8-2024
Fachzeitschrift für Industrielle Automation, Mess-, Steuer- und Regeltechnik
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Quantencomputing<br />
ausgeführt werden. Ein klassischer Computer<br />
verarbeitet die Daten durch die Steuerung von<br />
logischen Schaltelementen (Gatter, Multiplexer,<br />
etc.) und speichernden Elementen (Flip-Flops,<br />
Register), die mit Transistoren aufgebaut sind.<br />
Diese funktionieren, abstrakt gesehen, wie<br />
Schalter, sie kennen nur ‚0‘ oder ‚1‘. Der Computer<br />
ist ein riesiges Netzwerk von Schaltern,<br />
die auf einen Input reagieren und als logisches<br />
Ergebnis wieder ‚0‘ oder ‚1‘ ausgeben. So entsteht<br />
der klassische Rechenvorgang.<br />
Quantencomputing –<br />
Der wesentliche Unterschied<br />
Traditionelle Computer arbeiten lediglich mit<br />
den Zuständen ‚0‘ oder ‚1‘. Die Kombinationen<br />
aus diesen Zuständen erfolgen additiv. Ein<br />
Quantenprozessor hingegen rechnet auch mit<br />
sämtlichen „Zwischenzuständen“, erzeugt durch<br />
Superpositionen im Qubit. Gemäß der Quantentheorie<br />
kann die Kombination aus all diesen<br />
Zuständen nicht nur additiv erfolgen, sondern<br />
auch multiplikativ. Das ist der Grund dafür, dass<br />
mit Quanten computing wesentlich komplexere<br />
Strukturen erzeugt werden können.<br />
Das Problem dabei: Es gibt bislang keine etablierte<br />
Software für das Quantencomputing. Die<br />
Fähigkeit eines Quantenprozessors, gleichzeitig<br />
mit einer unglaublich großen Anzahl an unterschiedlichen<br />
Zuständen zu rechnen, ist zunächst<br />
schwer nutzbar. Einfach nur alle Zustände des<br />
Quantencomputers auslesen, hilft da wenig.<br />
Gesucht sind Quanten-Algorithmen, die dafür<br />
sorgen, dass mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit<br />
nur der richtige Zustand übrig bleibt. Die<br />
beiden bisher bekannten Quanten-Algorithmen<br />
sind in den Kästen „Der Grover-Algorithmus“ und<br />
„Der Shor-Algorithmus“ erklärt.<br />
Quantencomputing in der Realität<br />
Eine Berechnung im Quantencomputer (im<br />
Zusammenspiel klassischer Rechner mit einem<br />
Quantenprozessor) beginnt damit, dass die notwendigen<br />
Daten mithilfe eines klassischen Computers<br />
erhoben und aufbereitet werden, um sie<br />
anschließend dem Quantenprozessor bereitzustellen.<br />
Gemäß einem bestimmten Algorithmus<br />
(siehe Kästen) werden die Daten im Quantenprozessor<br />
verändert. Dazu sind vorgegebene<br />
und in ihrer Reihenfolge festgelegte Eingriffe<br />
von außen erforderlich, die beispielsweise durch<br />
genau bestimmte Laserstrahlen erfolgen. Gesteuert<br />
wird der Laser wiederum durch klassische<br />
Computer. Am Ende des Rechenvorgangs im<br />
Quantenprozessor bestimmt der klassische Computer<br />
aus der Fülle der Quantenmöglichkeiten<br />
das Ergebnis, meist durch Berücksichtigung der<br />
Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit. Anschließend<br />
wird das Ergebnis dann mit klassischen Methoden<br />
weiter aufbereitet oder verarbeitet.<br />
Die Ergebnisqualität all dieser Schritte hängt<br />
von der „Hardware des Quantenprozessors“<br />
ab, also von dem quantischen Versuchsaufbau,<br />
welcher mit der Polarisation von Photonen, den<br />
Der Grover-Algorithmus<br />
Bei der sprichwörtlichen Suche nach der<br />
Stecknadel im Heu haufen kann der Algorithmus<br />
von Lov Grover helfen. Er unterstützt<br />
die Suche nach einem bestimmten<br />
Wert in einer unsortierten Datenbank. Veröffentlicht<br />
wurde der Algorithmus 1996 - und<br />
er kann für sich in Anspruch nehmen, bisher<br />
der einzige Algorithmus* zu sein, bei<br />
dem bewiesen ist, dass Quantenprozessoren<br />
prinzipiell schneller sind als traditionelle<br />
Computer.<br />
Dabei ist der Grover-Algorithmus ein<br />
