „Am Ende profitieren<br />

wir alle von diesem Austausch, ob frisch dabei oder<br />

Routinier.“<br />

Den ausführlichen Bericht über die<br />

beiden und die Veränderungen in<br />

der Werkfeuerwehr lesen Sie hier …<br />

Aus und weiter?<br />

Mit Chemie!<br />

1920 übernimmt die Farbwerke<br />

MLB AG alle Aktienanteile der<br />

Metallgesellschaft. Sie investiert<br />

sowohl in Organische Chemie<br />

als auch in Karbid und dessen<br />

Folgeprodukte.<br />

Auf Basis des aus Karbid gewonnenen<br />

Acetylens steigt die Farbwerke MLB<br />

AG in die Organische Produk tion in<br />

Knapsack ein. Sie errichtet Anlagen<br />

zur Produktion unter anderem von<br />

Acetylen, Acetaldehyd, Essigsäure,<br />

Essigsäureanhydrid und Aceton.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 13


EINE GESCHICHTE<br />

WIE IM KINO<br />

Über die Liebe zum Film, die Kraft der Gemeinschaft<br />

und die Hoffnung auf ein Happy End<br />

D<br />

er Plot könnte der eines neuen Leinwandhits sein:<br />

Ein traditionsreiches Kino in einem 3000-Seelen-Ort<br />

ist vom Aus bedroht. Der sympathische<br />

Besitzer, der das Familienunternehmen in vierter Generation<br />

führt, steht unter enormen Druck, verursacht durch<br />

eine Pandemie, gestiegene Kosten und die Konkurrenz<br />

der großen Streamingdienste. Doch dann kommt Unterstützung<br />

von Frauen und Männern, die kurzentschlossen<br />

einen Verein gründen, um den Kult(ur)ort zu retten …<br />

KEINE FIKTION, SONDERN REALITÄT<br />

André Jansen, Inhaber eines der letzten historischen<br />

Einsaal-Kinos im Rhein-Erft-Kreis, wäre froh, wenn es lediglich<br />

eine Filmstory wäre, doch es geht um das eigene<br />

Unternehmen. Als er Ende 2023 bekanntgab, dass er den<br />

Regelbetrieb im Berli in Hürth-Berrenrath zum Jahresanfang<br />

einstellen muss, war das auch für viele, die den<br />

nostal gischen Charme und das Programm dieses besonderen<br />

Kinos schätzen, eine schwarze Stunde.<br />

KLEINES JUWEL<br />

Bereits der Urgroßvater von Jansen verwandelte 1946 den<br />

ehemaligen Tanzsaal in Berrenrath in ein Kino. Ende der<br />

1950er Jahre eröffnete Großvater Otto das Berrenrather<br />

Lichtspielhaus an der Wendelinusstraße in dem aufgrund<br />

des Braunkohleabbaus umgesiedelten Ort. Heute<br />

sind Projektions- und Tontechnik auf modernstem Stand,<br />

die komfortablen Sitzplätze neu. Alles andere wurde behutsam<br />

restauriert und so besticht der Kinosaal als Original:<br />

die Wandbespannung, die Lampen, sogar die Notausgangbeleuchtung.<br />

Im Foyer ist noch das ursprüngliche<br />

Kassenhäuschen zu sehen, und auch der Vorraum zum<br />

Saal mit Originaltapete schickt die Gäste zurück in die<br />

50er. Die Kulisse im Berli ist außergewöhnlich und auch<br />

bei der Programmauswahl setzt Jansen den<br />

Akzent nicht nur auf Blockbuster, sondern<br />

auch auf Filme abseits des Mainstreams.<br />

1920er Jahre – Arbeiter auf Zunder<br />

Unruhen, Aufstände, Streiks gehören in den Anfängen der 1920er Jahre zur<br />

Tagesordnung. Der Betriebsstandort Knapsack verlegt seine Verwaltung aus<br />

Sicherheitsgründen von Knapsack nach Köln – aus Angst vor aufgebrachten<br />

Arbeitern, die möglicherweise die Verwaltung stürmen könnten.<br />

1925/26 sind Jahre des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs. Die<br />

kritische und kämpferische Haltung der Belegschaft trägt in den guten<br />

Jahren Früchte: Viele firmeninterne Sozialleistungen entstehen, wie die<br />

Beamten- und Arbeiterunterstützungskasse, Sterbekasse, Pensionskasse<br />

für Angestellte und die Stiftung für Genesungskuren erkrankter Arbeiterfrauen.<br />

