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8-2024

Fachzeitschrift für Industrielle Automation, Mess-, Steuer- und Regeltechnik

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Quantencomputing<br />

Bild 2: Innenleben eines Quantencomputers © IBM<br />

Betrachten wir das Thema unter dem Aspekt<br />

eines Quanten prozessors, also als Zusatz-<br />

Recheneinheit, welche die Gesetzmäßigkeiten<br />

der Quantentheorie nutzt (Bild 3). Statt mit<br />

binären Zuständen arbeitet der Quantenprozessor<br />

mit quanten mechanischen Zuständen, wie<br />

dem Superpositions prinzip oder der Quantenverschränkung<br />

(siehe Quantentheorie und Quantencomputing).<br />

Um diese Effekte nutzen zu können, sind heute<br />

noch komplexe Versuchsaufbauten erforderlich.<br />

Diese isolieren Quantensysteme von äußeren<br />

Einflüssen. Sie erfordern das Arbeiten auf<br />

extrem niedriger Temperatur, derzeit noch nahe<br />

dem absoluten Nullpunkt.<br />

Eine der zentralen Herausforderungen für den<br />

praktischen Einsatz besteht also darin, Quantenprozessoren<br />

auch bei „Zimmertemperatur“ einsetzen<br />

zu können. Dass dies grundsätzlich möglich<br />

ist, beweist uns unser Gehirn jeden Tag.<br />

Der Motivator für all diese Anstrengungen:<br />

Erste Quantenprozessoren sind heute schon in<br />

der Lage, bestimmte komplexe Berechnungen<br />

erheblich schneller zu leisten als traditionelle<br />

Rechenzentren.<br />

Quantencomputing – erste Realisierungen<br />

Die hohen bewilligten Forschungsgelder lassen<br />

zwei Schlüsse zu:<br />

1. für das Quantencomputing existieren sehr konkrete<br />

Ansätze - aber die Technologie steckt<br />

noch in den Kinderschuhen<br />

2. beim Quantencomputing geht es um einen<br />

potenziell riesigen Markt. Wichtig ist daher<br />

eine hohe Geheimhaltung. Jede Weitergabe<br />

von Wissen oder Ideen könnte die Wettbewerber<br />

beflügeln.<br />

Beides befeuert das Rennen um einen einigermaßen<br />

praxistauglichen Quantenprozessor.<br />

Qubits<br />

Im Labor werden derzeit Rechenprozesse<br />

erforscht, welche auf die jeweiligen Versuchsaufbauten<br />

abgestimmt sind. Der Quantenprozessor<br />

in Baden-Württemberg beispielsweise arbeitet<br />

mit 27 supraleitenden Qubits, dem Äquivalent<br />

der Recheneinheit Bit im klassischen Computer.<br />

Zum Vergleich: Der größte öffentlich bekannte<br />

Quantenprozessor verfügte im November 2021<br />

laut Wikipedia über 127 Qubits und ein Jahr<br />

später über 433 Qubits.<br />

Einfachere Laboraufbauten schafften es immerhin<br />

mit 7 Qubits, die Zahl 15 in ihre Primzahlen 3<br />

und 5 zu zerlegen. Neben der Anzahl von Qubits,<br />

die zum Einsatz kommen, ist es für den Versuchsaufbau<br />

wichtig, eine geringe Fehlerquote zu garantieren.<br />

Denn nur wenn es gelingt, das Quantensystem<br />

möglichst lange in einen stabilen Zustand<br />

zu bringen, entsteht beim Auslesen der Ergebnisse<br />

eine hohe Aussagekraft (siehe Kasten Grover­<br />

Algorithmus). Deshalb hält sich auch hartnäckig<br />

die Meinung, Quantenprozessoren seien fehleranfällig<br />

und nur mäßig skalierbar.<br />

Aufgrund fehlender standardisierter Hardware<br />

von Quantenprozessoren gibt es wenig<br />

konkrete Aussagen zur Qualität der diskutierten<br />

Algorithmen. Allerdings zeigen theoretische<br />

Studien, dass mit Quanteneffekten bestimmte<br />

Probleme der Informatik, wie das Durchsuchen<br />

von riesigen Datenbanken (Grover-Algorithmus)<br />

oder das Zerlegen von großen Zahlen in Primzahlen<br />

(Shor-Algorithmus) wesentlich effizienter<br />

erledigt werden können. Quantensysteme können<br />

zahlreiche Zustände gleichzeitig annehmen.<br />

Daher können solche Aufgabenstellungen mit<br />

einer wesentlich geringeren Rechenzeit bewerkstelligt<br />

werden als mit traditionellen Computern.<br />

Das mag dann auch für weitere mathematische<br />

oder physikalische Problemstellungen mit großen<br />

Datenmengen anwendbar sein.<br />

Quantentheorie und<br />

Quantencomputing<br />

Anwendung der Wissenschaft der Möglichkeiten:<br />

Die Quantentheorie ist nicht nur<br />

die Physik im Kleinen; sie ist auch die Physik<br />

der Möglichkeiten und der Beziehungen.<br />

Sie zeigt beispielsweise, dass Möglichkeiten<br />

bereits in der unbelebten Natur reale Wirkungen<br />

erzeugen.<br />

Ein Quantenzustand umfasst gleichzeitig<br />

eine Fülle von Möglichkeiten, die alle<br />

mit diesem Zustand verträglich sind. Dieses<br />

Spektrum von Zuständen, die gleichzeitig<br />

existent und gleichzeitig gehandhabt<br />

werden, ist der Grund für die große und<br />

schnelle Rechenleistung von Quantensystemen<br />

und damit die Basis für Berechnungen<br />

im Quantencomputing.<br />

Eine weitere Tatsache der Quantenphysik<br />

ist die Superposition oder die Überlagerung<br />

von Quantenzuständen, die selbst<br />

wieder zu Quantenzuständen werden. Ein<br />

Quantenprozessor nutzt damit den Vorteil,<br />

dass neben einem vorhandenen Quantenzustand<br />

gleichzeitig auch alle anderen damit<br />

verträglichen Quantenzustände erfasst sind.<br />

Computing und Quanten computing<br />

gehören zusammen<br />

Häufig wird allein vom Quantencomputer<br />

gesprochen - ohne zu erwähnen, dass Quantencomputing<br />

nicht ohne traditionelle Rechner auskommt.<br />

Auch wenn der Quantenprozessor das<br />

gesuchte Ergebnis schneller liefert, als jedes<br />

konventionelle Rechenzentrum: Um ihn ansteuern<br />

und seine Ergebnisse auswerten und weiterverarbeiten<br />

zu können, benötigt man traditionelle<br />

Rechnereinheiten. Daher werden die<br />

beiden Rechner- oder Prozessorarten in Symbiose<br />

miteinander leben (müssen).<br />

Computing<br />

Bevor Missverständnisse entstehen: Unter<br />

„Computing“ im klassischen Sinne versteht man<br />

eine Informationsverarbeitung, die auf einer<br />

logischen Abfolge von Entscheidungen beruht,<br />

welche nach einem fest definierten Algorithmus<br />

Bild 3: Der Mikroprozessor Intel i486DX2 von 1992<br />

enthält rund 1,2 Millionen Transistoren. Heute<br />

rechnet man eher in Milliarden Transistoren pro<br />

Chip. © Pauli Rautakorpi<br />

PC & Industrie 8/<strong>2024</strong> 21

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