sogenannter “probabilistischer” Algorithmus.<br />
Das heißt: Er liefert mit einer hohen<br />
Wahrscheinlichkeit richtige Ergebnisse -<br />
und zudem kann die Wahrscheinlichkeit<br />
einer fehlerhaften Antwort durch wiederholte<br />
Ausführung des Algorithmus verringert<br />
werden.<br />
*Für Profis: Mit dem Shor-Algorithmus<br />
(siehe Kasten) ist ein polynomiell schneller<br />
probabilistischer Faktorisierungsalgorithmus<br />
für Quantencomputer bekannt, während<br />
kein bekannter klassischer Faktorisierungsalgorithmus<br />
polynomielle Laufzeit hat.<br />
Allerdings gibt es bisher keinen mathematischen<br />
Beweis, dass nicht doch ein solcher<br />
Algorithmus existiert.<br />
Interferenzen von Molekülen oder den Energieniveaus<br />
von Ionen oder ähnlichem arbeitet.<br />
Ausblick<br />
Quantencomputer sind mit ihrer Leistung und<br />
parallelen Berechnungsweise in der Lage, riesige<br />
Datenmengen besonders schnell und effizient<br />
zu bearbeiten. Deshalb werden in folgenden<br />
Bereichen große Verbesserungen durch den<br />
Einsatz der Technologie erwartet:<br />
• Optimieren von Logistik- und Transportprozessen<br />
in Echtzeit<br />
• Entwicklung von Medikamenten<br />
und Impfstoffen durch Nachbildung<br />
von Molekülen<br />
• Simulation und Entwicklung neuer<br />
Materialien mit spezifischen Eigenschaften<br />
und verlässlichen Vorhersagen<br />
• Wettervorhersage unter Einbeziehen<br />
unterschiedlichster Faktoren<br />
• Auswerten riesiger Datenmengen mittels<br />
Künstlicher Intelligenz<br />
Damit bietet Quantencomputing ein enormes<br />
Potential, das heutige (Super-)Computer nicht<br />
erreichen.<br />
Nachsatz<br />
Um das komplexe Thema verständlich zu<br />
halten, haben wir einige Dinge als bekannt<br />
Der Shor-Algorithmus<br />
Dieser bereits 1994 von Peter Shor veröffentlichte<br />
Algorithmus, damals Mitarbeiter<br />
der AT&T Bell Laboratories, ist der mathematischen<br />
Zahlentheorie zuzuordnen. Er<br />
berechnet einen nichttrivialen Teiler einer<br />
zusammengesetzten Zahl und zählt somit<br />
zur Klasse der Faktorisierungsverfahren.<br />
Praktisch ist der Shor-Algorithmus (noch)<br />
nicht anwendbar, da Stand 2020 (neuere<br />
Informationen sind öffentlich nicht verfügbar)<br />
keine hinreichend großen und fehlerarmen<br />
Quantencomputer zur Verfügung<br />
stehen. Eine Forschungsgruppe des USamerikanischen<br />
Unternehmens IBM hatte<br />
vor mehr als 20 Jahren einen Quantenprozessor<br />
mit sieben Qubits eingesetzt, um die<br />
Zahl 15 mit Hilfe des Shor-Algorithmus in<br />
die Faktoren 5 und 3 zu zerlegen.<br />
vorausgesetzt, etwa Quanteneffekte, oder wie<br />
Quanten prozessoren eigentlich funktionieren.<br />
Diese Themen haben wir in eigenen Fachartikel<br />
dargestellt, welche unter www.robologs.com/<br />
quantenrechner abrufbar sind.<br />
Literatur<br />
[1] Thomas Görnitz (2022), Quantentheorie<br />
verstehen, Grundlegende Vorstellungen und<br />
Begriffe, Carl Hanser Verlag, 2022<br />
[2] https://www.infineon.com/cms/de/discoveries/quantum-computing/<br />
Tom Weber (li) und Günter Kornmann (re)<br />
im Gespräch<br />
Wer schreibt:<br />
Günter Kornmann ist Diplom-Mathematiker.<br />
Seine berufliche Heimat ist die Chipentwicklung.<br />
Über Stationen bei Siemens und Infineon war<br />
er einer der Innovationsmanager bei Intel. Seit<br />
einigen Jahren unterstützt er mittelständische<br />
Unternehmen bei der Umsetzung des Innovationsmanagements.<br />
Tom Weber ist Dipl.-Ing. der Nachrichtentechnik.<br />
Er arbeitet seit 35 Jahren im Technischen Marketing<br />
und führt seit bald 10 Jahren die einzige<br />
europäische Beratungsgesellschaft für technostrategische<br />
Unternehmensentwicklung. ◄<br />
22 PC & Industrie 8/<strong>2024</strong>