Die Werksbelegschaft wird am Unternehmensgewinn beteiligt, Arbeiter<br />

erhalten eine Werkszulage als Altersversorgung.<br />

14 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


GROSSES KINO<br />

Das sollte nun also alles vorbei<br />

sein? Maria Rasmussen<br />

betreute mehr als 15 Jahre<br />

in ihrer Funktion als Leiterin<br />

Bürgerhaus und Löhrerhof bei der Stadt Hürth das<br />

Format „Der besondere Film“, eine Kooperation zwischen<br />

dem Heimat- und Kulturverein Hürth, der Stadt und dem<br />

Berli-Theater. Sie und einige andere Hürther*innen spielten<br />

schon seit vergangenem Sommer mit dem Gedanken,<br />

einen Verein zur Unterstützung des Kinos zu gründen.<br />

„Ende 2023 war dann klar: jetzt oder nie!“, erklärt sie.<br />

„Innerhalb von Tagen haben wir sieben Gründungsmitglieder<br />

es geschafft, den BerliKinoKlub aus der Taufe zu<br />

heben. Wir initiierten eine Matinee, um für unsere Sache,<br />

nämlich den Erhalt dieses Ortes der Kultur und des Miteinanders,<br />

zu werben und Mitglieder zu gewinnen.“ Großartig:<br />

Hundert Tage später zählten schon über hundert<br />

Menschen dazu. Erklärtes Ziel ist es, die Zahl mindestens<br />

zu verdoppeln.<br />

FILM AB<br />

Derzeit finden im Kino drei bis vier feste Kinovorstellungen<br />

im Monat sowie Konzerte und andere<br />

Events statt. Der BerliKinoKlub lädt jeden<br />

letzten Freitag im Monat zu Filmen und anderen<br />

Veranstaltungen ein. Auch der Lions-Club<br />

Hürth unterstützt die Kinokultur vor Ort alle<br />

zwei Monate mit einem Nachmittagsfilm. Mit<br />

einem Kontingent an kostenlosen Karten für Seniorenzentren<br />

und weitere Sozialpartner bietet<br />

das Lions-Film-Café älteren und beeinträchtigten<br />

Menschen die Gelegenheit zum Kinobesuch.<br />

„Das Berli ist Teil der Geschichte<br />

dieser Industrielandschaft und<br />

unserer Region.“<br />

Maria Rasmussen, BerliKinoKlub<br />

Zusätzlich laufen die Programme „Der besondere Film“<br />

und „Best of Cinema“, beides jeweils einmal im Monat. Die<br />

moderaten Eintrittspreise bei allen Vorführungen sollen<br />

vielen das Kinoerlebnis ermöglichen.<br />

ABSPANN<br />

„Wir sind hier gut vernetzt und so haben sich Stadt, Vereine,<br />

Kino, Bürger- und Bürgerinnen zusammengetan, um<br />

‚unser‘ Berli zu erhalten,“ erzählen Rasmussen und Jansen.<br />

Was sie sich für die Zukunft des Kinos wünschen?<br />

Unbedingt noch mehr Vereinsmitglieder, die finanziell<br />

unterstützen und gerne auch mit anpacken dürfen, vor<br />

Ort bei den Vorführungen oder im Hintergrund. Wieder<br />

ein Programm für Kinder und gerne eines für Frauen.<br />

Schön wäre es auch, wenn das Angebot der Weinstube<br />

und des Cafés „Foyer im Berli“ wieder ausgeweitet werden<br />

könnte. „Wenn es uns gelingt insgesamt 200 Vereinsmitglieder<br />

zu gewinnen, können wir darüber nachdenken,<br />

was möglich ist. Das wäre wunderbar.“<br />

Wer nun nicht nur auf ein Happy End hoffen, sondern<br />

teilhaben möchte, kann selbst dem Verein beitreten. Infos<br />

und Mitgliedsantrag unter: www.berli-huerth.de.<br />

Ansonsten gilt: Jeder Kinobesuch im Berli zählt und<br />

ist ein Erlebnis. Das aktuelle Programm gibt‘s ebenfalls<br />

unter der genannten Website.<br />

Illustrationen: ~ Bitter ~ – stock.adobe.com<br />

Der New Yorker Börsencrash<br />

im Oktober 1929 läutet die<br />

Weltwirtschaftskrise ein.<br />

Rundmacher nannte man<br />

seinerzeit die Dreher. Oft ging<br />

es in der Belegschaft rund<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 15


E<br />

s fühlt sich ein bisschen<br />

an wie eine Expedition.<br />

Im Gepäck eine Fotoausrüstung,<br />

Schreibblock und<br />

Stift, als „Guide“ Daniel Platen,<br />

der sich im Feierabendhaus auskennt<br />

wie kein anderer – außer<br />

seinem Vorgänger Jojo Ruth<br />

wie Platen anmerkt. Ein Hinabund<br />

Hinaufsteigen in die verborgenen<br />

Winkel des Feierabendhauses<br />

beginnt. Je länger<br />

die Tour dauert, desto mehr<br />

durchdringt die Vergangenheit<br />

die Gegenwart. Das Haus ist ein<br />

Zeitzeuge der Jahre seit 1957<br />

hier in Knapsack.<br />

16 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


Spieglein, Spieglein …<br />

Original-Schminktische, -Kleiderleiste und -Stühle bestücken die alten Garderoben. Heute ist die Stimmung hier<br />

nostalgisch, früher flirrte die Luft vom Lampenfieber. Künstler*innen nutzen heutzutage die beiden VIP-Garderoben<br />

im zweiten Untergeschoss. Sie bieten ihnen einen modernisierten Rückzugsort.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 17


Lange Jahre war<br />

Jojo Ruth für das<br />

Feierabendhaus<br />

verantwortlich.<br />

Keiner kennt das<br />

Gebäude und seine<br />

Geschichte(n) so<br />

wie er. Im Interview<br />

gibt er Einblicke:<br />

Der sogenannte Bananenraum<br />

trägt seinen Namen nicht etwa<br />

wegen der tropischen Temperaturen,<br />

die in ihm herrschen,<br />

sondern wegen seiner Form.<br />

Woher kommt’s? Der Grundriss<br />

folgt dem halbrunden Bühnenabschluss,<br />

der eine Etage höher<br />

über dem Raum verläuft. Das<br />

warme Klima erzeugt übrigens<br />

die Dampfleitung, die durch das<br />

Gebäude verlegt ist.<br />

Der alte Orchestergraben im großen<br />

Saal wurde geschlossen. Im Parkett auf der<br />

Bühne ließ sich einst eine Klappe öffnen, die<br />

hinunterführt. Hier flüsterte eine Souffleuse<br />

oder ein Souffleur die fehlenden Worte.<br />

In einem langen Flur reihen sich Kühl- und Lagerräume aneinander.<br />

Platen öffnet einen großen Raum mit rechteckigem Grundriss<br />

und einem Durchbruch: „Früher wurden in diesem Raum Kartoffeln<br />

und anderes Gemüse gelagert und verarbeitet. Im Nebenraum<br />

wurde sogar geschlachtet.“<br />

Die Erkundung führt durch weitere Lagerräume mit Original-Mobiliar<br />

aus den 50er- und 60er-Jahren, weitere Kühlräume, alte Waschräume,<br />

die ehemalige Hausmeisterwohnung. Vorbei und durch Gänge und<br />

Räume mit Servern, Apparaten, Geräten und Leitungen, die dafür<br />

sorgen, dass eine Etage darüber alles bestens läuft.<br />

18 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


Auf der alten Kegelbahn sucht man den Lichtschalter vergeblich.<br />

Hier rollen schon lange keine Kugeln mehr. Im Schein der Taschenlampen<br />

nackte Betonwände mit den letzten Resten der Wandvertäfelung<br />

und Brandspuren. Wie brach das Feuer aus? Platen zuckt<br />

mit den Schultern. Es gibt da so einige Geschichten. Am Ende der<br />

Bahn leuchten über dem Kegelstand ein paar gelbe Kegel, die dort<br />

vergessen im Stellautomaten hängen. Früher gab es einen direkten<br />

Zugang vom Knapsacktreff hier hinunter. Davon ahnt man oben<br />

nichts mehr.<br />

Der Casino-Trakt mit seinen diversen Räumen<br />

war ursprünglich den Führungskräften vorbehalten.<br />

Im Kaminzimmer, das heute noch am meisten<br />

Geschichte atmet, erinnern Porzellanstücke aus<br />

Höchst an die Frankfurter Verbindungen. In der<br />

traditionsreichen Höchster Porzellanmanufaktur –<br />

nach Meißen die zweitälteste im Land – wurde ab<br />

1965 unter Führung der Farbwerke Hoechst und<br />

einem Frankfurter Bankhaus der Betrieb wieder<br />

aufgenommen.<br />

D<br />

ie Tour endet – das ist keine Frage – im<br />

großen Saal. Noch am vergangenen Abend<br />

wurde hier gefeiert. „Später kommt der<br />

Putztrupp, der auch den Parkettboden aus den<br />

50er-Jahren bohnert“, sagt Platen. Der riesige Raum,<br />

der Nachklang von vielen Feiern und Versammlungen,<br />

Menschen, Geschichten. Ganz schön<br />

viel gesehen.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 19


Angela Merkel stand 2010 auf der<br />

Bühne im Feierabendhaus. Eine<br />

kleine, unscheinbare, heute als Lager<br />

genutzte Kammer, die verborgen<br />

daneben liegt, wurde seinerzeit als<br />

steriler OP-Raum für die damalige<br />

Kanzlerin eingerichtet. Um im Fall<br />

der Fälle schnell handeln zu können.<br />

Wie sieht’s denn hier<br />

aus? – Die Tour durchs<br />

Feierabendhaus geht<br />

weiter unter:<br />

Termine<br />

29.08.<strong>2024</strong>, ab 15 Uhr<br />

After Work: Grill & Chill<br />

06.09.<strong>2024</strong><br />

Meine Position ist spitze<br />

12.09.<strong>2024</strong>, ab 11 Uhr<br />

Landesweiter Sirenentest<br />

25.09.<strong>2024</strong><br />

B2Run in Köln<br />

So klangen<br />

die Nachrichten<br />

damals …<br />

1945<br />

Die Farben-Post erinnert in ihrer Ausgabe<br />

9/1974 an Weihnachtszuwendungen aus<br />

den Jahren 1945 und 1946. Seinerzeit gibt<br />

es „Essigkarten“ – eine typisch Knapsacker<br />

Errungenschaft, mit der die Mitarbeitenden<br />

Essig-Essenz aus der eigenen Produktion<br />

beziehen können.<br />

20 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


Gute und informative Gespräche<br />

Pensionärs vereinigung informiert<br />

in den Betriebsrestaurants<br />

Was macht die Pensionärsvereinigung<br />

eigentlich genau? Wer kann<br />

Mitglied werden? Warum sollte ich<br />

Mitglied werden? Auf diese und<br />

viele Fragen antworteten die Vorstandsmitglieder<br />

der Pensionärsvereinigung<br />

Knapsack e. V. (PVK) Ende<br />

Mai in den beiden Betriebsrestaurants<br />

des Chemieparks Knapsack.<br />

Was so mancher nicht wusste: Man<br />

muss nicht im Ruhestand oder im<br />

pensions fähigen Alter sein, um der<br />

PVK beitreten zu können. „Wir haben<br />

in unseren Reihen einige derzeit aktive Mitarbeitende aus dem<br />

Chemiepark. Unsere jüngsten Mitglieder bewegen sich im Alter<br />

von Ende 30“, so der Vorsitzende der PVK, Helmut Weihers.<br />

„Über diese schöne Mischung aus Jung und Alt freuen wir uns.“<br />

Viele aktive Mitarbeitende tauschten sich an beiden Terminen<br />

in Knapsack und Hürth mit den Pensionären aus. Von<br />

den Vorteilen einer Mitgliedschaft konnten sie unter anderem<br />

Frank Ebeling, den Leiter der Betriebsrestaurants, überzeugen.<br />

Er hatte sich schon zuvor über die PVK informiert und füllte<br />

noch vor Ort die Beitrittserklärung aus.<br />

Mehr Informationen erhalten Sie auf<br />

www.chemiepark-knapsack.de/nachbarschaft/<br />

pensionaersvereinigung<br />

Frank Ebeling (links) unterzeichnet seinen<br />

Mitgliedsantrag. Karin Hübner-Borj und<br />

Günther Geisler von der PVK freuen sich<br />

Wir gedenken<br />

Dr. Carsten Herbert Horst<br />

Werner Grunow (88)<br />

Verstorben am 07.01.<strong>2024</strong><br />

Dr. Horst Weizenkorn<br />

Verstorben am 06.03.<strong>2024</strong><br />

Wir gratulieren<br />

Jubiläum<br />

40 Jahre<br />

Peter Klein, Westlake Vinnolit<br />

Eintritt 01.06.1984<br />

25 Jahre<br />

Stephan Schmelter, LyondellBasell<br />

Eintritt 17.05.1999<br />

Martin Fischer, LyondellBasell<br />

Eintritt 01.06.1999<br />

Jörg Jaeger, LyondellBasell<br />

Eintritt 01.06.1999<br />

Nuri Durmus, LyondellBasell<br />

Eintritt 17.06.1999<br />

Haydar Zeybek, Westlake Vinnolit<br />

Eintritt 17.06.1999<br />

Jörg Bode, YNCORIS<br />

Eintritt 01.05.1999<br />

Frank Trauschies, YNCORIS<br />

Eintritt 01.05.1999<br />

Olaf Englert, YNCORIS<br />

Eintritt 01.06.1999<br />

Ralf Schlegel, YNCORIS<br />

Eintritt 01.06.1999<br />

1974<br />

1974<br />

Auch wenn es damals noch<br />

Erschöpfung heißt – die Themen<br />

„Burnout“ und „Work-Life-Balance“<br />

haben schon in der Ausgabe 7/8<br />

der Farben-Post von 1974 ihren<br />

Platz.<br />

Vor 50 Jahren erschüttert<br />

eine große Explosion das<br />

Knapsacker Werksgelände.<br />

Über Gründe und Details<br />

wird im Nachgang jedoch<br />

kaum berichtet.<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong><br />

| 21


INTERVIEW<br />

„Das ist<br />

unsere<br />

Zukunft“<br />

KNAPSACKSPIEGEL sprach mit Dr. Klaus Mattes,<br />

seit 1. Januar <strong>2024</strong> Manager Knapsack Site<br />

bei LyondellBasell und Nachfolger von Achim<br />

Rodekirchen, über die ersten Monate in der<br />

Verantwortung und spannende neue Aufgaben.<br />

Herr Dr. Mattes, LyondellBasell wird hier in<br />

Knapsack im Rahmen der CPK-Süderweiterung<br />

ein integriertes Recycling- und Weiterverarbeitungszentrum<br />

für Kunststoffe bauen. Sie sind<br />

seit dem 1. Januar <strong>2024</strong> neuer Standortvertreter<br />

von LyondellBasell in Knapsack. Warum ist dieses<br />

Projekt für Ihr Unternehmen so wichtig?<br />

Dr. Klaus Mattes: Es ist ein weiterer Meilenstein für den<br />

LyondellBasell Standort Wesseling Knapsack. Die Anlagen hier<br />

in Knapsack sollen das Ausgangsmaterial für das mechanische<br />

und chemische Recycling erzeugen. Sie werden dann in der<br />

neuen Anlage zum chemischen Recycling, die wir zur Zeit in<br />

Wesseling bauen und in unseren mechanischen Recyclinganlagen<br />

hinter der Grenze, bei Maastricht, weiterverarbeitet. So<br />

wird die gesamte Region die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen<br />

unterstützen und Rohstoffe verarbeiten, die heute nicht<br />

recycelt, sondern meist der Verbrennung zur Energierückgewinnung<br />

zugeführt werden. Ich freue mich riesig, dass wir<br />

in Knapsack Teil dieser Transformation sein dürfen.<br />

„Zur allgemeinen Zufriedenheit konnte die Wochenarbeitszeit<br />

von 42 Stunden wieder auf 48 Stunden hochgefahren werden.“<br />

Jetzt wird wieder<br />

in die Hände gespuckt …<br />

Die Jahre ab 1936 stehen in Knapsack und deutschlandweit<br />

im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs. Unternehmen<br />

etablieren betriebsinterne Einrichtungen, wie eine Sportabteilung,<br />

einen eigenen Sportplatz, eine Werks bücherei<br />

und Werkszeitschrift sowie Jubilarfeiern – in Verbindung zur<br />

national sozialistischen Ideologie.<br />

Unternehmensmitteilung<br />

Die Turnhalle<br />

für die 1935<br />

gegründete<br />

Werkssportabteilung<br />

22 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


Papier-Hintergrund unten: Janina_PLD – stock.adobe.com<br />

Warum befasst sich ein Kunststoffhersteller<br />

mit Plastikabfällen?<br />

Wir wollen zunehmend fossile Rohstoffe bei der Herstellung<br />

von Kunststoffen ersetzen und vorhandene Ressourcen aus<br />

dem Kreislauf nutzen. Was Sie hier sehen, sind Kunststoff-<br />

Flakes aus dem Wertstoffkreislauf, auf die wir bauen. Neben<br />

den Rohstoffen aus erneuerbaren Quellen ist das ein weiteres,<br />

nachhaltiges Material, das wir nutzen. Es gibt verschiedene<br />

Möglichkeiten, wie wir das Produkt einsetzen können.<br />

Zum einen das mechanische Recycling: Hierbei sortiert man<br />

die Flakes nach Kunststoffarten und kann diese einem neuen<br />

Produkt beimischen. Und zum anderen das chemische<br />

Recycling, bei dem man den Kunststoff wieder verdampft<br />

(pyrolysiert), so dass am Schluss wieder ein Öl oder Gas<br />

herauskommt, aus dem man über einen weiteren Schritt in<br />

einem Steamcracker wieder Ethylen und Propylen als Grundstoffe<br />

für neue Kunststoffe herstellen kann.<br />

Das ist unsere Zukunft: Weg von den fossilen Rohstoffen hin<br />

zur Kreislaufwirtschaft, indem wir Material aus dem Wertstoffkreislauf<br />

entnehmen und wieder ein neues reines Kunststoffprodukt<br />

daraus herstellen.<br />

Sie waren zuletzt sechs Jahre Betriebsleiter<br />

Steamcracker in Wesseling. Was darf man<br />

sich darunter vorstellen?<br />

Wie ich bereits sagte, stellt ein Steamcracker die Grundstoffe<br />

Ethylen und Propylen für neue Polymere her. Hierbei werden<br />

lange Kohlenwasserstoffketten durch hohe Temperaturen zu<br />

kurzen Molekülketten „gebrochen“ oder „gecracked“. Bislang<br />

wurden fast ausschließlich fossile Rohstoffe, wie zum Beispiel<br />

Rohbenzin, in den Steamcrackern eingesetzt. Zukünftig können<br />

diese fossilen Rohstoffe zum großen Teil durch Pyrolyseöl<br />

und Pyrolysegas – hergestellt aus Kunststoffabfällen, die in<br />

Knapsack sortiert wurden – ersetzt werden. Eine weitere<br />

Möglichkeit besteht im Einsatz nachwachsender Rohstoffe.<br />

Dies können zum Beispiel alte Speiseöle wie „Frittenfett“ sein,<br />

die entsprechend aufbereitet als Rohstoff dienen können.<br />

Der Vorteil dieser Einsatzstoffe ist die Schonung fossiler<br />

Ressourcen und eine günstige CO 2 -Bilanz.<br />

„Das ist unsere Zukunft. Weg von den<br />

fossilen Rohstoffen, hin zur Kreislaufwirtschaft,<br />

indem wir Material aus<br />

dem Wertstoffkreislauf entnehmen und<br />

wieder ein neues sauberes Kunststoffprodukt<br />

daraus herstellen.“<br />

Dr. Klaus Mattes<br />

LyondellBasell<br />

Aus dieser spannenden Tätigkeit hat sich dann<br />

die Möglichkeit ergeben, die Nachfolge von<br />

Achim Rodekirchen anzutreten. Die Rolle des<br />

Betriebsleiters ist für Sie dabei nichts Neues.<br />

Das stimmt, da ich ja bereits einige Jahre als Betriebsleiter<br />

tätig war. Wirklich neu ist für mich allerdings die Rolle des<br />

Standortrepräsentanten. Das ist sehr spannend, weil ich plötzlich<br />

mit ganz anderen Themen und Aufgaben konfrontiert bin,<br />

die ich bis dato so in der Form noch nicht kannte. Aber auch<br />

das macht sehr viel Spaß.<br />

Trotz der Aufgabenvielfalt ist der Einstieg<br />

leicht gefallen?<br />

Was ich sehr schnell gemerkt und gespürt habe, ist, dass<br />

wir hier am Standort ein sehr gutes Team haben. Ich bin nicht<br />

alleine und kann auf das kollektive Gedächtnis vertrauen.<br />

Hier sind die Türen offen – wenn ich eine Frage habe, wird mir<br />

geholfen. Das stärkt mir natürlich den Rücken, wenn ich weiß,<br />

ich habe ein gutes, stabiles Team hinter mir. Am Ende des<br />

Tages ist es viel Kommunikation, so oft wie möglich präsent<br />

sein und mit den Kollegen und Mitarbeitern reden. Ich stelle<br />

im Moment sehr viele Fragen. Aber die Kollegen sind geduldig<br />

und beantworten mir alle Fragen.<br />

Knapsack kaputt<br />

Am 24. Oktober 1944 werden<br />

80 Prozent des Chemiestandortes<br />

Knapsack während eines Luftangriffs<br />

der Alliierten mit etwa 138 Sprengbomben<br />

zerstört. Es folgen sechs Jahre<br />

des Aufbaus unter US-amerikanischer<br />

Besatzung; 1951 läuft die Produktion<br />

wieder auf allen Gebieten.<br />

Nach einem<br />

früheren<br />

Luftangriff<br />

1941<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 23


„Die komplette Petrochemie ist<br />

im Umbruch. Wir richten uns alle<br />

komplett auf Nachhaltigkeit aus ...“<br />

Zur Person<br />

Dr. Klaus Mattes<br />

LyondellBasell<br />

Dr. Klaus Mattes, Leiter Knapsack Site LyondellBasell<br />

und Betriebsleiter der Polypropylen-Anlage, ist 51<br />

Jahre, verheiratet und hat zwei Kinder. Geboren und<br />

aufgewachsen in Heidelberg in Baden-Württemberg<br />

kam er schon in frühester Jugend zur Chemie – angefangen<br />

mit klassischen Chemiebaukästen. Nach<br />

dem Abitur absolvierte er ein Studium der Chemie<br />

in Heidelberg und Darmstadt und promovierte in<br />

technischer Polymerchemie an der TU Darmstadt.<br />

Zunächst war Mattes dann als Prozess-Ingenieur im<br />

internationalen Anlagenbau tätig. Dann folgte im Juli<br />

2008 der Wechsel zu LyondellBasell, wo er in verschiedenen<br />

Rollen im Engineering, als Betriebsassistent<br />

einer PE-Anlage und später als Betriebsleiter Utilities<br />

tätig war. Zuletzt eingesetzt vor seinem Wechsel<br />

nach Knapsack war Mattes als Betriebsleiter Steamcracker<br />

in Wesseling.<br />

Wo ist der entscheidende Unterschied zu Wesseling?<br />

Der Werksteil Wesseling ist natürlich wesentlich größer und<br />

hat deutlich mehr Mitarbeiter. Knapsack ist familiärer. Wir sind<br />

weniger Mitarbeiter hier, arbeiten enger zusammen, weil wir<br />

uns hier einfach auch physisch näher sind. Und was ich festgestellt<br />

habe – auch wenn es schon viele Jahre her ist – ich<br />

spüre die unterschiedlichen Wurzeln, die wir in den beiden<br />

Werksteilen haben. Die Kultur ist hier ein stückweit eine andere.<br />

In Wesseling formten Shell und BASF die damalige ROW<br />

(Rheinische Olefinwerke), und hier in Knapsack ist das alte<br />

Hoechster Fundament immer noch ein wenig zu spüren. Ich<br />

bin mit offenen Armen in Knapsack empfangen worden und<br />

habe mich inzwischen schon sehr gut eingelebt.<br />

Mit welchen Zielen sind Sie auch vor diesem Hintergrund<br />

als Standortrepräsentant angetreten?<br />

Ich habe zwei Schwerpunkte, die mir persönlich am Herzen<br />

liegen, und die ich hier am Standort weiterbringen möchte:<br />

Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ich möchte, dass unsere<br />

Arbeitsabläufe automatisierter und effizienter werden. Es fängt<br />

beispielsweise damit an, dass wir eine drahtlose Netzwerkinfrastruktur<br />

in den Anlagen aufbauen, so dass in der kompletten<br />

Produktion mit digitalen Endgeräten wie Tablets und<br />

Smartphones gearbeitet werden kann. Weiterhin müssen die<br />

betrieblichen Abläufe so digitalisiert werden, dass zukünftig<br />

auf Papier und Bleistift verzichtet werden kann.<br />

Das Thema Nachhaltigkeit nimmt gerade richtig Fahrt auf. Hier<br />

stellt das Unternehmen nach meiner Meinung die Weichen<br />

in die richtige Richtung. Die komplette Petrochemie ist im<br />

Umbruch. Es gibt wirklich viele Möglichkeiten, etwas zu ändern<br />

und ich freue mich darauf meine Ideen und Visionen einfließen<br />

zu lassen. Das ist das Spannende in den nächsten fünf bis<br />

zehn Jahren.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

Sehr gerne!<br />

Das Interview in seiner vollständigen<br />

Länge lesen Sie unter:<br />

8.000 Menschen, ein Zusammenschluss<br />

Im Oktober 1951 strukturiert sich die IG Farbenindustrie neu,<br />

unter anderem durch den Zusammenschluss der AG für Stickstoffdünger<br />

Knapsack, Griesheim-Autogen Frankfurt am Main<br />

mit den Nordwestdeutschen Sauerstoffwerken Düsseldorf,<br />

den Süddeutschen Sauerstoffwerken Stuttgart und den Tega -<br />

werken zur Knapsack-Griesheim Aktiengesellschaft.<br />

1959 umfasst diese Neuordnung rund 8.000 Mitarbeitende;<br />

100-prozentiger Eigentümer ist die Farbwerke MLB AG.<br />

Das neue Verwaltungsgebäude vor dem Aufbau<br />

einer weiteren Etage auf dem rechten Flügel<br />

1957<br />

24 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


Nachhaltigkeit konkret: Palurec ist<br />

Vorreiter im Getränkekartonrecycling<br />

Über Nachhaltigkeit reden ist gut, machen ist besser … zum Beispiel durch das<br />

clevere Recycling von Getränkekartons. In denen steckt nämlich neben Papier<br />

auch sortenreiner Kunststoff und Aluminium. Gerade einmal zwei Anlagen in<br />

Deutschland gewinnen diese Stoffe zurück, eine steht im Chemiepark Knapsack<br />

und wird von Palurec betrieben.<br />

I<br />

n Deutschland gehen jedes Jahr<br />

rund acht Milliarden Getränkekartons<br />

über den Ladentisch. Das<br />

sind statistisch 96 Artikel pro Person.<br />

Über den Gelben Sack gelangt ein<br />

Großteil ins Recycling – und in die Halle<br />

von Palurec, dem Arbeitsplatz von<br />

Alois Lazar. Der Maschinenführer ist<br />

einer von rund 30 Mitarbeitenden des<br />

Unternehmens. Bevor er den Bereich<br />

rund um die Anlage betritt, greift er<br />

erst mal zu seinen Ohrschützern. Denn<br />

in der Halle im Werksteil Hürth ist es<br />

laut, sehr laut. Mehr als 90 Dezibel verursacht<br />

die Anlage, das ist ungefähr so,<br />

als führe ein Motorrad oder Schwerlaster<br />

vorbei. Seine „Micky Mäuse“ sind<br />

daher keine einfachen Ohrschützer,<br />

sondern komfortable High-Tech-Geräte,<br />

mit denen er auch mit seinen<br />

Schichtkollegen kommunizieren kann.<br />

„Das ist wichtig, denn bei den vielen<br />

unterschiedlichen Maschinen müssen<br />

wir die kritischen Punkte, wie den<br />

Wasserstand in der Waschlinie oder<br />

die Menge an Material, immer im Auge<br />

Früher Getränkekartonfolie, heute<br />

Eimer oder Kunststoffpalette<br />

Prosper durch Phosphor<br />

1951 genehmigen die Westalliierten den Bau eines Phosphor-Ofens<br />

mit einer Leistung von zehn Megawatt: Start der erfolgreichen<br />

Phosphorchemie in Knapsack, Basis des Knapsacker Wirtschaftswunders.<br />

Neben elementarem Phosphor und Phosphorsäure ist<br />

hauptsächlich das daraus produzierte Natriumtripolyphosphat<br />

das Wundermittel: Als Grundstoff der Waschmittelindustrie<br />

generiert es hohe Wertschöpfung. Aber auch viele weitere<br />

innovative Folgeprodukte wie Flammschutzmittel, Öladditive auf<br />

Phosphorbasis, die bis heute in Knapsack hergestellt werden,<br />

stärken die hohe Wirtschaftskraft des Standortes. Durch den<br />

Einzug der Petrochemie in den 1960er Jahren entstehen<br />

weitere Kunststoffproduktionen wie Polyethylen- und Polypropylen-Produktionsanlagen.<br />

behalten, damit es nicht zu Störungen<br />

kommt“, so Lazar. „Dazu braucht man<br />

Erfahrung, sonst erkennt man die Zeichen<br />

zu spät und kann nicht rechtzeitig<br />

reagieren.“ Doch das ist nötig, wenn<br />

sie das Produktionsziel von rund 300<br />

Tonnen pro Woche erreichen wollen.<br />

Lazar ist seit 2021 dabei und damit<br />

Mitarbeiter der ersten Stunde. Er<br />

kennt die Anlage wie seine Westentasche.<br />

Mit seinen drei Kollegen auf<br />

der Schicht wechseln sie sich täglich<br />

bei der Steuerung und Kontrolle<br />

von Wasservorbereitung, Schredder,<br />

Wasch linie und Extruderverfahren ab.<br />

„Diese Abwechslung macht mir Spaß –<br />

und die Arbeit mit den Kollegen.“<br />

| 25


Drei Mythen<br />

... über Getränkekarton, Glasflasche und Co.<br />

Milch ist in Glasflaschen<br />

besser aufgehoben.<br />

Richtig ist: Schon nach kurzer Zeit<br />

verändert das LED-Licht von Supermarktkühltheken<br />

den Gehalt an<br />

Vitamin A und B2 bei Milch in Glasflaschen.<br />

Bei Vitamin B2 kann schon<br />

eine halbe Stunde reichen, um fast<br />

30 Prozent des Vitamins zu zerstören.<br />

Das zeigt eine Studie „Milk:<br />

Light exposure and depletion of<br />

key nutrients“ der University of<br />

Newcastle. Lichtgeschützt behält<br />

die Milch dagegen ihre Vitamine<br />

auch auf Dauer weitgehend.<br />

Mehrwegflaschen sind<br />

umweltschonender.<br />

In Sachen Verringerung der Treibhausgasemissionen<br />

hat ein Getränkekarton<br />

gegenüber Plastik- und<br />

Glasmehrwegflaschen die Nase vorn.<br />

Auf 1.000 Liter Fruchtsaft gerechnet<br />

verursachen Einweg-PET-Flaschen<br />

rund 161 kg CO 2 ,<br />

die Mehrweg-Glasflaschen<br />

etwa 97 kg und Getränkekartons<br />

knapp 54 kg.<br />

Die meisten Getränkekartons<br />

werden sowieso verbrannt.<br />

Mülltrennung lohnt sich. Denn über<br />

90 Prozent eines Getränkekartons<br />

lassen sich recyceln – aber nur<br />

bei richtiger Entsorgung. Je mehr<br />

Getränkekartons also im Gelben<br />

Sack landen, desto mehr Rohstoffe<br />

werden wiederverwendet.<br />

SO FUNKTIONIERT DER PROZESS<br />

Alles beginnt mit den Getränkekartonresten.<br />

Die rund eine Tonne schweren<br />

Ballen lagern außerhalb der Halle und<br />

kommen aus einer Dürener Papierfabrik.<br />

Sie hat bereits einen Großteil des<br />

Papiers aus den Getränkekartons herausgewaschen.<br />

Palurec trennt nun die<br />

Reste in Kunststoffe, Aluminium und<br />

Papier auf. Dazu nutzen Lazar und<br />

seine Kollegen neben Druck und Luft<br />

ausschließlich Wasser. Rund 30 Kubikmeter<br />

sind dafür nötig. „Dank Reinigung<br />

und Rückführung müssen wir<br />

jedoch nur 10 Prozent als Frischwasser<br />

zuführen“, sagt Andreas Henn, der die<br />

Palurec-Anlage im Chemiepark leitet.<br />

Mit Hürth kommt<br />

die Chlorchemie<br />

1960 kauft Farbwerke MLB AG den ausgekohlten<br />

Braunkohletagebau „Hürtherberg“, Voraussetzung<br />

für die Erschließung des Werksteils Hürth. Die<br />

Betriebsfläche wächst von bisher 60 Hektar auf<br />

160 Hektar.<br />

Rund eine Tonne Getränkekartonreste<br />

auf den Weg in den Schredder<br />

1962 geht als erste Produktion in Hürth die Chlorelektrolyse<br />

mit den Produkten Chlor, Natronlauge<br />

und Wasserstoff an den Start und bildet damit die<br />

Basis für den Ausbau der erfolgreichen Chlorchemie<br />

mit Ethylendirektchlorierung, Oxi chlorierung,<br />

Vinylchlorid und Polyvinylchlorid. Außerdem gewährleistet<br />

sie die Versorgung der wichtigen Monochloressigsäureanlage.<br />

26 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


ZERKLEINERN, WASCHEN,<br />

TRENNEN, SCHMELZEN<br />

In einem ersten Schritt zerkleinert<br />

ein riesiger Schredder den Ballen und<br />

fördert die Schnipsel über ein Förderband<br />

in eine Friktionswäsche. „In der<br />

Wäsche lösen sich Papierfaserreste,<br />

Aluminium und sonstige Anhaftungen<br />

von den Folien, größere Aluminiumfolien<br />

sinken zu Boden, die PE-Folien<br />

schwimmen oben“, so Henn weiter.<br />

Nach einer zweiten Wäsche werden<br />

die feinen Aluminiumbestandteile ausgewaschen<br />

und in einem Hydrozyklon<br />

abgeschieden. Danach folgt die Trocknung<br />

der Folien und Kappen in zwei<br />

Zentrifugen bei mehr als 1.000 Umdrehungen<br />

pro Minute. In einem so genannten<br />

Windsichter fallen die schwereren<br />

Deckel danach nach unten, die<br />

Folien bleiben durch den Luftstrom<br />

oben. Die Kappen gehen danach zu<br />

Weiterverarbeitern. Die Folien schmelzen<br />

Lazar und seine Kollegen in einem<br />

Extruder auf, pressen sie in feine<br />

Kunststoffstränge, schneiden sie und<br />

kühlen sie im Wasser ab. Henn: „Wir<br />

sorgen damit dafür, dass viele wertvolle<br />

Rohstoffe wieder für neue Produkte<br />

zur Verfügung stehen.“<br />

Hoechst voran mit<br />

Pflanzenschutzmitteln<br />

Das Aluminium kann nach der Aufbereitung<br />

bei einem Spezialunternehmen<br />

unter anderem Gussteilen beigemischt<br />

werden. Der Kunststoff findet<br />

sich später beispielsweise in Tanks, Kanistern<br />

oder Rohren wieder. Also zwar<br />

nicht in den Ohrschützern von Lazar,<br />

aber in seinem Wassereimer.<br />

ÜBER PALUREC<br />

Palurec wurde 2017 vom Fachverband<br />

Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel<br />

e. V. (FKN) gegründet. Ihm<br />

gehören Tetra Pak, SIG und Elopak<br />

an. Sie produzieren 95 Prozent aller<br />

Getränkekartons. Etwa ein Drittel bis<br />

Übringens …<br />

Die Sortieranlagen der<br />

Recyclingunternehmen<br />

erkennen einen Getränkekarton<br />

an der PE-Folie über<br />

dem Karton. Eine gefüllte<br />

Packung Papiertaschentücher<br />

würde die Anlage<br />

daher ebenfalls für einen<br />

Getränkekarton halten.<br />

Doch sie hat im Gelben<br />

Sack ohnehin nichts<br />

zu suchen.<br />

Wir haben noch ein weiteres<br />

gutes Bild mit Person - ggf.<br />

ergänzen oder tauschen<br />

Alois Lazar an der Anlage<br />

die Hälfte aller Getränkekartons in<br />

Deutschland landen bei Palurec, den<br />

Rest soll eine neue Anlage in Dessau<br />

übernehmen, die im Mai <strong>2024</strong> in Betrieb<br />

gegangen ist.<br />

DER GETRÄNKEKARTON<br />

Ein Getränkekarton besteht aus drei<br />

Komponenten: Etwa 70 bis 80 Prozent<br />

entfallen auf Papier aus FSC-zertifizierter<br />

Herkunft, 20 bis 25 Prozent auf<br />

Polyethylen (PE) und bis zu fünf Prozent<br />

auf Aluminium. Der Kunststoff PE<br />

macht die Packung dicht. Aluminium<br />

verhindert, dass Licht und Sauerstoff<br />

das Füllgut beeinträchtigen. Dabei ist<br />

die Alu-Folie mit vier bis fünf Mikrometern<br />

dünner als ein Menschenhaar<br />

und wird nur bei Verpackungen für<br />

haltbare Produkte eingesetzt.<br />

Im Zuge der Umbenennung der Farbwerke Hoechst in<br />

Hoechst AG 1974 wird die Knapsack AG zur Hoechst<br />

AG Werk Knapsack. Ende der 1970er Jahre entsteht<br />

die erste Produktionsanlage für Pflanzenschutzmittel,<br />

gefolgt von den Pflanzenschutzmittel-Anlagen 2 und 3<br />

in den 1980er Jahren. Ihre Kapazitäten werden in den<br />

Folge jahren erhöht. Um die Produktionsmenge der<br />

Pflanzenschutzmittel-Anlagen zu vervielfachen, werden<br />

die Produktionsanlagen 4 und 5 gebaut.<br />

Der Pflanzenschutzmittelbetrieb<br />

im<br />

Werksteil Hürth<br />

in seiner ersten<br />

Ausbaustufe 1978<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 27


„Würde ich dasselbe<br />

nochmal machen? Ja!“<br />

Pablo Lopez leitet seit Mitte 2011 das Rhein-Erft Kolleg.<br />

Ende August wechselt er in den Ruhestand.<br />

E<br />

r trägt die dunkelblaue<br />

REA-Sweatjacke und ein Lächeln.<br />

Den Gang hinunter<br />

kommt Pablo Lopez. Mit Schwung öffnet<br />

er die Tür zu seinem Büro und gesteht<br />

gleich nach der Begrüßung: „Über<br />

konkrete Pläne für die Zeit nach meinem<br />

Abschied vom Berufskolleg habe<br />

ich mir bisher nur wenige Gedanken<br />

gemacht. Sicher ist nur, dass ich nicht<br />

Zuhause rumsitzen werde!“<br />

VERSUCH MACHT KLUG<br />

Lopez ist Ingenieur für Elektrotechnik.<br />

20 Jahre lang war er weltweit für ein<br />

Unternehmen im Einsatz, anschließend<br />

Abteilungs- und Bereichsleiter für<br />

eine Firma, die dann aber Insolvenz anmeldete.<br />

Der heute 64-Jährige erzählt:<br />

„Jobangebote hatte ich anschließend<br />

in Süddeutschland, meine Frau und<br />

ich sind jedoch in NRW verwurzelt<br />

und wollten bleiben.“ Eine weitere Zukunftsoption<br />

tat sich auf, als er erfuhr,<br />

dass Quereinsteiger*innen für den<br />

Schuldienst gesucht wurden. „Ich dachte<br />

mir: ‚Einen Versuch ist es wert‘.“ Beim<br />

Goldenberg Europakolleg absolvierte<br />

er das zweite Staatsexamen in Mathematik<br />

und Elektrotechnik und war anschließend<br />

als Dozent tätig. Während<br />

einer Ausbildungsbörse kam es zu einem<br />

ersten Kontakt mit der Rhein-Erft<br />

Akademie (REA). So ergab sich eine<br />

weitere Lehrtätigkeit und schließlich<br />

das Angebot, die Schulleitung des noch<br />

jungen Rhein-Erft Kollegs zu übernehmen.<br />

Heute sagt Lopez: „Im Nachhinein<br />

denke ich, so sollte es sein, denn die<br />

Zeit der Unsicherheit eröffnete mir den<br />

Weg, Schulleiter zu werden. Die Entscheidung<br />

zu lehren, war für mich die<br />

absolut richtige.“<br />

RÜCKBLICK<br />

Wenn Lopez über das Rhein-Erft Kolleg<br />

spricht, betont er das sehr gute Miteinander<br />

auf Augenhöhe und den gegenseitigen<br />

Respekt, sowohl im Kollegium<br />

als auch mit den Azubis und den Betrieben.<br />

Diese Art des Umgangs – da ist<br />

er sich sicher – bildet die Grundlage für<br />

einen großen Zusammenhalt und für<br />

die Zufriedenheit aller. Er ist froh, dass<br />

er erleben und mitgestalten konnte,<br />

wie die Schule wuchs. Die Zahl der<br />

Schüler*innen stieg von 69 in seiner<br />

Anfangszeit auf heute rund 500. Die<br />

Bildungsgänge haben sich weiterentwickelt,<br />

einige sind dazugekommen, zuletzt<br />

der Land- und Baumaschinenmechatroniker.<br />

„Wir sind klein genug, dass<br />

Ausbilder*innen und Lehrer*innen sich<br />

kennen. Das hatte und hat den Vorteil,<br />

dass wir immer im Austausch sein und<br />

die Ausbildung an die Erfordernisse im<br />

jeweiligen Betrieb anpassen können“,<br />

erklärt er. Und was sind im Rückblick<br />

seine persönlichen Highlights im Berufsalltag?<br />

Er muss nicht lange überlegen:<br />

Menschen, die er als Azubis kennengelernt<br />

hat und später während der<br />

Weiterbildung zum Meister in den Klassenräumen<br />

des Berufskollegs wiedertrifft.<br />

Es ist ihm Bestätigung und Freude,<br />

wenn sie ‚seiner‘ Schule treu bleiben.<br />

AUSBLICK<br />

„Wehmütig werde ich im Spätsommer<br />

sicher sein. Ich stelle mir vor, wie es ist,<br />

morgens aufzuwachen und mich zu<br />

fragen, was jetzt in der REA ansteht“,<br />

sinniert Lopez. „Aber natürlich freue<br />

ich mich auch auf den neuen Lebensabschnitt.<br />

Auch wenn meine Gedanken<br />

noch nicht konkret sind, hab ich doch<br />

schon einige Ideen für den Ruhestand<br />

– und meine Frau auch!“ Gemeinsam<br />

mit ihr möchte er reisen, kochen, Zeit<br />

mit der Familie und insbesondere mit<br />

der zweijährigen Enkelin genießen. Fest<br />

steht für ihn außerdem: „Ich bin nicht<br />

ausgebrannt vom Schuljob, im Gegenteil!<br />

Ich habe immer noch Spaß daran<br />

und könnte mir vorstellen, weiterhin als<br />

Dozent zu arbeiten. Ich bin gespannt,<br />

was die Zukunft mir noch bringt!“<br />

Hallo Petro – tschüss Karbid und Phosphor!<br />

Der Einzug der Petrochemie übt einen enormen Konkurrenzdruck auf die Karbidproduktion und deren Nachfolgeprodukte<br />

aus. Zusätzlich belastet die 1981 erlassene Phosphathöchstmengen-Verordnung die Phosphorproduktion. Im Juni 1990<br />

wird der letzte Karbid-Ofen und 1992 der letzte Phosphor-Ofen abgestellt. Dies trifft rund 1.500 Mitarbeitende am Standort.<br />

Dieser Personalabbau erfolgt größtmöglich sozialverträglich, also überwiegend durch Frühpensionierungen.<br />

28 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


„Wir können<br />

Transformation!“<br />

KNAPSACKSPIEGEL sprach mit Pierre<br />

Kramer, Leiter Standortentwicklung<br />

im Chemiepark Knapsack, über die<br />

Ansiedlungsstrategie im Rahmen der<br />

CPK-Süderweiterung.<br />

INTERVIEW<br />

Pierre Kramer, die angestrebte Süderweiterung<br />

des Chemieparks Knapsack wird mit<br />

dem geplanten Bau eines Recyclingzentrums<br />

für Kunststoffabfälle mit einem Großprojekt<br />

zur Umsetzung gebracht. Dabei entsteht auf<br />

einem Gebiet von 16 Hektar ein neuer Werksteil<br />

mit eigenem Zugang.<br />

Pierre Kramer: Ja genau – es wird ein dritter<br />

Werksteil. Den nennen wir jetzt auch Chemiepark<br />

Knapsack Werksteil Hürth-Süd. Von den 16 Hektar<br />

dort sind drei Hektar YNCORIS Infrastruktur und<br />

13 Hektar Produktions- beziehungsweise Nutzfläche.<br />

Die Aufgabe der YNCORIS wird es sein,<br />

die Funktionalität für diesen Bereich vor allem<br />

im Hinblick auf Logistik und Energieversorgung<br />

herzustellen und zu gewährleisten.<br />

Der Standort Knapsack ist bereits ein<br />

erfolgreicher Recycling-Standort mit einer<br />

Recycling-Anlage für Getränkekartons, die<br />

seit April 2021 betrieben wird. Im Hinblick<br />

auf die Weiterentwicklung des Standorts<br />

in Richtung Kreislaufwirtschaft setzt sich<br />

etwas kontinuierlich fort.<br />

Auf jeden Fall. Auch wenn Getränkekartons und<br />

Kunststoffe zwei relativ unterschiedliche Recycling-Themen<br />

sind, so gibt es unserem Standort<br />

auf jeden Fall eine Expertise. Wir bekommen immer<br />

mehr Know-how für den ganzen Komplex des<br />

Recyclings und der verschiedenen Verbundstoffe.<br />

Der „Club“ schließt – Knapsack bleibt<br />

Zu den gravierendsten Veränderungen am Standort Knapsack<br />

zählt die Auflösung der Hoechst AG Mitte der 1990er Jahre: Der<br />

geschlossene Chemiestandort entwickelt sich zum erfolgreichen<br />

offenen Chemiepark. Neue Ansiedlungen und Produktionsanlagen<br />

stärkten den Standort, mit dem sich Mitarbeitende weiterhin<br />

identifizieren. Markante Beispiele sind die beiden hochmodernen<br />

Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke sowie das Ersatzbrennstoff-<br />

Kraftwerk mit der Produktion von „grünem“ Dampf und Strom. Die<br />

Erweiterung und Modernisierung der kompletten Chlorchemie von<br />

der Elektrolyse bis hin zum PVC ist fundamental für den Stoffverbund.<br />

Neue Produkte und Unternehmen ersetzen frühere Produktionen<br />

und tragen zur Weiterentwicklung des Standortes bei.<br />

Akt mit Symbolcharakter:<br />

1998 wird das Firmenlogo des<br />

Hoechst-Konzerns demontiert<br />

„Drehen Sie sich nicht um,<br />

denn da gibt es nichts mehr.“<br />

Prof. Dr. Horst-Dieter<br />

Schüddemage<br />

anlässlich der Zerschlagung<br />

der Hoechst AG<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong> | 29


Der neue Werksteil Hürth-Süd ist sicher lich<br />

der entscheidende Baustein auf dem<br />

Transformations-Weg des CPK hin zur<br />

Kreislaufwirtschaft. Angefangen hat<br />

aber alles bereits mit dem Ersatzbrennstoffkraftwerk<br />

(EBKW).<br />

Richtig, denn es gibt am Ende immer etwas, was<br />

man nicht mehr recyceln kann, und das geht dann<br />

in die Verbrennung. Es ist natürlich perfekt, dass<br />

das EBKW auch hier vor Ort ist. Zumal dies eine<br />

ganz legitime Form der Energierückgewinnung<br />

ist. Damit schließt sich ein Kreislauf. Damals,<br />

2009, hat Knapsack mit der Ansiedlung des EBKW<br />

bereits sehr weitsichtig den Einstieg in das Thema<br />

Kreislaufwirtschaft vollzogen, um Abfälle entsprechend<br />

zu nutzen. Wir waren Vorreiter unter den<br />

Chemieparks, die Berührungsängste mit „neuen“<br />

Wertstoffen, sprich Abfällen, zu überwinden.<br />

Bereits vor 15 Jahren war die „Vision“, neuen Raum<br />

für eine Weiterentwicklung des CPK, für neue<br />

Technologien zu schaffen. Dann kam das Getränkekarton-Recycling<br />

und jetzt gehen wir mit dem<br />

Kunststoff-Recycling nochmal einen deutlichen<br />

Schritt weiter. Die Rädchen greifen immer mehr<br />

ineinander. Das zeigt: Wir können Transformation!<br />

Wenn Sie die vergangenen Jahre noch<br />

einmal Revue passieren lassen, wie lautet<br />

Ihr Zwischenfazit für die Standortplanung<br />

im Chemiepark Knapsack?<br />

Der Chemiepark Knapsack hat in dieser Zeit eine<br />

stetige positive Weiterentwicklung durch Erweiterungen<br />

und Neuanlagen, durch Standortfirmen<br />

und Neuansiedlungen erfahren. Dabei haben wir<br />

immer an die Idee einer Erweiterung geglaubt und<br />

mit Durchhaltevermögen viele Hürden überwunden,<br />

um die Fläche im neuen Werksteil Hürth-Süd<br />

nutzbar zu machen. Stichworte sind hierbei: Das<br />

umfangreiche Bebauungsplanverfahren, der Kauf<br />

der Fläche ohne konkreten Investor, die Vermarktung<br />

unter THE NEW KNAPSITE und schließlich<br />

die erfolgreiche Ansiedlung. Unser Plan war und<br />

ist es, Prozessanlagen anzusiedeln, die mit nachhaltigen<br />

Produktionen den Stoffverbund erhalten<br />

und die lokale Kreislaufwirtschaft stärken. Das<br />

Ziel ist noch nicht final erreicht, aber wir befinden<br />

uns auf einem großartigen Weg.<br />

„Knapsack, eine gefährliche Gegend, es<br />

war ein gefährlicher Fußweg nach Köln. Oft<br />

musste man auch zu Fuß zurück, denn nach<br />

Knapsack wollte keiner hin, selbst Taxifahrer<br />

nicht – nur mit dreifacher Gebühr.“<br />

Übrigens …<br />

Dr. Paul Wenzel<br />

von 1912 bis 1945 Chemiker der Stickstoff AG<br />

1997<br />

So sieht das Logo des Chemieparks<br />

Knapsack im Jahr 1997 aus.<br />

Damals startet auch der Vorläufer<br />

des KNAPSACKSPIEGELS unter<br />

dem Namen „Knapsack berichtet“.<br />

Foto: Sølve Sundsbø / The Royal Court.<br />

König unter Beschuss<br />

Helmut Weihers erinnert sich an den<br />

Besuch des norwegischen Königs Harald V<br />

zur Einweihung des Statkraft-Kraftwerks<br />

2007: „Dabei sorgte nicht der König selbst<br />

für Aufregung, sondern eher die mit dem<br />

Festakt beauftragte Agentur. Die hatte nämlich<br />

die Idee, Feuerwerkskörper in einem<br />

Festzelt zu entzünden, was zu einer immensen<br />

Rauchentwicklung führte und dazu,<br />

dass eine Rakete an einem fest gespannten<br />

Draht über den König hinwegzischte<br />

und die Ecke einer Zeltwand in Brand setzte.<br />

Der König trug es mit Fassung.“<br />

30 |<br />

KNAPSACKSPIEGEL 3 / <strong>2024</strong>


„Die Menschen in Knapsack<br />

haben sich nie ausgeruht, sondern<br />

mit ihrem Innovationspotenzial<br />

immer maßgeblich beigetragen,<br />

den Standort in die Zukunft<br />

zu führen.“<br />

Christoph Kappenhagen<br />

YNCORIS

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